Titel: Athanasia
Autor: Sajenn Freyr
E-Mail: Sajenn@gmx.de
Teil: 1/?
Disclaimer: Jeder Charaktere, jede Textpassage, wurde von mir entwickelt und ist somit auch die meine.
Die Anthologie der Götter des Prologs ("Jene, die Göttern leben schenken"] stammt von meinem guten Freund Grotesk, ich veröffentliche es mit seiner Erlaubnis.
Rating: P16
Zusammenfassung: Das Mädchen Layatha wird durch einen Schicksalsschlag zur der einzigen Schachfigur der Götter im Dies- und im Jenseits. Sie findet Verbündete, Verräter und die Liebe - Doch am Ende steht sie den Göttern allein gegenüber.
Anmerkung/Notiz: Dies ist vorab nur der Prolog ...
Athanasia ist ein Begriff für "Unsterblichkeit"
Jene, die Göttern Leben schenken
Es waren einst zwei Liebende,
am Ursprung der Zeit,
als Alpha und Omega -
das Nichts und das Ganze.
Diese gebaren eine Tochter von unendlicher Schönheit,
schenkten ihr als Liebesbeweis die Erde in ihrer Pracht.
Über diese sollte sie wachen, pflegen und hüten,
zur Erleichterung ihrer ehrenvollen Aufgabe entschied ihre Mutter, das Nichts,
ihre Tochter auf den höchsten, unerreichbarsten Thron des Lebens zu setzen.
Sie ward das Schönste, das Hellste, was die Menschen über ihren Köpfen sahen.
Der Vater, das Ganze, sprach zu seiner inzwischen herrschenden Tochter.
Er befahl, sie dürfe nur den Osten, den Süden und den Westen bereisen.
So trat die junge Maid, deren Name schon verloren ging, ehe der erste
Mensch einen Atemzug tat, ihre Reise an.
Im Osten traf sie auf einen Geist, der ihr von
der Liebe der Menschen erzählte.
Die Maid war begeistert und schenkte dem Geist eine Tochter:
Das Kind des Schicksals, als erstes Wesen das von diesem Beeinflusst wurde.
Ihr Vater, das Ganze, sah auf den Geist erbost herab und bestraft ihn damit,
sich nie wieder bewegen zu können, um sein Dasein im Osten zu fristen,
auf dass er ewig auserwählt den Namen Mijedy – Ohne Liebe – zu tragen.
Die Maid zog weiter, gen Süden und traf auf einen Geist, der ihr von
der Ehrlichkeit der Menschen erzählte.
Die Maid war begeistert und schenkte ihm zwei Kinder:
Das Kind der Dunkelheit, geboren unter einem sternenlosen Himmel und
Das Kind des Schweigens, geboren in den unendlichen Weiten des Alls.
Ihr Vater, das Ganze, sah auf den Geist erbost herab und bestraft ihn damit,
sich nie wieder bewegen zu können, um sein Dasein im Süden zu fristen,
auf dass er ewig den Namen der Schmach, Sandez – Der Lügner – zu tragen.
Die Maid zog weiter, gen Westen und traf einen Geist, der ihr von
Der Güte der Menschen erzählte.
Die Maid war begeistert und schenkte ihm eine Tochter:
Das Kind der Gerechtigkeit, geboren in der Zeit der Ungerechtigkeit
Doch das Ganze sah auf den Geist erbost herab und bestraft ihn damit,
sich nie wieder bewegen zu können, sein Leben im Westen zu verbringen und
auf dass er ewig den Namen Siven – der Unbarmherzige – zu tragen.
Die Maid hatte keinen Ort, zu dem sie gehen konnte und so brach sie
Das Verbot ihres Vaters und wanderte nach Norden
Dort traf sie einen Geist, der ihr von
dem Hass der Menschen erzählte.
Sie war erstaunt und schenkte dem Geist zwei Kinder:
Das Kind der Liebe, als ewiges Zeichen an vorherige Kinder und
Das Kind des Friedens, doch war ihre Macht begrenzt.
Doch das Ganze sah auf den Geist erbost herab und bestraft ihn damit,
sich nie wieder bewegen zu können, sein Leben im Norden zu verbringen und
auf dass er ewig den Namen Veren – der Liebende – zu tragen.
Das Nichts und das Ganze sahen auf ihre Tochter herab und waren erzürnt.
Sie suchten einen Mann für ihre Maid und fanden den Vater aller Väter,
Thordun.
