Ich hab ein neues Hobby: Telefonieren mit dem Nichts.
Natalie, meine Freundin, ist nun bald 3 Monate in Amerika. Ihr Auslandsaufenthalt von einem Jahr ist eine ziemliche Herausforderung für unsere Beziehung, aber ich versuche in ständigem Kontakt zu bleiben, und gebe mein Bestes. Wir schreiben uns Emails, Nachrichten in Lokalisten, dem "myspace" Deutschlands, und einmal in der Woche telefonieren wir auch. Meistens am Wochenende, weil dann die Zeitverschiebung nicht bedeutet, dass ich am nächsten Tag übermüdet bin, und außerdem hat sie ja unter der Woche auch noch andere "Aufgaben", als mich.
Natalie besitzt ein Telefon das die Fähigkeit besitzt, mit mehreren Leute gleichzeitig zu telefonieren. Dazu musste sie nicht nach Amerika ziehen, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, nein auch hier in Deutschland besitzt diese „Hold-Funktion“ bereits jedes neuere Standard-Telefon. Mit einem „klick“ wird die Leitung auf Eis gelegt, sie prüft kurz wer auf der anderen Leitung stört, und je nachdem wie unwichtig Anrufer 2 ist, desto schneller meldet sie sich wieder bei mir. Ich kenne das von kommerziellen Gesprächen, wie zum Beispiel mit Arcor, als ich die International-Flat bestellt habe, welche unausweichlich für Stunden-lange Gesrpäche in die Vereinigten Staaten ist. Der freundliche Mitarbeiter „muss kurz Kollega fragen ob des gehen tut mit da konkreten Flat für die Ausland“, und ich höre nur noch ein „Please Hold The Line“, meist unterlegt mit der unmöglichsten Musik, die man sich vorstellen kann. Dass ich in den Geschmack dieser Technik auch öfter Privat kommen würde, dachte ich nicht. Aber seit Natalie lerne ich damit zu leben.
Wenn es wieder ein mal soweit ist, und Störenfriede wie etwa Simone, ihre beste Freundin, oder ein einfacher Handwerker denken sie müssten gerade jetzt mit Natalie oder ihrer Gastfamilie sprechen, dann wird Chris kurzerhand in die unendlichen Weiten des elektrischen Nichts geschickt. Wie dieses Nichts aussieht, keiner weiß es. Es besteht eine Leitung, man ist verbunden, doch mit was? Man kann nun, selbsttherapeuthisch veranlagt wie man ist, mit sich selbst, oder dem anderen Ende der Leitung, wie auch immer er/sie/es aussehen mag, über sich, seine Probleme oder das letzte Bayernspiel sprechen. Macht man nicht, aber man ist dazu geneigt, wenn man nach 10 Minuten leise „hallo“ haucht, um zu prüfen ob man noch verbunden ist oder der Andere einen aus Versehen ganz weggedrückt hat. Bei Verbindungen in die USA ist das auch eigentlich ganz lustig weil das gehauchte „hallo“ erst mit 2 bis 3 sekündiger Verzögerung zurückkommt.
Ein weiterer toller Aspekt dieser Funktion ist ein Physikalischer! Das Rauschen, das man hört, wenn man so gemütlich wartet, sollen Rückstände des Urknalls sein. Wie das genau funktioniert, da kommt bitte mal mit in meinen Physik-Lk, aber wisst ihr warum ich die Zeit habe, mir sowas zu überlegen? Manchmal dauert es eben etwas länger, bis man wieder einziger Gesprächspartner ist... Und das Blöde, du weißt ja nie wann du wieder „dran“ bist, aus dem Nichts kommt plötzlich und ohne Ankündigung wieder die süße Stimme, die man ersehnt. Ich liege regungslos im Bett, denn wenn ich anfange etwas zu lernen oder mich anderweitig zu beschäftigen, bin auch schon wieder „auf Sendung“. Wenn dann meine Mutter reinkommt, mich anschaut sage ich: „ich telefoniere“. Dann passiert es aber oft, dass ich 5 Minuten nichts von mir gebe, da kommt man sich schon manchmal blöd vor. Aber irgendwann durchbricht etwas das Nichts und die Stille. Dann geht es wie gewohnt, und als nichts gewesen wäre weiter, bis es wieder heißt „wart ma kurz, da is wer auf der anderen Leitung“...
[ Edit:Also eigentlich wollte ich das nur mal so erzählen, und nicht zur Diskussion stellen, darum hab ich es in speakers corner gepostet, aber ok... Was soll man gegen Admins machen... ]
Hallo Gusano, ich finde deine Erzählungen rundweg spannend und gut unterhaltend geschrieben. Das macht doch gute Kurzgeschichten aus. Damit kannst du dich gut den Kritikern stellen. Deswegen habe ich es in die Literaturecke verschoben. Hier gehört es meiner Meinung nach hin. Viele Grüße vom Schreiberling