gestern nacht habe ich mal wieder "Wege zum Ruhm" von Robert Gernhardt aus dem Regal gezogen und die besten Stellen nochmal gelesen. Eine davon möchte ich Euch nicht vorenthalten. Es geht um ein Experiment mit Verlagen: Wie ein Verlag ein Werk erkennt - und ob überhaupt. Sehr lustig und bezeichnend. Hier ist die Stelle (S. 26-27):
Ein altgedienter Lektor sagte mir einmal, unter tausend Einsendungen befände sich bestenfalls eine, die es wert sei, veröffentlicht zu werden; und aus meiner kurzen (1 Monat), aber intensiven (ca. 100 Manuskripte) Co-Lektorenzeit (zusammen mit F.W.Bernstein) im damaligen (1964) Verlag Bärmeier und Nikel (Frankfurt) kenne ich jene Manuskripte, denen man den langen Leidensweg durch die Verlage so deutlich ansieht, wie dem Tippelbrude sein Leben unter Brücken und in Fußgängerzonen: Fleckig und abgegriffen kamen sie in dem kleinen Verlag angehumpelt, nachdem ein großes Verlagshaus nach dem anderen ihnen die Tür gewiesen hatte, Suhrkamp, Rowohlt, Fischer ... Daß ein solcher Niedergang nicht immer etwas mit der Qualität des Angebots zu tun hat, darf spätestens seit dem Jahre 1968 als erwiesen gelten. Damals nahm ich als freier Mitarbeiter an einer Redaktionskonferenz der satirischen Monatsschrift >pardon< teil, auf welcher der folgende Verlags-Test ausgeheckt wurde: Man nehme zwei Passagen aus dem hinteren, nicht allzu bekannten Teil des 1632 Seiten starken Jahrhundertromans "Der Mann ohne Eigenschaften" von Robert Musil, man verbinde sie zu acht einigermaßen unbeholfen getippten Manuskriptseiten, man taufe die Romanfiguren zur Sicherheit um, mache Gerda zu Helga, Ulrich zu Jürgen und Clarisse zu Brigitte, man erfinde einen Autor des Textes namens Bob Hansen, man lasse den seine Briefe mit dem Stempel >>Bob Hansen, freier Schrifsteller, z. Zt. techn. Abteilungsleiter<< versehen, man füge einen Brief des Inhalts bei, der Einsender schreibe an einem Roman und trage sich mit dem Gedanken, Vollzeitschriftsteller zu werden, und man versende das Ganze an zweiunddreißig deutschsprachige Verlage - was passiert? Die Antwort stand in >pardon<: 80 Prozent der Verlage verzichteten dankend. Am 17. Januar des umwitterten Jahres 1968 winkt der Suhrkamp Verlag ab: >>Ich fürchte leider, daß das, was Sie schreiben, mit unseren Vorstellungen von Literatur nicht ganz übereinstimmt<<, schreibt der Lektor Urs Widmer, dessen Plural Majestatis die Vermutung nahelegt, er habe sich zu diesem Zeitpunkt noch als Sprecher einer festgefügten, personenübergreifenden Suhrkamp-Kultur empfunden. Das freilich sollte sich bald ändern ... Nicht wegen ästhetischer Bedenken, >>aus verlagstechnischen Überlegungen<< mußte dagegen jener Verlag passen, zu dessen Stolz und Selbstverständnis es seit dem Jahre 1931 gehört hatte, den "Mann ohne Eigenschaften" im Verlagsprogramm zu führen: der Rowohlt Verlag. Wenn er wenigstens geschrieben hätte: Wir kaufen nicht, wir haben schon!
