Lang, lang ist es her, dass ich Gedichte schrieb. Damals, mit 14 Jahren, war ich allerdings mit großer Begeisterung dabei. Wobei es von der Thematik her andere waren als jene die ihr heute schreibt. Deshalb maße ich es mir auch nicht so richtig an Eure Gedichte zu bewerten, aber seht selbst:
1962 begann ich damit Gedichte zu schreiben. Das lag aber eher an einem Zufall. Wir sollten in einer Kurzarbeit ein Frühlingsgedicht, meines Wissens von Eichendorff, schriftlich wiedergeben. Ich wusste zwar noch die Anfangszeilen, danach ging aber irgendwie nichts mehr und ich schrieb munter drauf los. Bei der Rückgabe unserer Arbeiten erklärte die Lehrerin vor der Klasse: „Es ist mir ja fast nicht aufgefallen“. „Trotzdem bekommst du eine Vier“. Damit beendete sie dann resolut ihre positiv - kritische Bewertung meiner „dichterischen Fähigkeiten“. Meinen Tatendrang weitere Reime zu Papier zu bringen hatte sie mit diesem Statement allerdings geweckt.
Meine Aufsätze wurden, wenn es darum ging in eigener Phantasie etwas niederzuschreiben, sowieso schon seit längerem vorgelesen. Auch wenn es sehr viele Jahre her ist erinnere ich mich gerne an die knisternde Spannung die entstand, bevor ein Schüler mit dem Vorlesen meines Aufsatzes begann. Oft genug hatte ich dabei die Lacher auf meiner Seite. Nur einmal, als es in einem Aufsatz um unseren Berufswunsch ging, schoss ich aus innerster Überzeugung über das schulseitig angedachte Ziel hinaus. Ich schrieb nämlich, dass ich den Schneemenschen, sprich Yeti, aufzuspüren gedenke. Wie ich darauf kam? Ende der fünfziger Jahre wurden gerade wieder einmal vermeintliche Spuren eines Yeti im Pamirgebirge entdeckt. Da ich schon immer von Abenteuerlust geprägt war und es mir keineswegs an Phantasie mangelte war das ein willkommener Anlass, meine Sehnsüchte zu Papier zu bringen.
In der Benotung stand einige Tage später, Thema verfehlt 4, Ausdruck 1. Aber weshalb denn das? Fragte nicht nur ich mich. Ich sag es einfach mal so. Die Lehrerin konnte sich nicht vorstellen, dass eines Tages DDR Bürger im Pamir unterwegs sein würden, eventuell auch auf den Spuren jenes Schneemenschen. Diese Lehrerin sollte den Mauerfall nicht mehr erleben dürfen. Ansonsten hätte ich mich wahrscheinlich gerne noch einmal mit ihr über so vieles unterhalten. Es handelte sich nämlich um eine Frau die mir nicht nur wegen ihres stetig blitzenden Unterrocks in Erinnerung geblieben ist.
Meine dichterische Neugier war nach dem Ereignis fast genauso gut wie jener Dichter aus dem 19. Jahrhundert gewesen zu sein, jedenfalls geweckt. Mit meinem ersten Gedicht belegte ich dann gleich den zweiten Platz bei einem Schul- Kreisausscheid.
Nachfolgend mein drittes Gedicht von 1963. Die letzte Strophe entstand aus meiner damaligen Einstellung zur DDR und war nun wahrlich nicht das Wahre für einige Politniks! "NVA und Deutsche Einheit":
Schwarz - Rot - Gold
Als Lützows verwegene Reiterscharen, noch ohne Tyrannenoberhaupt waren. Als Trommelwirbel und Husarengesang, auf wilder Jagd in den Wäldern erklang, da strömte zu ihnen das schwarze Volk, die Mansfelder Knappen es waren. Sie trugen in den Freiheitskampf, die Schwarz- Rot - Goldenen Farben.
Wild kamen sie daher gesprengt, den blitzenden Säbel in der Hand und das Horrido als Schlachtruf erklang. Sie ritten unter der deutschen Fahne, die der Preußenkönig verbot, sie sangen deutsche Freiheitslieder und färbten verblutend die Erde rot. Rot, dass dem morschen Adel grauste, der zitternd und bebend zu Boden sank, rot, dass der Freiheit Sturmwind brauste und neue Saat im Blut erstand.
Doch verraten wurde das Volk vom Adel, der wieder zu triumphieren begann. Von neuem musste der Arme leiden, die Zeit der Diktatur brach an. Müde zogen die Knappen nach Hause, gelichtet war ihre tapfere Schar doch in ihren Herzen brannte ein Feuer das niemals zu vertilgen war. Verbittert legten sie ihre Fahne die Schwarz - Rot - Goldene zur Ruh, um von neuem mit ihr zu stürmen, bricht das Morgenrot einst den Bann.
