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  • Thema von Yun-Chan im Forum Texte aller Art, Gedic...

    Hallo,

    Ich bin seit heute hier angemeldet und hoffe, ich poste meine Geschichte ins richtige Forum.
    Sie basiert auf einer wahren Geschichte, weshalb es mir leicht fiel, sie zu schreiben.
    Vielleicht gefällt sie euch ja.

    Jetzt wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen XD

    lg

    Eure Yun-Chan

    ____________________________________________________________________________________


    Ich habe niemals an Übernatürliches geglaubt. Niemals an das Schicksal. Ja nicht einmal an die Liebe. Doch mit ihr hat alles angefangen. Stück für Stück habe ich gelernt, an solche Dinge zu glauben. Für einen unverbesserlichen, bodenständigen und sturen Realisten etwas sehr Sonderbares.

    Wenn ich heute daran denke, dann erscheint mir das alles immer noch wie ein riesiges Rätsel. Oder wie ein einfacher Traum.

    Liebe. Was war das schon? Eine einfach Illusion, ein viel zu großes Wort – mehr nicht. Das wohl unverständlichste und unlogischste aller Gefühle.

    Ich hatte mir geschworen, mich niemals zu verlieben. Doch wer kann solche Dinge schon entscheiden? Jedenfalls hatte ich gehofft mich nie zu verlieben. Doch ein Mensch kann ohne dieses wunderbare und gleichzeitig grausame Gefühl nicht leben. Er sucht es, auch wenn er weiß, dass er es nicht findet, wenn er krampfhaft danach strebt. Es schleicht sich immer dann an, wenn man es nicht will oder es einfach nicht erwartet.

    Und doch ist es passiert. Ich war machtlos, genauso wie jeder andere es in dieser Hinsicht auch ist. Es war nicht mal ein Schock für mich, dass es ein Mädchen war, in das ich mich verliebt hatte. Es war mehr die Tatsache selbst, dass ich es getan hatte.

    Ihr Name war Dana. Sie war das schönste Wesen, das auf dieser Welt wandelte, davon war ich fest überzeugt. Hüftlange schwarze Haare, große ozeanblaue Augen, die so viele Emotionen preisgaben, wie ich es sonst in keinen Augen gesehen hatte, blasse Haut, wie aus Porzellan. Doch was mich am meisten an ihr anzog, war ihre Ausstrahlung. Sie wirkte so rein, so unschuldig, schüchtern und unberührt. Doch sie war das genaue Gegenteil. Immer fröhlich, offen, selbstbewusst und hilfsbereit.

    Ich weiß immer noch nicht, wie es passieren konnte, dass so eine Person etwas Besonderes in mir sah.

    „Du hast etwas, was die anderen Menschen nicht sehen.“, hatte sie stets in mein Ohr geflüstert.

    Ihre Stimme war sanft gewesen, sie hatte nie laut gesprochen. Es hatte immer so verführerisch geklungen, hatte bei mir eine Gänsehaut verursacht.

    Doch ich habe mich nie getraut, ihr alles zu gestehen. Ich war einfach zu feige. Ich bin mir sicher, dass sie alles wusste. Sie konnte es in meinem Blick sehen, sie konnte es in meinen Küssen spüren. Wenn meine Hand ihre Wange entlang strich, wenn mein Haar sie versehentlich kitzelte.

    Selbst als sie diese Worte aussprach, auf die ich so lange gehofft hatte, blieb ich stumm. Eine Blockade in meinem Kopf versiegelte mir den Mund. Ich konnte es ihr nicht sagen. Ich konnte nichts auf ihr „Ich liebe dich.“ erwidern. Vielleicht war das der Grund, wieso sie mich verließ. Und alle anderen auch.

    Sie antwortete nicht auf meine Anrufe, ging mir so gut es ging aus dem Weg. Ich wusste, dass ich sie verletzt hatte. Meine Schuldgefühle wuchsen ins Unermessliche. Ich musste ihr erklären, dass etwas in mir diese Worte nicht aussprechen konnte. Ich war ein Gefangener meiner selbst, hatte mich in einen Käfig gesperrt und den Schlüssel weggeworfen. Sie war die einzige, der es gelungen war, an ihm zu rütteln. Eines Tages würde sie ihn ganz öffnen können, davon war ich fest überzeugt. Ich brauchte nur noch etwas Zeit.