Ein interessanter Artikel; so oder so ähnlich habe ich es mir vorgestellt. Wenn man selber mal wieder ein Buch liest und es nach soundsovielte Seiten entnervt zuklappt, weil eben absoluter Schwachsinn, dann fragt man sich: nach welchen Gesichtspunkten wählen die eigentlich aus? Es gibt Verlage, deren Ignoranz neuen jungen Autoren gegenüber schon an Arroganz grenzt. Da sind Sekretärinnen damit beschäftigt, die eingehenden Manuskripte zu sichten um festzustellen, ob da etwas Konsalikhaftes oder Simmelmäßiges drunter ist. Wenn nicht, ist jene Dame befugt das Manuskript wieder einzutüten und zurückzuschicken, ohne dass es je ein Lektor zu Gesicht bekommen hat. Die Begründungen der Absagen - wenn es denn überhaupt eine gibt - sind teilweise Haarsträubend.
Der von dir ausgewählte Text ist eigentlich nur traurig!
Problematischerweise stimmt es ja, dass die Mehrzahl der an Verlage gesandten Manuskripte keiner Veröffentlichung wert sind. Würden sich die Verlage immer weiter "erbarmen", gingen sie bald bankrott. Dass sie aber nicht fähig zu sein scheinen, vielversprechende Manuskripte mit halbwegs zuverlässigem Gespür aus der Masse herauszufiltern, sondern nur "abfertigen", ist ein Armutszeugnis! Das ist nicht nur für uns "Schreiber", sondern auch für die Leser traurig. Weil viel Abwechslung verloren geht.
Was ich mindestens genaus bedenklich finde, ist die allgemeine Arroganz unbekannten Schriftstellern gegenüber, will heißen: Es gibt Literaturwettbewerbe, bei denen man sich nur beteiligen darf, wenn man ein Werk über einen sogenannten renommierten Verlag publiziert hat. BoD, Selbst-oder Zuschußverlag wird von vorneherein abgelehnt. Eigentlich hatte ich gedacht, ein Literaturwettbewerb dient (auch) dazu, neue Talente zu entdecken und / oder zu fördern. Daß ein Verlag nichts über die Qualität eines Werkes aussagt, dürfte nach Beckham, Bohlen und co. inzwischen bekannt sein. Oder??
Ich hatte ebenfalls meine Erfahrungen gemacht bevor ich mich entschloss, die Biografie selber zu verlegen. Die großen Verlage werden sich in das Manuskript wahrscheinlich gar nicht eingelesen haben. Allerdings hatten zwei namhafte kleinere Verlage ihr Interesse bekundet. Vielleicht war es ein Fehler darauf nicht eingegangen zu sein. Wobei der eine von ihnen gerade keine finanziellen Mittel zwecks Realisierung hatte und der letztere erwartete, dass ich die DDR auf ein Minimum reduziere. Anschließend dachte ich dann, es alleine auf die Reihe zu bekommen.
Inzwischen habe ich nur positive Feedbacks bekommen und das von mir völlig unbekannten Lesern. Daraus resultierend gehe ich davon aus, dass sich auch ein namhafter Verlag hätte finden lassen, wenn das Manuskript denn gelesen worden wäre.
Um meine Aussage zu unterstreichen möchte ich das Angebot vom Dr. A. Mäckler, seines Zeichens Chef des "Autobiografischen Zentrums", München, anführen, der mein Buch auf der Frankfurter Messe vorstellen möchte und das obwohl er es gelesen hat.
Ich kenne eine Verlagsmitarbeiterin eines namhaften Verlages, die mir sagte, dass die sogenannten "Großen" in der Branche kaum noch selbst neue Autoren ins Programm aufnehmen. Vielmehr suchen sie sich die Rosinen der kleinen Verlage aus. Geht dort ein Buch gut weg, stimmt also der Verkauf, dann bekommt der kleine Verlag ein "Übernahmeangebot" für das Buch. Die Lektoren der großen Verlage verkommen somit immer mehr zu Kaufleuten und für die Talentsuche bleibt kaum Zeit.
Deshalb kann ich jungen Autoren nur empfehlen, sich an kleinere Verlage zu wenden. Da werden die Manuskripte tatsächlich noch gelesen. Bei den großen "lagern" sie eine gewisse Verweilzeit und werden dann ungelesen mit einem unverfänglichen Kompliment abgeschmettert. Die Mühe sollte man sich wirklich sparen.