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  • Thema von nathschlaeger im Forum Rund um Literatur, Alt...

    Ziemlich stolz und vor Freude etwas durch den Wind, darf ich hier ankündigen, dass mein zweiter Gedichtband als mein insgesamt viertes, veröffentlichtes Buch ab April im Handel erhältlich ist.

    Ankündigung des Verlags:

    Peter Nathschlägers Sprache ist zuinnerst poetisch, nicht gekünstelt, nicht verrätselt; aber alles, was sie berührt, auch die Schattenseiten des Lebens, wird lyrisch.

    Es ist die Sprache einer unmaskierten Seele; die Seele hat eine reine Stirn

    Wie die Wörter in den Gedichten miteinander korrespondieren, die Realität benennen, lässt eine tiefe Liebe zu den Menschen spüren, in ihrer ganzen Tierhaftigkeit und Größe zugleich - in all ihrem Glanz und Wahn.
    ..........................................................

    ISBN : 3-937101-61-6

    Liebe Grüße,

    Peter

  • Thema von nathschlaeger im Forum Ablage Speakers Corner

    Aufgrund eines "Verklickers" im angeschickerten Zustand habe ich meinen Account bei Nexus gelöscht. Von den Admins habe ich bisher keine Reaktion bekommen, also hab ich den Account einfach neu angelegt.

    Also, auf einen fruchtbaren Meinungsaustausch.

    lg/Peter

  • Thema von nathschlaeger im Forum Ablage Politikforum -...

    Der Text wurde von gayboy.at übernommen und nicht von mir verfasst.

    2005-07-21|11:05 - Redakteur: sta

    Zwei Jugendliche, einer von ihnen noch minderjährig, wurden gestern, 20. Juli 2005, in Mashhad im Iran wegen homosexueller Handlungen hingerichtet. Die Hinrichtung durch Erhängung fand öffentlich und im Beisein einer Vielzahl von Zuschauern statt.

    Ein Reporter der iranischen studentischen Nachrichtenagentur ISNA hatte kurz vor der Hinrichtung die Möglichkeit, mit den Angeklagten zu sprechen. Diese wiederholten mehrmals, dass sie vierzehn Monate nach dem Urteil ihre Tat bereuten und einsichtig seien. Einer der Angeklagten sagte sogar, er wusste zwar, dass homosexuelle Handlungen strafbar sind, nicht jedoch, dass sie mit dem Tode bestraft werden. Der Anwalt des minderjährigen Angeklagten Ruhollah Rasaszadeh erklärte, er habe nach dem erstinstanzlichen Urteil unter Hinweis auf die Minderjährigkeit seines Mandanten Berufung eingelegt. Das Hohe Gericht jedoch bestätigte das Urteil in der ersten Instanz. Das Urteil des Landkreises 19 wurde von der höchsten gerichtlichen Instanz im Iran überprüft und bestätigt und gestern vollstreckt.

    «Wir sind zutiefst schockiert über diesen barbarischen Akt«, erklärt dazu Bettina Nemeth, Obfrau der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien. «Wir haben sofort einen scharfen Protestbrief an die iranische Botschaft in Wien geschickt und in einer E-Mail an Außenministerin Ursula Plassnik diese aufgefordert, sowohl auf bilateralem Weg als auch im Rahmen der Vereinten Nationen geeignete Schritte zu unternehmen, um diese mittelalterliche menschenrechtswidrige Praxis des Iran zu ächten. Immerhin hat bereits 1994 der UNO-Menschenrechtsausschuss im Fall Toonen gegen Australien festgestellt, dass ein Verbot homosexueller Handlungen mit der UNO-Menschenrechtskonvention, dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, unvereinbar ist.

    «Wir erwarten von der österreichischen Bundesregierung«, so HOSI-Wien-Obmann Christian Högl, «dass sie sich sowohl gegenüber dem Iran als auch innerhalb der UNO energisch dafür einsetzt, dass nicht nur die Vollstreckung der Todesstrafe, sondern jegliche Bestrafung von einvernehmlichen homosexuellen Handlungen unter Erwachsenen überall in der Welt beendet wird, wie es dem erwähnten Urteil des UNO-Ausschusses für Menschenrechte entsprechen würde. In rund 60 Staaten der Welt besteht noch ein derartiges Totalverbot homosexueller Handlungen.

    Bilder: Agentur ISNA

    Links zu Bildern: Vorsicht, könnten schockierend sein.

    http://www.outrage.org.uk/pressrelease.asp?ID=302
    http://www.outrage.org.uk/imagezoom.asp?file=37 http://www.outrage.org.uk/imagezoom.asp?file=38 http://www.outrage.org.uk/imagezoom.asp?file=39

  • Thema von nathschlaeger im Forum Texte aller Art, Gedic...

    Nach dem letzten Streit
    um den letzten Schluck Sonne
    aus der Wodkaflasche
    hatte ich genug von dir
    und dem schweren Himmel
    über der Stadt, ich fand
    dich und deine Szene zum Kotzen
    ehrlich, ich haute die Tür zu
    und konnte zwei Wochen nichts essen

    Der Himmel knallte in uns rein
    wie Trinkspiritus auf einer
    sibirischen Bahnfahrt,
    unsere Tage waren wie Speck
    der nicht gegessen wurde und
    unser Schweigen heulte uns an
    wie abgemagerte Hyänen in
    der Stundenwüste

    Wir sind zusammengerollt
    und verknotet, uns kann
    man nicht entwirren, wir selbst
    können uns nicht entwirren
    wir sind Junkies im gleichen
    verfilzten Garten der Lüste
    und die Lüste sind unter
    unseren Fingern verwelkt;
    unsere Finger können das.

    Ich wollte nichts essen
    und nur noch kotzen aber
    es kam nur Galle hoch.
    Ich flirrte durch die Stadt
    wie ein Hitzeschatten
    ganz in schwarz und ganz
    geballte Nacht, du hast
    mich nicht gesucht und
    ich hab dich nicht gefunden

    Meine Schatten schlottern mir nach
    wie meine Kleidung an mir schlottert;
    das Fleisch reicht gerade aus
    um das Herz vor Tageslicht zu schützen
    und das die Knochen nicht bleichen
    in den hellen Stunden in denen ich
    mich vor mir verstecke.

    Fragen hingen über unserer Zukunft
    wie ein perverses Windspiel
    und der Wind bot keine Antworten an
    wahrscheinlich müssen wir uns
    nocheinmal im Fluß der alten Blicke
    waschen und gereinigt
    in die Nacht hinaus:

    Um uns im Tageslicht unserer
    Narben wiederzufinden
    denn ich möchte aufhören zu
    kotzen und aufhören
    meine Rippen zu zählen
    ich möchte jetzt wieder essen
    und auch vom Salz deiner Haut
    kosten, denn hab ich je aufgehört
    dich schmecken zu wollen?
    Denn von dir zu kosten
    ist wie ein Bad im Blut
    der Zeit.

  • Thema von nathschlaeger im Forum Texte aller Art, Gedic...

    In den sternenklaren Nächten
    hat der Sommerwind
    mir immer wieder voller Lust
    das Haar gestraft und meine Haltung
    kriegerisch bezwungen.

    Unter windgekämmten Weiden
    und auf sturmgewellten Feldern
    in voller Reife sah ich den Sommer
    kommen und gehen und auf einem
    Stoppelfeld in Zeitlupe straucheln

    Wie ein verletzter Junge
    liegt der Sommer auf der harten Scholle
    und hält sich zimperlich das blutige
    Knie, hier ist es die Sonne, die
    rotüberströmt im Wolkenherbst versinkt.

    Die heiseren Kameradenschreie
    sind in den Bädern ertrunken und
    ihre Leichen zeigen sich
    in rotbraunem Laub, das im
    klaren Wasser treibt.

    Die Badeteiche sind verwaist
    und für die grimmige Saison
    bereit, dort wo grad noch
    Blütenmenschen lachten,
    weht jetzt der kalte Wind

    Auch jetzt greift der Sternenwind
    mir sinnlich ins Gemüt, doch ist es
    nun die kalte Hand, die keinen Trost
    mehr kennt, ein klares Geheul
    aus dem Raum zwischen den Sternen

  • Thema von nathschlaeger im Forum Texte aller Art, Gedic...

    In deinen Augen ist es kalt geworden
    und dein Leib gleicht einem Winterfeld
    deine Wünsche sind erfroren
    und die silbernen Tage sind erstarrt

    Heute gleichst du kaltem Mamor
    und wo Leidenschaften waren
    sind schwarze Krähentupfer
    wie an einem kahlen Baum

    Jetzt hängt ein feuchtes Laken
    über dem, was Himmel war
    deine Augen blicken trübe
    wo für das Leben große Liebe schlug

    Du bist gefallen ohne Kenntnis
    das dein Sturz die Hoffnung ist
    die einst dein Leben heiss erfüllte
    dass nun brach wie Winterscholle liegt

    Jemand hat in alten Nächten
    deinen Nächteraum beraubt
    und hat sich alle Sterne die dir wichtig
    auf die Räuberhaut gelegt

    Die Hoffnung verlässt den Leib am Ende
    und am Ende stehst du jetzt
    dort wo die Splitter deiner Träume
    gleich Obsidian den Horizont zerfetzen

    Ich weiß nicht welches Wort
    und aus welchem kalten Mund
    deine Tage frostumhüllte
    und den Lebensmut in Starre schlug

    Doch sollte ich der Vater
    deiner kalten Blicke sein
    dann will ich hier und jetzt drum kämpfen
    das nichts mehr ist wie`s war

    Ich werde einem Falken gleich
    die Felsenwand beschreien
    bis aus kaltem Bergesfried
    ein grünes Lebenshauch erblüht

    Du bist zwar auch in Kälte schön
    und der Wintermantel steht dir gut
    doch vielmehr sollst du einem Himmel gleichen
    der ein Sommerland umfasst

    Ich möchte lieber mein Träume
    einer wilden Wiese gleich
    unter deiner Wärme strecken
    und der Acker deines Lebens sein

  • Thema von nathschlaeger im Forum Texte aller Art, Gedic...

    Es ist Nacht. Das Bild ist körnig wie bei einem nachkolorierten Schwarzweißfilm. Wir schweben in etwa dreißig Meter Höhe über der Wüste von New Mexico. Die Tonspur knistert etwas, könnt ihr das hören, habt ihr es? Gut. Auf der Tonspur läuft: „Fly me to the moon.” von Frank Sinatra. Die Wüste bietet nicht viel, der Himmel ist klar und von Sternen übersäht. Noch.

    Fly me to the moon, and let me play among the stars...

    Wir drehen etwas nach Westen ab und unser Flug führt uns über einen hohen Zaun. Die Umzäunung wirkt nicht militärisch sondern eher kennzeichnend: Hier beginnt ein Grundstück, sagt der Zaun allein dadurch, dass er da ist. In der Ferne können wir die Umrisse von etwas großem ausmachen. Wir kommen näher und sehen ein riesiges Radioteleskop. Die Antenne hat ungefähr einen Durchmesser von fünfundzwanzig Metern. Wir steigen etwas höher und sehen ein riesiges Array von gleichgroßen Antennen, die in Ypsilon Form angeordnet sind. Es sind siebenundzwanzig Antennen. Zwei davon scheinen in einer Art Parkposition zu schlummern. Die anderen lauschen in den Himmel. Wir fliegen an einer frisch geteerten Strasse entlang, die von der Ypsilonachse der Anlage nach Norden führt und kommen nach etwa einer Minute Flug zu einem Gebäudekomplex, der sich in der Mitte einer gepflegten Parkanlage befindet. Wir hören durch Frank Sinatras Song das wusch wusch wusch eines Rasensprengers.
    Jetzt fliegen wir über die kleineren Gebäude hinweg und sinken langsam beim Hauptgebäude ab. Fast überall ist es dunkel. Nur an der Westseite des Gebäudes, dessen Fassade mit viel Glas im Stil der späten neunziger Jahre verkleidet ist, brennt Licht. Wir sinken noch weiter, verharren kurz und zoomen näher ran. Da, im ersten Stock brennt Licht. Wir kommen noch näher und halten den Atem an. Dann schauen wir durch die Scheibe.

    Let me see what spring is like on Jupiter and Mars...

    Wir sehen einen großen, schlanken und recht gutaussehenden Asiaten. Er hat eine rahmenlose Brille auf, er hat den Kopf kahlgeschoren und trägt überweite Jeans und ein graues, ungebügeltes T-Shirt. Er schlummert gemütlich in einem breiten und sehr bequem aussehenden Computersessel. Er hat die Beine hochgelegt. Die Schuhe stehen neben der rechten Rolle des Drehsessels, auf dem er sitzt.
    Er zieht die Nase kraus und murmelt etwas. Er scheint gerade aufzuwachen.

    Mike Green war Computerassistent für die Astronomen des SETI Programms. Er war kein Astronom, kein Wissenschaftler, aber aufgrund von Personalmangel hatte der fünfundzwanzigjährige Japaner die Nachtschicht im Kontrollraum des VLA, des Very Large Array in der Wüste von New Mexiko übernommen. Das Budget ließ für solche Sondereinsätze großzügige Überstundengehälter zu und Mike konnte jeden Cent gut brauchen. Er war, wie so mancher Scherzkeks bemerkte, für ein Schlitzauge ein bemerkenswert großer Kerl. Mike war dabei, sich einen guten Ruf als Techniker zu erwerben, da kamen ihm solche Sondereinsätze gerade recht. SETI hatte im April 2006 Schüsselzeit gebucht und konnte bis Juni ins All lauschen. Vor sechs Monaten hatte SETI einen sehr wohlhabenden und auch sehr einflussreichen Sponsor gefunden, der nicht nur finanzielle Probleme vom Tisch gewischt, sondern auch mit ein paar Telefonaten und Emails bürokratische Hürden aus dem Weg geräumt hatte.
    Natürlich war dies alles zu schön um wahr zu sein. Mike ging davon aus, dass der Traum ein jähes Ende finden würde denn es gab nicht minder einflussreiche Stimmen, die dafür plädierten, diesen Unsinn auf VLA ein für allemal zu beenden und das Array für seriöse Wissenschaften zu nutzen.