Die Hochzeit wurde prunkvoll gefeiert und der Vater aller Väter, gebar als einziger Vater der namenlosen Maid drei gute Söhne:
Das Kind des Feuers, gehärtet und geschmiedet aus Gedanken,
Das Kind der Ehre , auf dass es ein Vorbild für alle sei, und
Das Kind des Schutzes, um den Schwachen die Ehre beibringen zu können.
Doch die Maid war neugierig und trat in die Mitte der Welt.
Dort fand ein Geist sie, nahm sie ohne zu fragen und sie gab sich ihm hin.
Aus dieser Verbindung stammt ein Kind,
Das Kind der Gutmütigkeit, um Habgier und Sucht entgegen zu treten.
Thordun ward verärgert über sein Weib und gab ihr einen Platz am Firmament, der sie nur nach Osten, Süden, Westen wandern ließ, ihre vorherige Bürde, damit sie sah, was ihr Vater ihr zu sehen geben wollte.
Thordun selbst, gebrochen in seinem Glück, nahm denselben Platz wie sie ein, nur in der Dunkelheit, um das Antlitz seiner schönen und verräterischen Frau nicht mehr zu sehen.
So weilen sie hoch über Irthil, der Welt, entstanden aus dem Willen des Anfangs und des Endes, wo ihre Kinder leben.
Die Maid blickt reumütig in die Ferne, zu alle dem, das sie nicht sah.
Und Thordun traurig auf das Nächste, betrübt über jenen Verrat.
Erster Teil
Von Tod und Erkennung
Man kann dem Leben nicht die
Liebe nehmen,
doch man kann sie in den Tod stürzen.
Denn unter der glühenden Kuppel und Totenwache
hält alles ewig
und vergeht alles.
Liebe ist das, was
man nie erfährt, solange das
Licht eines eigenen Lebens noch brennt.
Liebe ist das, was du vermisst.
Denn deine Taten werden bestraft.
Du wirst Reue kundtun.
Und nie wieder
das Glück einer unbeschwerten
Liebe erfahren.
Denn
Liebe ist göttlich.
Göttin Ravani, Göttin der Liebe, der Fruchtbarkeit, der Lust, des Spiels
Inschrift zu den Füßen des Bildnisses des Katares in Ravtyne
Prolog - Graue Hallen
Nebel wallte durch die Burg. Jede Halle besuchte er mit seiner eisigen Kälte, jeder Gang wurde von ihm durchsucht. Jedes Mauseloch kontrolliert, jede Ritze abgetastet. Träge schob sich die gräuliche Masse über die teuren Teppiche der Speisesäle, sieben an der Zahl, langsam stockte der Nebel sich auf, um auch jeden Flecken Erde und jeden Atemzug der Luft zu durchsuchen. Er hatte das Ziel klar vor Augen, wusste, dass Beute hier auf ihn wartete. Er drang durch jede Mauerritze, jeden Türspalt.
Das Leben war schon lange aus dem Schloss geflohen. Jede Küchenschabe, jede Ratte war geflohen, denn sie wussten, dass dieses prunkvolle Schloss, gebaut für die Ewigkeit, an diesem Tag zerstört werden würde.
Der Rauch kroch langsam über den Boden, sah sich um, als hätte er einen eigenen Willen. Um eine Ecke, jenen Gang entlang, durch diese Halle.
Und dann sah er seine Beute. Er kroch voran, wallte um die Beine eines Mannes.
Dieser Mann saß schon, seit der Nebel sich Eintritt zur Burg verschafft hatte, an diesem Ort und hielt ihre Hand.
Sie lag da wie eine Puppe. Sie trug ein weißes Kleid, an der Hüfte abgespreizt, bestickt mit kunstvollen, silbernen Applikationen. Ihre Haut, fast so weiß wie ihr Kleid, fast so seidig wie der teuerste Stoff, trug noch wenige Schweißperlen. Ihre Augen waren geschlossen, denn auch jedes Leben war aus ihnen gedrungen. Ihr Haar hatte seinen seidigen Glanz verloren, sah schon spröde und kraftlos aus.
Er hielt ihre Hand, streichelte liebevoll über ihre zarte Wange, über ihren schmalen, anmutigen Hals, über die sanfte Erhöhung ihrer Brüste und über die geschmeidige Kurve ihrer Hüfte.
Der Nebel, der nun auch ihren Körper umwandelte, ihn sanft liebkoste wie ein verzweifelter Liebender, war der einzige Zeuge der Worte, die an jenen schicksalhaften Tagen in diesen leeren Hallen gesprochen wurden.