    Ich musste ganz dringend mit ihr reden. Bisher hatte ich nur versucht sie in der Schule zu erwischen, doch sie war immer in der Nähe der anderen Mädchen, sodass ich absolut keine Chance hatte sie alleine zu sprechen.

    Also beschloss ich sie zu Hause zu besuchen, wo sie mir nicht ausweichen konnte.

    Als ich an ihrer Tür klingelte, schlug mein Herz vor Aufregung und Angst so laut, dass ich mir sicher war, es sei noch lauter als die Klingel.

    Ich atmete tief durch, um mich zu beruhigen und da öffnete sie die Tür auch schon einen Spalt breit.

    „Dana…“, murmelte ich und senkte meinen Blick.

    „Was willst du?“, waren ihre kühlen Worte, die alles in mir gefrieren ließen. Sie war also immer noch wütend.

    „Ich wollte… also…“, stammelte ich und alle Sätze, die ich mir vorher überlegt hatte, waren plötzlich vergessen.

    „Ich wollte dir… e-erklären…“

    „Ich brauche keine Erklärung, ich hab es bereits verstanden.“, sagte sie und ihr Tonfall erlaubte mir keine weiteren Worte. Sie öffnete die Tür nun ganz und ich dachte für eine Sekunde lang, dass sie mich reinlassen würde, doch sie gewährte mir lediglich einen Blick auf den Flur – in dem ein Koffer und eine kleinere Tasche standen.

    „Wieso hast du gepackt?“, fragte ich verblüfft.

    „Ich gehe weg. Nach Amerika.“, erwiderte Dana knapp und klang dabei weiterhin recht emotionslos.

    „Was?“, hakte ich ungläubig nach, doch sie antwortete nicht mehr. Nein, das konnte doch unmöglich stimmen! Wieso? Und wieso hatte sie mir nichts davon erzählt?!

    „Du… verlässt mich einfach…“, sagte ich und die Bitterkeit in meiner Stimme ließ sich nicht verbergen. Jetzt war ich an der Reihe, um wütend zu werden.

    „Einfach so! Ohne ein Wort… du hättest mir nicht Bescheid gegeben, wenn ich nicht gekommen wäre, oder?“

    Wieder antwortete sie nicht und sah nur zu Boden, während sich ihre zarten Hände an der Türklinke festklammerten.

    Ich zitterte am ganzen Leib und versuchte die Haltung zu bewahren. Ich wollte sie anschreien und gleichzeitig küssen. Sie durfte nicht gehen, ich brauchte sie. Nicht, weil ich nicht allein sein wollte. Ich brauchte sie, weil sie mein Herz besaß. Wenn sie ging, würde sie es mit sich nehmen und ich wäre verloren.

    „Wann?“, fragte ich und spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen.

    Doch sie musste nicht einmal antworten, denn ich hörte das Reifenquietschen eines Taxis hinter mir auf der Straße. Ich musste mich nicht einmal umdrehen, ich wusste es auch so.

    Ich vergaß all meine Erklärungsversuche, mein Kopf war leer. Ich hatte keine Ahnung, was ich ihr hätte sagen sollen. Diese Nachricht schockierte mich zu sehr.

    Dana hob ihren Koffer auf und nahm ihre Tasche, ging wortlos an mir vorbei. Sollte das etwas das Ende sein? Ein schweigendes Ende?

    Vielleicht hätte ich sie noch aufhalten können, wenn ich etwas gesagt oder mich bewegt hätte, aber meine Füße gehorchten mir nicht. Sie waren im Schnee festgefroren.

    Ich drehte mich langsam am und sah, wie Dana ins Taxi stieg. Plötzlich, als hätte mein Körper die Situation endlich realisiert, setzte ich mich in Bewegung und rannte los. Das Auto fuhr los, ich hastete verzweifelt hinterher.

    „Dana! Es tut mir leid!“, rief ich, doch sie konnte meine Worte unmöglich hören. Tränen und Schneeflocken versperrten mir die Sicht, sodass ich schließlich vollkommen außer Atem stehen blieb.