    Die anderen schliefen. Es waren zwei emeritierte Professoren der UCLA da und drei Studenten der University of Maine. Weiters waren drei Studenten des MIT da, die ihren Aufenthalt auf VLA als Teil ihrer Abschlussarbeit in Radiologie sahen. Von all den Anwesenden die sich zurzeit auf VLA aufhielten, glaubte eigentlich nur einer der Professoren an die Möglichkeit von außerirdischem Leben. Nun, Mike Green war der Idee nicht abgeneigt, konnte aber die Verbissenheit von Professor Esswood nicht ganz nachvollziehen. Mike Green beantwortete die oft an ihn gestellte Frage, ob er an Außerirdische glaubte, gerne mit einem Zitat aus dem Film: Contact: „Es wäre doch eine ungeheure Platzverschwendung, wenn wir allein im Universum wären, nicht?“

    Also hatte Mike Green seine Nachtschicht um 19:00 begonnen. Mit ihm waren jetzt noch Professor Arrowhead und Toshi Shanida, einer der Studenten vom MIT auf dem Very Large Array. Die anderen hatten sich in einen Jeep gesetzt und waren auf ein mittelschweres Besäufnis in die nächstgelegene Stadt gefahren. Socorro lag etwa fünfzig Meilen südöstlich vom VLA. Dort gab es ein paar Bars und normalerweise fuhr Toshi bei jeder Gelegenheit mit, um sich dann gleich von den anderen abzuseilen und in einer der der Schwulenbars nach dem Mann für die Nacht zu fahnden. Doch diesmal war er hier geblieben, weil er sich eine Erkältung zugezogen hatte. Behauptete er. Mike vermutete, dass die Erkältung nur die halbe Wahrheit war. Er war eher davon überzeugt, dass Toshi sich zuviel Koks und Speed in die Nase geschaufelt hatte und nun einfach sterbenskrank war. Egal. Sie mochten sich und Mike kritisierte Toshis Lebensstil in keinster Weise.

    Gegen 22:00 Uhr hatte Mike es sich im großen und bequemen Computersessel bequem gemacht und nach einem letzten Check der Systeme die Beine hochgelegt. Die Kaffeetasse hatte er auf der Konsole links neben der Tastatur abgestellt. Dann hatte er die Brille abgenommen, seine Augen gerieben und beschlossen, für etwa zwanzig Minuten Augenpflege zu machen. Also ein Nickerchen.
    SETI unterstützte derzeit eine junge Professorin aus München, die eine erst vor kurzem entdeckte Galaxie untersuchte, der man den klingenden und fantasievollen Namen: NGC-A344.566-AC gegeben hatte. Margareta Steinbeck war für zwei Wochen nach München zurückgekehrt um Berichte abzuliefern und neue Gelder aufzutreiben. SETI spendete ihr vier Schüsseln des VLA, die weiter auf NGC-A344.566-AC gerichtet waren, während bis auf zwei Schüsseln, die in Parkposition standen, alle auf den Neutronenstern Magentars ausgerichtet waren. Im Dezember 2005 hatte Magentars die Aufmerksamkeit der Astronomen erregt, als es einen gigantischen Energieausstoß gegeben hatte. Das Magnetfeld von Magentars war Millionen Mal stärker als das der Erde. Und SETI hatte sich im Februar 2006 für Magentars zu interessieren begonnen, als man im Grundrauschen eine merkwürdige Metrik feststellte. Oder besser gesagt, vermutete.

    Mike Green erwachte gegen zwei Uhr früh. Das hatte drei Gründe, die ihm unabhängig voneinander aus dem Schlaf kitzelten. Seine Waden gribbelten, als er ein wenig die Position veränderte und wieder Blut durch die Adern floss. Das war so unangenehm, dass er nochmals die Position veränderte und mit den Zehen spielte. Er hatte umsichtigerweise die Schuhe ausgezogen und neben dem Sessel abgestellt. Ihm schien, als hätte er von einem alten Film geträumt, in dem man den Frank Sinatra Song: Fly me to the moon aus dem off hören konnte.
    Zweitens war seine Blase randvoll und er dachte, wenn er nicht sofort die nächste Toilette aufsuchen würde, dann würde sie schlicht und einfach platzen.
    Beim Zehenwackeln kam er an der leeren Kaffeetasse an und stupste sie von der Konsole. Sie zerschellte in der Stille mit einem unnatürlich lauten Knall. Mike wuchtete sich mit einem verärgerten Knurren hoch und stemmte sich aus dem Stuhl. Er fluchte.
    Er fuhr sich mit den Händen über das Gesicht und plante: Zuerst aufs Klo. Das hatte Priorität. Dann würde er in die Küche gehen um Schaufel und Besen zu holen um den Dreck wegzumachen. Wieder eine Kaffeetasse im Eimer. Esswood, der alte Hamster, zählte die Tassen. Das war ein Tick von ihm, der auf seine aktiven Tage in der University of New Jersey zurückzuführen war. Irgendwer, so hatte er mal launig erzählt, hatte dort in den neunziger Jahren mit Vorliebe aus der Bibliothek und aus dem Konferenzraum Kaffeetassen und Klopapierrollen entwendet.
    Als Mike von der Toilette zurück kam und in die Küche flanierte um den Besen und die kleine Plastikschaufel zu holen, beschlich ihn ein vages Gefühl von Angst. Er empfand es noch nicht als Angst vor einer Bedrohung sondern eher als den Schatten einer Erwartung. Irgendetwas hatte sich geändert. So wie die meisten Menschen nahm Mike Green Veränderungen oder Bedrohungen nur dann wahr, wenn sie sich sinnlich wahrnehmbar präsentierten – möglicherweise den Status Quo penetrierten und das Gleichgewicht störten; indem sie sich zum gewohnten Bild addierten und Platz einnahmen, der ihnen nicht zustand. Unheil, nahm Mike an, stellte sich immer durch sinnlich wahrnehmbare Ereignisse dar: Blitz und Donner, laute Geräusche, oder auch leises Gezischel, herumwuseln von Insekten beispielsweise. Sehr selten zeichneten sich umfassende Ereignisse dadurch aus, dass irgendetwas fehlte – die Realität um eine Instanz betrogen wurde – kurz: dass etwas aus dem großen Bild namens Status Quo entfernt worden war.
    Aber weil etwas fehlte und nicht, weil etwas zum gewohnten Umfeld dazugekommen war, steigerte sich Mike Greens Nervosität rapide, während er sich einen Kaffee runterließ. Er bückte sich zu der Lade unter der Spüle, holte Kehricht und Schaufel hervor und richtete sich auf. Dann sah er zu der Wand an der der Esstisch stand und musterte zu tausendsten Mal die kindischen Zeichnungen und astronomischen Karten, die auf eine Korkplatte gepinnt waren.
    Und während er die Ausdrucke der Sternkarten betrachtete, mit der Schaufel und dem Kehricht in der Hand, sickerte ihm langsam ins Bewusstsein, was ihn so nervös machte. Es war nicht etwas, dass zu seiner bekannten Realität dazukam. Im Gegenteil. Ihm fiel auf, dass etwas fehlte. Und zwar etwas, dass für ihn so selbstverständlich geworden war, dass er sogar damit schlafen konnte.
    Er ging zur Kaffeemaschine, nahm seine Tasse und schlürfte den ungesüßten, schwarzen Kaffee. Dann lauschte er.
    Und das, was er nicht hörte, elektrisierte ihn.

    Er hörte das polyphone Säuseln der Kühler von diversen Computern. Er hörte sein eigenes Herz in den Ohren schlagen. Er hörte das Ticken der abkühlenden Kaffeemaschine. Aber er hörte kein galaktisches Rauschen. Normalerweise war der Kontrollraum erfüllt mit einer mannigfaltigen Geräuschkulisse: Piepen und Schnattern und Keckern und Stampfen aus fernen Galaxien, erzeugt aus unterschiedlichsten Strahlungen, Planetenrotationen, dem Puls und Sterben von Sternen… Schwingungen aller Art, die durch verschiedene Sampler und Synthesizer hörbar gemacht werden. Er hatte sich so sehr an diesen Klangteppich gewohnt, dass er trotz des Lärms einschlafen konnte.
    Früher hatte er einem Astronom gleich, verbissen auf die Geräusche aus dem All gehört. Um vielleicht ein rhythmisches Klopfen zu hören, ähnlich wie in den Filmen Indepedence Day oder Contact. Bisher hatte sich ein regelmäßiges Klopfen entweder als unbekannter oder noch nicht kartographierter Spionagesatellit herausgestellt oder als Frequenzspiegelung von einer der Raumstationen.
    Diese Geräusche waren weg. Vollkommen. Mike Green empfand die Stille als bedrückend und empörend gleichermaßen. Er ging mit Kaffee, Schaufel und Kehricht bewaffnet zurück in den Kontrollraum, stellte die frische Tasse Kaffee auf dem großen Glastisch in der Mitte des Raumes ab, machte die Scherben weg und deponierte Kehricht und Schaufel hinter dem kleinen Mülleimer links neben dem Haupteingang. Dann setzte er sich in den bequemen Rollensessel, ließ die Finger knacken und beschloss, dass er etwas tun musste.
    Es gab Protokolle und Szenarien, die Handlungsweisen vorschrieben, wenn neue Geräusche dazu kamen, wenn sich Anzeigen veränderten oder einen gewissen Schwellwert überschritten. Und es gab – Gott behüte – ein Szenario für den Fall, dass ein Alarm losging. Was es allerdings nicht gab, war ein Szenario für den Fall, dass alles verstummte. An so einen Fall hatte keiner der schlauen, smarten Burschen gedacht. Mike Green verzog das Gesicht und dachte, während er die erste Fehlerroutine startete, man würde wohl die jetzt und in diesem Fall von ihm eingeleitete Prozedur als das „Green-Szenario“ bezeichnen. Er lächelte bei dem Gedanken, auf diese Weise in die Geschichte von SETI und VLA einzugehen. Das Lächeln verging ihm gründlich, als der erste Fehlerdurchlauf keine Ergebnisse brachte. Die erste Prozedur überprüfte die Hardware. Also die Verfügbarkeit der Server, der Datenbanken, die Position der Antennen, die Verbindung zu den Antennen, die Kabelwege, Router, Switches und Modems.
    Da gab es keine Probleme. Er fand lediglich einen kleinen Fehler in einer Routingtabelle im Cisco Router, der als Firewall fungierte und das Intranet vom VLA mit dem Extranet verband.
    Mike Green korrigierte den Fehler und startete die zweite Fehlerroutine. Hier wurde überprüft, ob alle Datensätze integer waren, ob der Sendefluss der Antennen den Normen entsprechend stattfand, weiters wurden Ausrichtungsabweichungen überprüft und nötigenfalls korrigiert.
    Die zweite Fehlerroutine schloss nach sechzehn Minuten mit Fehler „0“ ab. Mike beschloss inzwischen, von Kaffee auf magenschonenden Tee umzusteigen. Denn er spürte eine sehr unangenehme Aufregung im Bauch.
    Für ihn stand damit fest, dass die Antennen ausgerichtet waren und empfangsbereit, dass die Verbindung zu den Serveranlagen stand und dass die Server eingehende Daten verarbeiteten. Die Audiogeräte waren online und würden den üblichen Klangbrei liefern, wenn sie Daten bekommen würden, aus denen sie die Klänge zusammenstellen könnten. Wenn also alle verfügbaren Komponenten einwandfrei funktionierten und trotzdem kein Geblubber und Gezischel aus den Lautsprechern kam, dann drängte sich eine äußerst unbequeme Idee auf. Und das war selbstverständlich vollkommen absurd, nicht wahr?
    In der dritten Fehlerroutine spielte Mike sämtliche Sternkarten und astronomischen Karten aus dem Cache der Server in ein Backupverzeichnis und betätigte die Routine, die ad hoc Messungen direkt in den Arbeitsspeicher luden. Diese Prozedur war normalerweise nur nach Absprache erlaubt, Mike fand die bisherigen Ergebnisse allerdings so beunruhigend, dass er diesen Schritt gerechtfertigt fand. Sollten sie ihn doch nachher standrechtlich erschießen! Er schaltete über Standleitungen drei in den USA verteilte Systeme dazu. Nämlich Montana, Iowa und Virginia. Die Codes waren sofort bewilligt worden und die Datensätze wurden abgeglichen.
    Mike fiel auf, dass er, seit dem er aufgewacht war, kein einziges Mal zum Fenster hinaus gesehen hatte. Als ihm das bewusst wurde, wollte er einem Impuls nachgeben, aufstehen und mit der Kaffeetasse zum Fenster schlendern um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war. Mit den Antennen, mit der Wüste, mit dem Diamantenstaub im Himmel. Aber dann blieb er wie gelähmt sitzen. Zwei Systeme fingen an zu piepen. Dann ein drittes. Drei Monitore gaben Fatal Error aus. Die Fehler beruhten auf folgender technischen Eigenheit: Die Systeme versuchten, gerenderte Daten vom Cache oder aus dem Backup mit den neu abgerufenen Telemetriedaten abzugleichen. Änderungen wurden in neue Tabellen geschrieben und dann als neue Karten als binäre Daten im Datenbankserver abgelegt. Die Programme fanden sehr wohl die von Mike gesicherten Daten. Sie bekamen jedoch nichts über die Telemetrie rein. Für das System war das Jacke wie Hose. Ob sie nun nichts über die Antennen bekamen oder die gesicherten Datenbestände nicht fanden, war ihnen egal. Sie schlugen Alarm, weil sie nicht abgleichen konnten. Drei weitere Systeme fingen zu heulen an und ein Notfallprogramm aktivierte die Motoren der zwei auf Parkposition befindlichen Antennen und richtete sie auf zwei Standardpositionen aus. Mike sprang automatisch auf und bevor er seine Impulsivität verfluchen konnte, stand er zitternd und mit schweißnassen Händen am Fenster und sah zu, wie die Antennen über die Schienen rollten und gleichzeitig die gigantischen Schüsseln ausrichteten. Dass sah er allerdings nur an den Positionslichtern der Anlage. Denn draußen, jenseits des Fensters war es völlig dunkel.
    Mike stellte die Kaffeetasse ab und benutzte seine Hände als Sichtschutz, als er sich ganz knapp an die Scheibe stellte und hinaussah.
    Der Himmel war schwarz.
    Da war kein Stern, kein von Sternen beleuchteter Planet, keine Galaxie, kein Schimmer, nichts. Nur allumfassende Dunkelheit.
    Ich muss wen anrufen, Herrgott. Sofort, dachte Mike, bewegte sich aber keinen Millimeter.
    In diesem Moment dachte er an die vielen Opfer der neuen Modedroge Jeremiah. Frauen und Männer, die sich in Kindersprache daherbrabbelnde Kretins verwandelten und von einem „Jeremiah Land“ faselten und einen gewissen Jeremiah baten, sie doch nach Hause zu bringen. Mike nahm keine Drogen und wünschte trotzdem, dass, was er jetzt erlebte, könnte das Ergebnis eines ausufernden Drogenexperimentes sein. Vielleicht hatte ihm Toshi aus Jux und Tollerei einen Drogencocktail in den Kaffee geschüttet. Vielleicht war irgendwo auf einem geheimen Stützpunkt ein bewusstseinveränderndes Gas ausgetreten. Vielleicht gab es aber auch nur eine merkwürdige Strahlung am Himmel, der sowohl optische wie auch radiologische Effekte erzielte. Könnte ja sein. Eine Strahlung, die sowohl das Auge wie auch die Technik austrickste?
    Aber tief in sich wusste er, dass er sich irrte; einer trügerischen Hoffnung aufsaß.
    Aber wenn er sich nun täuschte und wenn die Maschinen und seine Augen Recht hatten und er wirklich sah, was es zu sehen gab; nämlich nichts, was bedeutete es dann? Die sich anbahnende Erkenntnis war ebenso berauschend wie ungeheuerlich.
    Mike ging zu den Konsolen, schaltete den Alarm stumm und beschloss dann, hinaus zu gehen um eine Zigarette zu rauchen.
    Er holte seine Jeansjacke, in der die Zigaretten steckten, schlüpfte in seine Nike Grunge ohne die Schuhbänder zu binden und wollte gerade zur Tür hinausgehen, als das Mobilteil des Telefons läutete. Er sah sich suchend im Kontrollraum um und fand es auf einem der Yamaha Verstärker. Er klemmte es sich zwischen Schulter und Wange, zündete sich eine Zigarette an und sagte leise, mit gepresster Stimme: „Mike Green, VLA, New Mexico, bitte?
    „Mike? Mike? Verdammt. Siehst du das? Kannst du es sehen?“
    Das war Donald Freeman, einer der Studenten des MIT. Ein symphatischer Bursche, dem nachgesagt wurde, dass er seine Prüfungsergebnisse her seinem guten Aussehen zu verdanken hatte als seinem Intellekt, und seiner Bereitschaft sein gutes Aussehen auch burschenhaft charmant in den Betten beider Geschlechter zum Einsatz zu bringen. Mike mochte ihn, weil er witzig und klug war.
    Jetzt klang er völlig panisch. Mike Green ging die Betontreppen hinunter und durch den Besucherempfangsraum am schlafenden Wachmann vorbei – Roger Simons pennte immer und er wurde nur deshalb nicht gefeuert, weil er so ein herzensguter Kerl war, den keiner an seine Dienstgeber verpfeifen würde. Nie und nimmer.
    Die Glastüren öffneten sich automatisch und Mike trat ins Freie. Es war auffallend kühl. es war völlig windstill und die Nacht schien klar. Die Luft war staubtrocken. Mikes Hoffnung, der Sternenhimmel könnte durch eine hohe Wolkendecke verdeckt sein, schwand still und leise dahin. Und es war ungewöhnlich kühl.
    „Mike? Sag was, um Himmels Willen!“
    Mike blies den Rauch aus und antwortete: „Welchen Himmel meinst du, Donald?“
    „Eben! Eben! Eben! Hast du die Daten neu geladen? Hast du die astronomischen Karten…“
    „Hab ich alles gemacht. Ich hab drei Checks gemacht. Die Antennen bekommen kein Signal mehr, obwohl alle Antennen online sind. Das Notfallprogramm hat die 12 und die 13 auch auf Position gebracht. Nichts, nada, gar nichts. Donny? Was geht hier bloß ab? Es gibt nicht nur keine Sterne und Planeten mehr, sogar der Mond ist weg. Und es gibt da draußen nicht mehr die geringste Strahlung. Es ist so als ob jenseits der Erdatmosphäre einfach überhaupt nichts mehr wäre.“
    „Was? Der Mond… der ist auch? Ach du Scheiße, Hurerei, verdammte!“ Mike grinste trotz des Gefühls, sich jeden Augenblick übergeben zu müssen. Und sich gleichzeitig in die Hose zu scheissen.
    Mike sah auf seine Schuhspitzen. Zuerst erschien es ihm wie ein Trugbild. Er blinzelte, aber es war immer noch da. Er sah seinen scharf umrissenen Schatten. Obwohl er weit weg von jeder Lichtquelle war. Mittlerweile war es vier Uhr früh. Zeit dass die Sonne aufging.
    „Donny? Wenn alles weg ist, alles außerhalb unserer Atmosphäre…?“
    „Was?“
    „Die Sonne…“
    „Großer Gott!“
    „Ja.“