Nur der triste graue Gesandte der Unterwelt hörte die Worte, die ein Mann mit gebrochenem Herzen an die Liebe seines Lebens richtete:
„Du bist die Erste und nicht die Letzte.“
Seine rechte Hand ergriff wieder die ihre und er streichelte ihren Handrücken. Ein Schmerz, für jedes andere lebende Wesen nicht zu greifen, breitete sich in seinem Inneren aus. Der Schock darüber, sie verloren zu haben, wurde durch einen unsagbar großen Kummer getilgt und Tränen bahnten sich den Weg in seine müden Augen.
Er wurde von einer Welle der Emotionen davon gespült, niedergerissen und ausgelaugt. Seine Kraft schwand dahin, jedes bisschen Energie in ihm wurde dafür genutzt, seinem Leid Ausdruck zu verleihen. Er wünschte sich, hier an ihrer Seite sterben zu können. Er brach über ihrem erkaltenden Körper zusammen, bat sie um Erlösung, bat jede ihm bekannte Gottheit um Erlösung. Eingehüllt in ihren warmen Duft fing er an, sich sein Leben ohne sie an seiner Seite auszumalen.
Sie durfte nicht gehen. Zu viel war geschehen, zu viel würde geschehen. Zu viel läge nun allein auf seinen Schultern, das Schicksal habe sich die Falsche genommen.
Warum hatte es nicht ihn getroffen? Warum sie, die so gut war? So reinen Herzens, für jedes Flehen und Bitten offen. Wie grau würde die Welt ohne ihr warmes Lächeln sein. Ohne ihre Güte würde alles Leben verdorren. Sie trug so viel Verantwortung und nun waren ihre Schutzbefohlenen sich selber ausgeliefert.
Jede Faser seines Seins verbot es dem Lauf der Dinge, dass sie tot war. Und jede Faser ihres unbedeutend gewordenen Seins rief aus, dass sie es war.
Der Schmerz erstickte schon bald seine Rufe und sein Flehen. Eine Leere machte sich in ihm breit, eine unfassbare Leere, die sein Denken tötete und nur noch Leid in seinem Ich zurückließ.
Geistesabwesend drücke er ihren steifen Körper an seine Brust, fast so, als wollte er sie mit dem Schlagen seines gebrochenen Herzens wieder erwecken. Doch sie reagierte nicht mehr. Wenn sie früher ein Lächeln für ihn übrig gehabt hatte, wenn er sie in unsterblicher Liebe sich gedrückt hatte, so war nun jede Freude aus ihr gewichen.
Sie war einfach nicht mehr.
Der Nebel und das Bewusstsein im Nebel strichen über eine Hand des Mannes. Er bemerkte es kaum und der Nebel begann, ihren Körper völlig einzuhüllen. Der Mann wusste, er konnte nichts dagegen tun, und doch versuchte er halbherzig, den schweren Dunst fort zuschieben.
Der Nebel kannte den Mann und er kannte sie. Sanfter, als jemals zuvor, legte er sich um ihre Haut, streichelte in tiefer Trauer über sie hinweg. Der Mann nickte anerkennend, dankte für das Verständnis.
Der Nebel hatte sich über sie gelegt, nur ihr Gesicht ließ er frei. Der Mann näherte sich ihrem Antliz, Tränen rannen stumm über seine Wangen. Er liebkoste ihre Stirn, ihren Nasenrücken. Er küsste ihre Augen, streichelte ihre Wangen. Seine Lippen trafen auf lieblose Kälte, was ihm einen Dolch ins Herz trieb. Er legte seine Lippen behutsam auf die ihren, schluckte die Trauer herunter und flüsterte ihr etwas zu.
„Du warst die Erste und nicht die Letzte.“
Als er sich von ihr löste, schloss der Nebel auch ihr Gesicht ein. Der Mann erlag wieder seinem Schmerz. Er dachte an vergangene, schöne Tage der Liebe und der Hoffnung. Der Nebel labte sich ein wenig an seinem Kummer, doch nicht so viel wie sonst. Es wäre nicht richtig, diese Situation auszunutzen.
Sie stand neben dem Mann, nur noch eine schwache Erinnerung an das, was sie einst gewesen war. Sie blickte auf den Mann hinab, in voller Liebe, doch wusste sie, dass es vorbei war.
