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Dieses Thema hat 2 Antworten
und wurde 333 mal aufgerufen
 Texte aller Art, Gedichte, Lyrik, Kurzgeschichten, Altbeiträge
Niko Offline



Beiträge: 72

23.03.2005 14:45
RE: Schnee von Gestern (Kurzgeschichtenversuch) Antworten

Schnee von Gestern

„Das ist das Letzte, was ich für dich tun kann, viel Glück! Du wirst mir eine schöne Erinnerung bleiben.“ Nach ihren Abschiedsworten schloss ich hinter mir die Tür mit einem Lächeln im Gesicht, da ich sie noch einmal sehen durfte und sie mir diesen letzten Gefallen erwies.

Raus auf die verschneite Straße, ja den Schnee liebt sie, mir war er immer ein Gräuel, wenn sich die Kälte in die Knochen frisst und die Haut im Gesicht so sehr spannt, dass sie zu zerreißen droht
Doch all das war nebensächlich, als ich nach oben sah und eine Schneeflocke auf meinen Lippen landete, um mir einen unerwarteten Kuss zu geben. Ich schloss die Augen und konnte ihre Struktur auf meinen rauen Lippen fühlen bis jeder einzelne Kristall geschmolzen war und ein winziger Wassertropfen auf meiner Unterlippe verblieb. Diese plötzliche Nässe bot dem Wind eine gute Angriffsfläche und ich spürte wie sich wieder einzelne Hautschichten lösten, als ich mit den Zähnen daran herumbiss. Da schmeckte ich plötzlich das Fleisch meiner Lippen nachgeben und eine andre Form von Nässe freigeben, die auch das Taschentuch schon aufgenommen hat, welches ich in meiner Tasche fest zwischen meinen Fingern drückte.

Ja bald wird es wieder Frühling sein, doch auch für mich? „Ach was ist schon sicher“ dachte ich mir und schob den Gedanken beiseite, während ich meine tauben Hände tiefer in die Manteltasche schob. Immer wieder hob sich der noch frische Neuschnee, als wollte er zurück zu seiner Wolke, anstatt hier auf der Straße zu verharren, um nicht bei der kleinsten Erwärmung zu grauem Matsch zu werden, der von spielenden Kindern zum Ärger ihrer Eltern an den warmen Winterstiefeln hängen bleibt und die frisch geputzten Fußböden entstellt. Nein, das konnte ich mir vorstellen, so möchte ich auch nicht enden, wenn das ganze durch Kinderhände geschehen soll, dann soll jede Schneeflocke ein Recht darauf besitzen, zum Schneemann oder zum Iglu im Garten verwandelt zu werden, um im Frühling den ersten Blumen Wasser zu spenden.

„Doch im Hier und Jetzt ist Winter“ murmelte ich vor mich hin, das war eine Angewohnheit von mir, mich ans Jetzt zu erinnern, um dem Moment meine Ehrerbietung zu erweisen, da ich auch schon so einige Momente der Unendlichkeit festhalten durfte, was mich noch bis heute mit Dankbarkeit erfüllt. Nicht die Erinnerungen selbst, sondern viel mehr das Gefühl solcher Momente stieg in mir hoch und verschaffte mir einen wohlig warmen Schauer, der meine Brust zittern ließ und dann sanft wie mit tausend kleinen Füßchen meinen Rücken hinab kroch.
Achja, das Hier und Jetzt wiederholte ich und war bald von einer Leichtigkeit ergriffen, die mich die Kälte vergessen ließ, die mein Fleisch längst schon wieder fest umklammert hielt. So leicht fühlte ich mich und trotzdem übermannte mich die Schwerkraft, wie ich feststellen musste als ich plötzlich mit offenen Augen am Pflaster lag. „Jetzt nur nicht die Hände aus den Taschen nehmen“, flüsterte ich mir zu, jedoch sah ich an meinen Armen hinab und bemerkte, dass meine Hände wohl versuchten trotz ihrer Gefühllosigkeit meinen Fall zu bremsen, doch wie sahen sie nur aus? „Musste es wirklich soweit kommen?“,fragte ich mich plötzlich, als ich mich mit einer letzten Kraftreserve aufrichtete und die Hände wie zwei Fremdkörper in die wohlig warmen Manteltaschen schob. Die Wärme konnte ich ja bereits an meinem Bauch spüren, da sich augenscheinlich bereits das ganze Futter meines Mantels gierig voll gesogen hatte. Wie lang pulsiert es noch?