    Mike beendete das Gespräch ohne Gruß. Er war sicher, dass er Donald nie wieder sehen würde. Niemanden mehr. Er hob die Zigarette und wollte rauchen, aber seine Lippen zitterten. Seine Hände zitterten. Er selbst zitterte.

    Der Himmel war leer. Wind kam auf. Sehr rasch, sehr heftig. Und er schien nicht aus einer Richtung zu kommen sondern von überallher in den Himmel, also hinauf zu entweichen. Sandhosen wirbelten hoch und tänzelten neckisch im Neonlicht des Parkplatzes etwa hundert Meter südlich von ihm. Die Sandhosen wurden nach oben gezogen, in die Länge gezerrt.
    Das Mobilteil piepte wieder. Mike starrte das Handy verwirrt an – es war Professor Arrowhead dran - und warf es dann achtlos weg.
    Mike keuchte. Der Luftdruck sank rapide, die Atemluft wurde dünn.
    Unter seinen Füßen spürte er die Erde beben. Zuerst war es ein kitzelndes Vibrieren. Dann verstärkte es sich und drohte, ihn umzuwerfen. Die Fenster des Hauptgebäudes klirrten und auf dem Parkplatz gingen bei ein paar Autos die Alarmsirenen an. Das Heulen und Jaulen war entnervend. Von den Antennen des VLA stiegen hauchfeine Staubfahnen gedrillt in den Himmel, der keiner mehr war.
    Mike beschloss, zurück in den Kontrollraum zu gehen und sich selbst ein Ende zu bereiten, bevor ihn der leere Himmel tötete. Der Gedanken, in der relativen Geborgenheit des Kontrollraums zu sterben, gab ihm Trost und der Gedanke, in dieser plötzlich abgeschmackten, beängstigenden kalten Welt von einer Masse Nichts aus dem leben gesaugt zu werden, ließ ihn fast hysterisch werden.
    Als er bei den großen elektrischen Glastüren angekommen war, endete das Beben und Mike drehte sich noch einmal um. Von irgendwoher kam Licht. Es kam von überall. Es war kaltes, graues Licht, dass der Berglinie in der Ferne scharfe Konturen verlieh. Aber das Licht kam nicht von der Sonne. Es kam aus dem Himmel. Es war ein grauenerregendes, feindliches Licht. Es war ein Licht zum wahnsinnig werden.
    Mike, der früher viel im Theater gewesen war und Opern liebte, dachte an Arbeitslicht. das ist das Licht, dass nach der Vorstellung aufgedreht wurde, wenn die Bühnenarbeiter die Dekoration abräumten.

    Arbeitslicht, dachte er, als er sich im bequemen Computersessel niederließ. Er seufzte.
    Arbeitslicht, dachte er, als er sich das Butterflymesser seitlich in den Hals stieß und die Halsschlagader akkurat durchtrennte. Er sank im Sessel zusammen und starrte die empört blinkenden Computerkonsolen an.
    Mike Green starb ohne all zu schlimme Schmerzen auf diesem Sessel. Seine Kleidung war blutgetränkt und das Blut tropfte von seinen Hosenbeinen und vom Lederüberzug auf den Linoleumboden.
    Er konnte sich nicht mehr bewegen als er – seltsam fern und ohne große Trauer – dachte: Sieben Milliarden Menschen im Arbeitslicht. Wer will das schon sehen?
    Ungefähr drei Minuten später tropfte kein Blut mehr auf den Boden. Nicht, weil kein Blut mehr da war, dass hinuntertropfen hätte können. Sondern weil es hinauftropfte. Zuerst langsam. Dann schneller.
    Und als sich auf dem Plafond des Kontrollraums ein dicker Blutfleck bildete, stiegen die ersten Papiere und Kugelschreiber hoch, drehten sich langsam im Kreis und klebten an der Decke.
    Weitere zehn Minuten später verloren die Autos auf dem Parkplatz die Bodenhaftung und stiegen empor in den leeren grauen Himmel. Die Antennen des VLA ächzten titanisch und die Gestänge verbogen sich mit metallischem Kreischen.
    Und so fanden die Dinge ihr Ende. Unrühmlich und in keiner Schlacht. Keine von Engelsscharen geführte Apokalypse.
    Das Arbeitslicht war aufgedreht worden und die physikalischen Grundgesetze waren beendet worden wie ein Theatereffekt.

    In other words hold my hand, in other words darling kiss me

    Wir spüren ebenfalls diesen gewaltigen Sog. Wir spüren ihn bis ins Mark. Es ist wirklich unangenehm und beängstigend.
    Viel lauter als zuvor hören wir das Geräusch des Filmprojektors. Frank Sinatra möchte noch immer zum Mond gebracht werden. Wir fragen uns hier sehr ernsthaft: Zu welchem Mond?
    Die Tonspur quietscht. Frank Sinatras Stimme verkommt zu einem hysterischen Mäusegefiepe, bevor sich die Spur gerade richtig bei der letzten Strophe des Songs normalisiert:

    In other words please be true, in other words I love you

    Das Letzte was wir sehen, ehe es uns selbst hinaus und hinauf in den grauen, kalten Himmel zieht, ist Mike Greens Leichnam, der an der Decke des Kontrollraums in seinem eigenen Blut schwebt und sich langsam um die eigene Achse dreht.

    Jetzt läuft das lose Ende des Films durch die Führung und klatscht an das Projektorgehäuse.
    Und dann ist da nur noch ein umfassendes, kaltes, weißes Licht.

    [ Editiert von nathschlaeger am 12.08.05 10:01 ]

  • Thema von nathschlaeger im Forum Vorstellung von andere...

    Hi Leute,

    Ich habe in den letzten Tagen meine Website etwas aufgemöbelt.

    Über Einträge in mein Gästebuch würde ich mich freuen :-)

    lg/Peter

  • Thema von nathschlaeger im Forum Rezensionen, Einstelle...

    Im September erscheint mein neuer Roman: Dunkle Flüsse. Einige Zeitschriftenverlage haben bereits vorab ein Rezensionsexemplar erhalten und die Zeitschrift "ADAM" hat eine erste Rezension verfasst.

    Den Text der Kritik habe ich der Website des Verlags entnommen und direkt in mein Weblog kopiert:

    Mein Weblogeintrag: http://trustno1.twoday.net/stories/897548/
    Kritiken zu meinen Arbeiten auf der Verlagswebsite: http://www.himmelstuermer.de/_peter1.htm

    Buch bei Amazon: http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/39...8745943-5394934

    Expose: http://www.lostrecords.org/exposes/patrick.html

    Für Eilige, die Kritik hier:

    Dunkle Flüsse
    Es war im Dezember 1993. Da fuhr der Baupolier, Knabenjäger und spätere Jungenmörder Frank Dohunan durch Montana, um sich einen minderjährigen Jungen zu kapern, der von nun an nur mehr ihm gehören sollte. Diesen David lockte er mit falschem FBI-Ausweis ins Auto. Auf einer Toilette verpasste er dem Jungen die erste Gewaltlektion und den neuen Namen Patrick. Patrick wurde zum Strichersklaven trainiert und übers Internet vermarktet. Jetzt, neun Jahre später, gelingt Patrick bei einem Schneesturm die Flucht vor seinem Schinder. Er landet im Jugendheim, wo er sich mit Mark, einem anderen Missbrauchsopfer, anfreundet. Es wird Liebe. Sie fliehen. Doch auch Frank ist auf ihrer Spur.
    Nach seinem apokalyptischen Russland- Roman „Die Legende vom heiligen Dimitrij" gelang Peter Nathschläger (40) jetzt eine äußerst packende Knaben-Schicksals-Odyssee durch die USA. Tiefe Abgründe, mitreißende Bilder, beklemmende Spannung. Ein gelungener Thriller! ADAM (HJH)

    ......................................................

    lg/Peter

  • Thema von nathschlaeger im Forum Texte aller Art, Gedic...

    Auf den weiten Feldern
    war
    (flapp)

    eine wilde Rabenschar
    die
    (flappflapp)
    stritt und zankte
    und kreischend

    und
    krähend
    (flappflappflapp)
    das Weiss
    okkupierte.

    Und trotz all dem
    Geflappe und Krähen
    niemals die
    Schlacht

    gegen das
    große
    (krahkrah)

    WEISS
    ge-
    WANN

    [ Editiert von nathschlaeger am 19.08.05 11:06 ]

  • Thema von nathschlaeger im Forum Texte aller Art, Gedic...

