so. brandneu und ich würd gern wissen was ihr davon haltet und wo es was zu kritisieren gibt. --------------------------------------------------------
Das Puzzlespiel 1
Sie wurde gefragt was Angst ist.
Langsam öffnet sie die Augen. Vor ihr breitete sich greifbare Schwärze aus, dicht, stumm, lebendig und so alt. Es war warm, obwohl das Fenster geöffnet war und die eisige Nachtluft herein strömte. Sie wusste das sie das Fenster am Abend geöffnet hatte, aber sie sah den Spalt nicht. Sie überlegte ob die Wärme aus der Dunkelheit kam. Oder war die Dunkelheit auch Wärme?
Hinter der Stahltür mit ihren drei Schlössern war nichts zu hören. Diese Tür, die den kleinen, schmalen und hohen Raum mit ihrem grauen Erscheinungsbild ganz ausfüllte wenn es hell war. Wann war es hell? Sie überlegte ob die Tür noch da war, obwohl sie sie doch nicht sehen konnte. Der Gedanke ließ ihr keine Ruhe und sie schwang ihre Beine über die kalte Kante des eisernen Bettgestells. Doch als ihre Füße den Boden berührten, blieb sie horchend sitzen. Um sie herum knisterten die Wände, die im Dunkel verborgen lagen. Sie fragte sich ob es die Wände im Dunkel gab, genau so wie die Tür. Über ihr knirschte es, in ihrem Rücken ertönte ein heller Laut und ihre Nackenhärchen richteten sich auf, als das Geräusch noch weiter zu nahm und sein Kreischen plötzlich in einem ohrenbetäubenden Knall endete.
Risse wanden sich durch die Dunkelheit, dort wo die Wände hätten sein sollen. Von der Decke kommend, tanzten sie senkrecht zu Boden und durch sie hindurch tropfte gleißendes Licht, wie das Blut aus ihrer schlecht vernähten Wunde. Den Rissen folgte ein feines Klirren das lauter wurde und eine herrliche Melodie spielte, der sie mit geschlossenen Augen verzückt lauschte. Die folgende Stille war fast genau so greifbar wie die Dunkelheit vorher. Sie öffnete ihre Augen.
Mit leeren Augen sah sie sich um. Sie saß noch immer auf dem Bett und stützte sich mit beiden Armen zu ihren Seiten auf der harten Matratze ab. Genau so emotionslos bemerkte sie, dass das Bett wirklich war. Das gleißende Licht drang auf sie ein und schmerzte in den Augen, die nur das Dunkle gewohnt waren. Nichts. Keine Wände um sie herum, keine Decke über ihr. Keine Tür. Langsam stand sie auf und machte einen Schritt in die Leere, blieb jedoch sogleich wieder stehen. Das Knirschen unter ihrem nackten Fuß war wirklich. Der Laut tat in ihren Ohren weh. Ihr Kopf senkte sich viel zu langsam und sie blickte mit unbewegtem Gesicht in das Weiß unter sich.
Es schmerzte nicht und sie hob ihren Fuß an um ihn wieder an seinen Platz vor dem Bett zu stellen. Vor ihr lagen schwarze glänzende Stücke. Eben so langsam wie vorher ihr Kopf, beugte sich nun ihr Körper hinunter und sie blieb, ihre Arme um die Beine geschlungen, vor den Stücken hocken.
2
Ihre rechte Hand löste sich vom den Stoff ihre weißen Hemdes, das sich um ihre Knie spannte und griff nach einem Stück. Hielt es hoch. Es war kalt und glänzte aus dem Schwarz heraus, als wollte es sie auffordern. Es war eine Scherbe. Sie glaubte das es eine Scherbe war. Die Kanten waren scharf und ihre Haut fing stark an zu bluten, als sie die Scherbe tief hinein bohrte. Also war es eine Scherbe.
Und nun sah sie auf. Um sie herum lagen Scherben. Schwarze Flecken in der weißen Leere. Das Bett stand inmitten von Scherben, sie stand inmitten schwarzer Flecken.
