Engel. Hervorgehobene Wangenknochen. Schmeichelndes Lächeln weicher Lippen. Augen die das Meer um zwei Tropfen beraubten. Brauen zierlich geschwungen. Seidige Wangen. Ein Gesicht wie die Pracht eines Schmetterlings. Ein Schmetterling. Nicht mehr in der Lage frei zu fliegen, sollte man ihn berühren. Ich schaue in dieses kindliche Gesicht voll versteckter Reife. Und Schmerz. Zuviel Last für ein so junges Wesen. Angst zu berühren. Verlust ist bestimmt. Manchmal wächst man daran. Manchmal verkrüppelt die eigene Emotion. Stück um Stück. Die Entscheidung jedoch ist unwiderruflich. Der Atem stockt. Das Herz rast. Ich bebe in ihrer Umarmung. Ein momentloser Blick, zwei sehnende Hände. Ich will fliegen. Explodieren, ihre Seele mitreißen, verewigen. Zu Wind zerschellen. Der Kuss eines Engels. Brennend wie Sternenfeuer ist ihr Atem süßes Gift in meinen Lungen. Ich atme tief, benommen vom toxischen Dampf zweier verschmelzender Körper. Koste ihre Last, ihren Schmerz. Schmecke Erinnerung, Gedanken an einen fernen Ort. Salzig, wie Meeresrauschen, ist ihr Flüstern. Geprägt von Sehnsucht. Geprägt von Abschied. Ich entfessle. Stürze wie Bäche auf sie nieder. Sie beißt hart auf ihre Lippen. Ihr Gesicht könnte Agonie sein. Oder Wiedergeburt. Vielleicht ist es zuviel. Vielleicht will sie mehr. Stummes Zögern. Fließende Hände auf zitternder Haut. Keiner sieht mehr, wo der eine Geist aufhört und der nächste beginnt. Die Grenzen verschwommen, verweht wie Zeit in unseren Augen. Blitzende Kräfte, es regnet Sturm, nieselt Wärme aus geworfenen Sternen. Wir sind. Wir waren. Jetzt. Sterbende Lider, ein letzter Tanz. Hinter den Horizonten versteckt, vergessen. Zum letzten Mal in einander geatmet, die Blicke in denen des anderen gebadet. Stilles Einverständnis. Hör nicht auf.
Auf meiner Hand schläft ein Schmetterling. Zwei Punkte auf gelockten Flügeln. Eine Weile noch von mir gehütet, verlässt er das Träumen. Ich spüre es, wache ebenfalls auf. Ein letzter Blick, weigere mich loszulassen. Die Andeutung eines Kusses. Ich muss. Flieg, mein Schatz. Ich koste dich Freiheit, will doch deinen Frieden. Deine Liebe. Flieg, mein Engel. Meine Welt ist dir noch zu fremd.
Ich sage, der Dreck sollte unsere Perspektiven aufreißen und infizieren, entzünden und wuchern lassen. Und fühle nichts.
Von dem Text kann man fast süchtig werden. Schon alleine der Vergleich Engel-Schmetterling ist himmlisch. Und dann gewisse Worte wie "Zu Wind zerschellen" oder "es nieselt Wärme aus geworfenen Sternen"...
Da wird der Phantasie-Astronom in mir ganz "high"!
Gewisse kleine Text-Passagen, wie "süßes Gift", "toxischer Dampf" oder "Koste ihre Last, ihren Schmerz" sind zwar nicht so ganz meins, ich mag's lieber angenehmer und milder, aber die Satzschöpfungen sind echt stark.
Nur die Signatur, find ich, paßt irgendwie nicht ganz zum Text, obwohl das "Und fühle nichts" wunderschön melancholisch klingt...
Dafür ist aber der letzte Absatz vor der Signatur ein geniales Wunder schriftstellerischer Kunst...
Waaaaahnsinn! Ich glaub, ich muß auch anfangen, ein paar meiner etwas längeren Texte hier reinzuschreiben...
Das zu Lesende vom Autor "Nachyl" ist irgendwie sehr motivierend...
Universen und Welten feiern prächtig, Galaxien singen hell und klar und die Sterne tanzen mit Dir... (EMail: Idee@gmx.at)
Hallo Nachyl, ein sehr schöner Text, der viele Dinge umschreiben könnte, und sicherlich in vielen Lesern die eine oder andere Erinnerung auslöst... Ich habe solch eine Schmetterlingsengel auch schon kennen gelernt... Vielen Dank, das ich mich rückerinnern durfte.
Besonders diese Zeile gefällt mir persönlich sehr gut...
ZitatZum letzten Mal in einander geatmet, die Blicke in denen des anderen gebadet. Stilles Einverständnis.
Für mich gibt es ihn auch, diesen Schmetterling, diesen Engel. Und wenn alles gut geht, ist sie bald schon hier.. Text basiert auf Wahrheit. Besonders der letzte Satz.
Gruß
Ich sage, der Dreck sollte unsere Perspektiven aufreißen und infizieren, entzünden und wuchern lassen. Und fühle nichts.
Ich bin Peter Straub gestählt und denke nicht, dass man das dargebotene Bild eins zu eins bewerten darf.
Ohne jetzt den Teufel an die Wand malen zu wollen, könnte es in diesem kurzen Aufsatz auch um die kurz vor der Erfüllung stehenden, sehnsüchtigen Träume eines Pädophilen gehen, der nicht nur plant, sich an einem Kind zu vergehen, sondern es nach der Untat auch noch zu töten.
So gesehen ist die Romantisierung, die Poetisierung des Verbrechens in seiner inneren Logik bestechend und besonders grausam.