    Jetzt ist es später, jetzt ist Vollmond
    und in diesem Licht ist deine Haut
    wie ein Strom aus Milch
    Im großen Schweigen der Nacht
    bist du seltsam beweglich und deine Augen
    sind Bernstein

    weißes Licht fällt auf uns herab
    wie Schnee, wir schauen bäuchlings über die Wiese
    hinab zum silbrigen Fluss
    Meine Finger sind kleine Boote
    auf deiner Haut, dein Rücken ist geduldig
    und vollendet glatt wie das leiseste Licht
    auf dem großen Strom.

    Die Sterne waschen unser Haar
    Nacht für Nacht
    der Raum zwischen ihnen gibt uns Zeit
    und in dieser Zeit bade ich
    mein Sommerherz in einem Strom
    aus Milch und meine Finger
    spalten die Früchte der Nacht.

  • Thema von nathschlaeger im Forum Texte aller Art, Gedic...

    dein blick =
    wie eine hand
    die greift & rührt

    mal alabaster
    farbenes lächeln
    dann keuchen &
    stöhnen,

    lächelst
    einen
    pfefferminz
    sturm in den
    welken
    sommer
    tag

    &
    die welt
    zieht dich
    an fäden
    aus licht
    in den orkus
    fremder
    begierden

    diedu
    füllst mit
    einhand
    umarmung

    &
    sättigst
    mit samen
    &
    küssen

  • Thema von nathschlaeger im Forum Texte aller Art, Gedic...

    Erst jetzt, als er sein Ziel schon fast in Griffweite hatte, fragte sich Frank Staumann, ob es eine gute Entscheidung war, dem Ruf zu folgen. Er fuhr mit seinem klapprigen 79. Ford Taunus über die schnurgerade und mit nassem Laub gesprenkelte Strasse durch den tiefen Wald. Zuerst hatte er Radio gehört, dann hatte er eine CD von U2 in den Player gegeben und gerade eben wollte er Nachrichten im Radio hören, als er feststellte, dass er keinen einzigen Sender rein bekam. Frank war froh, aus Berlin wegzukommen und er war froh, diese Stelle in der kleinen Polizeiwache als Schreibkraft zu bekommen. Merkwürdig allerdings war, dass Frank jedes Mal, wenn er sich seine Vergangenheit vor Augen führen wollte, um sie mit den Aussichten für seine Zukunft zu vergleichen, nichts zu fassen bekam außer einem Gefühl von vagem Unwohlsein. Der Gedanke, dass sein leben laut seinen Erinnerungen erst mit der Abfahrt aus der Stadt begonnen hatte, zauberte zwar ei Lächeln auf seine Lippen, machte ihn aber auch nervös. Dadurch erschien ihm sein Lächeln wie das Pfeifen eines kleinen Jungen, der sich in einem dunklen Wald verirrt hatte.
    Die Jahre in Berlin erschienen ihm jetzt wie ein kaltes und distanziertes Gemälde, ebenso unangenehm wie fremdartig. Er konnte sich nicht einmal genau daran erinnern, wer ihn angerufen und ihm diesen Vorschlag gemacht hatte. Der Bürgermeister? Der Polizeichef selbst? Die Stimme – an die glaubte er sich zu erinnern – war angenehm gewesen, sogar fast lockend und sie schien die Konsistenz von Reife zu haben, wie ein voll erblühte Rose, kurz bevor sie zu welken beginnt.
    Frank hoffte, dass ihm die Abgeschiedenheit des Dorfes gut tun würde. Er glaubte sich zu erinnern, dass die Stimme gesagt hatte: „Hier wird es nicht viel zu tun geben, hören sie? Das letzte Gewaltverbrechen liegt zwanzig Jahre zurück. Viele Jugendliche hier, aber sie stellen nichts an. Treiben sich auf den Strassen rum oder ziehen wie diese Grufties über die Felder… aber es gibt hier nichts zu tun außer da zu sein, verstehen sie?“
    Frank verstand nicht genau, aber der Hinweis auf die herumziehenden Jugendlichen verschaffte ihm ein Gefühl von Melancholie und Trauer. Die Aussicht auf ein beschauliches Leben weitab vom Trubel einer vom Leben durchwirkten Stadt erschien ihm tröstlich und erstrebenswert; mehr als alles andere. Außerdem war da dieses Gefühl, heimgerufen zu werden.
    Andererseits: Was sollten Jugendliche denn hier sonst tun? Das Dorf lag tief im Wald und war über eine Schnellstrasse und eine Ortsstraße zu erreichen. Die nächste größere Stadt war vierzehn Kilometer weit weg im Norden. Etwas näher waren drei holzverarbeitende Betriebe, die hier schon vor hundert Jahren angesiedelt worden waren. Tatsächlich gehörte Cleevesheim zu einem dieser Werke – die anderen Ortschaften waren in den späten siebziger Jahren verlassen worden und dienten nun als Geisterstädte unausgelasteten Jugendlichen und Hobbygeisterjägern als Freizeitparadies. Cleevesheim war geblieben und hatte eine Kirche, zwei Wirtshäuser, eine Schule, drei geregelte Kreuzungen und wie zufällig verteilte Wohnhäuser, die sich in die bewaldeten Hügel duckten. Frank hatte ein schwarz-weiß Foto gesehen, dass wohl auch im Herbst angefertigt worden war, denn man sah fast kahle Bäume und Wege voller Laub. Er hatte das Foto etwas beunruhigend gefunden weil er meinte, hinter einem der Fenster eines Hauses den weißen Fleck eines Gesichtes gesehen zu haben. Und in dem weißen, verschwommenen Fleck ein klarer, schwarzer Umriss wie von einem zum Schrei geöffneten Mund. Er hatte das Bild sogar mit der Lupe untersucht, aber der verschwommene Fleck wurde dadurch nicht klarer umrissen sondern im Gegenteil, mehrdeutiger. Möglicherweise ergab sich der unbehagliche Eindruck aus dem gesamten Bild und nicht aus diesem Detail.
    Frank konnte sich nicht mehr erinnern, wo er das Foto gesehen hatte, unter welchen Umständen und wer es ihm gegeben hatte. Er dachte jetzt, während er mit einer Hand das Auto steuerte und mit der anderen Hand Zigarettenasche aus dem Fensterspalt stippte, dass seine ausgefransten Erinnerungen wohl denen glichen, die ein vom Alkohol gezeichneter Mann haben könnte. Alles in greifbarer Nähe und wattiert in dichtem, treibenden Nebel.
    Eine Bewegung rechts vor ihm verlangte seine Aufmerksamkeit. Er blinzelte und sah drei oder vier Personen am rechten Straßenrand gehen. Er bremste den Wagen etwas ab, kuppelte und schaltete einen Gang runter. Als er näher kam sah er, dass es Kinder und Jugendliche waren. Sie gingen in Fahrtrichtung, er sah nur ihre Rücken. Ein kleines Mädchen, das mollig in seinen rosafarbenen Anorak gewickelt war, warf einen Blick über die Schulter zurück, lächelte und winkte. Frank hob ebenfalls die Hand zum Gruß und kam sich vor, als ob er in Zeitlupe an den Jugendlichen vorbeifahren würde. Sie sahen zu ihm ins Auto: Zwei Jungs, so um die dreizehn oder vierzehn Jahre alt, ein Mädchen um die Siebzehn und das kleine Mädchen. Nette Kids, fand Frank. Er zog an ihnen vorbei und gab leicht Gas. Dann sah er in den Rückspiegel und seine Haut wurde kalt. Im Rückspiegel sah er die Strasse mit den Jugendlichen und sie schienen noch genauso so zu sein, wie gerade eben, als er an ihnen vorbeigefahren war. Aber er konnte ihre Gesichter nicht sehen, sie schienen irgendwie seitlich verrutscht zu sein oder gerade eben eine Metamorphose zu einer grässlich abweisenden Fratze durchzumachen. Irgendwie kräuselte sich da etwas, als wären ihre Gesichter nur dünner Kunststoff unter dem Insekten wuseln würden.
    Franks erster Impuls war, auf die Bremse zu steigen, er folgte aber seinem zweiten Impuls und gab Gas. Eine Sinnestäuschung, dachte er. Ich bin überlastet, ich bin müde. Da war nichts. Mein Verstand hat mir nur einen üblen Streich gespielt, oder?
    Er schnippte die halb gerauchte Zigarette aus dem Fenster und drückte den Knopf, der das Fenster ganz schloss. Die Luft draußen war feucht und kalt und jetzt zog leichter Nebel aus dem Wald über die Strasse. Eigentlich mochte Frank diese Stimmung, besonders auf Fotos, auf Gemälden und in Filmen. Hier und jetzt allerdings hatte die schauerliche Romantik sich gewandelt und wirkte ebenso zudringlich wie distanziert und abweisend.
    Nach etwa einem Kilometer sah er rechter Hand eine große Waldlichtung auf der ein uralter Steinturm stand. Das Gebäude war, schätzte Frank, etwa dreißig Meter hoch und auf der Vorderseite gab es blinde, längliche Fensterschlitze. Die Lichtung selbst wirkte heruntergekommen und war mit Unkraut und verkrüppelten, kahlen Büschen bewachsen. Frank dachte: ‚Das ist ja wirklich Abgeschiedenheit pur, das ist ja fast wie in der Twilightzone, wie in der Serie.’ Das turmartige Gebäude mit den seitlichen Dickungen war aus Ziegelsteinen gebaut, die unverputzt in den Jahrhunderten, die es schon da stehen mochte, die rußige Schwärze der Landschaft angenommen hatte. Frank fand, dass dies kein guter Ort war, so wie der ganze Wald wohl kein guter Ort war.
    ‚Aber der Wald ist einfach nur ein Wald’, sagte er sich. Und alles was daran unheimlich ist, wurde uns in Gruselfilmen eingetrichtet. Unsinn, na also.
    Wenn es nur so einfach wäre.
    War es aber nicht.
    Etwa fünf Minuten später kam Frank zu einer ungeregelten Kreuzung. Eine schmale, frisch geteerte Landstrasse querte die Strasse auf der er fuhr und im rechten Winkel der Kreuzung stand das Ortsschild: Cleevesheim. Das Schild aus Blech war alt und rostig und es sah so aus, als hätte jemand hier mit einem kleinkalibrigen Gewehr Schießübungen abgehalten.
    Frank rief sich in Erinnerung, wie man ihm den Weg zum Dorfgasthof ‚Zur Silbergans’ erklärt hatte: „In den Ort hinein, an der Kirche, an der sie links vorbeikommen noch vorbei und dann auf der geregelten Kreuzung, die aber immer auf Blinken eingestellt ist, nach rechts ab und dann gleich die Erste wieder rechts und sie sind da. Großer Kiesparkplatz, altes, niedriges Gebäude, schaut wie eingesunken aus. Ist nicht zu verfehlen.“
    Und das tat er auch nicht. Er fuhr an der Kirche vorbei, die für eine Dorfkirche viel zu groß war und mit ihren schmutzigen pittoresken, hohen Steintürmen abweisend, ja, sogar verurteilend aussah, bog rechts ab in eine kleine Wohnsiedlung und fühlte sich deplaziert und unglücklich; wie aus der Bahn geworfen. Die flachen Häuser schienen alle in den weichen Boden eingesunken zu sein, sie wirkten schief und baufällig – kurz bevor er rechts abbog, sah er auf einer Holzveranda, über die der Wind Laub verteilte, einen etwa siebenjährigen Jungen und ein kleines Mädchen. Sie schauten ihm völlig ausdruckslos nach und für eine Sekunde glaubte Frank gesehen zu haben, wie sich unzählige Kinderhände im Inneren des Gebäudes auf die Glasfläche der Verandatür pressten. Er bildete sich ein, einen klagenden Schrei zu hören – hoffnungslos und verbittert. Die Kinderhände sanken in das Dunkel zurück und Frank stellten sich die Härchen auf den Unterarmen auf. Jetzt hatte er Angst, obwohl er keine wirkliche Bedrohung ausmachen konnte. Mit einem Gefühl von umfassenden Unbehagen rollte er auf den Kiesparkplatz vor einem länglichen, ebenfalls wie in den Boden eingesunkenen Bau.
    Er stieg aus, sperrte den Wagen ab und ging zu der dunklen Holztür. Auf der rechten Seite hing eine schwarze Tafel mit dem Menü der Woche, unter dem Menü standen die Öffnungszeiten.
    Frank trat in das dunstige Dunkel des Wirtshauses.
    Seine Augen brauchten eine Weile, bis sie sich an den Dämmer der Gaststätte gewohnt hatten. Linker Hand gab es einen langen, dunkel gebeizten Tresen. Es roch nach verschüttetem Bier und kalter Zigarrenasche. Weiter hinten erhob sich ein Schemen und winkte ihm. Frank kniff die Augen zusammen, öffnete sie wieder und erkannte in dem Schemen einen großen und dicken Mann, dessen joviale Art er sofort ansprechend fand.
    „Frank, da sind sie ja. Gute Güte, ich wollte schon einen Rettungstrupp ausschicken, falls sie sich verfahren haben!“
    Frank lächelte, reichte dem großen Mann die Hand und vergaß fast augenblicklich sein Unbehagen, dass er gerade eben noch empfunden hatte. Der große Mann schüttelte die Hand wie einen Schwengel, was Frank abermals zum grinsen brachte.
    „Frank, mein Name ist Walter Curette. Ich bin sozusagen ihr Vorgänger und meine Aufgabe ist es, sie rasch und gründlich einzuweisen. Das wichtigste zuerst: Die Polizeiwache ist bis auf sie unbesetzt. Ermittlungstätigkeiten gibt es hier nicht wirklich – wie gesagt, das letzte Verbrechen ist zwanzig Jahre her… wie alt, sagten sie, sind sie?“
    „Ich bin… zwanzig Jahre alt. So ein Zufall, nicht? Sagen sie, ihr Nachname. Curette, das klingt französisch, oder nicht?“
    Sie setzten sich an einen länglichen Tisch im hintersten Winkel des Lokals. Walter Curette lächelte Frank vorwurfsvoll an und antwortete mit abweisender Mine: „Aber nein. Curette kommt aus dem Lateinischen. Ist ein unglücklicher Name. Als Curette bezeichnete man früher den Schaber, mit dem der Unterleib einer Frau nach der Abortion ausgeschabt wurde. Eine Methode, die gottlob fast nicht mehr zum Einsatz kommt.“
    Frank nickte unangenehm berührt. Walter Curette stand nach einem kurzen Moment des Schweigens auf, ging hinter en Tresen und brachte zwei Maß Bier und einen Teller mit Knabberzeug.
    Frank trank und knabberte an Erdnusslocken; sein Gastgeber sah, dass ihm eine Frage auf dem Herzen lag: „Sie sehen aus, wie jemand, der jetzt sofort eine Frage stellen muss, bevor er explodiert.“
    Frank nickte und stellte den Krug an.
    „Also, schießen sie los, mein Junge!“
    „Sie erwähnten bisher zweimal, oder sogar dreimal, wenn ich mich nicht täusche, ein Verbrechen hier im Ort. Was war es? Was ist geschehen?“
    „Oh!“ Walter Curette fuhr zurück und schaute Frank wie einen Jungen an, der soeben etwas absolut obszönes von sich gegeben hatte. Dann sagte er leise und geheimnisvoll: „Also bitte, wenn sie es wirklich hören wollen…“
    Frank wollte. Er wollte noch eine Weile hier sitzen und sich die Geschichte von diesem Waldschratt anhören und dann zur Polizeiwache fahren um seinen Dienstort kennenzulernen. Er glaubte sich zu erinnern, dass man ihm ein Zimmer in einem Einfamilienhaus versprochen hatte. Dort wollte er anschließend hin um sich wohnlich einzurichten.
    Walter nahm noch einen großen Schluck von seinem Bier, wischte sich über den hellblonden, wild sprießenden Bart und sagte: „Also gut. Vor zwanzig Jahren war dies hier ein blühender Ort. Und dieser Gasthof hier gehörte Rainer Braun. Er war geschieden und weil seine Frau schwere Alkoholikerin war, zog er Miriam groß, seine damals siebzehnjährige Tochter. Miriam war ein hochanständiges und hübsches Mädchen. Wenn sie nach der Schule nach Hause kam, dann machte sie Hausaufgaben und später half sie ihm als Schankkraft. An manchen Tagen wäre er ohne sie ganz schön aufgeschmissen gewesen. Miriam war zu einer wahren Schönheit herangewachsen und es war nur natürlich, dass sich die Jungs schön langsam für sie zu interessieren begannen. Am meisten Eindruck hinterließ wohl Martin Steiner bei ihr. Er war so alt wie sie, ein hübscher dunkelhaariger, schlanker Junge, charmant, witzig und belesen. Martin war der Sohn einer begüterten Familie, die etwas außerhalb von Cleevesheim ein kleines Gestüt betrieben. Rainer Braun war ein frommer Mann, um nicht zu sagen, ein Eiferer im Namen des Herrn. Als er erfuhr, dass Miriam sich mit diesem Jungen traf, tobte er fürchterlich, schrie über Höllenfeuer und Gottes Zorn und verbot ihr, sich weiterhin mit diesem schlechten Jungen zu treffen.
    Und was glauben sie? Natürlich haben sich die zwei jungen Leute weiterhin getroffen. Jetzt, da Miriam so verliebt war, hatte sie zum ersten Mal wirklich Zorn auf ihren Vater – Martins Eltern waren sehr liebevoll zu ihr. Und es geschah, was geschehen musste. Ein anderer Junge, der ebenfalls Miriam für sich wollte, verbreitete das Geheimnis, dass ihm zufällig zu Ohren gekommen war, nämlich dass Miriam von Martin schwanger war. Das sprach sich blitzschnell herum und im Oktober 1985 lud Rainer Braun seine Tochter und ihren Freund zu einem, wie er sagte, Informationsgespräche ein. Er klang so versöhnlich, sagten Leute, die im Gasthof waren, als er seine Tochter mit der Einladung an Martin losschickte. Martin kam. Rainer Braun schloss an diesem Abend schon um 21:00 seine Gaststätte. In dieser Nacht verschleppte er die jungen Leute in den Keller, kettete sie dort an die Wand und quälte sie vier Tage lang. Er nahm bei seiner Tochter, die er zum Teil, so wie den Jungen lebendig gehäutet hatte, mit einem weißglühenden Metallrohr eine Abtreibung vor. Sie starb daran. Der arme Junge musste das alles mit ansehen. Zum Schluss kastrierte er Martin Steiner mit einer glühenden Zange und warf ihn nackt und entstellt in einen ausgetrockneten Brunnen unter dem Keller. Schrecklich, was?
    Man fand ihn an dem Tag, an dem man Rainer Bauer verhaftete. Fünf Tage nachdem er die jungen Leute in den Keller verschleppt hatte, also einen Tag nach dem Mord an seiner Tochter, wurde Rainer Braun verhaftet. Martin Steiner wurde ins Landeskrankenhaus gebracht und lag im Koma.
    Als sich herumsprach, welch ein grässliches Verbrechen hier verübt worden war, zogen fast alle Leute von hier weg. Und Cleevesheim war kurz davor, ebenso eine Geisterstadt zu werden wie die umliegenden Ortschaften. Doch dann zogen Leute in die leeren Häuser ein. Es sind seltsame Leute. Sie sind friedlich, aber auch ein wenig unheimlich…“
    Frank hatte sein Bier ausgetrunken und stellte den Krug auf den Tisch, genau auf den Wasserring, den das Glas auf der Tischfläche hinterlassen hatte.
    „Großer Gott! Um Himmels Willen, dass ist doch furchtbar! Die armen Kinder!“
    Walter nickte traurig. „Das ist es wohl. Wussten sie, dass es eine Legende über die Seelen der abgetriebenen Kinder gibt?“
    „Nein. Kenn ich nicht! Muss ich das kennen?“
    Walter nickte: „Es könnte ihnen helfen, hier einiges zu verstehen.“
    „Sie wachsen, wissen sie das, nein? Die Seelen von Kindern, die noch vor der Geburt abgetrieben wurden, wachsen heran und werden zu Kindern, zu Teenagern, zu jungen Männern und Frauen – sie wachsen solange heran, bis der letzte Mensch stirbt, der sich an sie erinnern kann.“
    Das Gespräch nahm eine völlig abgedrehte Wende und Frank fühlte sich zutiefst unbehaglich. Er rutschte unruhig auf der harten Holzbank herum, griff nach dem leeren Bierkrug und drehte ihn auf dem Tisch.
    „Sie sind Geister. Sie sind die wahren Geister. Und sie sind trübe Spiegelungen einer Möglichkeit – sie sind die nebulöse Antwort auf die: ‚Was wäre aus dem Kind geworden, wenn man es nicht abgetrieben hätte’ Frage. Verstehen sie?“
    Frank fuhr von der Bank hoch und fuhr sich mit den Händen an den Kopf. Er wimmerte. Dann schrie er den Mann an: „Woher wissen sie das alles? Wer erzählt ihnen solche schauderhaften Sachen? Und, um Gottes Willen, warum erzählen sie mir das alles? Wollen sie mich vertreiben? Bin ich nicht geeignet für ihren komischen, was weiß ich für einen Job?“
    „Es gab noch ein Verbrechen, nein, eigentlich einen Unfall mit Fahrerflucht. Ein junger Mann überfuhr an einem Herbstnachmittag vier Kinder. Zwei vierzehnjährige Knaben, ein siebzehnjähriges Mädchen und ein siebenjähriges Mädchen.“
    Frank wich mit verzweifelter Mine zurück und stolperte rückwärts auf den Ausgang zu.
    Dann flüsterte er, denn der umfassende Schrecken der Idee, die ihm gerade durch den Kopf schoss, raubte ihm die Stimme: „Hatten sie schon einen Namen für das Kind? Weiß man, ob es ein Mädchen oder ein Junge geworden wäre?“
    Walter Curette stand ebenfalls auf und hob beschwichtigend die Hände. Dann sagte er leise und wie es Frank erschien, mit einem leisen Bedauern: „Es wäre ein Junge geworden. Das stellte man später bei der Obduktion fest. Und es war allgemein bekannt, dass sie das Kind nach Martins Großvater nennen wollten.“
    „Wie?“
    „Frank.“
    „Oh mein Gott nein! Ich muss, nein ich will hier sofort, ich muss hier weg!“
    „Ich fürchte, das geht nicht, Frank. Die Geister abgetriebener Kinder können eigentlich nur dort sein, wo sie geboren wurden, indem man sie tötete. Uns ist nicht ganz klar, wie du es schaffen konntest, fast zwanzig Jahre lang völlig zu verschwinden. Die Leute vom Orden würde das sehr interessieren.“
    Frank umklammerte sich und wimmerte: „Nein, nein, nein… ich bin kein Geist, ich bin kein ermordeter Embryo. Wieso bin ich hier? Wieso heute, warum jetzt?“
    Walter kam zu ihm, packte ihn an den Armen wie um ihn auf Distanz zu halten und antwortete: „Es ist dein Vater. Er ist damals nicht gestorben, aber er verlor den Verstand und fiel ins Koma. Er ist gestern aus dem Koma erwacht. Er ruft nach dir. Schon seitdem er wach ist. Er scheint zu wissen, dass es dich gibt, dass es dich so gibt, wie du jetzt bist.“
    „Wie gibt es mich denn? Was bin ich?!“
    „Frank, du bist existent. Aber nicht am Leben!“