Und sie war in einem entlegenen Winkel ihres Herzens, oder der Erinnerung daran, froh darüber. Alles Leid hatte jetzt ein Ende. Sie würde es gut haben. Sie empfand eine unmenschlich starke Liebe für ihn, doch es war nicht mehr an ihr, diese kund zutun. Sie wünschte sich, und redete sich ein, dass er sich neu verlieben würde. Eine Unendlichkeit lag noch vor ihm und sie war sich sicher, er würde eine neue Liebe finden. Sie beruhigte sich mit diesem Gedanken, streifte dann jede Erinnerung an ihn ab und ließ sie in ihrem Körper zurück. Hier würden sie ewig weilen.
Der Nebel sprach ihr gut zu. Sie nickte, nahm seine Hand und folgte ihm.
Und so zog sich der Nebel langsam zurück, kroch wieder durch jene Ritze und Spalte. Kehrte zurück durch die Türspalte, leerte die Gänge, die Hallen, die Säle.
Zurück blieben nur der nun verwesende Körper, der einst ihren Geist ein Zuhause geboten hatte, und der Mann, der jenen Geist und Körper mehr als alles in den Welten geliebt hatte.
Der Nebel und Sie waren schon lange fort, als der Mann wieder die Kontrolle über sein Wesen erlangte. Er begriff, dass sie fort war. Nun vollständig und für immer.
Für immer?
Er blickte ihre tote Hülle an, strich noch ein letztes Mal mit den Fingerkuppen sehnsüchtig über ihre wohlgeformten Lippen.
Er versprach ihr etwas. Er schickte ihrer Seele einen Eid nach, so wahrhaftig und aufrichtig gesprochen wie noch nie in seinem langen Leben.
„Du warst die Erste und wirst nicht die Letzte sein. Aber du wirst diejenige sein, die als Erstes zu uns zurückkehrt.“
Er schob einen Arm unter ihren Rücken, mit dem anderen umfasste er ihre Knie. Langsam hob er ihren Körper auf. Er zitterte, da all seine Kraft in seine Trauer geflossen war und er nun kaum stärker als ein noch grüner Knabe zurückgelassen worden war.
Doch er erhob sich, schob ihren Kopf gegen seine Brust. Dann trug er sie durch das Schloss.
Er zeigte ihrer leeren Hülle noch einmal all die Säle, gefüllt mit verblassenden Erinnerungen, erzählte ihr von den Dingen, die sie zusammen erlebt hatten.
Er fragte sie, ob sie sich noch daran erinnere, wie sie eines Morgens an dem großen Fenster dort drüben gesessen hatte und er zu ihr gekommen war. Sie umarmt hatte und sie hatten sich im gleißenden Sonnenschein eines neues Tages geliebt hatten.
Doch er konnte nicht ahnen, dass das, was von seiner Geliebten noch übrig war, solche Erinnerungen freiwillig in ihrer Hülle gelassen hatte. Sie hatte sich gefreut, dies alles zu vergessen.
Dann kam er in den höchsten Turm der Burg und er trug sie unter Aufbringung all seiner Kräfte die schmale Wendeltreppe empor. Oben angekommen, trat er mit ihr durch einen großen, eichenholzfarbenen Torbogen hinein in ihr Schlafgemach.
Er legte sie sanft hinab auf ihr Bett, küsste noch einmal die kalte Haut ihrer Augen und wandte sich dann ab.
Er ging, doch ließ er einen großen Teil von sich auch bei ihrem toten Körper. Seine Seele legte sich zu ihrer Hülle, während ihre Seele gegangen war.
Leben kehrte in das Schloss zurück.
Die Ratten kehrten in ihre Löcher zurück, die Käfer taten sich an ihrem zurückgelassenen Körper gütig.
Doch der Glanz, den das Schloss unter ihrer Führung gekannt hatte, würde nie wieder zurückkehren.
Ihre Erinnerungen, zurückgelassen in jener Hülle, würden warten. Warten auf die Zeit, in der sie gebraucht werden, in der sie ihren Zweck erfüllen würden. Sie würden ein Bewusstsein entwickeln und sich einen Körper erschaffen. Und sie würden jene Person heimsuchen, die das Schicksal auserkoren hatte.
Bald würde der Hass im Schloss umgehen, da die gute Seele gegangen war. Käfer würden sich nicht nur mit totem Fleisch zufrieden geben, Ratten würden ihre eigenen Kinder töten und fressen.
Seine Seele würde an ihrem Skelett kleben, bis auch sie alt und verdorben war. Dann würde sie zu dem verlorenen Teil zurückkehren.
Und allein die Götter wussten, wie dies zu enden hatte.