Robert fand, dass es zu den wenigen üblen Dingen des Lebens gehörte, in einer dreckigen Seitengasse zu stehen und gleichzeitig pissen und kotzen zu müssen. Er stützte sich mit einer Hand an der Ziegelmauer ab, rechts hinten hörte er das Fiepen empörter Ratten und links den Verkehr der Hauptstrasse. Er würgte ein paar baumelnde Kotzefäden raus und pritschelte seine Initialen an die Wand. „Damit das mal klar ist; bin ein richtig versoffenes Arschloch.“, kicherte Robert und packte ein. Er wischte sich mit dem Ärmel die Kotzefäden vom Kinn und hob den Kopf um in den schwer bedeckten Himmel zu sehen. Rostfarben. Leben in der Stahlstadt. Wie soll man da keinen Durst kriegen? Robert machte eine gezierte und ziemlich wackelige Verbeugung Richtung Seitengasse und dankte still für die Gnade, sie gefunden zu haben. Es gab nicht mehr all zu viele Seitengassen in dieser Stadt. Gassen, in denen man gepflegt pissen, kotzen und bei Bedarf auch ficken konnte. Die Stadt war sehr rein geworden in den letzten drei Jahren. Der Wohlstand stieg und die Leute sahen zufriedener und gleicher aus. Robert rieb sich mit der Hand über seine Stoppelglatze und überlegte, ob er nun wieder Platz für ein Bier hatte. Und wenn ja, wo er es denn trinken könnte. Robert war achtzehn Jahre alt und bereits ein versierter Alkoholiker. Sein Gesicht war noch leidlich hübsch, aber auch schon sehr gezeichnet von langen Nächten, in denen er die Bierhexe jagte. Ringe unter den Augen, graue Gesichtsfarbe… er war regelrecht dürr und musste zur Kenntnis nehmen, dass man nicht vom Bier alleine leben konnte. Der Abend hatte mit dem Feierabendbier begonnen; der laue Wind hatte ihn von den Außenbezirken hierher ins Zentrum getrieben. Die Außenbezirke waren fast reine Industrieviertel mit breiten Strassen und dunklen Weinstuben. Die armen Leute wohnten in den Industriegebieten, Leute wie Robert und seine Freunde… Robert hatte keine Freunde. Kollegen mit denen man hin und wieder –eigentlich immer- ein paar Bier pfeift um dann voller Selbstmitleid ins Bett zu fallen. Aber hey: Heute war Freitag; es war kurz nach Mitternacht, es war Oktober und der Herbst war eine gute Zeit für fickrige Biertrinker. Robert hielt nicht viel von der Innenstadt und ihren schicken In-Lokalen. Die aufgedonnerten Tussis und die schnieken Jungs in Designeranzügen. Er mochte die Leute nicht und in ehrlichen Sekunden gab er zu, dass er sie nicht mochte, weil er nicht zu ihnen gehörte. Sie waren anders. Sie funktionierten anders. Sie waren besser. Aber das wollte er sich nun doch nicht eingestehen. Und überhaupt: Was heißt hier besser? Wer legt denn fest, was oder wer besser ist als alles andere? Was soll die Scheiße? Robert beschloss, in den In-Club La Toleranza zu gehen und dort sein Gute Nacht Bier zu trinken. Er wollte sich trotzig an die Bar stellen und seinen Platz behaupten. Kurz überlegte er, ob es nicht stressfreier wäre, wenn er sich ein Taxi nehmen würde, zurück ins Industriegebiet, zurück zu irgendeiner Imbissbude mit Dosenbier und den Abend beendet. Aber sein besoffener Stolz siegte. „Lass mich doch nicht von denen verarschen, lass ich mich doch nicht. Saubande.“ Roberts Gesicht drückte eine Mischung aus Trotz und Hochmut aus, als er vor dem Security Typen des Clubs stand. Der Kerl war groß wie ein Einbaukasten und mindestens ebenso breit. Aber er grinste nur, legte Robert die Pranke auf die Schulter und sagte: „Sie werden Spaß haben.“ Robert fühlte für eine halbe Sekunde so was wie Unbehagen, als ob das „Sie“ nicht ihm galt sondern irgendjemand anderem. Dann spülte ihn eine Welle von wummernden Bass Grooves runter in den ersten Vorraum. Und im Vorraum hätte ihm schon klar werden müssen, dass er die rostfreie Version der Hölle betreten hatte. Von hier aus hätte er noch Reißaus nehmen können. Aber Robert war auf das nächste Bier fixiert, fühlte sich nach der Seitengassenkotzerei wieder fit und auch irgendwie attraktiv. Auf verwegene und irgendwie anzügliche Art und Weise. Ein verdorbener Gassenjunge als Schönheitsfleck im Edelclubbing? Wer weiß. Ein etwa 14 jähriges, atemberaubend schönes Mädchen rauschte mit Grandezza an ihm vorbei und murmelte, gerade für ihn hörbar: „Kaputt machen. Ist nicht perfekt, ist kaputt!