    Frank empfand die Hände von Walter Curette als einengend und unangenehm und wand sich aus seinem Griff. Er schnaufte, wischte sich die Wangen trocken und hob sein Gesicht um in die Augen des großen Kerls zu sehen: „Wieso kann ich dich spüren, wenn ich ein Geist bin?“
    Walter schmunzelte: „Weil ich ebenso durchlässig bin wie du, Junge.“
    Frank stolperte rückwärts auf die Tür zu, die rechts vom Tresen in den Keller führte. Walter rief ihm halblaut nach: „Geh zu deinem Vater. Zeig dich ihm. Er soll sehen, dass all das Leid nicht vergebens war denn er wird dich wie einen Mensch sehen und nicht wie einen Geist.“
    Frank schüttelte entsetzt den Kopf, und machte ein paar schnelle Schritte auf den Ausgang zu. Als er sah, dass Walter einen Schritt auf ihn zu machte, rannte er so schnell er konnte auf den Ausgang zu, riss die Tür auf und stürzte ins Freie. Die Helligkeit, die durch die dichte Wolkendecke drang, blendete ihn und er tappte sich am Kühler entlang zur Fahrertür, sperrte auf und schwang sich hinter das Lenkrad. Seine Gedanken überschlugen sich wie panische Hunde in einem Raum, in dem Feuer ausgebrochen ist. Aber am deutlichsten war der Gedanken: „Ich lebe. Ich bin. Ich denke, fühle, ich nehme mich wahr. Ich bin am Leben!“
    Er ließ den Motor an und schaute durch die Windschutzscheibe auf die Eingangstür der Gaststätte. Eine nebelartige Präsenz quoll aus der Finsternis hinaus in den späten Tag. Frank schrie auf, knüppelte den Rückwärtsgang rein und preschte kiesverspritzend nach hinten aus dem Parkplatz.
    „Oh nein oh nein. Das ist ein übler Scherz den man sich mit mir erlaubt. Ich bin nicht tot. Ich bin nicht tot.“
    Eine andere Stimme in seinem Kopf meldete sich zu Wort. Sie klang so wie ein Mund voller Erde: „Stimmt, du bist nicht tot, weil du nie gelebt hast. Was du bist, ist eine vage Möglichkeit, die Gestalt angenommen hat.“
    „Oh nein!“
    Frank raste mit hundertzwanzig Stundenkilometer an der Kirche vorbei und über die Kreuzung auf die schnurgerade Waldstrasse. Durch den Motorlärm und das Rauschen des Fahrtwindes hörte er ein nervöses Klappern, als würden gigantische Holzrollos herabgelassen werden.
    Er kam an dem unheimlichen Steinturm vorbei, verdrehte den Hals um ihn zu sehen und kam von der Spur ab. Als er wieder nach vor blickte, sah er nur wallenden, blendenden Nebel. Und aus dem Nebel schälten sich vier Gestalten. Er kam viel zu schnell auf sie zu um anders zu reagieren: Er ließ das Lenkrad los, schlug die Hände vors Gesicht und raste in die Kindergruppe. Er hörte, wie er ein Kind niederpflügte und er wusste, dass der heisere Aufschrei von einem der Jungen kam, der zur Seite in den Wald geschleudert wurde. Das siebzehnjährige Mädchen wurde unter den Reifen zermalmt, der zweite Junge wurde ebenfalls in den Wald geschleudert und brach sich an einem Baum das Genick. Er konnte hören, wie der Leib des Jungen auf dem Baumstamm aufschlug.

