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Dieses Thema hat 4 Antworten
und wurde 537 mal aufgerufen
 Texte aller Art, Gedichte, Lyrik, Kurzgeschichten, Altbeiträge
Fee Offline




Beiträge: 4

03.03.2007 18:23
RE: Elemental (Arbeitstitel) Antworten

Hier ist der Anfang einer Geschichte von mir, sie soll mal etwas länger werden, aber bis jetzt ist es nur eine Idee. Er ist mehrfach überarbeitet, doch ich bin irgendwie nicht zufrieden und weiß nicht warum. Passiert zu viel oder zu wenig oder ist es holprig geschrieben? Würde mich über Kritik freuen!

Mit schnellen Schritten und gesenktem Kopf stieg ich die marmornen Stufen der Händlertreppe hinauf. Die Sonne war über den hohen Stadtmauern noch nicht zu sehen und mir wehte ein eisiger Wind entgegen, der mit meinen Haaren spielte und meine Augen zum Tränen brachte. Ich fror sosehr, dass mir die Umhänge fast aus den zitternden Händen glitten. Die langen Finger fest um den roten Samt geklammert schaute ich auf.
Zu beiden Seiten bauten die Verkäufer bereits ihre Stände auf. Die Markisen flatterten in dem Sturm, genauso wie das flammendrote Haar ihrer Besitzer. Bei diesem Wetter trauten sich nur die Vermel auf die Straßen. Sie waren mit dem Feuer verbunden, die Kälte konnte ihnen nichts anhaben. Wie bei allen anderen, spiegelte sich auch bei den Vermel ihre Natur im ganzen Aussehen wieder.
Sie waren groß und kräftig, mit breiten Schultern und langen Gliedern. Die groben Züge ihres Gesichtes waren von lockigem Haar umrahmt, welches die purpurnen Augen betonte.
Ich spürte ihre misstrauischen Blicke in meinem Rücken und beeilte mich den Marktplatz am oberen Ende der Treppe zu überqueren.
Endlich hatte ich den Glockenturm erreicht und schlüpfte schnell durch die niedrige Tür. Das morsche Holz knarrte unter meinen Füßen, als ich die nächste Treppe in unsere Wohnung herauf ging. Sie mündete direkt in die kleine Küche. Oben angekommen sah ich Jami an der Feuerstelle stehen, den Rücken mir zugedreht. Es war eine gute Gelegenheit ihn länger zu betrachten ohne, dass er wieder direkt wütend wurde.
Seit der Evolution vor etwa 3 Monden hatte er sich sehr verändert. Ich konnte mir vorstellen, dass er sich anfangs, wenn er in den Spiegel schaute, selbst nicht wieder erkannt hatte. Es war immer wieder atemberaubend mit anzusehen, was die Natur aus den jungen Menschen machte. Mein Bruder war schon immer temperamentvoll gewesen, wenn ich es recht bedachte auch kräftig gebaut, aber das war nichts, im Vergleich zu seiner Vermelgestalt. Gut einen halben Meter war er in jener einen Nacht gewachsen, die Haare, früher schwarz und etwa in der Länge eines Fingerhutes, waren jetzt von einem leuchtenden rot und fielen in sanften Locken über die Schulter und die Gesichtszüge härter. Er war in jeder Hinsicht stärker und größer geworden, auch was seinen Charakter anbelangte. Temperament, Leidenschaft, Reizbarkeit, aber auch viel Lebensfreude, das waren die Eigenschaften, die man den Feuermenschen zu schrieb und Jamiro besaß bereits jetzt mehr davon, als ich je bei einem von ihnen gesehen hatte.
Auch bei mir wurde es bald erwartet. Eigentlich hätte es schon längst geschehen sein müssen. Bei Frauen war es üblicher Weise früher, als bei Männern und ich begann mir langsam Sorgen zu machen, ob ich mich die Natur abstoßen würde. Aber da mir ein solcher Fall noch nicht zu Ohren gekommen war, verdrängte ich jeden Gedanken daran und wenn ich doch darüber nachgrübelte, beschränkte ich mich inzwischen darauf, das richtige Element für mich zu finden. Da ich keines kannte, dass sich durch Eigenschaften wie Ungeschicklichkeit, Hysterie oder fehlende Orientierung auszeichnete, blieb auch das ein Rätsel. Auch mein Aussehen wollte nicht in eines der vier Muster passen. Eine kleine Nase, volle Lippen, große, azurblaue Augen, lange, glatte Haare, von einem dunklen violett und noch dazu eine kleine Figur, die man weder als zierlich, noch als kräftig bezeichnen konnte.