    Schwach sank ich in den Schnee und sah dem Taxi hinterher, bis es um eine Ecke bog. Immer wieder murmelte ich ihren Namen, hoffte, dass ich jeden Augenblick aus diesem grausamen Alptraum aufwachen würde. Doch ich wachte nicht auf. Dana hatte mich wirklich verlassen. An einem kalten, verschneiten Heilig Abend.

    Die Hoffnung, dass Dana zu mir zurückkommen würde, schwand mit jedem Tag. Ein halbes Jahr verging, ohne eine Nachricht von ihr. Ich wollte ihre Eltern fragen, wie ich sie erreichen konnte, doch in Danas altem Haus wohnte niemand mehr. Ihre Eltern waren umgezogen.

    Ich hatte keine Möglichkeit mehr, um sie zu erreichen.

    An einem regnerischen Herbsttag öffnete ich meinen Briefkasten und fand einen Brief darin. Ich öffnete ihn und nachdem ich den Text fünf Mal durchgelesen hatte, fiel mir der Umschlag aus der Hand. Der Brief war von Danas Eltern.

    Tot. Dana war tot. Sie war schon auf dem Hinflug gestorben. Sie war nie in Amerika angekommen. Ihre Eltern hatten ihren Körper zurück nach Hause geholt und waren in die Nähe des Friedhofs gezogen, um immer bei ihrer Tochter zu sein.

    Ich hätte sie aufhalten sollen. Hätte ich es getan, würde sie jetzt noch leben.

    Die Schatten legten sich wie ein dunkler Schleier über mich und ich konnte nicht mehr denken. Man fand mich ein paar Stunden später ohnmächtig auf der Straße.

    Die Last der unausgesprochenen Worte brachte mich fast um. Früher hatte ich nicht den Mut dazu, aber jetzt hätte ich es ihr gesagt. Nun würde ich die Gelegenheit dazu nie wieder haben. Außer an ihrem Grab. Dort würde ich hoffen, dass die Engel meine leise gemurmelten Worte – so wie sie es immer gemacht hatte – zu ihr tragen würden. Ich glaubte nicht an Gott, aber ich wusste, dass Dana bei den Engeln war. Sie war selber einer gewesen. Ich konnte mir keinen anderen Ort vorstellen, in den sie besser gepasst hätte. Außer vielleicht in meine Arme.

    Es ist nicht einfach, so eine Leere zu füllen. Man geht Tag für Tag einfach nur vorwärts, hat kein Ziel mehr. Man versucht sich mit sinnlosen Sachen die Zeit zu vertreiben, um nicht zu viel nachzudenken.

    Ich versuchte die Lücke mit Clubs und Bars zu füllen. Jeden Abend ging ich weg, trank alleine ein Glas Weißwein in irgendeiner stickigen Bar. Dana hatte Weißwein gerne getrunken. Dabei hatten ihre leicht geschminkten Lippen immer einen Abdruck auf dem Glas hinterlassen. Gedankenverloren betrachtete ich meins. Keine Spur von einem Lippenstift.


    Bald ging ich auch nachmittags weg. Nicht, dass ich keine Freunde hatte, ich mochte es einfach nur alleine zu sein. Ich fühlte mich dann immer so, als wäre Dana bei mir. Sie hatte nie viel geredet, deswegen erinnerte mich die Stille so sehr an sie.

    Die Erinnerungen schmerzten. Und doch wollte ich mich erinnern. Ich hatte Angst, dass ihr Anblick irgendwann ganz verblassen könnte. Das wollte ich nicht, ich wollte sie für immer in meinem Gedächtnis bewahren.

    Sie durfte nicht endgültig verschwinden.

    Mit einem leisen Glöckchenklingeln betrat ich den neuen Imbiss „Citylite“, der vor kurzem erst geöffnet hatte. Neugierig sah ich mich in dem Lokal um. Hübsche kleine Tische, auf jedem eine Kerze und Servietten. Es waren keine Leute anwesend, wahrscheinlich war es zu spät. Es war sowieso sonderbar, dass der kleine Club bis Mitternacht offen hatte, aber vermutlich musste der Besitzer gleich am Anfang richtig Gewinn machen, um in einer Großstadt zu überleben. Da verstand jemand sein Geschäft.

    Ich setzte mich an einen Tisch mit einer roten Tischdecke. Rot – das war Danas Lieblingsfarbe gewesen. Wenn ich die Einrichtung nun genauer betrachtete, war hier recht vieles in dieser Farbe eingerichtet. Der Tresen, die Tischdecken, manche Stühle.