“ Sie ging in den großen Raum rüber. Robert sah ihr nach: Rechts war eine lange Edelstahlbar an der Menschenmassen wogten, rechts an der Wand waren Tische und Barhocker festgeschraubt. Ein paar Jungs mit Mädchen im Arm flanierten aus dem großen Clubraum über den Vorraum zum kleinen Clubraum rüber und hin und her… Sie trifteten an ihm vorbei und immer wieder so seltsames Gemurmel: „Wieder einer zum hinmachen. Wird gut bluten… müssen Scheiße zertreten bevor sie wächst…“ Robert wurde mulmig zumute. Er wusste zwar nicht genau wieso. Aber es war so. Sein inneres Warnsystem sprang an und blinkte: Rotalarm. Sein Problem war der Durst. Manno! Und was fürn Durst! Er wühlte sich durch die schicken Menschenmassen bis zur Bar durch und lehnte sich auf die Edelstahlfläche. „Modern,“ dachte er, „Abflüsse in der Bar. Cool.“ Er hob die Hand und orderte sich ein Bier. Während er das Bier entgegennahm und den horrenden Preis zahlte, spürte er wie sich eine Hand zwischen seine Schenkel schob und ihm von hinten die Eier massierte. Instinktiv zwickte er die Schenkel zusammen und fuhr herum. Ein blondes Mädchen mit honigfarbener Haut stand da wie eine Rauschvision und griff ihn sagenhaft zärtlich aus. Sie lächelte und alles an ihr war perfekt. Robert spürte, wie sein Schwanz in ihrer Hand hart wurde und ungeduldig von innen gegen die Jeans klopfte. Sie kicherte und sagte komisch abgehackt: „Wird schönes kaputtmachen. Musst viel schreien, ja?“ Sie hob die Hand um sich die Haare aus der Stirn zu wischen. Dabei sah er den Strichcode auf ihrem Handgelenk. Silbrig und wie eintätowiert. Die Kleine kam aus der „Farm“. Er erinnerte sich dunkel an Zeitungsberichte über die „Farm“. Ein deutscher Politiker von sehr rechter politischer Gesinnung hatte seine Finger bei der Finanzierung einer Schönheitsfarm im Spiel. Das war vor vier Jahren. Menschen, die einem bestimmten Wertekatalog entsprachen, konnten dort gratis plastische Schönheitsoperationen vornehmen lassen. Kleine Korrekturen, größere Eingriffe, alles gratis. Zur gleichen Zeit wurden Gerüchte laut, dass in Labors des Mutterunternehmens der „Farm“ Gentechniker an selektiven Viren arbeiteten. Offiziell hieß es, wollte man diese Viren einsetzen um bösartige Metastasen zu bekämpfen. Andere befürchteten, dass ebendiese gezüchteten und selektiven Viren auch gegen Menschen mit bestimmten Charaktereigenschaften verwendet werden könnten, da der Charakter eines Menschen in Wirklichkeit auch nichts anderes war als eine komplexe Abfolge von Stoffwechselinformationen. Anderer wiederum behaupteten, dass man nur Menschen auf die Farm ließ, die bestimmte Körper- und Charaktereigenschaften hatten. Nationale Gesinnung, patriotisch, kritiklos, konsumorientiert… „Alles Kacke…“ dachte Robert und nippte an seinem Bier. Und alle die in der Farm waren, hatten diese silbrigen Codestreifen am Handgelenk, so was wie Hennatatoos der Zukunft. Kicher. Voll eingefahren, die Schönheitsfetischisten. Kurzzeitig fühlte er sich ihnen allen überlegen, diesen gefakten Schönheiten. Diesen Lackaffen. Vollidioten und Stiesel. Das dachte er noch zuende. Dann spürte er den heftigen Schlag gegen sein Genick, sein Kopf zuckte vor und er schlug sich an der Bierflasche mindestens zwei Zähne aus. Er stürzte. Hände fingen ihn auf. Hände zogen ihn aus. Und als sie ihn weiterreichten, über den Boden schleiften und nach ihm traten, fing er vor Angst zu weinen an. Halb ohnmächtig und völlig verwirrt spürte er wie er auf die Tanzfläche gezerrt und an einem Stahlrahmen gefesselt wurde, er sackte in den Knien durch und die metallenen Handschellen renkten seine Gelenke aus. Da wollte Robert schreien. Er krächzte und sah durch einen Tränenschleier hinunter zu der wogenden Masse an perfekten, hübschen Teenager. Alle schlank, gepflegt, gut gebaut und einfach perfekt, liebreizend und so was von metrosexuell. Die Jungs sahen aus wie Fotomodelle, etwas jünger als echte Models aber doch, die Mädchen sahen aus wie aus der Bacardi Werbung. Sie murmelten irgendetwas. Das Gemurmel wurde einheitlicher und rhytmischer: „…machen, machen, …putmachen, putmachen, kaputtmachen, kaputtmachen…“ Ein kleiner Junge sprang zu ihm auf die Bühne und fauchte heiser: „Wie ein Schwein sollst bluten.