Nachdenklich kaute ich auf meinen kurzen Fingernägeln und wurde mir langsam wieder meines Umfeldes bewusst. Erst jetzt merkte ich, dass ich noch immer in der Tür stand und dass ich nicht wusste wie lange ich schon regungslos dort verharrt hatte. Wenigstens hatte Jami mich noch nicht bemerkt, er machte sich gerne über meine ständigen Träumereien lustig.
Ich beeilte mich, die Umhänge auf dem Tisch abzulegen und neben ihn an das knisternde Feuer zu treten. Er starrte mit grimmiger Miene in den darüber hängenden Topf und hatte mich wohl immer noch nicht gesehen. Plötzlich stieg mir ein abscheulicher Geruch in die Nase und ich konnte mir denken, warum Jami offenbar so schlechte Laune hatte. Auf das Schlimmste gefasst beugte ich mich über den Topf und betrachtete die dickflüssige, dunkelgrüne Brühe darin.
„Was sollte das werden?“, fragte ich vorsichtig. „Das Frühstück. Ich fürchte es ist mir ein wenig angebrannt.“ Er lächelte verlegen. „Kommt darauf an, was du damit vorhattest. Wenn du uns vergiften wolltest, ist es dir sicher gut gelungen.“ Ich verkniff mir ein amüsiertes Grinsen und machte mich daran die Küche nach etwas Essbarem abzusuchen. Ich fand ein Stück Brot, setzte mich auf einen der klapprigen Holzstühle und knabberte lustlos darauf herum. „Es sieht nach Regen aus, also beeil dich lieber. Schläft Soleil noch?“
„Nein, sie steht gerade auf“, antwortete Jami überflüssiger Weise, denn meine Mutter taumelte gerade schlaftrunken in die Küche. Sie setzte sich neben mich und schnupperte missmutig. „Jamiro, wie oft hab dir gesagt du sollst mit dem Kochen auf Sue warten?“, maulte sie. Er murmelte etwas Unverständliches und drehte uns den Rücken zu, scheinbar damit beschäftigt seine Suppe zu retten. Ich reichte Soleil ein Stück von dem harten Brot, stand auf und nahm ihm den Topf aus der Hand. „Lass es Jami oder willst du im Regen zur Arbeit gehen?“
Eher eine rethorische Frage, denn das wollte er ganz sicher nicht. Die Wassertropfen fühlten sich für die Vermel an wie tausend kleine Nadelstiche durch ihre trockene Haut. Jami seufzte resigniert, griff sich einen der Umhänge und verließ ohne ein weiteres Wort die Wohnung.
„Der hat eine Laune, als hätte ihm jemand einen Eimer Wasser über den Kopf geschüttet“, murmelte Soleil. Das wäre für ihn sicher noch um einiges unangenehmer als der Regen.
„Du wirkst heute aber auch nicht besonders motiviert“, bemerkte ich und begann den inzwischen steinharten Inhalt mit einem Messer aus dem Topf zu kratzen. Sie stöhnte und legte ihren Kopf auf die Tischplatte. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich mich auf das Mondfest freue. Ich darf heute Abend auf eine Horde wild gewordener Kinder aufpassen.“
Das Fest hatte ich völlig vergessen. Die Marro feierten diese Nacht die Vereinigung mit der Erde, folglich war das ganze Waldviertel angetrunken und in bester Stimmung. Da durften ihre Kinder natürlich nicht dabei sein. Ich schenkte Soleil ein mitleidiges Lächeln, das sie nicht sehen konnte, weil ihr Gesicht noch immer dem morschen Holz zugewandt war.
