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Dieses Thema hat 0 Antworten
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 Texte aller Art, Gedichte, Lyrik, Kurzgeschichten, Altbeiträge
Vanda ( gelöscht )
Beiträge:

26.05.2007 18:37
RE: Der letzte Abschied Antworten

Hallo, ihr da draußen!

Hab eine Kurzgeschichte geschrieben. Meine erste. Würde mich freuen, wenn ihr was dazu schreiben könntet. Ein bisschen Kritik ist immer gut ...

Eure Vanda

Der letzte Abschied

Fünf Meter lagen zwischen ihm und mir. Fünf Meter schwarzer Asphalt. Er hatte sich den Zylinder tief in die Stirn gezogen und stützte sich mit der einen Hand auf einen Gehstock, während er mit der anderen die Leine eines schwarzen Hundes hielt. Ich hatte ihn so anders in Erinnerung gehabt. Stolzer, nicht so zerbrechlich.
Der kalte Seewind fuhr mir durch das Haar und zog einzelne Strähnen aus der mühsamgeflochtenen Frisur. Während mir die Haare ins Gesicht peitschten, regte ich mich nicht. Dieses mal lag es an ihm etwas zu sagen. Dieses eine Mal wollte nicht ich es sein, die versuchte, den Abgrund zwischen uns zu überwinden.
„Valeria“, sagte er. Seine Stimme wurde von dem Getöse der Wellen fast gänzlich verschluckt. Aber er kam nicht näher, er hielt den Abstand.
„Papa“, erwiderte ich, doch auch ohne den Lärm, wäre es fast unmöglich gewesen, zu verstehen, was ich gesagt hatte.
„Wie geht es dir?“, rief er. Seine Stimme hatte sich nicht verändert. Der Ausdruck seiner Augen hatte sich nicht verändert. Er blickte noch immer so hochmütig, so von unten herab, obwohl ich nun fast zehn Zentimeter größer als er sein musste. „Wie geht es Harald?“
Ich musste die Augen zukneifen, so stark wehte der Wind mir ins Gesicht. „Ach Papa“, ich verzog den Mund. „Harald und ich kennen uns lange nur noch vom Sehen. Ich hab dir doch geschrieben, dass ich vorhabe zu heiraten.“ Doch ich sagte nichts, ich schwieg. Meine Worte verebbten in den Tiefen meiner Gedanken.
„Ingo hat sein Studium beendet. Er geht bald für ein paar Jahre ins Ausland“, erklärte er. Die ersten Regentropfen fielen. Der Hund begann zu kläffen.
Als ich den Namen meines Bruders hörte, fühlte ich diese Leere in mir wieder, die mich früher all die Jahre lang am Einschlafen gehindert hatte.
„Er ist ein guter Junge“, er lächelte. Dann machte er zwei Schritte nach vorne. Die Hand die den Gehstock hielt, zitterte. Papa, du bist alt geworden, dachte ich bestürzt. Papa, das hab ich nicht gewollt. „Ihr beide seid gute Kinder.“
Der Wind setzte für ein paar Minuten aus. Die Stille die folgte war erschlagend, nur gestört von dem Brechen der Wellen.
„Sieben Jahre“, sagte er, „das ist eine lange Zeit.“ Er schloss seine Augen. Dann öffnete er sie wieder und ich sah den Schmerz tief in ihnen verborgen. „Ich gebe dir nicht die Schuld an dem, was damals geschehen ist.“
Schuld, was ist das schon? Verstehst du nicht, Papa? Es ist vorbei. Es ist vorbei. Endlich ist es vorbei.
Vor mir begann alles zu verschwimmen. Nahtlos liefen die dunklen Farben der Nacht ineinander über. Auch er verschwand. Zusammen mit seinem Hund. Verschwand im Schleier der Trostlosigkeit.
„Sie hätte nicht gewollt, das wir im Streit aus dieser Welt treten“, meinte er und seine Stimme klang schwer.
Aber Papa, dachte ich anklagend. Woher willst du das wissen? Sprich nicht über sie. Lass alles wieder so sein wie früher. Bitte.
„Valeria“, ich hörte an seinem Tonfall, wie sehr es ihn anstrengte mit mir zu sprechen. „Ich liebe sie. Noch immer.“
Der Wind setzte wieder ein. Und er hatte an Kraft zugenommen. Wehmütig dachte ich an ein anderes Leben zurück. Freiheit. Ich hob meine Arme. Freiheit. Und flog mit dem Wind davon.

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