Vor nicht allzu langer Zeit lebten im nördlichsten Teil Ostfrieslands 50 Kühe auf einem großen Bauernhof. Der Bauer Johann hatte eine Menge zu tun. Jeden Tag mußten die Kühe auf die Weide, sie mußten morgens und abends gemolken werden, der Stall wurde ausgemistet und noch vieles mehr. Aber das bedeutete nicht nur viel Arbeit für den Bauer, sondern auch für die Kühe. Jede Nacht, wenn alles schlief, berieten sich die Kühe in ihrem Stall, wie sie dem Streß mal entfliehen konnten. Das war gar nicht so leicht, schließlich sind 50 Kühe kein Pappenstiel. Der Vorteil war, dass jede einzelne Kuh irgend jemanden kannte, der wiederum irgend jemanden kannte, der ihnen helfen konnte. Da war z.B. Frieda, eine besonders schöne, schwarz weiß gefleckte Kuh, die kannte den Hund vom Bahnhof. Der würde ihnen sicherlich helfen. Fenrieke, eine braun gefleckte Kuh, kannte zwei Möwen an der Anlegestation der Fähren. Die beiden würden ihnen garantiert einen Gefallen tun und sie auf eine Fähre schleusen, die auf eine ostfriesische Insel fuhr. Das hörte sich doch nicht schlecht an. Also faßten sie den Entschluß, in der nächsten Nacht davonzulaufen, um mal Urlaub zu machen. Am nächsten Tag gaben sich die Kühe ganz besonders viel Mühe. Sie fraßen viel frisches Gras, damit sie am Abend noch mehr Milch geben konnten, als sonst. Der Bauer Johann war sehr zufrieden mit dem Ergebnis und ging gähnend in seine Stube. Nun warteten die Kühe noch eine Stunde, bis im Haus kein Licht mehr brannte. Leise schlichen sie aus dem Scheunentor und liefen quer über den Innenhof auf einen Feldweg, der zum Bahnhof führte. Es war gar nicht so einfach, als Kuh zu schleichen, besonders, da sie doch so viele waren. Es war dunkel auf diesem Weg. Die Kühe waren nicht mehr so sicher, ob das auch eine gute Idee war. Aber da sah Frieda am Rande eines Feldes schon den Hund des Bahnhofvorstehers. „Wallo“, rief sie leise, „Wallo, hier ist Frieda“. Wallo blickte auf und lief ihr entgegen, „Hallo Frieda, na, das ist aber eine nette Überraschung, was macht ihr denn alle da“?, fragte der Hund neugierig. Die Kühe berichteten von ihrer schweren Arbeit und dass sie keine Lust mehr hatten, den ganzen Tag auf der Weide herumzustehen., zu fressen und Milch zu geben. Frieda sah Wallo mit zwinkernden Augen an: „Kannst Du uns nicht helfen, in den Zug zu kommen, der zur Anlegestation der Fähren fährt ?“ Erstaunt schaute Wallo in Frieda´s wunderschöne Kuhaugen und sagte: „Das ist ja eine verrückte Geschichte, die mir niemand glauben wird, aber ihr habt Glück, in 10 Minuten fährt der nächste Zug mit leeren Waggons zur Anlegestation.“ Die Kühe freuten sich, alles lief nach Plan. Wallo lief den Kühen voraus, die ihn so leise wie möglich verfolgten. Am Bahnsteg stand ein Zug mit fünf leeren Waggons. In jeden paßten also 10 Kühe, das konnte klappen. So gut es ging kletterten die Kühe in die einzelnen Waggons und stellten sich nebeneinander, so dass sie genug Platz hatten. Frieda schaute noch einmal aus ihrem Abteil und flüsterte zu Wallo: „Danke, das werde ich dir nie vergessen.“ Der Hund wünschte ihnen alles Gute und schon ging die Fahrt los. Es dauerte 20 Minuten bis zur Anlegestation der Fähren, also blieb nicht allzu viel Zeit, um weitere Pläne zu schmieden. Fenrieke, die braun gefleckte Kuh, hoffte, dass sie ihre beiden Möwenfreunde bei den Fischkuttern fand, wo sie jeden Abend schliefen. Am Hafen angekommen sprangen die Kühe in einer unbeobachteten Minute aus dem Zug und liefen unbemerkt zur Anlegestation, wo die Fähre sachte im Wasser trieb. Tatsächlich saßen die beiden Möwen, Haki und Schnabi, auf einem Fischkutter und hatten die Köpfe in ihren Federn versteckt. Fenrieke rief leise aber durchdringend nach ihren Freunden, die vor Schreck fast von der Stange fielen. Haki dachte, als er die Kühe sah, er würde noch träumen und rieb sich mit den Flügeln die Augen. „Bist du es, Fenrieke“ ? Die Kuh sagte: „Pscht, Haki, ich bin´s , Fenrieke. Ich und meine Freundinnen wollen mal ausspannen und rüber auf eine Insel, weißt du, wie wir in die Fähre kommen“? Die Möwe wußte einen Weg. Die Fähre war um diese Uhrzeit leer, so konnten sich die Kühe leise an Bord schleichen. Im Unterdeck würde sie niemand so schnell entdecken. Gesagt, getan. So gut es ging quetschten sich die 50 Kühe in den Laderaum des Unterdecks, das war ganz schön eng. Was mußte man nicht alles auf sich nehmen, um einmal Urlaub zu machen. So verging nun die Fahrt in aller Ruhe und die Kühe freuten sich schon sehr auf ihren freien Tag. Als die Fähre angelegt hatte schaute Frieda mal kurz aus der Ladetür um zu sehen, ob die Luft rein war. Der Kapitän des Schiffes ging gerade von Bord, so daß jetzt ein geeigneter Zeitpunkt war. So schnell es ging liefen die Kühe aus dem Laderaum hinaus ins Freie. Endlich wieder frische Luft. Ach, wie herrlich war es in den Dünen herumzulaufen, im Meer zu planschen und dahin zu laufen, wo man wollte. Kein enger Stall, keine eingezäunte Weide, kein schlecht gelaunter Bauer, weil er zum Melken früh aufstehen mußte. Alles war einfach wunderbar. Die ganze Nacht über liefen die Kühe umher, bis sie vor Müdigkeit kaum mehr gucken konnten. Als langsam die Sonne aufging legten sie sich zum Schlafen in den Sand. Endlich konnten sie mal so richtig die Füße ausstrecken, hier war es nicht so beengend wie im Kuhstall. Nachdem sie aufgewacht waren, machten sie wieder das, was ihnen Spaß machte. Manchmal allerdings plagte sie das schlechte Gewissen, was wohl Bauer Johann heute Morgen dachte, als er in den Stall ging ? Was die Kühe nicht wußten, der Bauer hatte in der Zwischenzeit ihre Spur aufgenommen und war mit der Fähre schon unterwegs auf die Insel. Mitten im schönsten Sonnenbad stand er auf einmal inmitten seiner Kühe und lachte so laut, dass alle zusammenzuckten. Mit weit aufgerissenen Augen starrten sie den Bauer an. Wieso war der denn überhaupt nicht sauer ? Doch Johann legte sich einfach zu seinen Kühen und sagte: „Ihr habt ja recht, uns allen tun mal ein paar freie Tage ganz gut.“ Da muhten die Kühe vor Freude und sie hatten eine schöne Zeit.