„Ich würde vorher gerne noch Shila besuchen, morgen ist sie bestimmt nicht ansprechbar, wegen der Kopfschmerzen.“ Bei dieser Vorstellung lächelte ich amüsiert. Meine Freundin feierte heute ihr erstes Mondfest als Marro und redete seit Wochen von nichts anderem. Sicher hatte sie nicht vor dem Alkohol zu entsagen.
Soleil erhob sich ächzend und taumelte ins Badezimmer.
„Du hast doch nichts dagegen, oder?“, rief ich ihr hoffnungsvoll hinterher. „Geh nur, ich werde wahrscheinlich damit beschäftigt sein mich mental auf die Nacht vorzubereiten. Grüß Erevan von mir“, antwortete sie, jetzt schon etwas wacher. Sie kam zurück in die Küche, den türkisenen Haarschopf im Rücken zusammengebunden. Freudig lächelnd warf sie einen Blick aus dem Fenster. „Es gibt Gewitter.“ Ihre Worte wurden von dem ersten Donnerschlag untermalt. Mit leuchtenden Augen schaute sie mich an, als würde sie um Erlaubnis bitten. „Nun geh schon, ich bin sowieso gleich weg.“ Kaum hatte ich fertig gesprochen rannte sie die Treppe hinunter, ein Schweif blaugrüner Haare und blasser Haut. Die Gewitter waren für die Azul in der Stadt das reinste Paradies, die Wassermenschen freuten sich dabei wie ein kleines Kind über Süßigkeiten. Sie sprangen von den nahe gelegenen Klippen ins tosende Meer und genossen Regen und Sturm.
Soleil kam danach regelmäßig mit seligem Lächeln zurück.
Ganz in die Vorstellung versunken wir aufregend es sein musste von den Felsen mehrere hundert Meter tief in das eiskalte Wasser zu fallen, schlurfte ich zu dem kleinen Waschbecken und betrachtete mein Gesicht im Spiegel. Die großen Augen, die mir entgegen blickten kamen mir merkwürdig flach und das glatten Haar glanzlos vor.
Es war ganz klar, mir fehlte des Abenteuer in meinem Leben oder zumindest die Beschäftigung um mich von der lähmenden Langeweile abzulenken. Im Gegensatz zu Soleil und Jami empfand ich es nicht als normal jeden Tag das gleiche zu tun. Aber die Beiden hatten wenigstens noch Abwechslung durch ihre Arbeit und die Rituale ihres Volkes. Ich dagegen hatte konnte meine Zeit nur mit alten Schriften zubringen oder mir gelegentlich ein Schauspiel auf dem Markt ansehen.
Das war jedoch noch lange kein Grund für mich in Selbstmitleid zu versinken. Ich versuchte mich an einem freundlicheren Gesichtsaudruck, aber es sah eher gequält aus.
Seufzend ging ich zum Schrank in meinem Zimmer und nahm einen langen, schwarzen Umhang heraus. Ich zog mir die Kapuze über den Kopf, sodass mein Gesicht kaum noch zu sehen war und machte mich auf den Weg in den Wald. Shilas Lebensfreude würde mich schon anstecken.
Der Sturm hatte sich inzwischen gelegt, doch es nieselte noch immer und ich begann schon wieder am ganzen Körper zu zittern. Natürlich hatte der Regen die Vermel von den Straßen vertrieben und ich hielt einen Moment inne, um die Weite des leeren Platzes zu genießen.
Es war ein wohltuendes Gefühl sich einmal so frei bewegen zu können, wie es einem die Enge in der überfüllten Stadt sonst nie erlaubte. Mit großen Schritten ging durch die dunklen Gassen, bis ich den schmalen Pfad erreichte der in das Waldviertel führte.
Sofort wurde mein Gesicht durch ein warmes Lächeln erhellt und ich begann sogar zu pfeifen. Jedes Mal wenn ich den Wald betrat, wurde ich von der Schönheit der majestätischen Bäume überwältigt und es war mir nicht möglich mich nicht über den Gesang der Vögel und das Rascheln der bunten Blätter unter meinen Füßen zu freuen. Ich steuerte auf eine der kleinen Hütten zu, die aussahen, als wären sie in die Bäume eingewachsen und klopfte leise.

