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Felios Offline



Beiträge: 416

18.10.2004 09:44
RE: Baphomet Antworten

Baphomet

Ben war eine besondere Gabe verliehen worden. Wenn er träumte, dann wurden die Träume wahr. Leider vermochte er diese nicht zu kontrollieren. Alles Schlechte manifestierte sich in seiner Realität. Ben hasste sich deswegen. Der Zorn auf seine Gabe wuchs jeden Tag. Ohnmächtig musste er dem Sterben auf der Welt zu sehen. Nachts träumte er davon, dass er Menschen erschoss. Unschuldige. Meist ältere Menschen, die bereits Weltkriege erlebt hatten und der Gegenwehr zu müde waren. Warum er sie tötete, war ihm unerklärlich. Ihre ausgemergelten, mit unzähligen Falten versehenen Gesichter blickten ihn stumm an, als er den Abzug drückte. Ein kreisrundes Loch in ihrer Stirn, tiefrotes, öliges Blut ,das aus diesem herauslief, verriet ihm: er hatte getroffen. Bens Angst manifestierte sich in der Realität. Die Furcht vor dem Tode war groß und sie nahm ihm all das Glückliche am Leben. Einmal wachte er schweißgebadet morgens auf, denn er hatte seinen eigenen Tod geträumt. Ein Lazarett. Viele Menschen darin. Sterbende Menschen. Ihm selbst gab ein Arzt weiße Pillen, die er schlucken sollte. Danach gierte er nach Sauerstoff. Hustete und keuchte. Er drohte zu ersticken. Zum Glück war es nur ein Traum, doch er war ihm so wirklich vorgekommen, dass er panische Angst vor dem Leben empfand. Andere ließ er diese Angst kaum spüren. Die Frage nach dem Sinn des Lebens stand ihm nicht zu. Ben stellte diese Frage jedoch. Was mochte der Sinn darin sein, jemanden im Traum umzubringen und in einem anderen Traum selbst den Tod zu erleben? Warum lebte er und für welchen Zweck? Es war Blasphemie. Doch Ben war auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und viele Tote pflasterten seinen Weg dahin. Bisher erzählte er nur von seinen Träumen, nebenan starb seine Nachbarin. Jung. Kerngesund. Einfach so. Jeden Tag hörte er den Krankenwagen. Menschen starben jeden Tag.
Er träumte wieder vom Tod, wie er Menschen in der Nacht umbrachte. Was war der Sinn des Lebens? Was war der Grund für die Existenz der Menschheit, die sich selbst kontinuierlich zerstörte? Stellte man sie auf die Probe? Wurde die Menschheit ausgelöscht, wenn sie Gottes Erwartungen nicht entsprach? Durch einen gigantischen Vulkan, durch einen Asteroiden? Oder reichte es bereits aus, wenn der vierte Weltkrieg über sie hereinbrach? Es gab einen Gott, daran glaubte Ben mit unerschütterlicher Sicherheit. Etwas musste sie erschaffen haben. Sie zu denken, lebensfähigen Wesen erzogen haben. Deren einziger Zweck darin bestand, sich jahrhundertlang zu bekriegen. Alles, was die Glaubensschriften ihnen lehrten, war Krieg. Der Kampf gegen Völker. Gegen Religionen. Gegen Wahrheiten. Liebe und heile Welt waren nur Ablenkung. Kleine Kapitel, um von dem Großen abzulenken: Tod. Vergänglichkeit. Hass. All das manifestierte Ben in seinen Träumen. Demnach war Ben ein Abbild der dunklen Seite Gottes. Des wahren Gottes, dem das Schicksal der Menschheit gleichgültig war. Denn er würde gleich welchen Ausgangs eine Entscheidung treffen. Die ihnen nicht gefallen würde.

(c) Felix Welzenbach

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