Die Sonne war bereits aufgegangen, als Sarah aufwachte. Verwundert schaute sie sich um. Sie befand sich in einem hellen, sonnendurchflutetem Raum und lag in einem weichen, gut gepolstertem Bett mit einem hellen, weissen Vorhang an jeder Seite. Sie rieb sich die Augen.Wo konnte sie sein?Sicher war das nur ein schöner Traum. Sie wollte sich gerade wieder in die weichen Daunendecken kuscheln, als die Erinnerung sie überfiel, wie ein böser Feind in der Nacht und die Trauer sie überrollte wie eine eiskalte Welle im Meer. Das Schiff...der Sturm.....ihr Vater........die verborgene Insel! Auf einmal konnte sie nicht schnell genug aus diesem fremden Bett herauskommen, dass ihr nun nicht mehr weich und gemütlich vorkam, sondern kalt und hart. Auch die Sonne schien aus dem Raum verschwunden und die steinernen Mauern strahlten nicht mehr Sicherheit, sondern pure Härte und Angst aus, die sich auch in ihrem entsetzten Gesichtsausdruck wiederspiegelte. Was war mit ihrem Vater geschehen und wo befand sie sich? Sie riss die hölzerne Tür auf und rannte den steinernen Gang entlang, der mit einem roten Teppich ausgelegt war. Am Ende des Ganges war an der Wand ein goldener Spiegel angebracht. Als sie näher kam, konnte sie sich genauer betrachten. Vor ihr im Spiegel stand ein junges Mädchen, dessen dunkelblonde, lange Haare über ihre Schultern fielen und dessen blasses Gesicht zart wie Porzellan wirkte. „Wie eine Elfe“, dachte Sarah und lächelte dabei. Sarah blickte an sich herunter und bemerkte erst jetzt, dass sie nicht mehr ihr altes, einfaches Kleid trug, sondern ein schönes, weisses Nachtgewand aus Seide. „Wer mir solche Sachen zum Anziehen gibt, kann nicht so böse sein,“ dachte Sarah und als ob Lirinia, die Elfenprinzessin, ihre Gedanken gelesen hätte, erschien sie plötzlich hinter ihr und strahlte sie an. Sarah zuckte im ersten Moment zusammen. Es konnte nicht wahr sein was sie sah. Eine richtige Elfe. Sie rieb sich wieder die Augen, denn sie konnte es noch nicht so richtig glauben. Sollte sie wirklich auf der Insel sein, die sie von weitem gesehen hatte?Und lebten hier wirklich Zauberer und Elfen? Sie konnte es in ihrer Begeisterung noch gar begreifen. Deshalb starrte sie Lirinia nur geistesabwesend an und wusste nicht was sie tun sollte. Also machte Lirinia den ersten Schritt und nahm Sarah bei der Hand: „Du brauchst vor mir keine Angst zu haben, ich weiss dass es für euch Menschen ungewöhnlich ist, solche Zauberwesen wie mich zu sehen.Was hältst du davon, wenn wir uns ersteinmal vorstellen?Wie heisst du denn?“ „Mein N....Name ist...äh... Sarah.“ Mehr brachte sie nicht zustande, denn sie war immer noch wie gelähmt vor Freude und Begeisterung. „Ich bin Lirinia, die Elfenprinzessin“. Nachdem sie sich einander vorgestellt hatten, unterhielten sich die beiden eine Weile und Sarah hatte ihre Hemmungen bald abgelegt. Lirinia erzählte ihr auch, dass die Elfen es waren die den Sturm geschickt hatten, um ihre Insel zu beschützen. Sarah verstand die Elfen, denn ihr Großvater hatte in seinem Tagebuch von ähnlichen Problemen geschrieben, die die Elfen und all die anderen Zauberwesen hatten, die Menschen von der Insel fernzuhalten. Als Sarah von dem Tagebuch erzählte, bekam Lirinia einen komischen Ausdruck im Gesicht, wie Sarah fand, und meinte: „Ich glaube ich kenne jemanden der dir mehr darüber erzählen kann.“ Mit diesen Worten lief sie in einen Gang der nach Rechts abzweigte und an dessen Ende keine Tür , sondern einfach eine Wand war.Sarah wunderte sich warum sie in diesem Gang waren, in dem sich keine Tür befand. „Wo sind wir hier?“, fragte Sarah, der der dunkle Gang unbehagen bereitete. „Du wirst es gleich sehen“, antwortete Lirinia knapp und tippte dann mit ihrem Finger auf einen hervorstehenden Stein in der Mauer am Ende des Ganges. „Was soll das......“ Sarah kam nicht mehr dazu ihren Satz zu beenden. Vor ihr hatte sich die Mauer aufgetan und gab nun den Blick in ein weiteres Zimmer frei.