Ein Schriftsteller ist eine Maschine, die aus Kaffee Text macht.

Fee Offline




Beiträge: 4

09.03.2007 15:59
#2 RE: Elemental (Arbeitstitel) Antworten

Falls es jemanden interessiert ist hier noch der Rest vom ersten Kapitel:

Jedes Mal wenn ich den Wald betrat, wurde ich von der Schönheit der majestätischen Bäume überwältigt und es war mir nicht möglich, mich nicht über den Gesang der Vögel und das Rascheln der bunten Blätter unter meinen Füßen zu freuen. Ich steuerte auf eine der kleinen Hütten zu, die aussahen, als wären sie in die Bäume eingewachsen und klopfte leise.
Aus ihrem Innern polterte es laut und einen Moment später begrüßte Shila mich mit einem strahlenden Lächeln. „Ich habe dich schon erwartet“, sagte sie bedeutungsvoll. Ich stöhnte und drängte mich an ihr vorbei durch die schmale Tür. „Heißt das, du hast mir schon wieder zugesehen?“, fragte ich entnervt, obwohl ich es schon längst wusste.
Mit ihrer Verwandlung zur Marro hatte meine Freundin eine äußerst unangenehme Fähigkeit entwickelt. Zumindest war es für mich unangenehm, dass sie jedem, den sie kannte, in Gedanken auf Schritt und Tritt folgen konnte.
„Die Stelle, als du mit ausgebreiteten Armen und geschlossenen Augen mitten auf dem Marktplatz standest, hat mir besonders gefallen“, spottete sie und bugsierte mich zu einem kleinen Hocker in der Ecke.
„Wo ist Erevan?“, fragte ich, um von dem peinlichen Thema abzulenken.
„Mit den anderen in der Halle, das Fest vorbereiten.“ Sie trat unruhig von einem Bein auf das andere. Immer wieder wanderten ihre karamellfarbenen Augen durch das Fenster, um den Stand der Sonne zu überprüfen.
„Na, wie viele Sekunden sind es noch, bis es losgeht?“
„Etwa drei Stunden“, antwortete sie, scheinbar ohne nachzudenken. Lachend sah ich ihr dabei zu, wie sie unruhig zu einem der hölzernen Schränke ging, zwei Becher herausholte und sie an einem kleinen Becken mit Wasser füllte. Aber ihre Hände zitterten und als sie bei mir ankam, hatte sie fast das ganze Wasser auf dem Boden verschüttet.
„Findest du nicht, dass du dich ein bisschen zu sehr darüber aufregst? Du solltest aufpassen, sonst bist du nachher enttäuscht.“
„Was?“, fragte sie verwirrt. „Als ob du nicht genauso freuen würdest, wenn du dein erstes Ritual-„ sie brach ab und ich schaute betreten zu Boden. Falsches Thema.
Ich war natürlich nicht die einzige, der meine ausbleibende Verwandlung Sorgen bereitete, doch es war ein ungeschriebenes Gesetz, nie darüber zu sprechen. Ich mied alles, was mich daran erinnerte und Shila wusste das natürlich.
Trotzdem hatte sie Recht. Heute nahm sie an ihrem ersten Ritual teil, durfte sich so viel darüber aufregen wie sie wollte und musste nicht wie sonst auf jedes Wort achten. An ihrer Stelle hätte ich wahrscheinlich einen hysterischen Anfall bekommen.
Ich schaute auf und sofort traf mich ihr forschender Blick. Selbstverständlich wollte sie wissen, ob sie mich gekränkt hatte. „Ehem, also hast du dir schon überlegt was du anziehst?“, fragte ich, als wäre nichts gewesen. Ein erleichtertes Lächeln breitete sich auf ihrem runden Gesicht aus.
Shila rannte durch das Zimmer und stand einen Moment später strahlend und mit einem langen grasgrünen Kleid in der Hand vor mir. Offenbar hatte sie auf diese Frage gewartet.
Es war mit Runen und Spitze verziert und harmonierte gut mit ihrem bronzefarbenen Haar. „Es ist so…grün“, sagte ich und ihr Lächeln verschwand.
„Gefällt es dir nicht?“ Sie klang ziemlich enttäuscht. „Erevan hat es mir gestern gekauft, er hat es extra für mich anfertigen lassen, bei dem Schneider am Marktplatz. Es soll der Beste in der Stadt sein und ich dachte die Farbe passt zu diesem Anlass. Vater trägt auch grün, findest du wirklich es ist zu-„
