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Dieses Thema hat 9 Antworten
und wurde 811 mal aufgerufen
 Texte aller Art, Gedichte, Lyrik, Kurzgeschichten, Altbeiträge
Felios Offline



Beiträge: 416

30.06.2004 05:55
RE: Abschied - Kurzgeschichte Antworten

Abschied

Als er erwachte, lag sie neben ihm. Die Augen weit aufgerissen, vertrocknete Tränen auf ihrer hellroten Wange. Der stierende, leblose Blick erfüllte ihn mit unendlicher Trauer. Behutsam schloss er ihre zarten Augenlider, er streichelte ihren weichen, noch glühenden Körper, fuhr sanft über ihre üppigen Brüste und verharrte über ihrem Herzen. Sie ließ die Liebkosungen duldsam über sich ergehen, ohne dass er nur ein schwaches Wort des Protestes vernahm. Ein leiser Blutstrom ergoss sich aus ihrem graziösen Körper, silbern spiegelte er sich neben ihrer knochigen Hand, deren bleichen Finger leicht gekrümmt eine Faust bildeten. Ihr dunkles ,gewelltes Haar ruhte ausgebreitet auf den hellen, freundlichen Leinenkissen, es roch nach frischen Holunderblüten. Er beugte sich über ihr Haupt und atmete tief ein, lange, bedächtige Züge, seine Lungen gierten nach dem süßen Saft, der aus den glänzendem Haar der jungen Dame entwich, welche so vor ihm lag, so still und unscheinbar. Ihre dünnen, rissigen Lippen formten stumme Hilferufe, deren flehenden Unterton er nicht überhören konnte. Er antwortete auf dieselbe, lautlose Art und Weise und beruhigte sein an seinen Motiven zweifelndes Gewissen, das ihn an der idyllischen Stätte ihres Niedergangs verbleiben ließ. Die junge Dame mit dem blassen Teint, den ehemals funkelnden, nun aber erloschenen Sommersprossen, deren weiblich geformter Körper keinen Makel erkennen ließ, rührte sich nicht mehr. Sie entschwand plötzlich, ehe er die Fülle ihrer Schönheit begreifen konnte. Ein Wermutstropfen perlte von seiner Stirn, der berauschende Duft umnebelte seine wirren Gedanken, drang tief in sein Herz, dessen Pochen merklich an Kraft verlor und stach in sein unbeflecktes Seelenleben. Der Schmerz tat seinem Innersten weh , denn der Abschied von ihren smaragdgrünen Pupillen, die trotz ihres leidenden Fleisches eine ansteckende Fröhlichkeit ausstrahlten, fiel ihm schwer. Sein Blick fiel auf ihre schlanken, sonnengebräunten Beine, deren verkümmerten Muskeln und bläulich durchschimmernden Venen er schlicht übersah. In wüsten Erinnerungsfetzen sah er ,wie sie ihre kleinen, behenden Füße über mundendes, wohlig riechendes Gras frisch gemähter Wiesen trugen. Sie lachte unbekümmert und vergaß um sich herum die Welt der Qualen, nur manchmal, wenn sie sich überschätzte und stürzte, sah er einen dunklen Schatten über ihr bezauberndes Antlitz huschen, der ihr aufzeigte, dass die Realität nie fern war.
Er trat mit leisem Schritte hin zum Fenster und ließ die Jalousien herunter – das Sterbezimmer verdunkelte sich sofort und spendete dem verwelkendem Leibe kostbaren Schatten.
Mit einem Ruck kehrte er auf dem Absatz um, warf noch einmal einen flüchtigen Blick auf den reglos daliegenden Leichnam, welcher eine Nacht zuvor noch ein lebendiges, atmendes Wesen war, dann verließ er den Raum und begab sich Richtung Ausgang, den silbern-rötlich schimmernden Gegenstand unter seinem Mantel verborgen. Es war an der Zeit, Abschied zu nehmen.


[f1][ Editiert von Administrator Felios am 30.06.2004 5:58 ][/f]

[f1][ Editiert von Administrator Felios am 30.06.2004 6:00 ][/f]

Bianca Offline




Beiträge: 98

30.06.2004 12:45
#2 RE: Abschied - Kurzgeschichte Antworten

Hi Felix,
ich habe gerade deine Geschichte gelesen, sie hat mir sehr gut gefallen. Viele sprachliche Formulierungen fand ich sehr schön und ich wüsste jetzt auch nirgends etwas auszusetzen. Inhaltlich fand ich sie auch gut, etwas geheimnisvoll aufgrund deiner sprachlichen Formulierungen geparrt mit einer Prise Wahnsinn.
Zitat:
"...seine Lungen gierten nach dem süßen Saft, der aus dem glänzendem Haar der jungen Dame entwich..."
Ich tauge nicht sonderlich gut als Kritikerin, aber ich vergleiche Geschichten gerne mit Büchern oder anderen Dingen, die mir vertraut sind. Vor allem was die Prise Wahnsinn anbelangt, würde ich deine Geschichte thematisch mit dem Buch von Patrick Süskind vergleichen ("Das Parfum"- falls du den Autor oder das Buch nicht magst, bitte ich den Vergleich zu entschuldigen). Ich fand die Geschichte insgesamt wirklich gut. Ich würde dem lyrischen Ich in der Realität nicht begegnen wollen *brrr*...
Liebe Grüße,
Bianca

Felios Offline



Beiträge: 416

30.06.2004 14:59
#3 RE: Abschied - Kurzgeschichte Antworten

Hi Bianca!