    Als er die Hände vom Gesicht nahm, war da nur Dunkelheit und Stille. Nein, jenseits seines panisch schlagenden Herzens war da ein rasselnder, feuchter Atem. Seine Augen gewöhnten sich an das Dunkel und er konnte Schatten ausmachen. Und einer der Schatten bewegte sich auf ihn zu. Der Schatten öffnete den Mund und flüsterte: „Hallo mein Sohn.“
    Frank begann hysterisch zu weinen. Durch seinen Tränenschleier sah er eine kümmerliche, gebückte Gestalt auf sich zu humpeln. Nackt und ausgemergelt. Im fahlen Licht, das durch ein blindes Fenster in den Keller fiel, sah er die grässlichen Brandwunden am Unterleib des verkrüppelten Mannes.
    Der gebückte Mann mit den langen, strähnigen Haaren beugte sich vor und sagte leise: „Du hast die Kinder umgebracht. Sie kamen jedes Jahr zum Todestag von Miriam, um Blumen auf ihr Grab zu legen. Das Grab bei der alten Abtei. Sie wussten, dass Miriam schwanger war, als sie starb. Es gab fünf lebende Menschen, die sich heute noch an dich erinnern konnten. Jetzt bin nur noch ich da.“
    „Und wenn du eines Tages nicht mehr da bist?“
    Dann, dann gibt es keine Erinnerungen mehr an dich, die dich hier halten. Denn weißt du, du warst immer hier.“ Er tippte sich an die Stirn: „Immer.“
    Frank umklammerte sich und stand auf. Er ging auf die erbärmliche Gestalt zu, die unverständlicherweise noch am Leben war. „Ich werde dir beweisen, dass ich kein Geist bin, alter Mann. Ich werde es dir beweisen.“
    Frank umfasste den Hals von Martin Steiner, der vor drei Wochen aus der Klinik entlassen worden war und sofort hierher geeilt war um seinen Sohn zu befreien, in dem er sich opferte, und drückte zu. Ihm schien, dass der Alte lächelte, als er starb.
    Frank stieß einen hohen, bitteren Schrei aus, als der alte Mann zusammensackte und mit einem furchtbar endgültigen Geräusch auf dem Boden aufschlug.

    Später öffnete Frank die Augen und sah weißen Nebel. Ihm war kalt. Lebte er noch?
    Hatte er je gelebt?
    Er spürte, dass er auf dem Boden kniete. Es war ein Holzboden. Er war nackt. Hinter sich hörte er das Flüstern von Kindern. Sie flüsterten in einer ihm völlig unbekannten Sprache.
    Der Nebel lichtete sich und er sah, dass er neben anderen Kindern in einem dunklen Raum kniete. Vor sich sah er ein Verandafenster, durch das Licht hereinfiel. Er sah an sich herab. Sein zwanzigjähriger Leib war dem Körper eines unförmigen, riesigen Babys gewichen. Er tappte sich vor, stieß andere Kinder auf die Seite und presste, so wie sie, seine pummeligen Hände an die Scheibe.
    Er hörte einen Automotor. Er kannte den Klang des Motors. Draußen auf der Veranda standen ein Mädchen und ein Junge, er vielleicht sieben oder acht Jahre alt, sie in etwa fünf. Als er den Mund öffnete um sie zu fragen, wer sie seien, kam nur unverständliches Gebrabbel über seine Lippen. Doch der Junge schien ihn zu verstehen. Der Junge flüsterte ohne sich umzudrehen: „Wir sind alle deine Möglichkeiten. Wir sind, damit du niemals fliehen kannst. Du bist das Ergebnis, wenn ein Niegeborener mordet.“
    Frank stieß einen verbitterten, klagenden Schrei aus. Die beiden Kinder auf der Veranda starrten unverwandt über den Garten hinaus auf die Strasse.
    Er spürte, wie er mit den anderen formlosen Kinderkörpern vom Fenster weg ins Dunkel zurückgezogen wurde. Es tat weh, es tat so schrecklich weh.

    Draußen rollte ein alter Ford Taunus vorbei. Drinnen saß ein junger Mann, der einen beunruhigten Blick zur Seite warf. Und dann bei der Kreuzung rechts abbog.
    _________________

  • Thema von nathschlaeger im Forum Texte aller Art, Gedic...

    Die beiden Frauen saßen auf der Veranda, trotzdem dem kalten Herbstwind, der die Wolken nach Westen schob und tranken Tee. Die Ältere strickte an einem Schal. Nicht, weil sie Lust dazu hatte oder weil irgendwer einen Schal brauchte, sondern aus dem gleichen Grund, warum manche Männer bei jeder Gelegenheit mit ihrem Schlüsselbund spielten.
    Die jüngere Frau wärmte ihre Hände an der dampfenden Teetasse und schaute traurig über die abgeernteten Felder hinüber zu dem kleinen, gelben Licht ihres Küchenfensters, knapp einen Kilometer von hier.
    Sie saßen auf weißgestrichenen Korbstühlen, die inzwischen die Farbe von altem Staub angenommen hatten. Über ihren Köpfen hingen aus Korb geflochtene Blumenampeln mit Herbstgestecken. Der Wind rührte an ihnen und an den beiden hölzernen Windspielen, die melodiös klapperten.
    „Wie geht es Gus?“ fragte die ältere Frau. Sie sah kurz zu ihrer jüngeren Freundin. Beide hatten die Gesichter von Frauen, die auf Farmen groß geworden waren. Sie hatten die Art zu schauen, die Farmersfrauen zueigen ist: Ein Blick, der in der Ferne das Wetter deuten kann, im Zug der Vögel den Wechsel der Jahreszeiten erkennt. Blicke, die frische Luft gewohnt sind.
    „Gus geht es soweit wieder ganz gut. Seine Wade war brandig. Wird aber wieder.“
    „Wird er das Pferd erschießen? Lelant ist doch ein guter Gaul und…“
    „Hat wohl kaum einen Sinn mehr, ihn zu erschießen, was?“
    Die ältere Frau nickte bedächtig, legte ihr Strickzeug auf den Schoß und nippte an ihrem Tee.
    „Rachel?“
    Die jüngere Frau sah die stämmige Farmerin an und zuckte mit den Schultern. „Wann sagten sie, kommt er?“
    Rachel schwieg eine Weile, nippte an ihrem Tee und schaute dann auf ihre Armbanduhr: „In zehn Minuten kommt er hier vorbei, Eve.“ Sie deutete in den Himmel.
    Sie lehnten sich zurück, schwiegen und tranken Tee. Nach einer Weile holte Rachel eine zerdrückte Schachtel Zigaretten aus der Tasche ihrer Strickweste und schüttelte sich eine Zigarette heraus. Sie klemmte sie zwischen die Lippen, zündete sie an und inhalierte gierig; unterdrückte ein Husten. Eve grinste, griff über den Tisch und legte ihre Hand auf Rachels Unterarm. „Ein bißchen spät, um sich Lungenkrebs einzufangen, was?“
    Rachel lachte schrill auf und äscherte auf den Verandaboden. Sie stand auf und ging zu der Treppe. Eine einfach gekleidete Frau, um die Vierzig, mit grauen Strähnen im rotblonden Haar. Sie sah nach Osten, wo der Himmel klar war und so dunkel, daß man ihn sehen konnte: Ein rötliches Flackern am Sternenhimmel; eine Illusion von Wärme und Geborgenheit.
    „Ich wollte dich das nicht fragen, aber egal. Solltest du nicht bei Gus und deinem Sohn drüben sein? Phil ist erst vierzehn und er wird sich fürchten, wenn er kommt…“
    „Wir alle fürchten uns. Ja, das tun wir. Ich fürchte mich jedenfalls. Nein, ich sollte nicht da drüben sein. Sie kommen ohne mich bestens zurecht. Sie sind Männer und sie werden dem allem, was da kommt, wie Männer begegnen müssen. Was auch immer sie glauben.“
    Das Flackern wurde größer und heller. Und nun schien ihn ein Klang zu begleiten, den nur die Erde hören konnte und den sie als niederfrequentes Brummen wiedergab.
    Drei Militärjets bissen sich von Norden her in den Himmel – eine sinnlose Geste der staatlichen Funktionalität.
    Der Wind griff ihnen böig und kalt ins Haar. Von drinnen hörten sie eine alte und gebrechliche Stimme: „Eve! Komm rein und mach die Tür zu. Sonst geht noch was kaputt hier, wenn er kommt. Eve, hörst du mich? Mach Bretter vor die Fenster und schließ die Tür ab.“
    Eve lächelte Rachel liebevoll an. Rachel sagte: „Ich bin hier, weil ich hier am glücklichsten war. Hier hatte ich alles, was ich brauchte, um zu wissen, warum ich lebe. Und das ist alles, was ich mitnehmen will. Meine glücklichen Erinnerungen.“
    „Wie Peter Pan ins Nimmerland? Um zu fliegen?“
    Rachel nickte. Dann verzog sich ihr Gesicht vor Gram, als das Fauchen der am Horizont verschwindenden Jets von einem unangenehmen, feurigen Röhren übertönt wurde.
    „Da ist er. Wolf Biederman.“
    Eve nickte, wickelte sich in ihren Anorak und stand auf. Das Strickzeug fiel mit einem leisen Klappern zu Boden. „Armer Wolf Biederman. Wenn alle Welt seinen Namen nur wegen seiner Entdeckung kennt. Und diese Entdeckung kommt um alles zu…“
    „Ja. Wir hatten es gut hier. Wir hatten unsere Momente…
    „Unsere Stunden und Tage…“
    „Als wir grillten und die Männer einfach Väter und die Kinder einfach Söhne waren…“
    „Die Kinder da am Hof, Phil und Cynthia und David…“
    „Achja, der kleine David, schade um ihn… er war ein so ein netter Junge. Scheiß Irakkrieg. Scheiß Minen.“
    „Ja. Und jetzt ist er ein Krüppel…“
    Das Röhren zerbiß die Dunkelheit und verdrängte die Stille an den Rand der Welt. Wolf Biederman knatterte und röhrte und donnerte über den Nachthimmel, Staubteufel stiegen auf und spiralten trunken in den Himmel; er fraß sich in die westlich gestauten Wolken. Das Wolkennest schien aufzuatmen, als seine Glut sich an den Wolkenbergen mästete – wie ein rötliches Herz, das langsam schlägt.
    Das Donnern verlor sich im Westen und am Himmel drehte sich eine gedrillte Rauchspur.
    „Wann?“
    Eve kam zu Rachel und umarmte sie. Sie küßten sich auf die Wangen und rochen die Frische allen Lebens.
    „Wir hatten gute Tage.“
    „Ich weiß." Ihr Gesicht drückte reine Bitternis aus: "Und alles wird gut.“

    [ Editiert von nathschlaeger am 19.10.05 14:05 ]

  • Thema von nathschlaeger im Forum Texte aller Art, Gedic...

    In all den Nächten
    denen Tage folgten
    und das Grau des Morgens
    uns immer auseinander riss
    um der Pflicht des Lichts
    zu folgen,

    War Liebe stets die
    stärkste Macht
    und alles verneigte sich
    vor ihr in Demut.

    Wann immer unsere Leiber
    sich umfassten und durchdrangen
    wann immer Münder tonlos
    Ewigkeit beschworen,
    wann immer das Dunkel wich
    und der Morgen samten grau
    dem unerforschten Land entfloh,

    Glaubten wir ohne Unterlass
    der Liebe und dem Leben
    beugten unser Haupt,
    in Demut vor der
    allerstärksten Macht

    Wann immer wir die Sprache verloren
    und am Ende aller Worte waren,
    so wie Wanderer am Ende ihrer Reise
    das Gestade finden, wußten wir
    im Licht der Sterne und der fliehenden Nacht:

    Von der schöpferischsten aller Mächte;
    ließen wir uns führen und einen,
    erhitzte Körper und Seelen die wir waren
    und wie wir waren und wie wir sind:

    War Liebe stets
    die stärkste Macht,
    und wir verneigten uns
    vor ihr in Demut

  • Thema von nathschlaeger im Forum Texte aller Art, Gedic...

    Das dachte sie: Ich könnte dich lieben. Aber wir werden es wohl nie erfahren, wir zwei. Das ist der Grund, warum ich so traurig bin.