“ Irgendwer aus der Menge warf dem Jungen ein Messer zu. Er fing es geschickt auf und Robert fragte völlig kraftlos und und am Ende der Hoffnung: „Wieso?“ Der Junge stach zu. Das Messer versank in Lendenhöhe in Roberts Fleisch und wurde mit einem harten Ruck nach rechts oben gezogen. Das Gefühl aus sich selbst herauszufallen überwog kurz den metallisch blitzenden Schmerz von durchtrenntem Gewebe. Er beugte sich grinsend vor und biss Robert eine Brustwarze ab und spuckte sie aus. Er hüpfte im Bass der Musik in kleinen Bewegungen –so typisch jugendlich- auf und ab und grinste niedlich: „Weil du nicht perfekt bist. Deshalb.“ Sein Lächeln war blutverschmiert. Er bohrte eine Zeit lange neugierig mit dem Zeigefinger in der Brustwunde und sah Robert aufmerksam an. Als das Gesicht zuwenig Leid ausdrückt, griff er in die Bauchwunde und zerrte Roberts Eingeweide heraus. Blut spritzte auf die Tanzfläche, in der auch Abflüsse integriert waren. "Das bin ich, was da auf den Stahl spritzt. Das bin ich..." Er wurde schwächer. Ihm war kalt. Unendlich kalt. Robert war traurig. „Aha,“ dachte er, als es schattiger in seinem Verstand wurde, „Keine Bar. Keine Tanzfläche. Schlachtbank.“ Andere stürmten die Bühne und tauchten ihre Gesichter in das Blut, das über die Stahlfläche zum Ausguss lief. Die Raver drängten sich an Robert, zerrten an ihm rum, vergingen sich an ihm. Sie wanden sich im Blut zu seinen Füßen und beschmierten sich damit. Robert starrte auf einen Punkt weit weit weg. Auf eine aus Schmerz geborenen Vision. Irgendwie tauften sie sich in seinem Blut. Das dachte er nicht. Aber er verstand es. Es tat gar nicht mehr weh, es war nur so... so, kalt. Und dann war er tot.[f1][ Editiert von Nathschlaeger am: 23.11.2003 15:07 ][/f]
Also, Nicole, bei allem gebührlichem Respekt... was Du da als gut geschrieben findest, finde ich - gelinde ausgedrückt - als unreifes Produkt eines nicht ganz gesunden Hirns. Worum geht es? Was will der Autor uns sagen? Das es bereits jugendliche Alkoholiker gibt? Das es genmanipulierte Züchtungen gibt, korrupte Politiker oder soll der Text gar an das dritte Reich erinnern, wo der Mensch nur dann vollwertig war, wenn er einer reinen arischen Abstammung entsprach? Schlecht zu sagen, da weder das eine noch das andere entsprechend herausgearbeitet wurde. Was ist an dem Text brutal, Nicole? Das einer einem anderen ein Messer zwischen die Rippen jagt und anschließend in den Wunden bohrt? Passiert täglich bestimmt dutzendfach auf der Welt. Oder meinst Du die Ausdrücke kotzen, pissen, ficken? Wir alle wissen bestimmt, was damit gemeint ist und ich denke, dass die meisten hier in der Lage sein dürften für eben diese Ausdrücke Synonyme zu verwenden. Ich für mein Teil werde mich in Zukunft von den Ergüssen dieses Autors fern halten.
ich denke mal, für solche wörter kann jeder synonyme finden. es gibt ja schliesslich synonymwörterbücher (obwohl ich nicht weiss, ob da solche ausdrücke drin stehen).
ich denke, es gibt genug autoren, die sich nicht trauen würden, solche wörter zu schreiben (und zu veröffentlichen). Ausserdem gibt das dem text wohl auch einen anderen flair, als wenn man die ereignisse immer schön in einen blumigen text packt, um ja niemanden zu schockieren. die wörterwahl hängt immer davon ab, was man ausdrücken will.
und ich denke, kritik muss sich nicht immer unbedingt auf ein bestimmtes ereignis beziehen (wie genetik oder krieg oder...) sondern kann auch ganz allgemein und aktuell gelten, eine kritik an der gesamten gesellschaft(sform).
ich jedenfalls halte mehr von autoren, die kritik in ihre texte einfliessen lassen, einen gewissen tiefsinn vielleicht, oder die sich etwas von der seele schreiben, als von solchen, die nur schöne, spanndende geschichten schreiben, wo die guten zum schluss immer belohnt werden und die bösen bestraft und alles ist gut und schön.
