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Dieses Thema hat 3 Antworten
und wurde 671 mal aufgerufen
 Texte aller Art, Gedichte, Lyrik, Kurzgeschichten, Altbeiträge
Felios Offline



Beiträge: 416

24.02.2008 00:13
RE: Der Überfall Antworten

Der Überfall

Andreas befand sich auf dem Nachhauseweg von der Schule. Die überfüllte Schultasche schmerzte auf seinen Schultern, als er im sich verzweifelt versuchte, im ebenso überfüllten Linienbus festzuhalten. Bei jedem Halt an einer Ampel schleuderte es ihn gegen seine Mitschüler. Die letzte Haltestelle nahte. Bald bin ich daheim, dachte Andreas erleichtert, und freute sich bereits auf das Mittagessen, das seine Mutter wie jeden Tag vorbereitet hatte. Der Verkehr zwischen den Straßenschluchten wurde immer dichter. Viele Mütter warteten nun auf ihre Kinder. Nur stockend ging es nunmehr voran und Andreas, der krampfhaft die Haltestangen im Bus mit der rechten Hand umklammerte, warf einen flüchtigen Blick in den hinteren Teil des Busses.

Da saßen sie, lässig breitbeinig in der letzten Reihe sitzend. Eine Gruppe von Halbstarken. Weitaus älter als er. Andreas schätzte sie auf sechzehn oder siebzehn. In teure Markenklamotten eingekleidet. Weiße Turnschuhe, Jeans, deren Beine über die Schuhe hinaushingen, so wie es der Trend zu seiner Schulzeit wurde. Wirklich beeindrucken sollten jedoch die schwarzen Lederjacken, die von der Gang getragen wurde und deren Coolness durch die schwarzen, undurchlässigen Sonnenbrillen formvollendet wurde. Andreas konnte nicht erkennen, ob sie ihn anstarrten, doch er spürte geradezu ihren durchdringenden Blick. Hastig warf er seinen Kopf in die andere Richtung, als eine kaum verständliche Stimme vom Band seine Haltestelle nuschelte. Er drückte auf den Knopf zum Haltewunsch. Gerade noch rechtzeitig. Der Fahrer warf einen ärgerlichen Blick nach hinten und trat stark auf die Bremse. Die Türen schwangen auf. Andreas hüpfte nach draußen. Befreit von der klaustrophobischen Enge im Bus atmete er auf und ging in Richtung des Fußweges, ein serpentinenreicher Steig, der eine zeitsparende Abkürzung zu seinem Zuhause darstellte. Ein warmer, aber böiger Wind fegte unablässig seine Haare durcheinander. Die erste Kurve. Andreas blieb noch einmal stehen, um die milde Frühlingsluft zu genießen, die der Föhn herantrug. „Wohin willst Du?“ hörte er hinter sich eine tiefe, drohende Stimme fragen. Erschrocken fuhr Andreas herum und erstarrte. Hinter ihm hatte sich die Gang versammelt, die – so glaubte er - ihn schon während der Busfahrt beobachtet hatte. Nun hatte sie noch an Mitgliedern zugenommen. Drei Mädchen in hässlichen weißen Daunenjacken standen zu seiner Rechten, jede mit einer Kippe in der Hand, herablassend mit ihren durch dicke Schminke fast unkenntlich gemachten Gesichtern auf ihn blickend. Zu seiner Linken hatten sich gut ein halbes Dutzend junger Männer versammelt. Unverkennbar Südländer. Türken, mit ihrer dunklen Haut, den kurz geschnittenen, schwarzen Haaren, nach hinten gegelt. Zwei von ihnen rauchten einen Joint, dessen süßlicher Geruch in seine Nase zog.
Der Anführer baute sich vor ihm auf und wiederholte seine Frage mit ein wenig mehr Schärfe: „Wohin willst Du, Kleiner?“ Angst kroch in Andreas’ Glieder. Er vermochte sich nicht zu rühren, geschweige denn zu antworten. Die Furcht muss in seinen Augen gestanden haben, denn der Anführer warf seinen Kumpanen einen grinsenden Blick zu. Die Falle hat zugeschnappt. Er brachte noch immer keinen Ton heraus, aber seine Beine gehorchtem ihm wieder. Mit einer Behändigkeit, die ihm die Gruppe gar nicht zutraute, drehte er sich herum und sprintete los. Plötzlich stand sie vor ihm. Eines der rauchenden Mädchen, das ihm heimlich den Rückweg abgeschnitten hatte. Sie stieß ihm unsanft vor die Brust und blies ihren rauchigen Atem in sein Gesicht. „Lasst mich los! Ich hab Euch nichts getan!“ rief Andreas trotzig. Feste, kräftige Hände packten ihn als Antwort von hinten, umklammerten seinen Rücken und hielten ihn fest. Der Anführer nahm dem Mädchen die Kippe aus der Hand und näherte sich mit deren glühenden Ende Andreas’ Gesicht. Panisch wand er sich in seinen Armen. Es half alles nichts.