Und plötzlich überlegte sie wieder. Hatte es die Tür gegeben, obwohl sie sie nicht sehen konnte? Mechanisch sammelte sie die Scherben in ihr geschürztes Hemd. Sie wusste nicht warum sie das tat, aber es gab ein so angenehmes Geräusch, als die Stücken gegeneinander stoßend in den Stoff fielen. Ihre Hände bluteten und hinterließen rote Flecken auf dem weißen Hemd und trotzdem bückte sie sich immer weiter nach den Scherben.
Der schwarze Haufen zu ihren Füßen war beachtlich. Die Stücke reflektierten das weiße Licht und warfen ihr ihr eigenes Gesicht hundertfach wieder entgegen. Es brachte nichts das sie sich abwandte und versuchte nicht direkt in die Scherben zu sehen. Von irgendwoher sah sie immer wieder diese ausdruckslosen Augen auf sich blicken. Mit den Händen im Schoß saß sie vor dem schwarz glänzenden Berg und starrte leer auf seinen Umriss. Das Bett in ihrem Rücken wetteiferte mit den Stücken darum, wer die größere Kälte ausstrahlte. Und so fror sie von beiden Seiten.
Ihre Hand griff in den Haufen und sie wunderte sich das sie so wenig Anteil nahm an den Dingen, die ihr Körper oder ihr Geist taten. Wieder fiel ihr die Tür ein, die es wohl nicht gegeben hatte. Als sich er Gedanke aufgelöst hatte, sah sie die Scherbe an, die ihre Hand ihr vor die Augen hielt. Sie ertappte sich dabei, wie sie das Stück mit den anderen am Boden verglich. Wieder bohrte sich ihr Arm bis zum Ellbogen in den Haufen und zerrte blutüberströmt eine weitere Scherbe in das Licht. Sie passte. Fast hätte sie aufgeschrieen. Doch das Gefühl verflog ebenso schnell wie der Schmerz an ihrem Arm.
Mit Händen, die zwischen ihren Knien schlaff herab hingen, saß sie auf dem kalten Bett und starrte zu Boden. Zu ihren Füßen breitete sich ein mosaikartiger Boden aus glänzenden schwarzen Stücken aus, zwischen denen weißes Licht hervorbrach. Das Wissen war über sie gekommen, während sie sich noch selbst dabei beobachtete wie sie die Scherben miteinander verglich. Doch woher sollte sie wissen ob jede Scherbe an ihren richtigen Platz kam und wo war nur die Tür?
3
Als sie die Augen ein zweites Mal öffnete um zu sehen, stöhnte sie laut auf. Vor ihr erstreckte sich eine Wand aus schwarzen Scherben, die ihre Risse stolz zur Schau trugen. So stolz es Stücke eben vermochten. Die Wand war größer als die, die sie im Dunkel vermutet hatte. Und höher war sie auch. Das Licht zwischen den Rissen gab dem Dunkel der Wand etwas Lebendiges. Ließ sie aufblitzen und zu ihr sprechen. Sie hielt sich die Ohren zu. Die Wand schrie.
Und sie wurde doch müde. War sie es vorher im Dunkel nie gewesen, hatten ihre Gedanken sie immer wieder wach gerüttelt, so wurden ihr jetzt die Augen schwer. Aber vorher hatte sie sich auch nie bewegt. Die glänzende Decke über ihrem Kopf verschwamm vor ihren Augen, die Stimmen der Wände hörte sie nicht mehr. Sie träumte wirr. Laut lachend wurde sie von der Tür verfolgt, die ihr immer wieder diese eine Frage stellte. Wo war sie? Wo war sie geblieben?
Sie kam wieder zu sich, wurde nur schwer wach. Bis der neblige Film vor ihren Augen sich gelegt hatte dauerte es lange und noch länger dauerte es, bis sie merkte das sie am Boden hinter dem Bett kniete und eine Scherbe nach der anderen verglich und einpasste,... in die dritte Wand unter der Decke. Der Raum war groß. Das Licht in den Ritzen zwischen den Scherben erhellte ihn und das Glänzen schien nach ihr greifen zu wollen. Sie schlug sich die Hand vor den Mund und konnte es doch nicht verhindern, das sich ein erschrockener Laut durch ihre Lippen zwängte. Zum ersten Mal betrachtete sie den dunklen Raum um sich herum mit Interesse. Noch fehlte die letzte Wand, aber sie war sich sicher das sie schon bald stehen würde. Selbst wenn sie nicht vor hatte daran zu arbeiten. Die Stücke drängten sich ihr förmlich auf. Sie lehnte sich an das kalte Bettgestell und versuchte sich so klein wie möglich zu machen. Von überall um sie her starrten sie unzählige bleiche Gesichter an, in denen die Augen so schwarz wie die Dunkelheit vorher brannten und die umrahmt waren von strähnigen, leblosen Haaren.