@AutorPeterIrgendwas ich versteh nicht, wie man den txt nicht verstehen kann. die aussage ist doch wohl klar! es geht um kritik am allgemeinen schönheits- und perfektionswahn. im öfftl leben (ich meine jetzt in der musik und "schauspieler" branche) gibt es kaum ein gesicht, dass nicht den anschein des perfektionismus hat. ein guter teil der geschichte (die disco als schlachthaus) ist meiner meinung nach in den bereich des surrealen zu verlegen. wenn auch nicht alle mit dieser kunstform etwas anfangen können, so finde ich es trotzdem etwas frech, es so als stümperhaft abzustempeln, vor allem wenn man selbst grade mal zu 3. klassigen autoren gehört.
Jo, jo, Leute, es geht mal wieder zur Sache hier, ein Grund mich auch mal wieder zu melden. Von Frechheit wurde hier gesprochen; wie fein wie fein, kann nur leider nichts freches finden hier. Aber vielleicht klärt man mich ja auf. Um es vorweg zu nehmen, ich kenne Peter persönlich, er hat mir in die Startlöcher geholfen, mit dem Ergebnis, dass meine reihenweise abgelehnten Manuskripte schließlich erhört wurden, danke Peter. Frechheiten habe ich bei ihm nie erlebt, dafür ist er gar nicht der Typ und freches kann ich in seiner Kritik auch nichts finden, aber mal auf den Punkt zu kommen...ich finde obigen Erguss einfach Scheiße, wie alles andere was der Autor hier verewigt hat auch. Und ich habe erfahren müssen, dass es die Masse der Lektoren genau so hält, wie es Peter beschrieben hat. Kraftausdrücke außerhalb eines Dialoges sind nun mal nicht gerne gesehen und wer auch nur ein Fünkchen Hoffnung hat, dass sein Manuskript angenommen werden soll, ist gut berate, wenn er sich daran hält. Micha
es gibt (hoffe ich wenigstens) auch noch leute, die schreiben, weil sie schreiben wollen, und nicht, weil sie es den lektoren und den lesern immer recht machen wollen.
ich finde es auch frech, wenn man einen text auf ein paar ausdrücke reduziert. nur weil einem etwas nicht gefällt, heisst das noch lange nicht, dass es schlecht ist.
ich halte jedenfalls mehr von leuten, die "konstruktive" kritik üben, einfach mal sagen, "das und das gefällt mir nicht", oder: "das gefällt mir nicht, aber es will ja nicht heissen, dass es schlecht ist", als solche, bei denen alles scheisse ist.
Schade! Das was hier als konstruktive Disskusion angedacht war, artet in einer Schlammschlacht aus!! Also: Ich finde, dass jeder das Recht hat, seine Meinung ueber etwas abzugeben und wenn Peter Ternes mit dem Text nicht klarkommt, dann ist er halt nicht die Zielgruppe, die ig/Peter ansprechen wollte und es ist klar, dass er deshalb auch keine weiteren Werke des Autors lesen wird. Aus! Ich finde es wesentlich ehrlicher seine Meinung kundzutun und auf eine Reaktion zu warten, als gar nichts zu sagen. Ich persoenlich finde dass ig/peter hervorragend mit Worten umgehen kann und mit Brutalitaet waren auch nicht die Kraftausdruecke gemeint, sondern die ausfuehrlichst beschriebene Schlusszene. Brrr. Beim Lesen fing bei mir schon nach den ersten Zeilen ein Film im Kopf an... Und es hat mich nach den letzten Zeilen etwas gekostet, diese Bilder wieder loszuwerden. Ist einfach nicht mein Genre. Schau auch nicht gerne "blutige Horrorstreifen". Vielleicht noch eins zum Schluss: Wir, als junge Autoren, sollten uns nicht auch noch gegenseitig niedermachen. Wie schwer es ist, einen Roman an den Mann oder die Frau zu bekommen, duerfte wohl jedem von uns bekannt sein. Denjenigen, die das nicht wissen, sei gesagt: Es tut weh, wenn jemand auf deinen Traeumen rumtritt! Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass diejenigen die schreiben, ahnen und wissen, wieviel Herzblut in einer Geschichte, einem Roman oder einer Erzaehlung stecken und deshalb eher Tips weitergeben, als Kritik!
Ach ja, damit meine ich jetzt nicht, dass wir uns alle auf die Schultern klopfen und jeden Sch... in den Himmel loben sollen, sondern nur, dass wir bei der Kritik sachlich und vorurteilfrei bleiben und nicht alle und alles ueber einen Kamm scheren, gell ig/Peter (nathschlaeger)???