„Shila!“, unterbrach ich ihren Wortschwall. „Es ist wunderschön, das war nur ein Scherz!“
Sie seufzte und ihr Gesicht nahm allmählich wieder Farbe an. Es war immer wieder überraschend einfach, sie aus der Fassung zu bringen.
„Ich nehme an, der Versuch dich zu beruhigen ist zwecklos. Setzt dich wenigstens hin, dein ständiges hin und her Gehen macht mich ganz nervös“, maulte ich.
Sie gab auf und ließ sich vor mir auf dem Boden nieder.
„Also Sue“, setzte sie in dem offensichtlichen Versuch an, ein anderes Thema als das Fest zu finden. „Gibt es bei dir irgendwas Neues?“
„Das müsstest du doch genauso gut wissen wie ich. Schließlich übst du doch die Gedankensicht an mir“, antwortete ich mit spöttischem Lächeln, doch ich ahnte worauf sie hinauswollte.
„Aber ich kann nur dich sehen, nicht die Menschen in deinem…in deinem Umfeld“, stotterte sie und schaute überall hin, nur nicht in mein Gesicht.
„Falls du Jami meinst“, begann ich und sprach dabei absichtlich langsam, „er ist immer noch ziemlich mürrisch. Aber das legt sich sicher bald. Abends ist er schon halbwegs genießbar.“
Mein Lächeln hatte sich zu einem breiten Grinsen entwickelt. Shila fragte in letzter Zeit auffallend oft nach meinem großen Bruder.
„Und ... äh, denkst du er…kommt heute Abend?“ Sie blickte immer noch verlegen zu Boden.
„Shila wo hattest du deine Augen, als du uns besucht hast? Er ist jetzt ein Vermel, er kann doch nicht mit euch das Mondfest feiern!“
Sie zuckte zusammen und starrte angestrengt aus dem Fenster. „Ja, natürlich. Wie dumm von mir.“
Mir tat mein grober Tonfall sofort Leid, aber die Vorstellung Jami könnte mit dem Erdvolk feiern war einfach zu absurd gewesen.
„Aber du könntest dein neues Kleid anziehen und wir schauen ganz zufällig in seinem Geschäft vorbei, um noch ein paar enorm wichtige Besorgungen zu machen“, versuchte ich sie aufzumuntern.
Endlich schaute sie mich wieder an und ihr Gesicht strahlte vor Begeisterung.
Shila sprang auf und rannte mit dem Kleid ins Nebenzimmer. Als ob das nicht schon Antwort genug wäre, rief sie hastig: „Gib mir drei Minuten!“
Schmunzelnd sah ich ihr nach, während sie zwischen Bad und Kleiderschrank hin und her eilte.
Nach nicht einmal drei Minuten stand sie ungeduldig vor mir. „Kommst du, ich dachte wir wollten gehen?“, drängelte sie und war schon auf dem Weg zur Tür.
Seufzend erhob ich mich und schlenderte hinter ihr her. Mit ihrer Marrogestalt konnte Shila schneller laufen als jeder andere, aber sie beschränkte sich darauf, mir immer nur zwei Schritte voraus zu sein.
Als ich zum dritten Mal stolperte, bot sie an mich zu tragen. Eigentlich müsste sie sich längst daran gewöhnt haben, dass ich nicht in der Lage war, schnell über eine feste und gerade Oberfläche zu gehen, ohne dabei über meine eigenen Füße zu fallen. Wir erreichten bald die Händlertreppe und Shila konnte kaum noch in zusammenhängenden Sätzen sprechen.
„Denkst du er wird…nein bestimmt nicht. Das hab ich Erevan gesagt und er hat auch…aber vielleicht doch…“
Ich hatte es längst aufgegeben sie verstehen zu wollen. Plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen und schaute mich panisch an. „Sue, ich hab“, sie keuchte heftig und konnte nicht weiter sprechen.
Besorgt klopfte ich ihr auf den Rücken, denn es hörte sich an, als hätte sie einen Hustenanfall.
Sanft, aber bestimmt drückte ich auf ihre Schultern und sie setzte sich gehorsam.
„Shila, was ist los?“ Ich kniete mich neben sie.
„Ich habe mir noch gar nicht überlegt, was ich kaufen will. Ich kann doch nicht einfach ohne Grund in den Laden gehen. Da merkt er doch sofort, dass ich….dass ich“, ihre Stimme versagte. Mit einem erleichterten Lachen stand ich auf. Manchmal jagte sie mir wirklich einen Schrecken ein.
