Ich weinte. Irgendwann einmal. War es gestern gewesen? Vorgestern? Vor einem Jahr? Vor zwei, drei, vier, …? Ich weiß es nicht mehr. Diese Traurigkeit scheint alle Erinnerungen zu verwischen. Es gab einige Augenblicke, in denen ich nicht mal mehr wusste, warum ich traurig war. Da weinte ich um meine verlorenen Erinnerungen. Jetzt weine ich nicht mehr. Jetzt sitze ich einfach da und starre in die Dunkelheit. Früher hatte ich Angst im Dunkeln, jetzt nicht mehr. Die Dunkelheit ist mein einziger Freund in den Nächten, in denen ich mich einsam fühle. Sie spiegelt die Farbe wieder, die ich immer und immer wieder sehe: schwarz. Auf dem Friedhof war alles schwarz gewesen. Sogar der Regen schien in irgendeiner Weise schwarz gewesen zu sein. Der Sarg war schwarz gewesen. Die Anzüge der Totengräber waren schwarz gewesen. Die Kleider der Verwandten waren schwarz gewesen. Nur ich nicht. Ich war nicht schwarz angezogen gewesen. Ich hatte mein weißes Kleid angehabt. Er hatte es immer so gemocht. „Das Kleid steht dir so gut“, hatte er beim ersten Mal, an dem ich es angehabt hatte, gesagt. „Ein Engel“, hatte er gehaucht. Auf der Beerdigung habe ich es angezogen. „Siehst du seine Frau? Nicht mal schwarz trägt sie bei seiner Beerdigung. So was hat er nicht verdient!“ Ja, so hatten sie gelästert. Für sie war ich nur „seine Frau“, die nur wegen des Geldes bei ihm geblieben war. -Sollen Sie doch lästern-, habe ich mir gedacht und habe sie nicht weiter beachtet. Die Beerdigung – ein schreckliches Wort. Für mich klingt es so … entgültig. „Nehmt Abschied, meine Kinder und seid nicht traurig, denn seine Seele ist beim Herrn“, hatte der Pfarrer gesagt. Abschied nehmen, ob ich das je kann? Jeden Tag gehe ich zu seinem Grab. Dort weinte ich. Jeden Tag. Bis ich keine Tränen mehr hatte, dann bin ich wieder gegangen. Wenn ich jetzt hingehe, weine ich nicht mehr. Ich kann es nicht mehr. Es tut zu sehr weh, als dass ich noch weinen könnte. „Sie ist so kaltherzig“, hatte seine Mutter einmal geschnieft, als sie sicher gewesen war, dass ich nicht zuhörte. Kaltherzig – bin ich das? Ja. Mein Herz fühlt sich so kalt an. Leer. Tot. Zu keinem Gefühl bin ich mehr fähig, außer zu Trauer. Sie frisst sich tief in meine Seele. Ich kann sie nicht vertreiben. Mein Gesicht hat sich in eine Maske aus Stein verwandelt. Jetzt habe ich ein steinernes Gesicht und ein totes Herz. Das ist alles, was von der Liebe zu meinem Mann blieb.
Hallo CreativeGirl und herzlich willkommen eine scheinbar auswegslose Geschichte, die du da postest. Und sie reizt zu Widerspruch. Soll sie das? Wenn ich mal vor meiner Liebsten gehen muss, dann würde ich wollen, dass sie ihr Herz dem Leben öffnet. Es gibt sovieles noch zu entdecken. Für jeden von uns. Viele Grüße vom Schreiberling
Hallo Schreiberling, danke Ehrlich gesagt hab ich noch nicht so genau darüber nachgedacht ob diese Geschichte zum Widerspruch reizen soll. Sie ist einfach in einem Moment entstanden, in dem ich keinen Ausweg gesehen habe. LG, creativeGirl
Hallo CreativeGirl, deine Antwort liest sich so, als hättest du nun dich lösen können und einen neuen Weg für dich gefunden. Und das muss nicht unbedingt in dieser Geschichte stehen. Es könnte eine neue Geschichte werden.
Hi CreativeGirl! Eine gefühlvolle, "düstere" Geschichte, die den Leser durchaus berührt, so richitg "von der Seele geschrieben". Ich hoffe aber mal, dass es dir jetzt wieder besser geht.