    Unwillkürlich schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen. Schade, dass es das Citylite nicht schon früher gegeben hatte, meinem Engel hätte es hier sicher gefallen. Seufzend wandte ich meine Aufmerksamkeit der Speisekarte zu. Wenn ich schon mal da war, konnte ich ja auch gleich ausprobieren, wie hier der Kaffe schmeckte. Zum Essen war es schon zu spät, außerdem hatte ich nicht wirklich Hunger.

    „Guten Abend. Was darf ich Ihnen bringen?“, hörte ich plötzlich eine warme Frauenstimme und zuckte zusammen. Ich sah auf und ließ vor Schreck die Karte fallen.

    Das junge Mädchen, wahrscheinlich in meinem Alter, sah genauso aus wie Dana. Na ja, nicht ganz. Eigentlich ähnelten sie sich vom Aussehen überhaupt nicht, das einzige was sie vielleicht gemeinsam hatten, waren die langen Haare. Doch die Kellnerin war blond, nicht schwarzhaarig. Aber die Ausstrahlung, die sanfte Stimme und diese Tiefgründigkeit in den grünen Augen – es war genauso wie bei Dana. Wunderschön, einfach wunderschön.

    Viel zu spät merkte ich, dass meine Augen an ihr klebten. Mein Herz raste, ich konnte nichts dagegen unternehmen. Meine Lippen öffneten sich schon, um Danas Namen zu wispern, aber zum Glück besann ich mich noch rechtzeitig.

    Schnell wandte ich meinen Blick ab und drehte den Kopf zur Seite, tat so, als würde ich noch mal die Speisekarte überfliegen.

    „Einen Kaffe, bitte.“, sagte ich und wartete, bis die Kellnerin zurück zum Tresen ging. Unauffällig sah ich ihr hinterher. Sie hatte die gleiche Gangart wie Dana. Anmutige und federleichte Schritte, fast als würde sie schweben.

    Meine Hände krallten sich hilflos in meinen Rock, meine Gedanken schwirrten wirr in meinem Kopf herum. Wieso erinnerte mich das Mädchen so sehr an Dana? Weil ich sie so sehr vermisste? Bildete ich mir das nur ein?

    Ich traute mich kaum einen Blick in ihre Richtung zu werfen, aber ich musste es wissen. Vorsichtig sah ich zur Theke. Da stand sie, hielt den Blick nach unten gerichtet und wirkte konzentriert, als wäre es eine unglaublich wichtige Aufgabe, einen Kaffee für mich vorzubereiten.

    Ich beobachtete jede ihrer Bewegungen, sah immer mehr meine Dana in ihr. Nie hätte ich gedacht, dass es auf dieser Welt jemanden gab, der genauso war wie sie.


    Als sie mir den Kaffee brachte, konnte ich sie wieder nicht ansehen. Es war wie ein Fluch, der sich auf mich legte, wenn sie näher trat. Ein unsichtbarer Druck, der meinen Kopf zwang sich zu senken.

    „Danke.“, sagte ich, als sie die weiße Tasse auf meinem Tisch abstellte.

    Ich konnte ihr Lächeln nur erahnen.

    Meine Kaffeetasse war immer noch halb voll, als die Kellnerin um Mitternacht wieder an meinen Tisch trat.

    „Entschuldigen Sie, aber wir schließen jetzt leider.“

    Ihre Stimme klang angenehm, sie sprach ebenfalls nicht sehr laut. Ich nickte geistesabwesend und bezahlte.


    Draußen war es kalt. Ich wickelte meinen Schal enger um meinen Hals und vergrub mein Gesicht zum Teil darin. Im Citylite war es so schön warm gewesen, ich bereute fast, dass ich nur eine Jacke hatte. Aber ich hatte nicht erwartet, dass ich heute so lange wegbleiben würde.

    Ich bog in eine Seitenstraße ab und blieb abrupt stehen. Ein paar Meter vor mir war das Dana ähnliche Mädchen. Sie schritt in einem schnellen Tempo voran, anscheinend war ihr die Gegen nicht ganz geheuer.