„Dass du nur wegen ihm da bist? Komm mit, ich lasse mir schon was einfallen.“
Sie schluckte hörbar, denn wir waren nur noch wenige Meter von der gläsernen Tür der Tierhandlung entfernt.
„Ich wusste ja nicht, dass es dir so ernst ist mit Jami“, murmelte ich leise. Ich wollte nicht noch einen hysterischen Anfall auslösen. Energisch schob ich sie durch die Tür.
Drinnen war es warm und dunkel. Von überall hörte ich scharrende und kratzende Geräusche. Etwa ein dutzend rote Augenpaare waren durch die Dunkelheit auf uns gerichtet, sie hatten wohl heute neue Vögel bekommen.
Ich steuerte auf den wuchtigen Verkaufstisch am Ende des Raumes zu und Shila trottete hinter mir her, als wolle sie sich verstecken. Es sah sicher grotesk aus, denn sie war mindestens eine Kopf größer als ich.
Er war nicht besetzt, also sah ich mich suchend um, bis ich Jami vor einem der goldenen Käfige hocken sah. Scheinbar versuchte er gerade einen der Vögel zu füttern, ohne das dieser seinen Finger fraß.
Leise fluchend stand er auf und stellte den Käfig auf eines der staubigen Regale.
„Hallo Jami“, begrüßte ich ihn, um einen fröhlichen Ton bemüht.
Überrascht drehte er sich um. „Was macht ihr denn hier?“ Sein verdutzter Gesichtsausdruck brachte mich sofort zum Lachen. Es war tatsächlich etwas länger her, dass ich ihn das letzte Mal hier besucht hatte.
„Dir auch einen schönen guten Tag. Danke, mir geht es gut, Shila übrigens auch.“, meinte ich spöttisch, er antwortete mit einem genervten Blick.
„Hör schon auf, wir haben uns vor nicht mal 2 Stunden gesehen“, grummelte er.
„Also gut, was kann ich für die Damen tun?“ Das Lächeln das er Shila schenkte war aufgesetzt, aber sie bemerkte es nicht und lief dunkelrot an.
„Ich wollte…ähm, wir wollten…also“ stotterte sie, obwohl sie nicht die geringste Ahnung hatte, was wir angeblich kaufen wollten.
„Ja?“, fragte Jami belustigt. Scheinbar war er sich seiner Wirkung auf meine Freundin bis jetzt nicht bewusst gewesen.
„Shila möchte einen Vogel für Erevan kaufen“, sagte ich schnell und stieß ihr, wie ich hoffte, unauffällig mit dem Ellbogen in die Rippen.
Das war keine gute Idee, denn Shila, völlig damit beschäftigt meinen Bruder anzuschmachten, achtete nicht auf ihr Gleichgewicht und fiel in eines der Regale. Scheppernd krachte sie mit samt einem dutzend Vogelkäfige zu Boden.
Shilas Wangen färbten sich noch röter, falls das überhaupt möglich war und sie rappelte sich ungeschickt auf.
Neben mir kicherte Jamiro amüsiert und seine dunklen Augen folgten jeder ihrer Bewegungen.
Vielleicht findet er ihre Tollpatschigkeit ja liebenswürdig, dachte ich hoffnungsvoll.
Diese Hoffnung wurde jedoch sofort zu Nichte gemacht, als Shila mit vollem Kraftaufwand versuchte das Regal aus massivem Rotholz wieder aufzustellen und Jami keine Anstalten machte ihr zu helfen. Dafür fand er ihre Vorstellung wohl zu lustig.
Ich warf ihm einen erbosten Blick zu.
„Das tut mir so Leid!“, entschuldigte ich mich an ihrer Stelle. „Ich bin gestolpert, dabei muss ich Shila wohl angerempelt haben.“
Jami schaute mich zweifelnd an, ließ sich endlich dazu herab, die Käfige aufzuheben und das Regal mit betonter Leichtigkeit an seinen Platz zu stellen.
„Hast du dich schon für einen entschieden Shila? Welcher hat die Fallprobe bestanden?“
In seinen Augen leuchtete der Schalk. Shila hatte es offenbar die Sprache verschlagen.
Stumm deutete sie auf den erstbesten Käfig und versuchte sich gleichzeitig den Staub vom Kleid zu klopfen. Sie begann so heftig zu husten, dass ich mir ernsthaft Sorgen um ihre Gesundheit machte. Aber die war wohl schon durch Jamis bloße Anwesenheit in Gefahr.
