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Dieses Thema hat 1 Antworten
und wurde 437 mal aufgerufen
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Felios Offline



Beiträge: 416

03.01.2005 00:33
RE: Wille nach Veränderung [Essay] Antworten

Eine diffuse Angst überkommt einem angesichts der Bilder aus Asien.Betroffenheit macht sich breit. Trauer. Wut. Ehrfurcht angesichts der Naturgewalten. Aber etwas ist seltsam - das Ausmaß ist unvorstellbar, nimmt immer schrecklichere Dimensionen an - und doch lässt es uns kalt. Der Zeitfaktor. Wir kehren vor unseren eigenen Teppichen.

Da gibt es viel zu tun. An der Naturgewalt können wir nichts ändern, nur an uns selbst können wir arbeiten. Mit Spenden ist es nicht getan. Das bekämpft Symptome, aber nicht die Wurzeln. Sieht man von der Naturgewalt als unabdingbares Element der Erde ab, so liegt das Grundübel doch bei unserer Sorglosigkeit , unserem Umgang mit der Natur , deren Wertschätzung wir begraben haben. Das Kyoto-Protokoll gibt den führenden Nationen ein Alibi-Werk in die Hand, welches bei Bedarf vorgezeigt werden kann, aber von der Wirkung her beinahe bedeutungslos ist, ja geradezu nur symbolischen Charakter aufweist. Der entscheidende Schritt wurde nicht gemacht - denn das, was im Kyoto-Protokoll verabschiedet wurde, schmerzt uns nicht. Das darf es auch nicht, da die Wirtschaft gedeihen muss, der Kapitalismus blühen.

So hat der Mensch eines nicht gelernt, mit umzugehen : Veränderungen. Benzinpreise über 1,20€ sind in wenigen Jahren Alltag. Vielleicht schon dieses. Die Rohstoffknappheit zwingt uns, mit den verbliebenen Ressourcen verantwortungsbewusst umzugehen. Je teurer, desto eher steigt man auf alternative Energiequellen um.Die Politik versagt leider, uns diese Alternativen schmackhaft zu machen. Und die führende westliche Nation zeigt uns immer wieder auf eindrucksvolle Weise,wie viel ihr an Energieverschwendung,Ressourcenausbeutung und Umweltverschmutzung liegt - aber auch uns nimmt das nicht aus. Gegen Reformen wehren wir uns mit aller Macht, da sie uns direkt betreffen. Wir sind den westlichen Luxus gewöhnt.

Im fernen Asien, in Schwellenländern zwar, aber dennoch mit hoher Armut ,haben sich die Lebensbedingungen jetzt drastisch verändert. Und gerade wegen der Armut und dem,was viele verloren haben, können sie nicht einfach auswandern. Sie müssen sich den neuen Umständen anpassen und das Beste daraus machen. Warum können wir das nicht auch? Auf ein paar Euro verzichten - um Gleichheit zu schaffen. Nicht unbedingt zwischen den verschiedenen Kontinenten, das ist aufgrund der Lebensbedingungen und dem Klima so gut wie unmöglich. Aber unter uns. Nicht einmal Europa...

Warum wächst die Armut in Deutschland sprunghaft an,während Reiche immer reicher werden ? Da läuft doch was falsch. Veränderungen kommen uns ungelegen,solange sie schmerzen. Der Mensch ist in diesem Punkt rückständig.Wieder eine Skala kleiner. Im persönlichen Umfeld. Veränderungen sind nicht willkommen. Kritik. Narzissmus. Enttäuschung.Wut. Unbeherrschtheit. Trauer. Verletztheit. Die Reaktionen sind zahlreich. Schutz. Maske. Was ist hinter der Maske ,die ein Großteil benutzt, um unerkannt zu bleiben - und um sich anzupassen. Weil es Norm ist. Weil jeder so ist. Trend. "In". Alles gegen den Strom ist dort verpönt,wo Konservatismus herrscht. Nicht zwangsweise auf dem Land. Auch der moderne Mensch ist äußerst konservativ, zumindest jener, wie er von den Medien propagiert wird.

Ein Mensch ist nur dann etwas wert, wenn er viel Geld verdient, schicke Klamotten trägt, eine "trendy" Frisur hat und möglichst eine Freundin - oh, er zeigt sich in schillernden Farben, nicht nur,was seine Frisur betrifft. Das ist sein gutes Recht. Aber was für eine Motivation steckt oft dahinter ? Weil es jeder macht. - "Trends sind nur repräsentativ, solange sie dem Trendgänger den freien Willen lassen" - wann hat dieser schon einen freien Willen. Er glaubt zwar, selbstständig zu denken und handeln zu können, aber in Wahrheit passt er sich nur dem Denken und Handeln einer Schablone an - die die Gesellschaft vorgefertigt hat. Gesellschaft ist schillernd. Vielschichtig. Am Ende bestimmt aber nur die Minderheit das, was wertvoll ist, und das, was minderwertig sein soll. Das,was nicht in die Norm passt,wird ausgestoßen. Tabubrüche werden mit Missachtung und Mobbing bestraft. Es ist Realität.