Heut trägt diese Fahne ein Emblem, in stürmischen Jahren geboren. Auf allen Meeren kann man sie sehn, in Fabriken und auf den Türmen. Stolz kündet sie von neuem Leben, in blutiger Nacht erkoren. Auf ihren Saum hat die Volksarmee, für Deutschlands Einheit geschworen.
wow... du hattest ja hehre gründe dichterin zu werden. willst du mit diesem thread auch von anderen wissen, wie sie dazu kamen? *rein interessehalber mal gefragt*
fange bitte gleich damit an, vielleicht schließt sich ja der/die ein oder andere an, um hier mal aufzuzeigen auf welchen Wegen man zum Schreiben kommt. Ich hatte überhaupt keine heren Gründe Dichterin zu werden, bins glaube ich auch nie geworden. Es gab jedoch Augenblicke, wie der Vietnamkrieg, da schrieb ich mit dem Herzen, genau wie Du jetzt nur zu anderer Thematik.
Ich bin über die Liedtexte von Peter Gabriel zum dichten gekommen. Für mich sind Gedichte die Möglichkeit, auf sehr komprimierten Raum eine Vielzahl von Gefühlen, oftmals auch verschachtelt, darzustellen. Ich hab mich da im Lauf der Zeit und unter dem Einfluss der sogenannten "New York Poets" aus den fünfziger Jahren vom persönlichen, direkt ansprechenden Gedicht mehr zu den Gedichten hinentwickelt, die man am besten als Prosagedichte umschreibt. Also schon fast erzählende "Linien", in denen durch die Präsentation von Beobachtungen Emotionen und Stimmungen vermittel werden können.
Gedichte entstehen bei mir normalerweise immer wieder in dem Zeitraum zwischen zwei Romaenen oder zwischen zwei größeren erzählerischen Arbeiten, wenn noch nicht ganz die Luft raus ist. Oder wenn ich, wie im letzten Urlaub in Kroatien, regelrecht hingerissen bin von den Eindrücken, die ich wahrnehme. Vor allem durch die Phase im Urlaub in Kroatien hat sich die Grundstimmung meiner Gedichte geändert und wurde eher vorsichtig positiv.
An Gedichten schreibe ich nie lange: Oft kommt es vor, dass ich sie während einer Straßenbahnfahrt in meinen Notizblock schmiere. Ich liebe diese komprimierte Form des Textes und freue mich immer wieder, wenn ich während des Schreibens in das Gefühl drifte, dass es klappt, dass da die richtigen Worte einfach kommen :-)
Es ist so vieles, was ein Mensch im Laufe seines Lebens sagt und es ist noch sehr viel mehr, was er verschweigt. Manchmal wird das Schweigen laut, lauter noch, als die Gedanken. Dann quillt es aus den Augen, flieht vor den Füßen und bricht aus den Fingerspitzen. Es kämpft sich gegen alle Wehr in die Außenwelt, in der Hoffnung, dort seine Sprache wieder zu finden. ---------------------------------------------------------- das ist das vorwort für den gedichtband, den ich beabsichtige irgendwann mal rauszubringen. diese worte sagen fast schon alles in hart gekürzter version.
hmm, meine gründe, gedichte zu schreiben, sind wohl eher therapeutischer natur. ein sssöngeisst war ich ja schon immer. im alter von 7 jahren (ungefähr) hab ich schon kleine märchen und geschichten für mich geschrieben, die aber alle nicht überlebt haben bis heute.
naja... wie soll ich sagen. ich hab ne menge scheiße erlebt und es ist vieles falsch gelaufen in meiner kindheit. allerdings wusste ich das ca. 20 jahre lang nicht. ich hatte es "vergessen". nur leider war mal wieder kein verlass auf meinen kopf (oder wars das herz? die seele?). von 2001 bis letztes jahr brach alles über mich herein, ich bin fast daran gestorben. und irgendwann in dieser zeit hatte ich plötzlich ein stück papier in der hand, einen stift in den fingern und als ich wieder erwachte, standen da zeilen auf dem weiß, die sogar lesbar waren. und ich hab gemerkt, das jedes gedicht, egal welches thema es hatte, wie atmen für mich war. ich konnte danach freier atmen. wirklich wahr und irgendwie unbegreiflich.
das schreiben wird zwar nicht helfen das erlebte zu heilen, aber zumindest läßt es mich immer wieder mal luft holen und abstand gewinnen.