Man sah Jami an, dass er einen Lachanfall unterdrückte. „Gut dann nehmen wir den“, murmelte ich und trug den Käfig rasch zum Verkaufstisch, um die peinliche Szene schnell zu beenden.
Shila eilte mir hinterher, während Jami uns langsam und noch immer breit grinsend folgte.
„Was macht das?“ Shila hatte ihre Sprache wieder gefunden.
„Den gebe ich euch umsonst, unter einer Bedingung.“ Er machte eine bedeutungsvolle Pause und beugte sich so weit zu ihr herunter, dass sich ihre Gesichter fast berührten. „Sei nicht allzu grob, noch so einen Sturz überlebt das arme Tier nicht“, flüsterte Jami und zwinkerte ihr verschmitzt zu.
Ich bedankte mich hastig und zog meine Freundin durch die Tür hinaus. Womöglich hätte sie sonst noch vergessen zu atmen.
Nach dem einen oder anderen Zusammenbruch Shilas mitten auf der Straße waren wir im Wald und ihr fiel plötzlich wieder ein, dass das Mondfest bald beginnen würde. Natürlich sah sie es als ihre Pflicht an, sofort wieder in die Aufregung des Vormittags zu verfallen.
„Ich kann es nicht fassen, wie konnte ich das vergessen? Ich muss zu Erevan. Herrje, wie soll ich ihm das mit dem Vogel erklären? Ist mein Kleid noch schmutzig?“ In diesem Moment hörten wir aus der Ferne ein rhythmisches Trommeln und Shila entfuhr ein Freudenschrei. „Sie fangen an! Wir sehen uns Sue!“, rief sie mir zu und war einen Moment später zwischen den uralten Bäumen verschwunden.
Wie erwartet, war meine und Jamis Laune durch sie erheblich verbessert worden. Auf dem Heimweg war ich größten Teils damit beschäftigt mir Shilas Chancen bei Jami auszumalen und nahm meine Umgebung kaum wahr. Als ich vor dem Turm stand, in dem wir wohnten, war es bereits stockdunkel und die beiden hatten in meiner Vorstellung eine Traumhochzeit gefeiert.
Gedankenverloren trat ich ein und hüpfte die schmale Treppe hinauf. So fröhlich wie heute, war ich schon lange nicht mehr gewesen, denn sonst schaffte ich es nie meine Sorge wegen der Evolution ganz zu verdrängen. Ich steckte meinen Kopf aus der Dachluke und starrte verträumt in die sternenklare Nacht hinaus. Von hier aus hatte man einen guten Blick über die Stadt.
Ich konnte die Gasse sehen, in der ich früher immer mit Jami gespielt hatte, die steinernen Säulen der gigantischen Bibliothek, in der ich während der letzten Wochen die Hälfte meiner Zeit verbracht hatte, die hell beleuchtete Händlertreppe, an der Jamiros Geschäft und Soleils Kinderheim lagen und war für eine Weile erfüllt von einem seltsamen Gefühl der Nostalgie.
Es war, als läge das Abenteuer, nach dem ich mich immer sehnte, direkt vor mir. Die Erinnerungen stürmten auf mich ein, während mir der kühle Wind um die Ohren wehte.
Mir geisterten tausende von Bildern durch den Kopf, Bilder von meinen schönsten und schrecklichsten Momenten hier in der weißen Stadt. Der marmornen Hauptstadt der Menschen.
Wie eine dumpfe Vorahnung breitete sich Angst in mir aus. Was hatte das zu bedeuten?
In meinem Kopf spielte sich eine Zusammenfassung meines bisherigen Lebens ab, ohne, dass ich es irgendwie zu steuern vermochte. Wie eine Warnung es nicht zu vergessen, egal was passierte.
Ich spürte, dass eine Wende in meinem Leben kurz bevorstand und gleichzeitig ermahnte ich mich mit den Träumereien aufzuhören.
In der Ferne sah ich das helle Leuchten der Feuer im Waldviertel und der leise Klang der fröhlichen Musik, der jetzt zu mir herüberwehte wirkte einschläfernd und beruhigend. Gähnend zog ich meinen Kopf zurück ins Warme und trottete durch die kleine Wohnung in mein Bett.
Es gab keinen Grund sich irgendwelche Sorgen zu machen, mein Leben verlief in völlig geregelten Bahnen. Was sollte schon groß passieren?