Lirinia ging hinein und Sarah folgte ihrem Beispiel. In dem großen, dunklen Raum, befand sich an der rechten Wand ein Kamin, in dem ein großes Feuer prasselte. Der Boden war genauso wie in den Gängen mit einem roten Teppich ausgelegt worden und überall standen weiche, gemütliche Sessel herum. An der Wand hingen goldene Kerzenleuchter und fein gewebte Teppiche mit ausgefallenen Farben und Mustern. Auf einmal bemerkte Sarah zwei ältere Herren in dem Raum. Lirinia, die sich Sarahs Aufmerksamkeit jetzt endlich sicher war, stellte den einen als ihren Vater Liwingnan und den anderen als den königlichen Berater Angor vor, der auch den Sturm geschickt hatte. Nachdem er am vorigen Tag zusammengebrochen war, wie Sarah von Lirinia erfahren hatte, war er sofort in das Schloss zurück gebracht worden, wo sich einige Elfen um ihn gekümmert hatten. Nun ging es ihm wieder besser, obwohl er noch reichlich mitgenommen aussah. Als Angor Sarah erblickte, schien sein Atmen zu stocken und er starrte sie ein paar Sekunden lang an, dann wandte er seinen Blick zu Lirinia. Sie nickte mit dem Kopf, bevor er auch nur ein Wort sagen konnte und sagte bedeutungsvoll: „Ja, sie ist es, Angor.Das ist Sarah.Und sie hat etwas für dich.“ Lirinia blickte zu Sarah und wies sie an das Tagebuch herauszuholen. Sarah zögerte ein wenig, nahm dann das Tagebuch aus einem tellergroßen, ledernen Beutel, denn sie seit sie am gestrigen Tag die Kajüte verlassen hatte um ihren Hals trug, und gab es dem alten Mann, denn Lirinia Angor genannt hatte. Seine Augen begannen zu leuchten, als er das kleine Büchlein mit dem roten Einband in die Hand nahm. „Du bist es also....Meine kleine Enkelin“, seine Augen füllten sich mit Tränen, „ich bin es Sarah.Dein Großvater.“ Sarah blieb der Mund offen stehen und sie riss die Augen auf als sie hörte was er sagte. „Du...du meinst....du bist Eduard Tailor, der Vater meines Vaters.“ „Genau der,Sarah.Genau der.“
Fast drei Stunden waren schon vergangen, seit Sarah erfahren hatte, dass Angor ihr Großvater war und dass die Zukunft dieser Insel mit in ihren Händen lag. Seit sie angekommen war, konnten es nun alle kaum erwarten, endlich in den Süden der Insel aufzubrechen und die großen Zauberer und Hexen zu holen, die mächtig genug waren, den großen Schutzwall um die Insel zu errichten, der die Insel wenn es klappte für immer vor den Menschen schützen würde. Für die Reise waren 4 Leute auserwählt worden. Lirinia, die Elfenprinzessin, Sarah, das Menschenkind, Agog, der Wettergnom und der Cousin Lirinias, Tsimm, der Sohn eines verschwundenen Elfenfürsts, der seit sieben Jahren bei der Elfenprinzessin lebte und nun 15 Jahre alt war. Sarah hatteAgog schon kennengelernt, genauso wie Tsimm, allerdings hielt sie Tsimm für einen großen Angsthasen, da er sich nicht über die schwankenden Holzbrücken traute, die die verschiedenen Teile des Schlosses verbanden sondern lieber untenrum ging. Außerdem war er ziemlich dürr und knochig, dafür war er aber ziemlich groß und konnte nach Aussage von Agog sehr gut mit Pfeil und Bogen umgehen. „Immerhin etwas“, dachte Sarah sich im Stillen. Inzwischen hatte sie sich schon gut an diese geheimnisvolle und aufregende Welt gewöhnt und konnte sich gar nicht mehr vorstellen irgendwo anders zu sein. Wie es ihrem Vater wohl ging. Trotz allem vermisste sie ihn sehr und konnte sich manche wehmütige Erinnerung nicht verkneifen.
Als sie an diesem Abend im Bett lag, dachte Sarah noch einmal über den vergangenen Tag nach. Inzwischen hatte man sie alle mit ihrer Aufgabe vertraut gemacht. Sie würden in zwei Tagen in aller Frühe gen Süden reisen, wo sie die Zauberer und Hexen benachrichtigen und herführen sollten. Die Schwierigkeit ihrer Aufgabe bestand darin, dass sie bei ihrer Reise das feindliche Gebiet der Anakonier, ein großes Volk von „grauen Elfen“, wie man die Elfen nannte die auf die böse Seite gewechselt hatten, durchqueren. Zu ihrem Pech führten die Anakonier zu genau diesem Zeitpunkt einen großen Krieg gegen die Lakonier, ein friedliches kleines Volk der Berggnome. „Es wird schwierig werden“, dachte Sarah, „aber wir werden es schaffen.“ Mit diesen Worten schloss sie die Augen und war im nächsten Moment schon eingeschlafen.
Die zwei Tage bis zur Reise vergingen wie im Flug, mit der Vorbereitung des Reisegepäcks und allen anderen Dingen die vor so einer großen Reise nötig waren. Am Tag davor stand dann alles bereit.Die drei Pferde, die Tsimm, Lirinia und Sarah erhielten, Agog war zu schwer für ein Pferd, standen in ihren Ställen und das Gepäck das abwechselnd die Pferde und die Pagen tragen mussten,stand in der Eingangshalle des Schlosses. Zwei Pagen würden die Reisenden bis zur Grenze der Anakonier begleiten und dann mit den Pferden wieder zurückreiten, da die Gruppe das Gebiet der feindlichen Elfen besser unbemerkt, und nicht hoch zu Ross durchqueren sollten. In dieser Nacht vor dem Aufbruch schlief Sarah sehr unruhig, denn sie war trotz allem sehr aufgeregt. Nachdem sie sich die halbe Nacht herumgewälzt hatte, schlief sie dann doch noch ein, voller Erwartung auf den folgenden Tag.
skorpioun
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06.09.2003 09:56
#2 RE: Insel der Schatten(Fortsetzungsroman)-3.Kapitel