    Die Lichter des alten Ford Taunus schnitten sich durch den dichten Schneesturm. Es war spät, etwa drei Uhr morgens. Es war Mitte Dezember. Die heftigen Schneefälle hatten sich den ganzen Monat über angekündigt. Die Bewölkung war dichter geworden, das Licht matter. Und irgendwie – so schien es – war alles leiser geworden.
    Nur nicht das Ticken im Herzen von Susan Eliot. Dieses Ticken war deutlich schneller als ihr eigener Herzschlag. Und das war kein Wunder. Es war der Herzschlag ihres ungeborenen Kindes. Nur im Herzen einer werdenden Mutter zu hören. Zu früh für medizinisches Gerät um festzustellen, ob es ein Junge oder Mädchen werden würde, aber zu spät, um geleugnet zu werden: Sie war schwanger. Der Vater? Schon längst über alle Berge. Einer jener Wanderarbeiter, der seine Arbeitskraft und seinen Samen über alle Bundesstaaten verschleuderte, mit einem schiefen Grinsen und unwiderstehlicher Mannhaftigkeit im Gesicht. Ausgestattet mit einer unwiderstehlichen Masche, mit der er bei jungen Frauen landen konnte, die in kleinen Industriekaffs im nördlichen Wyoming ihr Dasein fristeten. Und für jeden zärtlichen Blick empfänglich waren, egal, wie intensiv das Wort „Egoist“ dahinter flackerte.
    Das war auch der Hauptgrund, warum sie dachte, daß sie das Kind lieben könnte: Den ungeborenen Sohn, das ungeborene Mädchen. Das bevorstehende Leben mochte das Resultat einer Hingabe sein, die völlig unbedacht auf dem Billardtisch im Hinterzimmer eines Nachtlokals kurz vor Sperrstunde gewährt worden war. Auch wenn sie später dachte, daß der Mann sich nur in ihr erleichtert hatte, mit diesem charmanten Jungengrinsen im Gesicht, tatsächlich hatte sie sich gefühlt wie eine Toilette aus Fleisch und Blut, ein Behältnis, in das der Mann sein Glied versenkte, um seine Tierhaftigkeit herauszuspritzen – es änderte nichts. Die Bereitschaft zu lieben schien ihr zum greifen nahe, eingebettet in ihre Gene. Susan Eliot war keineswegs prüde. Dennoch war dieser Mann der Dritte, mit dem sie Sex gehabt hatte. Und er war der Erste, dem sie aus einer momentanen Laune ihren Körper zur Verfügung gestellt hatte.
    Und trotz dieser tröstlich nahen Liebe, die sie zu geben bereit war, saß sie in dieser smaragdharten Nacht in ihrem Auto, behielt die Tachonadel im Auge, die Temperaturanzeige und die Geschwindigkeit. Die Katzenaugen am Straßenrand wiesen ihr den Weg. Ein gerader Weg. Hinauf nach Montana, nach Red Lodge. Mike Fisher, der jahrelang seine Praxis in Sheridan gehabt hatte, war vor einigen Jahren mit seiner Frau in ihre Heimatstadt gezogen und hatte dort seine Praxis aufgemacht. Dem neuen Arzt, der nun auch schon seit acht Jahren in Sheridan ordinierte, traute sie nicht ganz über den Weg. Er war zu gelackt, zu jung und zu akademisch.
    Der Schneefall ließ merklich nach. Drei Uhr früh, fand Susan, war die Wolfsstunde. Friedlich, aber nahe am Geheul einsamer Wölfe.
    Der Himmel riß auf und in den Rissen in der Wolkendecke konnte sie den Glanz der Sterne sehen. Sie fuhr langsamer, denn in den flachen Schneeverwehungen, die wie Zungen von den Feldern auf die Strasse lappten, rutschte der Wagen immer wieder seitlich weg und sie hatte Mühe, ihn auf Spur zu halten. Die Konzentration forderte ihren Tribut. Sie hatte sich vorgenommen, die Strecke auf einen Sitz durchzufahren. Um nicht noch einmal nachdenken zu müssen. Sie hatte sich entschieden. Sie hatte Mike Fisher angerufen und den Termin für Freitag vormittag vereinbart. Sie hatte die Arbeit an ihrem neuen Buch unterbrochen, bitter geweint. Nichts ihren Eltern gesagt. Weder von dem, was in dieser Nacht im Hinterzimmer von Ronnys Nighstalker Livingroom passiert war, noch davon, was sie nun zu tun gedachte. Sie war fünfundzwanzig Jahre alt. Sie mußte selbst wissen, was sie tat. Sie hatte sich immer durchgesetzt, gegen ihre Eltern, die benachbarten Farmer, gegen Männer, die allein lebende Frauen als widernatürliche Gefahr für die christliche Gesellschaft sahen.
    Sie hatte immer schon gewußt, daß sie schreiben wollte. Und das tat sie auch. Nicht, daß sie davon reich geworden war, aber sie konnte sich das kleine Farmhaus leisten, daß acht Meilen südlich von der Farm ihrer Eltern befand.
    Sie lenkte den Wagen an den Straßengraben und ließ ihn sanft ausrollen. Sie stieg aus, zuckte unter dem eiskalten Funkeln der Sterne zusammen und sah nach Norden, wo die Wolkendecke wie abgeschnitten endete, ausfranste und den nachtpolierten Himmel freigab. Der Anblick beruhigte und tröstete sie. Sie beugte sich in den Wagen und nahm die Thermosflasche vom Nebensitz. Sie trank Kaffee. Sie lauschte in sich. Ob sie das Kind hören konnte. Susan sah sich um. Die Sicht wurde zunehmend klarer – die Wolkendecke riß weiter auf, wie Stoff, der auseinandergerissen wurde. Der Mond ließ gelbes Licht auf die weite Landschaft fallen. Alles war still und weich. Das Land legte sich in erstarrten Wellen zu ihren Füßen nieder. Gegen Norden wurden die Hügel höher und steiler, alles stieg an; näher zum Mond, näher zum Himmel.
    Du solltest das sehen, dachte sie. Mit deinen eigenen Augen. Und riechen und fühlen. Weißt du was? Ich habe Angst vor dir. Das der Samen deines Vaters stärker sein könnte als meine Liebe und das du werden könntest, wie er ist. Damit könnte ich nicht leben. Ich kann dich nicht alleine groß ziehen und dir all den Halt bieten, den ein Kind braucht, ein Teenager. Und später, ein junger Erwachsener. Ich bin nicht… ich bin nicht darauf vorbereitet, Mutter zu werden. Nicht so, nicht auf diese Art. Nicht mit einem Vater, der nie ein wirklicher Vater sein kann, der meine Brustwarzen geknetet hatte wie Hartgummi, als es ihm kam. Und der vermutlich dachte, ich sei geil, als er mein schmerzverzerrtes Gesicht gesehen hatte. Weißt du, wann es mich vor ihm ekelte? Als ich seinen glasigen Blick sah. Seine feuchte Unterlippe, das glänzende Kinn. Als er seinen feuchten Schwanz an meiner Jeans abwischte.
    Er hat etwas von sich in mir zurückgelassen. Und das wächst heran. Es könnte etwas von ihm in dir sein. Etwas von seinem Wesen. Und vielleicht würde ich dann auf dein Grinsen immer wieder hereinfallen, so wie ich auf das geile Grinsen deines Vaters hereingefallen bin. Es würde mich daran erinnern – immer und immer wieder, daß ich in dieser Nacht nicht glücklich war, nicht einmal befriedigt. Nur auf grimmige Art zurechtgerückt.
    Susan stieg in den Wagen und ließ den Motor an. Sie stellte den Hebel auf Fahrt, wischte sich die Augen trocken und gab Gas. Als sie auf die Straße sah, war es zu spät. Der Wagen ruckte und die dunkle Gestalt wurde auf den Kühler geschleudert. Sie bremste so hart sie konnte und der Körper rutschte links von der Motorhaube in den dichten Schnee.
    „Oh mein Gott. Ach du heilige… gute Güte!“ Susan stieg aus, am ganzen Körper zitternd, und tastete sich an der Wagenseite entlang. Im Mondlicht sah sie, daß sie einen Mann angefahren hatte. Einen jungen Mann, nein, einen Jungen. Er hatte eine gefleckte Armeehose an, Schnürstiefel und einen schwarzen Anorak, dessen Kapuze mit einem Pelz besetzt war. Er hatte eine schwarze Haube auf, die er tief in die Stirn gezogen trug. Er hatte jede Menge Eisen im Gesicht. Ein Piercing in der Unterlippe, eines im linken Nasenloch, zwei Ringe oben im rechten Ohr. Er war etwa fünfzehn Jahre alt. Er robbte einen Meter von ihr weg, schüttelte den Kopf und sah sie dann über die Schulter an. „Aua!“ Das klang nachdrücklich und empört. Er setzte sich auf, streckte die Arme, verdrehte den Kopf und ließ das Genick knacken. „Madam, das war ein Volltreffer. Ich bin wahrscheinlich der einzige, der hier auf dieser Strasse zu Fuß geht. Und sie sind wahrscheinlich die einzige, die hier mit dem Auto lang fährt. Echt, ein Volltreffer.“ Er grinste. Susan spürte einen kleinen Stich im Herz. Das war dieses kleine geile Grinsen, als ob sie hier eine Teenagerversion von Robert, den Ficker Wanderarbeiter vor sich hätte. Nur war dieses Grinsen wesentlich zärtlicher, sehr jungenhaft und auch ein wenig unsicher.
    Verrückterweise fragte er sie: „Haben sie sich was getan? Verletzt?“
    Sie schüttelte langsam den Kopf. Dann antwortete sie: „Nein, nichts. Was ist mit dir? Was machst du überhaupt hier draußen? Um die Zeit? Hast du dich verletzt? Tut dir was weh?“ Er schüttelte den Kopf und stand auf. Er putzte sich den Schnee von der Hose, vom schwarzen Anorak. Sein Grinsen verschwand und er sah sie ernst an: „Könnten sie mich mitnehmen? Es ist echt arschkalt hier draußen.“ Susan war unsicher. Sollte sie? Oder war das ein ausgetüfteltes Überfallsmanöver? Sie sagte: „Also ich weiß nicht, ich…“
    „Kommen sie, Lady. Sie haben mich angefahren. Hier, wo in dreißig Meilen Umgebung genau gar nichts ist. Außer ungefähr drei millionen Tonnen Schnee und Eis, geben sie sich nen Ruck, ok?“
    Er sah sie treuherzig an und blinzelte ihr zu. Sie nickte zögernd, dann nachdrücklich. Er ging um den Kühler herum, machte mit den Zeigefingern ein Kreuz und flüsterte lächelnd: „Weiche, Satan. Du hast mich ins Knie gefickt.“
    Susan lächelte ihm über das Autodach zu: „Wo lernt man solche Ausdrücke, junger Mann? Nehmen sie sich zusammen!“ Er lachte und stieg ein. „Sind sie ne Lehrerin?“
    Sie schloß die Fahrertür, startete den Motor, brachte den Wagen auf die Strasse und fuhr los. Er hatte sich die Füße abgeklopft, als er sich in den Wagen gesetzt hatte, um keinen Schneematsch auf der Fußmatte zu hinterlassen. Das war weiß Gott keine große Sache, aber Susan wertete das als sichtbares Zeichen einer guten Erziehung. Obwohl er aussah wie der typische Skaterpunk, ein White Trash Kid, war an seinem Benehmen nichts wirklich Flegelhaftes. Unter seiner schwarzen Haube quollen goldblonde Haare hervor wie Stroh aus einer aufgerissenen Matratze. Wieder ein Stich in ihrem Herzen. Sie fuhr vorsichtig, geradezu ängstlich. Immerhin hatte sie jetzt einen Passagier. Er lümmelte sich in die rechte Ecke, wischte mit dem Ärmel über die beschlagene Seitenscheibe und sah hinaus.
    „Wie heißt du?“
    Er sah sie aufreizend an und antwortete: „Weiß nich´. Geben sie mir einen Namen.“ Sie erwiderte seinen Blick verunsichert und doch auch amüsiert. Die Begegnung hatte eindeutig etwas Traumhaftes und unwirkliches. Und: Sie mochte ihn. Es regte sich etwas in ihr, daß ihr völlig neu war. Das wärmende Gefühl eines Instinkts. Es umfaßte und durchdrang sie. Noch hatte sie keinen Namen dafür, aber sie ahnte, daß ihr dieses Gefühl auf Dauer gefallen könnte.
    Sie überlegte eine Weile und sagte dann: „Ich nenne dich Mark. Paßt das?“
    Er legte den Kopf schief als ob er nachdachte und nickte dann bedächtig: „Klingt gut. Und wenn sie es sagen, klingt es besonders gut. Echt schrill.“
    Susan lachte. Sie lenkte den Wagen mit knapp sechzig Meilen pro Stunde auf der schnurgeraden Straße nach Norden.
    Er fragte: „Was machen sie eigentlich…“
    Sie fragte: „Was machst du eigentlich…“
    Sie lachten. Dann lächelten sie. Sie fühlte sich wohl. Und auch verwirrt.
    „Ich habe heute am Vormittag einen Termin beim Arzt in Red Lodge.“
    „Sie fahren von Wyoming nach Montana um einen Arzt zu treffen? Lady, daß ist kraß.“
    „Er war früher in Sheridan. Er zog vor ein paar Jahren mit seiner Frau nach Red Lodge. Ich vertraue ihm. Und für das, was ich vorhabe, brauche ich einen Arzt, dem ich vertrauen kann.“
    „Das klingt ziemlich dramatisch, Ma´am, wenn ich das mal sagen darf.“ Er machte mit seiner Stimme John Wayne nach und sie sah zu ihm rüber und sie mußte schon wieder lachen. Es war nur ein Junge. Ein hübscher Junge. In seinem Gesicht war noch viel kindliches, eine Art unbefleckte Freude, trotz all dem punkigen Zeug. Er war wahrscheinlich ungefähr so unverdorben wie der Morgentau im Sommer, wie der erste Schnee des Winters. Er sah sie auffordernd an. Sie antwortete seinem Blick: „Ich will nicht darüber reden, ok?“
    „Ok. Aber sie könnten drüber reden, wenn sie wollten, ja?“
    „War das jetzt eine Einladung?“
    Mark nickte ernst. Dann flüsterte er: „Mir kommt vor, daß man immer dann sagt, man möchte nicht drüber reden, wenn man sich nicht hundertprozentig sicher ist, daß es richtig ist, was man tun will.“
    „Oder, ob es andere verstehen. Meine Eltern würden es nicht verstehen. Nein, sie würden es absolut nicht verstehen. Ich verstehe es nicht einmal selbst.“
    „Das ist blöd.“ sagte Mark.
    Sie schwiegen fast eine Stunde lang. Sie ließen die Wolkendecke hinter sich, fuhren unter Sternen. Das Land schimmerte samtblau. Mark drehte eine Zeit lang lustlos an den Knöpfen des Radios herum. Als er merkte, daß er entweder nur Rauschen oder religiöse Sender rein bekam, ließ er es bleiben. Schließlich brach Susan das Schweigen und sagte leise, fast flüsternd: „Ich bin schwanger. Und ich will das Kind wegmachen lassen.“ Sie wußte nicht, warum sie das einem ihr völlig fremden Jungen anvertraute, aber sie hatte in der letzten Stunde darüber nachgedacht. Sie war sicher, daß sie einfach explodierte, wenn sie nicht darüber sprechen würde. Von dem Jungen schien ein merkwürdiger Sog auszugehen. Etwas dunkles und verlangendes, nichts aber, daß auch nur im entferntesten als bedrohlich aufgefaßt werden konnte. Sie versuchte, das Thema zu wechseln: „Du hast mir noch immer nicht gesagt, was du hier heraußen treibst. Mitten in der Nacht, in dieser… Endlosigkeit.“
    „Ich dachte, ich muß raus, wissen sie? Ich war schon im Bett und alles, und auf einmal dachte ich, ich muß aufstehen und los. Das war so gegen halb elf Uhr nachts. Meine Mutter ist heute Nacht auf einer Party wegen einem Buch oder so.“
    „Und dein Vater?“
    „Den hab ich nie gesehen. Mama weint manchmal wegen ihm. Ich glaube, mein Vater war ein Scheißkerl. Ich hasse ihn. Ich bin raus… dann nahm mich ein Reisevertreter mit. Ich hatte schon Angst das er, sie wissen schon, also das er mir an die Wäsche wollte. Wollte er aber nicht. War echt nett. Aber bei Truxhall war Schluß. Er fuhr auf den Parkplatz von der Motelanlage… sie müssen da auch vorbeigekommen sein, und da ging ich einfach weiter. das Beste ist: ich hab keine Ahnung wieso. Ich komme mir echt völlig verheddert vor…“
    Susan stutzte. Sie kannte das Wort verheddert im Zusammenhang mit Verwirrung. Sie hatte es in ihrem letzten Roman einem alten Trinker in den Mund gelegt. Nicht auf der Bestsellerliste. Aber die Schecks kamen regelmäßig und sicherten ihren kleinen Haushalt.
    Sie sah, daß Mark an seinem Knie herumrieb. „Ist was? Hast du dich doch verletzt?“
    Er zuckte mit den Schultern, beugte sich vor und dröselte die Stoffschnur auf, mit der man die Hose unten so zubinden konnte, daß sie eng am Stiefel anlag. Dann zog er das Hosenbein bis zum Knie hoch. Über dem Knie hatte er einen dunklen Bluterguß. Er fluchte leise: „Verdammt. Das Spiel nächste Woche kann ich mir schenken.“ Er rieb über die Stelle und zog Luft zwischen den Zähnen ein. Susan flüsterte: „Das sieht aber übel aus. Es tut mir so, es tut mir leid Mark, echt.“
    Er machte einen Schmollmund, zuckte mit den Schultern und schenkte ihr ein entwaffnendes Lächeln: „Ich bin ja hier blöd in der Gegend rumgestanden.“ Er schob das Hosenbein nach unten und band es zu.
    Es wurde fünf Uhr früh. Die Dunkelheit wurde durchlässiger. Susan nannte dieses ‚nicht ganz dunkel sein’ in ihren Geschichten gerne „katzengrau“.
    Sie sah aus dem Augenwinkel, daß Mark mehrmals ansetzte um etwas zu sagen. Er holte Luft, beugte sich vor, verknotete die Finger – all das, Zeichen dafür, daß er etwas loswerden wollte aber nicht wußte, wie.
    „Mark? Du willst doch etwas sagen, nicht?“
    „Mhm.“
    „Raus damit.“
    Er druckste noch eine Weile rum und er tat ihr schon leid, da fragte er gepreßt: „Ma´am, was denken sie: Kann es Entscheidungen geben, die man trifft, und dann irgendwie, ich weiß nicht, für immer bereut, daß man sie getroffen hat? Das man sich wie in der Hölle vorkommt, weil man sich immerzu fragt: Was wäre gewesen, wenn ich das nicht getan hätte? Wenn ich mich anders entschieden hätte?“ Er atmete auf. Es war heraußen.
    Sie kamen an ein paar Tankstellen vorbei. Flache Motelanlagen versanken im Weiß der Felder. Hin und wieder ein anderes Auto, ein früher Truck. Alles sehr langsam und bedächtig.
    „Du meinst mich damit, ja? Weil ich abtreiben lassen möchte.“
    Mark wurde rot. Das konnte sie sehen. Er stotterte, als er antwortete: „Ich... ja, äh… Es geht mich ja wirklich nichts an und überhaupt. Aber… ich meine… glauben sie, daß diese Frage nicht kommen wird?“
    „Was für eine Frage? Ob die Entscheidung richtig war?“
    „Nein. Ich meine, nicht nur. Wie er oder sie jetzt aussehen würden. Wenn sie, was weiß ich, sieben Jahre später an einem Spielplatz vorbeigehen, ja? Und sie sehen da die Kinder spielen. Was würden sie fühlen? In welchem Zimmer würde das Kind leben? Welche Freunde hätte es? Und wie warm würde sich das Lächeln in ihrem Gesicht anfühlen?“
    Susan dachte, die letzte Frage könnte sie beantworten. So wie deines, dachte sie. Genau so wie deines. Wenn du mein Sohn wärst, würde ich dich lieben. Ich könnte dich lieben. Wirklich, das könnte ich. Sie sah ihn mit soviel Zärtlichkeit an, daß er sich berührt abwendete, an seiner Unterlippe kaute und zum Fenster hinaus sah. Etwas später sagte er leise: „Es tut mir leid, das war wohl etwas… unverschämt.“
    Sie legte ihm ihre rechte Hand auf die Schulter und sagte erstickt: „War es nicht. Es waren die einzig wichtigen Fragen. Für hier und jetzt waren sie richtig.“
    Er wirkte erleichtert. Aber er sah sie auch nicht mehr direkt an, so, als ob er etwas in ihrem Blick entdecken könnte, daß ihn unangenehm berühren würde. Er knabberte am Daumennagel und starrte zum Fenster hinaus.
    Sie erreichten Red Lodge im Morgenverkehr. Im Norden erhob sich majestätisch der Bears Tooth Gebirge, glitzernd im Morgenlicht. Mark wurde unruhig. Er wetzte am Sitz herum, knetete wieder seine langen, schlanken Finger. Sie blieb bei einer roten Ampel stehen. Rechts war eine Bäckerei, gegenüber ein Frühstückscafe, auf der anderen Seite ein Haushaltsgeschäft und eine Wäscherei. Er wirkte auf einmal gehetzt. Er flüsterte rasch: „Ich steig hier aus. Ich geh da rüber auf einen Kaffee…“
    „Soll ich dich nicht wieder mitnehmen? Nach Sheridan? Ich fahre in zwei- drei Stunden zurück, wenn ich das… erledigt habe.“
    „Nein danke. Ich besuche hier einen Schulfreund… und äh, ja, dann fahr ich mit einem Trucker zurück. Wäre ja nicht das erste mal.“
    „Weiß das deine Mutter? daß du dich da so rumtreibst?“
    Er war schon halb aus dem Wagen, als er sich umdrehte und sie umwerfend anlächelte: „Ich fürchte ja, Ma´am. Vor ein paar Wochen hat sie mal zu mir gesagt, ich sei ein Rumtreiber. Und ich soll bitte, wenn ich jemals als Anhalter fahren sollte, nur bei alten Ladies mitfahren. Aber mir ist noch nie etwas passiert. Kann auch gar nicht. Ich bin ein Glückskind.“
    Und damit knallte er die Beifahrertür zu und war mit ein paar großen Schritten beim Frühstückscafe.
    Sie glaubte ihm kein Wort. Er hatte hier sicher keinen Freund. Er wollte nur aus dem Wagen raus. Sie sah ihm nach, wie dieses Bündel an Jugendlichkeit im Geschäft verschwand, da hupten hinter ihr die Autos. Es war grün und sie fuhr los.
    Später, auf dem Parkplatz vor dem kleinen Einkaufszentrum, hinter dem Mike Fisher seine Praxis hatte, blieb sie im Auto sitzen und dachte nach. Gründlicher denn je. Aber sie dachte in Gefühlen und Bildern, nicht in Sätzen. Sie hörte Wortfragmente, wie Echos, eine Kinderstimme, die „Mama“ sagte. Die Frage, wie warm ein Lächeln sein kann, glitzerte im Morgenlicht.
    Der Sonnenaufgang war ein goldener Farbenrausch. Alles war hell und groß. Die Klarheit des jungen Morgens war erschütternd.
    Ein alter Mercedes rollte auf den fast leeren Parkplatz. Sie sah auf – alles verschwommen wegen der Tränen. Es war Mike Fisher. Sie kurbelte das Fenster hinunter: „Hallo Mike.“
    Der dicke, kleine Mann mit der Stirnglatze drehte sich um, bückte sich, um in den Wagen sehen zu können. Er verzog das Gesicht zu einem strahlenden Lächeln und breitete die Arme aus: „Sue, Schätzchen. Da bist du ja schon. Wie war die Fahrt? Ach scheiße, wie geht es dir, Liebes?“
    Sie stieg aus. Wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht und lächelte tapfer.
    Dann gingen sie hinein.