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Wanderin Offline



Beiträge: 179

13.03.2007 16:15
#3 RE: Elemental (Arbeitstitel) Antworten

Hallo Fee! Also mir gefällt der Text sehr!
Was mir jetzt beim ersten Lesen aufgefallen ist, dass du Jami zuerst als wütend beschreibst, und dann ist er verlegen, weil er das Essen versaut. Ich könnte mir vorstellen, dass er, wenn er so schnell wütend wird, auch ausrastet oder rumschreit aber jedenfalls nicht verlegen ist.
Und die Sache mit den Namen... ich weiß nicht, ob Shila ein real existierender Name ist, aber Sue ist es und irgendwie passt der für mich nicht in eine Fantasygeschichte. Aber das ist eher eine Kleinigkeit.

An eye for an eye only ends up making the whole world blind – Mahatma Gandhi

Fee Offline




Beiträge: 4

16.03.2007 14:35
#4 RE: Elemental (Arbeitstitel) Antworten

Schön, dass es dir gefällt Mit Jami hast du Recht, ich habe die Personen noch nicht ganz ausgearbeitet. Bei Sue dachte ich an eine Abkürzung für Suendra, den Namen gibt es glaube ich nicht...

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Wanderin Offline



Beiträge: 179

17.03.2007 23:36
#5 RE: Elemental (Arbeitstitel) Antworten

ja, Suendra gefällt mir besser.
wollte noch sagen, dass die Geschichte zum Weiterlesen anregt.

Gute Nacht,
Wanderin

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