In voller Außenwirkung - Der Kampf mit der Krawatte
Früh habe ich gemerkt, dass ich nicht in einer normalen Standardbank gelandet bin und früh wurde mir auch beigebracht für wen ich hier arbeiten darf. Das Klientel in unserer Filiale ist von der gehobenen Sorte, Leistungsstufe A wie wir sagen. Entweder weil sie zweistellige Millionenbeträge auf dem Konto haben, oder sich so benehmen als ob. Da muss der Bänker schon professionell und passend gekleidet sein. Krawatte und Anzug verstehen sich von selbst, Frisur gerne modern aber bitte konservativ, Schuhe stets poliert, Zahnpasterlachen und gute Laune ein Muss. Standard. In meiner Bank reicht das nicht. Die Krawatte soll "auf dem Gürtel auftreffen". Was wie eine Erleichterung für die Wahl der Länge scheint, ist eine konkrete Anweisung! Ein Zentimeter hin oder her, ein Skandal.
Es ist 6:30 Uhr, mein Wecker klingelt. 7:06 Uhr, ich stehe auf. Verschlafen. 7:30 Uhr, ich stehe vor meinem Spiegel, um mich herum ein Wirrwarr aus Krawatte. 7:32 Uhr, Krawatte sitzt… circa 5 cm zu weit unten… 7:35 Uhr, Krawatte zu hoch. 7:40 Uhr, ich sitze im Auto, die Krawatte immer noch zu hoch, aber in gebückter Haltung fällt das kaum auf. Bücken und Strecken. Handwerkzeug eines Bänkers.
Bänker sind Dienstleister. Manchmal wird das falsch verstanden. Unser Job ist es nicht hysterischen Frauen mitte 40, denen es vormittags langweilig ist, zu therapieren oder Ableiter ihrer schlechten Laune zu sein. Wir verwalten Geld. Ihr Geld. Euer Geld. Wir haben keine schwarze Couch mit einer Schüssel Lakritz auf dem Tisch und auch keine Antidepressiva im Tresor. Pädagogisch, Psychologisch und Therapeutisch sind wir Nullen. Nicht unser Job. Wir leben von Fakten, Zahlen, nicht von Emotionen oder der Lebensgeschichte einer dreimalig geschiedenen Baronin.
Dennoch sind wir stets und immer und immer wieder gerne freundlich. Zu jedem. Selbstverständlich werdet ihr sagen. Natürlich, aber manchmal ist es wirklich schwer. Dann zum Beispiel, wenn Frau von und zu Arrogant, ihr Mann Besitzer einer Parfümerie, so scheint es, die Augen verdreht, weil ich die Postleitzahl von Lohhof nicht auswendig weiß. Außerdem sei heute der Tag der Farbe "Weiß", und Schande über mich, dass ich ihr an diesem Tag ein weißes, aber beschriftetes Kuvert, in das sie ihre 8000 € transportieren kann, angeboten habe. "Entschuldigung, dass ich Ahnung vom Leben habe und du nicht", sagt sie vorwurfsvoll. Ich mag Leute nicht, die mich in der Bank duzen, es sei denn sie sind annähernd in meinem Alter, oder jünger. Freundlichkeit ist hier oft eine One-Man-Show, der Kunde fühlt sich selten dazu genötigt mitzumachen.
Ich muss noch viel lernen. Fachlich aber vor Allem auch die Kunst Privates und Arbeit zu trennen. Ich meine damit, dass ich lernen muss auf den Kunden einzugehen aber stets soviel Abstand zu bewahren, dass seine Aussagen mich nicht weiter irritieren. Wenn man einer 30 jährigen Frau kein Geld auszahlen darf, weil sie weit im Minus ihres Dispolimits ist und sie fragt, was ihre Kinder nun essen sollen, dann darf mich das nach Dienstschluss nicht mehr beschäftigen. Ich tue alles was in meiner Macht und Kompetenz steht, aber es gibt Regeln die man beachten muss. Mehr kann ich nicht tun, aber das zu akzeptieren ist in manchen Situationen sehr schwer. Gott sei dank sind solche Fälle selten, bei uns. Ich kämpfe eher mit dem Ego mancher Mitbürger, die in mir Azubi nur eine Gefahr für ihr wohl verdientes oder meist geerbtes Geld sehen. Leute, die sich mit mir über Politik unterhalten, als ob ich Jüngling doch sowieso von der „echten Welt“ keine Ahnung hätte. Menschen, die sich am liebsten einen Bank-Drive-In wünschen würden, um noch bequemer an ihre Millionen zu kommen.
Aber, und deshalb gehe ich trotzdem gerne zur Arbeit, viele Kunden sind einfach nett, sympathisch und verständnisvoll. Sie haben keine Millionen im Depot, dafür aber einen Sinn für Realität und sie wissen, dass auch sie mal klein als Auszubildender angefangen haben.