Und zum ersten Mal, seit sie wusste das sie denken konnte und auch darüber nachdachte, kam ihr eine Idee. Ein Geistesblitz. Sie war so erschüttert davon, das sie sich nicht regen konnte. Was war wenn sie die Tür nicht finden konnte, nicht musste? Sie fühlte unbekannte Energie in sich und stieß sich von dem Weiß, das sie für einen Boden hielt, ab. Dies war die erste Stelle die sie sofort mit schwarzen Scherben bedeckte.
4
Erschöpft sah sie sich um. Über ihr, hinter ihr und zu ihren Seiten breiteten sich schwarze Scherben zu einem Raum aus der sie umgab. Dunkel das nicht warm war. Sie steig auf das quietschende Bett und reckte sich der Decke entgegen, bis sie die glänzenden Stücke erreichte. Sie schob und zog so lange bis sie sich die nie geschnittenen Fingernägel abgebrochen hatte. Doch lagen die Scherben nun ohne Abstand aneinander. Kein Licht drang mehr hindurch. Sie legte eine Hand flach auf das Dunkel und fühlte der Kälte nach, die langsam wich.
Was Zeit war interessierte sie nicht. Zeit brauchte sie hier nicht. Doch sie war fertig. Kein lichtblutender Riss durchbrach jetzt noch die Wände, den Boden oder die Decke. Sie hatte es geschafft. Abrupt drehte sie sch um und starrte auf die Wand, welche sich am Fußende ihres Bettes ausbreitete. Gleißendes Licht quoll an einer Stelle hindurch und ließ den Boden an der Stelle aufblitzen, an der es auf ihn traf. Kein einziges Staubkorn tanzte in dem Lichtstrahl, sie lächelte. Lächelte mit entblößtem, verzerrtem Gebiss. Angestrengt und zum ersten Mal. Dann ging sie zielsicher auf den Lichtstrahl zu und bückte sich vor dem Loch in der Wand auf den Boden.
Ohne es zu schließen wandte sie sich wieder um und legte sich beruhigt auf das Bett. Ihre rechte Hand schloss sich fest um einen spitzes, scharfes Stück. Sie hatte die Tür gefunden.
Gez. Anja Tonk, 11.10.2004
[f1][ Editiert von Miss Rainstar am: 13.10.2004 21:47 ][/f]
Also, ich hab mir die Geschichte durchgelesen. Vorest: Die Idee gefällt mir sehr gut. Ich habe auch mal eine Geschichte über ein ähnliches Gefängnis geschrieben (hatte aber nicht diesen düsteren Touch, es war das genaue Gegenteil, nämlich ein weißes Gefängnis).
Von der Idee her fand ich wirklich gut! Das sind Geschichten, die man nicht überall liesst (also nichts Alltägliches)! Und natürlich geht von der Dunkelheit auch eine gewisse Faszination aus. Was mir aufgefallen ist: An der sprachlichen Umsetzung stockst du manchmal ein wenig, also das Flüssige geht an manchen Stellen verloren. Dies geschieht vor allem an Stellen, an denen du oft die selben Worte verwendest, z.B. Scherben. Da würde ich es angenehemer empfinden, wenn sich die Worte etwas mehr abwechseln, z.B. durch Synonyme oder Umschreibungen. Selten sind Formulierungen dabei, die nicht ganz zu stimmen scheinen, z.B.
Emotionslos sah sie sich um.
Kann man das so sagen? Ich bin mir selbst nicht sicher, aber ich glaube, man kann sich nicht emotionslos umsehen. Vielleicht: "Sie verspürte nichts, als sie sich umsah", oder etwas in der Art?
Doch woher sollte sie wissen ob jede Scherbe an ihren richtigen Platz kam und wo war nur die Tür? Würde ich zwei Sätze draus machen, damit es flüssiger klingt.