"ich habe gerade deine Geschichte gelesen, sie hat mir sehr gut gefallen. Viele sprachliche Formulierungen fand ich sehr schön und ich wüsste jetzt auch nirgends etwas auszusetzen."

Danke.
Ich schon,aber ich arbeite daran ;-)

"Inhaltlich fand ich sie auch gut, etwas geheimnisvoll aufgrund deiner sprachlichen Formulierungen geparrt mit einer Prise Wahnsinn.
Zitat:
"...seine Lungen gierten nach dem süßen Saft, der aus dem glänzendem Haar der jungen Dame entwich..."
Ich tauge nicht sonderlich gut als Kritikerin, aber ich vergleiche Geschichten gerne mit Büchern oder anderen Dingen, die mir vertraut sind. Vor allem was die Prise Wahnsinn anbelangt, würde ich deine Geschichte thematisch mit dem Buch von Patrick Süskind vergleichen ("Das Parfum"- falls du den Autor oder das Buch nicht magst, bitte ich den Vergleich zu entschuldigen)."


Der Vergleich ist gut - ich habe zwar nicht explizit an Süskinds Roman gedacht, kenne das Buch aber ebenfalls und mag es auch sehr.Süskind beschreibt mit vielfältigen, bunten Worten, was sein Protagonist sieht,hört und riecht.
So war es auch hier gedacht.

"Ich fand die Geschichte insgesamt wirklich gut. Ich würde dem lyrischen Ich in der Realität nicht begegnen wollen *brrr*..."


Im Grunde ist diese Geschichte eine Weiterentwicklung aus der Parabel "Schatten" - Kapitel 8, welches ich als Startpunkt genommen habe.Manchmal ist es auch keine schlechte Idee, wenn man aus den einzelnen Kapiteln einer Novelle eine eigene Geschichte wachsen lässt, um sie dann zu einem Gesamtwerk zusammenzusetzen.


Gruß,
Felix

Miss Rainstar Offline




Beiträge: 1.967

30.06.2004 16:34
#4 RE: Abschied - Kurzgeschichte Antworten

ach felios, was ich woanders vergass zu erwähnen... wie können lungen nach rotem saft (blut?) gieren? er würde daran ersticken. wenn es der duft von dem blut sein soll, müsste es evt. etwas bessrer hervorgehoben werden.

bye & dark greetz

Felios Offline



Beiträge: 416

30.06.2004 16:47
#5 RE: Abschied - Kurzgeschichte Antworten

"Ihr dunkles ,gewelltes Haar ruhte ausgebreitet auf den hellen, freundlichen Leinenkissen, es roch nach frischen Holunderblüten. Er beugte sich über ihr Haupt und atmete tief ein, lange, bedächtige Züge, seine Lungen gierten nach dem süßen Saft, der aus den glänzendem Haar der jungen Dame entwich"

Aus dem süßen Saft, der aus dem Haar entwich.

Nicht rotem Saft,das ist ein Unterschied :-)

Gruß,
Felix

Miss Rainstar Offline




Beiträge: 1.967

30.06.2004 17:09
#6 RE: Abschied - Kurzgeschichte Antworten

stimmt, hatte ich schon wieder vergessen, als ich das antwortprogramm aufrief *asche über mein haupt* aber die lungen gieren doch immer noch nach dem saft und nicht nach dem duft, oder?

ich mag ja vergleiche und angleiche, aber saft und duft ist ein sehr großer unterschied.

Felios Offline



Beiträge: 416

30.06.2004 17:16
#7 RE: Abschied - Kurzgeschichte Antworten

Ist eine höhere metaphorische Ebene ;-)

So als würde man mit der Nase schmecken.
Ich hätte auch schreiben können,dass der Saft aus dem Haar sublimiert, aber das klingt etwas abgedroschen wissenschaftlich.

Gruß,
Felix

Miss Rainstar Offline




Beiträge: 1.967

30.06.2004 20:01
#8 RE: Abschied - Kurzgeschichte Antworten

gedacht hab ich mir schon, das du es so meinst. aber ich schätze das es *andere* wohl doch übel nehmen werden und nicht einverstanden sind mit der metaphorik.

andersrum - über die nase kann man tatsächlich schmecken, da die geschmacksnerven durch die atemluft, welche aus der nase kommt, angeregt werden.

brombeeer Offline




Beiträge: 135

04.07.2004 16:28
#9 RE: Abschied - Kurzgeschichte Antworten

So, hab jetzt diese Geschichte auch endlich mal gelesen, auch wenn ich später dran bin *g*.
Ich fand sie ebenfalls sehr gut, es war richtig gut beschrieben. Während dem Lesen dachte ich erst an einen Vampir, das würde ja auch passen.
Lieben Gruß,

Brombeeer

Felios Offline



Beiträge: 416

05.07.2004 16:42
#10 RE: Abschied - Kurzgeschichte Antworten

Danke,Brombeer !

Ein paar logische Schwächen sind allerdings noch vorhanden.
Wie wet wassermann im LC sagte "Auch Kitsch muss stimmen." ;-)

Gruß,
Felix

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