    Mit einem seltsamen Gefühl im Magen folgte ich ihr. Aus irgendeinem Grund musste ich wissen, wo sie wohnte und ob sie heil nach Hause kam. Als ob ich irgendwas ausrichten könnte… aber ich fühlte mich trotzdem dazu verpflichtet.

    Ich beschleunigte meine Schritte, um mit ihr mitzuhalten. Innerlich hatte ich Angst davor, was sie wohl denken würde, falls sie mich bemerken sollte. Aber ein Teil von mir wünschte sich genau das.

    Ich musste einen sicheren Abstand bewahren, damit meine Schritte mich nicht verrieten. Ich spürte, wie mir immer kälter wurde, aber da ich ihr jetzt schon seit zwanzig Minuten folgte, konnte ich jetzt nicht einfach aufgeben, nur weil ich erbärmlich fror.

    Es hatte wieder begonnen zu schneien und machte es mir schwer, die ganze Zeit über gerade aus zu schauen. Also musste ich meinen Blick ab und zu senken. Als ich einmal wieder aufsah, war sie weg.

    Verdutzt blieb ich stehen. Weit und breit kein einziges Haus, in das sie hätte verschwinden können.

    Das seltsame Gefühl in meinem Magen wurde nur noch stärker. Vielleicht hatte ich ja wirklich nur Halluzinationen? Oder sie war einfach losgerannt, weil sie mich bemerkt hatte? Unsinn, dann hätte ich sie gesehen, so heftig schneite es dann doch nicht.

    Resigniert machte ich mich auf den Weg nach Hause. Wenn ich morgen keinen Schnupfen hatte, dann war es wirklich ein Wunder.

    Wieder saß ich im Citylite. Und sie war da. Ich hatte mir das alles also doch nicht eingebildet, denn nun waren mehrere Gäste da, die sie ebenfalls bediente. Das war ein beruhigendes Zeichen, auch wenn es mir immer noch rätselhaft vorkam, wie sie gestern einfach so verschwunden war.

    Heute hatte ich aber eine gute Taktik, um sie nicht anzusehen – auf dem Tisch lag eine Packung Taschentücher und ich musste nicht einmal so tun, als würde ich sie brauchen. Ich brauchte sie wirklich.

    Als sie kam, um meine Bestellung aufzunehmen, schnappte ich mir ein Taschentuch und nieste.

    „Eine Tasse Kaffee, bitte.“, sagte ich schon fast automatisch und wartete, bis sie ging – aber das tat sie nicht. Sie stand da und wartete wahrscheinlich darauf, dass ich sie ansah.

    Es schnürte mir die Kehle zu, ich konnte das nicht.

    „Vielleicht eine halbe Tasse?“

    Ich konnte den Anflug eines Kicherns in ihrer Stimme hören und kaum hatte ich mich versehen, blickten meine Augen auch schon direkt in ihre.

    Ein wundersames Gefühl durchströmte mich. Ein zuckersüßer Schmerz und ein Glücksgefühl gleichzeitig.

    Für einen Moment kam es mir vor, als würde sie zwinkern. Die vollen Lippen zu einem Lächeln verzogen, die Augen auf mich gerichtet, wie ein Spiegel, in dem ich mich sehen konnte. Und Dana.

    Meine Besuche im Citylite wurden zu einem Ritual, das ich zum Überleben brauchte. Ich musste dieses Mädchen sehen, sie war meine Luft zum Atmen.

    Jeden Abend saß ich dort, trank meinen Kaffee und las Zeitung.

    Erschrocken sah ich auf das Stück Zeitung, auf welches ich eben gedankenverloren etwas geschrieben hatte, mit der Absicht, es dazulassen, damit sie es bemerkte. Doch sie würde mich nicht verstehen. Sie würde mich für verrückt halten. Sie wusste nicht, dass sie mich in jeder Hinsicht an meine vergangene Liebe erinnerte. Also schnappte ich mir meinen Radiergummi, den ich zum Glück immer bei mir trug, da ich an einer Kunstuniversität studierte und ließ die Worte verschwinden.

    Es war Heilig Abend und ich hatte nichts Besseres zu tun, als im Citylite zu sitzen. Es war noch nicht sehr spät, also würde ich noch bei meinen Eltern vorbeischauen. Wie gern hätte ich diesen Abend mit Dana verbracht… oder mit dem fremden Mädchen, dessen Namen ich immer noch nicht kannte. Sie trug als einzige vom Personal kein Namensschild, was mich ein wenig wunderte.