Sie war so erschüttert davon, das sie sich nicht regen konnte.
Hm. Eine Idee ist etwas, dass einen regelrecht elektrisieren kann, oder eine plötzliche Erkenntnis kann erschreckend sein. Erschütternd ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort?
(Ich bin wirklich sehr vorsichtig mit meinen Behauptungen, vielleicht liege ich auch falsch. Das war allerdings das, was mir aufgefallen ist.)
Die Wand schrie.
Hach, super beschrieben!
Von überall um sie her starrten sie unzählige bleiche Gesichter an, in denen die Augen so schwarz wie die Dunkelheit vorher brannten und die umrahmt waren von strähnigen, leblosen Haaren.
Auch sehr schön beschrieben!
Um sie herum lagen Scherben. Schwarze Flecken in der weißen Leere. Das Bett stand inmitten von Scherben, sie stand inmitten schwarzer Flecken.
Ein schönes Bild, hier würde ich allerdings aufpassen: Scherben und schwarz folgen zu dicht aufeinander, also wiederholen sich. Stört ein wenig den Lesefluß.
Und sie wurde doch müde. War sie es vorher im Dunkel nie gewesen, hatten ihre Gedanken sie immer wieder wach gerüttelt, so wurden ihr jetzt die Augen schwer. Bien!
Vor ihr breitete sich greifbare Schwärze aus
Jawohl!
Oder war die Dunkelheit auch Wärme?
Auch eine schöne Frage!
Da gab es noch einige schöne Stellen, also insgesamt fand ich die Geschichte gut, Idee wirklich klasse. Jetzt komm ich aber langsam zum Ende*puh*.
Kann man das so sagen? Ich bin mir selbst nicht sicher, aber ich glaube, man kann sich nicht emotionslos umsehen. Vielleicht: "Sie verspürte nichts, als sie sich umsah", oder etwas in der Art?<<
Bin mir nicht sicher, aber ich glaube schon. Ich wollte die sätze stellenweise kurz halten um so die aussage zu verdeutlichen. Allerdings habe ich für das wort „emotionslos“ auch lange gebraucht, weil ich versucht habe ein besseres und flüssigeres zu finden. ________________________________________________________
>>Doch woher sollte sie wissen ob jede Scherbe an ihren richtigen Platz kam und wo war nur die Tür? Würde ich zwei Sätze draus machen, damit es flüssiger klingt.<<
Ich wollte es zusammenschreiben, da ich damit andeuten will, wie ihr de Gedanken durch den kopf laufen, bald rennen. __________________________________________________________
>>Sie war so erschüttert davon, das sie sich nicht regen konnte.
Hm. Eine Idee ist etwas, dass einen regelrecht elektrisieren kann, oder eine plötzliche Erkenntnis kann erschreckend sein. Erschütternd ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort?<<
doch, wenn man sonst nie nachdenkt, weil es zu anstrengend ist oder zu ergebnislos, dann ist ein gedanke, der etwas bringt erschütternd. ___________________________________________________________
>>Um sie herum lagen Scherben. Schwarze Flecken in der weißen Leere. Das Bett stand inmitten von Scherben, sie stand inmitten schwarzer Flecken.
Ein schönes Bild, hier würde ich allerdings aufpassen: Scherben und schwarz folgen zu dicht aufeinander, also wiederholen sich. Stört ein wenig den Lesefluß.<<
Ganz ehrlich? Das sollte es auch. Denn so wird der leser sogar fast gezwungen zweimal zu lesen, wodurch das verständnis vielleicht steigt. Außerdem fand ich die unordnung ihrer welt in ihrem kopf durch die formulierung besser ausgedrückt, da sie den boden genau so wahrnimmt. Aber ch sollte einen absatz reintun, dann wirkt es nicht mehr aufgesetzt. Alles klar, danke. __________________________________________________________
so.... daaanke *knuddel*
[f1][ Editiert von Miss Rainstar am: 13.10.2004 21:45 ][/f]
Mir gefällt die Idee wirklich sehr gut, vielleicht hast du ja noch Lust, das Sprachliche etwas flüssiger zu machen. Aber das liegt ja stets im Ermessen des Autors.Zum Glück!