Ich spürte mit jeder Minute wie es weniger wurde und sich mit der Menge auch der Pulsschlag verringerte. Instinktiv drehte ich mich um und sah schemenhaft den Abdruck meines Körpers, der bald schon wieder vom herabfallenden Schnee bedeckt sein wird, nur die zwei roten Teiche werden wohl gefrieren und etwas länger überdauern.
Doch ich geh hier nicht, um meine Spuren zu hinterlassen, dass ist nicht mein Weg, mein Weg ist keine Aneinanderreihung wunderbarer Ereignisse, auf die ich mit Glück zurücksehen kann, um immer wieder vom Schrecken der Zukunft abgelenkt zu werden und schließlich so viele Fotoalben zu besitzen, um nie wieder davon auf- oder nach vorne blicken zu müssen. Ich bin ein Reisender einer der das Glück, die Liebe sucht und all das was ich als Anstrebenswert in meinem bisherigen Erdendasein in mich aufgesogen habe.

Oder? Ist die Enttäuschung zu groß, alles reine Konstruktion? So viele Fragen und ich Leichtsinniger, ach was heißt leichtsinnig? Schwersinnig schein ich zu sein, der den sie als so empfänglich für das Schöne, als so sensibel und einfühlsam titulieren. Ja und mir doch immer wieder eine Front boten, gegen die ich unbemerkt anrannte. Zuviel wollte ich scheinbar, zuviel von diesem und zuwenig oder Nichts von jenem. Scheint ja alles gerecht zu sein, wie eine Waage mit ihren zwei Gewichten.

Eine gerechte Entscheidung, wie zwei saubere Schnitte an den Handgelenken einer schönen Erinnerung, die der Schnee des Vergessens sanft zudeckt und die Wintersonne bestrahlt.
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Danke für jede Anregung & Kritik!

Gast ( gelöscht )
Beiträge:

23.03.2005 16:02
#2 RE: Schnee von Gestern (Kurzgeschichtenversuch) Antworten

ok, also echt philosophisch angehaucht, mit vielen fragen und thesen über das leben, seinen sinn und die art es zu bewältigen, oder auch nicht
mir ist nur nicht ganz klar geworden, wer das am anfang war, die, die den letzten gefallen noch erwies, bevor er stirbt...
aber was mir gefällt, waren deine worte über fotoalben. ich muss zu geben ich bin total hinter fotos her, um nicht zu vergessen, was war und wie ich mal gefühlt habe... ich habe schon 5 oder 6 fotoalben und ne dicke truhe mit anderen fotos, die es für mich nicht in ein fotoalbum geschafft haben aber es stimmt, man muss nicht geradeaus auf das jetzt schauen, wenn man sich in erinnerungen wälzt... hm, alles in allem gefällt mir deine "erste" kurzgeschichte aber sehr gut. ein bisschen "gruselig" mit den anspielungen/aussagen auf das "pulsierende" fleisch und das mit der schneeflocke ist so schön sinnlich
LG Lara
PS: find gut, dass du dich getraut hast vielleicht werd ich dem mal nachkommen

Loley Offline



Beiträge: 53

23.03.2005 16:04
#3 RE: Schnee von Gestern (Kurzgeschichtenversuch) Antworten

hm, war eben wohl nicht eingeloggt... Aber obiges hab ich geschrieben

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