    Zwei Stunden später kam Susan aus der Praxis. Sie ging aufrecht, mit erhobenem Haupt. Sie lächelte.
    Das Ticken unter ihrem Herzen hatte aufgehört. Nein, besser: Es hatte sich in etwas anderes verwandelt. In ein kleines Herz, daß auf sein Recht pochte, schlagen zu dürfen.

    An diesem Tag fuhr sie gegen drei Uhr Nachmittags nach Hause zurück. Bereit, den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen. Und vielleicht auch bereit, in Zukunft nicht mehr nur an sich selbst und an ihr eigenes Leben zu denken sondern auch an das Leben eines Menschen, der mit Herzschlag und Geschrei, mit Lachen und Weinen sein Recht einforderte, am Leben zu sein.

    Sechzehn Jahre später kam Susan Eliot gegen vier Uhr früh von einer Preisverleihung nach Hause. Ihr letztes Buch war vom Buchhändlerverband Montana gewürdigt worden, sie hatte eine Ansprache über sich ergehen lassen müssen und eine Rede gehalten. Sie hatte abgewunken, als man sie zum verstärkten Zechen verleiten wollte und nur bis Mitternacht geblieben. Sie wollte noch in dieser Nacht nach Hause zurück fahren. Sie hatte ein paar recht gute Ideen und Stimmungen, die sie in einer Kurzgeschichte unterbringen wollte. Und hier bei diesen zwar freundlichen, aber auch aufdringlichen Leuten wollte sie nicht bleiben. Sie verabschiedete sich vollkommen nüchtern, setzte sich in ihren Wagen und fuhr nach Sheridan, wo sie noch immer lebte. Wo sie ihre Romane schrieb, schön langsam Gefühle für den jungen Tischler Sam Sheppard entwickelte, wo ihr halbwüchsiger Sohn in seinem Zimmer schlief. Sie hoffte, daß er schlief. Er war so ein Rumtreiber. Immer unterwegs, immer Ameisen im Arsch. Sie befürchtete, daß er sich auch im Winter rumtrieb. Es hatte heftig geschneit, aber die Strassen waren gut geräumt. Und der Junge hatte einfach soviel Hitze in sich, daß ihm der Winter einfach egal war.
    Sie erreichte die Einfahrt zu ihrer Farm gegen halb fünf Uhr morgens. Sie stellte den Wagen hinter dem Haus ab, ging in die Küche und brühte sich koffeinfreien Kaffee auf. Während das Wasser im Kocher heiß wurde, ging sie auf Zehenspitzen in den oberen Stock und öffnete leise die Tür zum Zimmer von Mark. Sie hatte ihn so genannt, weil der Junge so geheißen hatte, der ihr damals, nervös und ängstlich die richtigen Fragen gestellt hatte. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, ob der Junge ihr je seinen wirklichen Namen gesagt hatte; war ja auch egal. Sie konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, wie er ausgesehen hatte. Wenn sie sich die Fahrt von damals in Erinnerung rief, war sie nie ganz sicher, ob sie sich das nicht einfach nur zusammen fantasiert hatte. Ein schöner Junge, der philosophische Fragen stellen konnte, aussah wie ein kleiner Punk?
    Sie stolperte über Marks Schnürstiefel, die er mitten im Zimmer hatte stehen lassen. Sie nahm sie, unterdrückte einen Fluch und stellte sie in den kleinen Abstellraum. Dann stolperte sie über seine Hose. Sie hob sie hoch. Es war die gefleckte Armeehose, die er seit einem Monat Tag und Nacht trug. Sie roch daran. Sie roch wie ein Wintertag.
    Mark lag im Bett. Die Decke hatte er runtergestrampelt. Er hatte nur seine weißen Shorts an. Er atmete ruhig, gleichmäßig. Er war so schön und sie war so stolz, seine Mutter zu sein, daß sich ihr in solchen Momenten immer ein Kloß im Hals steckte. Sie flüsterte: „Mein schöner Sohn. Mein Sohn.“
    Sie zog einen Zipfel der Bettdecke unter Marks Füßen hervor und er drehte sich mit einem Seufzen zur Seite, preßte sich die Faust unter das Kinn und kaute auf der Unterlippe. Das tat er immer. Immer, wenn er gut drauf war, glücklich war, aufgeregt oder wenn er gut schlief. Sie wollte ihm schon die Decke überziehen, als sie im Licht des Korridors einen Fleck auf seinem rechten Knie sah. Sie ging etwas zur Seite, um mehr Licht auf die Stelle fallen zu lassen. Sie unterdrückte einen Schrei. Sie unterdrückte sogar ein Wimmern.
    Mark hatte über dem rechten Knie einen ziemlich dunklen Bluterguß.
    Sie blieb an diesem frühen Morgen lange am Bett ihres Sohnes sitzen. Sie streichelte sein Haar und er kuschelte sich im Schlaf näher an sie ran. Als er noch nicht geboren war, da hatte sie gedacht: Ich könnte dich lieben.
    Als er dann zur Welt kam, dachte sie: Ich werde dich lieben. Und jetzt dachte sie, daß ihr Sohn sein und ihr Leben gerettet hatte, bevor er geboren worden war. Er hatte das schiefe Grinsen seines lang vergessenen Vaters, aufgelockert durch all die Liebe und Fürsorge, die sie ihm geben konnte.
    Unten in der Küche kühlte das Wasser im Schnellkocher ab. Hier oben im Zimmer ihres Sohnes gab sie Salbe auf seine Wunde. Zwischendurch wachte er einmal kurz auf, blinzelte. Sah sie an. Zuerst unsicher, dann mit einem müden und nachlässigen Grinsen: „Mama? Was´n los? Alles klar? Wie wars?“
    Sie sagte: „scht, scht. Schlaf. Schlaf weiter.“
    Sein Kopf sank auf das Kissen zurück, seine langen, blonden Haare verteilten sich wie ein Heiligenschein auf dem Kissen. Er flüsterte irgend etwas von einem irren Traum, den er gehabt hatte. Sie stand auf und ging zur Tür, als sie ihn noch einmal murmeln hörte. Sie blieb stehen. Drehte sich um und lauschte. Es war der Tonfall, der sie aufhorchen ließ. Wortfetzen, sein Atmen. Dann: „… und wie warm würde sich das Lächeln in ihrem Gesicht anfühlen?“ Fast unverständlich. Aber doch. Sie unterdrückte ein Schluchzen und ging aus dem Raum. Sie war so glücklich, daß sie am liebsten geschrieen hätte. Aber statt dessen flüsterte sie nur: „Sehr warm. Die beste Wärme aller Zeiten.“

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