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Dieses Thema hat 2 Antworten
und wurde 379 mal aufgerufen
 Texte aller Art, Gedichte, Lyrik, Kurzgeschichten, Altbeiträge
Felios Offline



Beiträge: 416

21.12.2004 21:45
RE: Eine Reise durch den Winter [Reisebericht] Antworten

Landschaften ändern sich. Heimreise. Bilder sind gemacht. Aber können Bilder Gefühle ersetzen? Ein späterer Zeitpunkt für eine bildgewaltige Reportage drängt sich mir auf.

Es begann alles in Innsbruck. Der Mentlberg im Schnee. Sah so aus. Zentimeterdicker Reif verwandelte alles in eine bezaubernde Winterlandschaft.
Nach Westen ging es. In Richtung Bregenz. Ganz grob. Das Tal veränderte sich. Wurde enger. Extreme Strahlungsinversionen entzückten. Da lag der Reif über fünf Zentimeter hoch, teils noch höher... junge Bäume tiefweiß, die Kronen frohlockten bereits mit frühlingshaften Brauntönen - Straßen,Wege, Äcker,Wiesen - alles unter einer weißen Wolldecke begraben. Sanft entschlafen die Natur. Beschauliche Stille. Der Zug rollte unaufhörlich weiter. Ab Landeck wurde es zunehmend alpin. Das Tal wurde schmäler und tiefer. Eine Schlucht tat sich auf. Im Kleinen, aber nicht weniger beeindruckend für einen Flachländer.
Ganz unten am Bach tiefgefrorenes Ufer , Eisplatten. Die sonnenbeschienene Seite hingegen in jauchzendes Grün getaucht. Und nur wenige Meter darüber Ende der Inversion. Hier fuhr der Zug. Plötzlich - etwas seltsames geschah. Wir passierten eine Straßenbrücke. Von dieser hingen riesige, überdimensionale Eiszungen wie Damoklesschwerte herunter. Bis zu vier Meter lang, zwei Meter breit und einen halben Meter dick. Man fühlte sich wie in einer anderen Welt. In die Eiszeit versetzt oder in einem Wintermärchen. Aufwachen - es ist nur ein Traum, aber es war keiner.
Da gleitet man so durch die Landschaften. Ruhig ists, ab und zu knallt die Tür,wenn ein Fahrgast von Wagon zu Wagon spaziert. Auf der Suche nach nicht defekten Toiletten. Es ist hell. Und dann wieder dunkel. Tunnel um Tunnel auf dieser romantischen Strecke vollführt interessante Wechsel an Landschaften und Kultur. Der Vorarlbergtunnel. Dahinter plötzlich ein schwacher Schneeschauer. Unerwartet liegen noch mehrere Zentimeter Schnee. Nach Äonen an Reifwuchs,der Schnee verdächtig ähnelte, nun also das weiße Gold. Seit nurmehr fünf Wochen in Innsbruck vermisst, dort nichts emhr,geschweige denn sonstiger Niederschlag.
Und dann ist die Schneelandschaft da. Taucht wie aus dem Nichts auf. Und verschwindet auch bald wieder, als es nach Bludenz hinuntergeht. Im Hintergrund tauchen erste zaghafte Ausläufer der Schweiz in Form angeleuchteter Gebirgszüge auf. Österreich am Ende. Im Niemandsland. Schroffheit geht in weiche Konturen über. Der Bodensee. Lindau. Die Schweiz kantig und majestätisch,wenn man das Rheintal flussaufwärts blickt. Deutschland langweilig und fad, in Anbetracht der schnöden Industrie, dem grauen Himmel und den kilometerweiten grünen Wiesen, Äckern , monotoner Landwirtschaft. Österreich hingegen aufregend,abwechslungsreich, spannend.Bereits jetzt ein wehmütiger Gedanke an die Berge. In Erinnerungen schwelgen. Der fehlende Horizont störte nicht. Gab sogar ein Gefühl des Schutzes. Wie ein trautes Heim. Nun liefert man sich der weiten Ebene aus. Deutschland - hat einen wieder. Die Fahrt am Bodensee entlang. Grau. Ein Sandstrand wie am Meer. Unbeseelt. Unbesucht. Unnahbar ,wenn der Zug mit unnachgiebiger Strenge seinen Weg am Ufer fortsetzt.
Szenenwechsel... Heidelberg. windig, mild, regnerisch. Ein weiter Horizont.Am nächsten Morgen wie blankgeputzt. Depressives tiefes Gewölk gleitet vorüber. Langweile. Im Odenwald kaum Schnee. Ein wenig Nostalgie, als der Tornadoschaden vom Sommer in Reichweite gerät, passiert wird und dann wieder in der Vergangenheit entschwindet. Bereits abgeholzt. Da wurde schon abgerechnet. Aber zeigt auch die Vorzüge eines mitteleuropäischen, extraalpinen Sommers, der ständige Spannung garantiert. Und viel Gesprächsstoff unter verrückten Meteorologen. Welche Faktoren denn Schwergewitterauslösend sein können.
Großheubach . Da liegt es nun vor einem. So grau und grün wie man es erwartet hatte. Dennoch macht sich Enttäuschung breit. Kehrt man vom neuen Zuhause heim. Ins trostlose Rhein-Maingebiet.Nun ändert sich das Bild wieder. Heute morgen eine neue Welt. Licht am Ende des Tunnels. Ein sonniger Tag. Einzelne Nebelschwaden vom Morgen entlang der Bergränder in 300m Höhe. Rötliche Morgendämmerung. Rötliche Abenddämmerung. Die Bäume und Sträucher reifübersät. Ein wunderschönes Bild. Natur kann wundervoll sein. Mildwinterdiskussionen rücken in weite Ferne. Wenn da nicht gesundheitliche Spirenzchen wären,die einem am Ausgang hindern. Morgen wird es aber gehen. Dann heißt es Natur genießen,so weit wie möglich. Auch im fernen Großheubach nicht unmöglich. Alles hat seine Vor- und Nachteile. Der richtige Blickwinkel erlaubt einem den Genuss. Winter. So vielseitig und romantisch, träumerisch, märchenhaft, trostlos, depressiv und überraschend zugleich. So lässt sichs mit Dir aushalten.

Gruß Felios

Papillon ( gelöscht )
Beiträge:

29.12.2004 22:22
#2 RE: Eine Reise durch den Winter [Reisebericht] Antworten

Hallo Felix,

finde ich sehr schön geschrieben!

Man merkt den Meteorologen und Naturfreund heraus!

Grüße,
Bianca

Felios Offline



Beiträge: 416

29.12.2004 23:26
#3 RE: Eine Reise durch den Winter [Reisebericht] Antworten

Hallo Bianca,

freut mich, dass es Dir gefällt!

Richtig erkannt - ich bin Meteorologe mit Leib und Seele, und Bilder können meist nicht oder nur selten so wiedergeben,wie man es in manchen Augenblicken empfindet.

Gruß,
Felix

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