    Konnte es sein, dass ich mich wieder verliebt hatte? Oder fühlte ich mich nur so verwirrt, weil sie Dana so ähnelte? Ich wusste keine Antwort auf diese Fragen. Ich hätte sie so gerne kennen gelernt, aber etwas in mir konnte sich nicht überwinden. Eine Blockade, eine undurchdringbare Mauer, gegen die ich machtlos war. Schüchternheit.

    Ich hatte gedacht, ich würde Dana nie wieder sehen und doch hatte das Schicksal es gut mit mir gemeint. Ich hatte jemanden gefunden, die eine zweite Dana hätte sein können. Und doch wusste ich, dass sie niemals mir gehören würde. Die Mauer würde nicht verschwinden, sie würde nur noch wachsen. Ich allein war es, die sie weiter baute.

    Ich bin mir fast sicher, dass sie genau wusste, was ich empfand. Ich konnte es spüren, wenn sie mich ansah. Ihr Blick sah durch mich hindurch, direkt in meine Seele, ließ sie schwach werden und alle Geheimnisse preisgeben, während mein Herz in Ketten gelegt wurde und ich ihr hilflos ausgeliefert war.

    Ich hasste und liebte dieses Gefühl gleichzeitig.

    Auch an Weihnachten hatte das Citylite lange geöffnet, aber nicht bis Mitternacht, so wie üblich.

    Ich verließ es auch erst nach Ladenschluss, aber nicht mit der Absicht ihr zu folgen. Ich wusste nur keine bessere Alternative, wie ich hätte den Abend verbringen können.

    In einen dicken Mantel gehüllt, schritt ich die Straße entlang, betrachtete die vielen Fußabdrücke im Schnee. Plötzlich hörte ich ein leises Lachen und ich hätte schwören können, dass es Danas Lachen gewesen war.

    Reflexartig drehte ich mich um, doch niemand war zu sehen.

    Als ich langsam weiter ging, fühlte ich mich beobachtet. Mein Blick war wieder starr auf den Boden gerichtet.

    Kaum ein paar Meter weiter hörte ich ein Knacken. Verwirrt hob ich den Fuß und bemerkte, dass ich auf ein Stückchen Plastik getreten war.

    Ich ging in die Knie und hob es auf. Ich wischte den Schnee weg und spürte wie ein kalter Schauer meinen Rücken entlang lief.

    „Unmöglich…“, hörte ich mich flüstern. In den behandschuhten Händen hielt ich ein Namensschild. Ich wusste, wem es gehörte, aber der Name konnte nicht stimmen.

    Ohne zu blinzeln starrte ich auf die vier Buchstaben. Dana.

    Ich weiß nicht, wie lange ich dort im Schnee kniete, aber mit jeder Sekunde, die verstrich, begann ich zu verstehen. Es war wirklich Dana gewesen – meine Dana. Sie hatte mich also nicht vergessen, sie war nie wirklich fort gegangen. Dieser Gedanke ließ mich lächeln.

    Ich steckte das Schildchen in meine Jackentasche und stand auf. Ich würde heute nicht mehr zu meinen Eltern gehen, dieser Abend gehörte nur Dana und mir. An ihrem Todestag wollte ich bei ihr sein.

    Langsam setzte ich mich wieder in Bewegung, machte mich auf den Weg zum Friedhof.

    Ins Citylite ging ich nie wieder. Ich wusste, dass Dana nicht mehr dort sein würde, jetzt, da ich die Wahrheit kannte.

    Jedes Mal, wenn ich in ein Café oder in eine Bar ging, bestellte ich mir einen Kaffee. Und jedes Mal erntete ich verwirrte Blicke, wenn ich nur eine halbe Tasse wollte.






    ***

    Hallo Yun-Chan , ich habe mal die, das Lesen erschwerende, Überbreite herausgenommen, die du mit dem langen Unterstrich zwischen Ankündigung und Beitrag verursacht hast. Ich denke, jetzt lässt sich der Beitrag wesentlich besser lesen!

    LG

    Harald (Harald-H, hier als Admin Arminus)

    [ Editiert von Administrator Arminus am 26.12.10 12:26 ]

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