Gerade jene, die Toleranz predigen, sind im Grunde höchst intolerant. Schief angeguckt wird man dann, wenn man mit einem Santana-T-Shirt in einem Jugendzentrum auftaucht, das ausschließlich von Pseudo-Punkern "bewohnt" wird. Neo-Punker, die in Skater-Klamotten herumlaufen ... die für Multi-Kulti sind, die sich mit "Hey Alter" anreden... diese Gruppe, die sich so tolerant gibt und jeden Versuch, etwas Neues hineinzubringen gleich im Ansatz ersterben lässt. Veränderung. Es sind vorgepresste Formen. Entweder man passt hinein - oder nicht, und dann darf man sich über etwaige Reaktionen nicht wundern. Veränderung heißt heute auch Freiheit. Die Freiheit des Andersdenkenden.Eben nicht die des stahlharten Mannes, der nicht mit der Wimper zuckt,wenn eine Leiche an ihm vorbeischwimmt, der hart bleibt, ein Mann bleibt, keine Gefühle zeigt, keine Empathie - aber andererseits Frauen anbaggert und falsche Gefühle vorspielt. Das ist nur eine Maske - ein Makeup, aber darunter findet sich ein Nichts. Eine leere Hülle, die einmal offenbart, wie ein Kartenhaus zusammenbricht.

Realität ist heute anders - sie ist offen, ehrlich. Gefühle zeigen. Sich in andere hineinversetzen. Sich mit anderen auseinandersetzen, wenn sie Hilfe brauchen. Oft ein Akt der Verzweiflung, der einen selbst aufrüttelt. Und auch eigene Probleme an den Tag bringt, die man längst verdrängt hatte. Die plötzlich wieder offenkundig werden und einem im Innersten bewusst wird, dass man nie sein Wahres Ich gezeigt hat - sich nur verstellt und versteckt. Sich lediglich gut zu fühlen glaubte, aber eigentlich zutiefst unglücklich.

Wann wird es uns gelingen, uns zu offenbaren, ohne die Rache der "Masse" , die von Massenmedien blind und dumm gemacht wurde, fürchten zu müssen? Wann wird es wiederum der Masse gelingen, die Realität zu akzeptieren - die Maske abzuwerfen, sich zu verändern dahingehend, wie es eigentlich sein sollte - Individualität zu zeigen, eigene Ideen zu entwickeln, die uns alle weiterbringt. Die uns ein wenig von unserem hedonistischen Denken abrücken lässt, mehr zu verantwortungsbewussten Denken hin. Konsumterror überwiegt hingegen. Geld zählt. Überall auf der Welt. Auch in Asien - wann setzen wir uns dagegen zur Wehr? Wann nutzen wir die Freiheit des Andersdenken, die uns unsere Grundgesetze u. Menschenrechte erlauben ? Wann wagen wir es, den gleichförmigen Strom zu durchbrechen und aufzubegehren. Friedlich, aber konsequent. Ich sehe den Willen nach Veränderung nicht.

© Felios

[ Editiert von Administrator Felios am 03.01.05 0:44 ]

Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

03.01.2005 10:56
#2 RE: Wille nach Veränderung [Essay] Antworten

Hallo Felios,
ich sehe den Willen nach Veränderungen heran reifen. Hoffentlich ist es nicht zu spät, wenn sich die Erkenntnis in Taten umsetzt.

Gestern habe ich es mir wieder angetan, und ausgiebig bei SPIEGEL-TV die Folgen der Katastrophe betrachtet. Ob der Ungerechtigkeit ging es mir schlecht. Da düsen die wohlhabenden Länder heran um ihre Schäflein zu retten. Wer nicht weiß ist, und zugehörig zu einem der Länder, dessen Überlebenschancen sinken im Verletzungsfall unter 50%. Besonders betroffen machten mich Bilder aus einem Kinderkrankenhaus, wo die Ärzte nicht einmal Sauerstoff ausreichend vorrätig hatten. Aber das betraf ja "nur " Einheimische. Wir dagegen jetten mit 280 Millionen Euro teuren Fluggeräten herbei um unsere "kostbaren" Mitmenschen abzuholen. Die genießen die neuesten medizinischen Verfahren und Medikamente. Für die Einheimischen müssen so manche Dinge, die wir als "normal " bezeichnen, Gegenstände aus einer anderen Welt sein. Vielleicht sehen einige in uns gar Außerirdische. Die Kluft könnte jedenfalls nicht größer sein.

Betroffen machten mich auch Fotos in der Boulevardpresse, wo Touristen an denselben Stränden sonnen baden und das Leben genießen, wo immer noch Leichen angeschwemmt werden und Aufräumarbeiten statt finden. Sie brezeln auf ihren Sonnenliegen und kommen nicht auf die Idee zu helfen, oder wenn sie dazu nicht in der Lage sind, wenigstens zu verschwinden, damit sie nicht stören.

Ich schäme mich für diese Mitbürger aus der sogenannten "zivilisierten Welt". Irgendwas läuft da gewaltig schief!

Viele Grüße vom
Schreiberling

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