Weit und breit war niemand auf dem sonst so belebten Fußweg zu sehen, den täglich Hunderte an Stadtmenschen passierten. Nur am oberen Ende näherte sich eine alte Frau an einem Stock mit langsamen Schritten. Die wird mir kaum eine Hilfe sein, dachte Andreas frustriert. Jemand zerrte seinen Schulranzen von seinen Schultern. Er musste tatenlos zusehen, wie die jüngeren der Gruppe die Taschen durchsuchten, bis er einen Freudenschrei hörten. Sie hatten sein Handy gefunden. „Das gehört...!“ schrie Andreas, doch die brennende Zigarette stach wieder nach seinen Wangen. Er spürte die davon ausgehende Hitze. Den rußigen Geruch nach Teer, wie an einer Straßenbaustelle. Der Geruch von angesengten Haaren. Tränen füllte sich in seinen Augen. Um ihn herum johlten die jungen Burschen, als hätten sie die Trophäe eines selbst erledigten Bären in der Hand. Die Erniedrigung vor den Augen der Gang ließ seine Gegenwehr erschlaffen. Er hoffte, dass sie schneller von ihm abließen, wenn er sich kooperativ zeigte. Noch immer zeigten sich keine Passanten. Die gehbehinderte Oma war spurlos verschwunden.

Da hörte er ein Geräusch, als ob ein Fenster zuschlug. Das Haus gegenüber! Rasch wurden Vorhänge vorgezogen. Jemand hat uns beobachtet! Auch seine Kontrahenten bemerkten die Einmischung und ließen ihn endlich los. Ein letztes Mal trat der Anführer vor ihn hin, hob die Hand, führte sie zu seiner Wange und kniff zu. Vor Schmerz kniff Andreas das rechte Auge zu. „Au!“ rief er aus, „Du tust mir weh!“ Der Anführer schüttelte ihn an der Backe und nahm die Sonnenbrille herunter. Er blickte in stechende Augen, die sein Gehirn zu durchleuchten schienen. „Wir kennen Dich nun,“ zischte er ihm zu. „Wenn Du uns verpetzt, dann....“ beließ er es bei der unausgesprochenen Drohung, dessen Ende sich Andreas auch so ausmalen konnte. Die Gruppe zog sich zurück. Andreas ging langsam weiter. Das Essen war sicherlich schon kalt geworden.

Felios

"Der beste Kenner einer Gesellschaft ist der Fremde, der bleibt." (Georg Simmel)

Bled Gambler Offline



Beiträge: 3

25.02.2008 20:33
#2 RE: Der Überfall Antworten

Hallo Was mir so auffällt:

Der Überfall

Andreas befand sich auf dem Nachhauseweg von der Schule. Die überfüllte Schultasche schmerzte auf seinen Schultern, als er im sich (muss weg) verzweifelt versuchte, sich (müsste hier hinein) im ebenso überfüllten Linienbus festzuhalten. Bei jedem Halt an einer Ampel schleuderte es ihn gegen seine Mitschüler. Die letzte Haltestelle nahte. Bald bin ich daheim, dachte Andreas erleichtert, und freute sich bereits auf das Mittagessen, das seine Mutter wie jeden Tag vorbereitet hatte. (Sollte man den Gedanken des Protagonisten nicht von der Information trennen?
Also: Bald bin ich daheim, dachte Andreas erleichtert. Er freute sich bereits auf das Mittagessen, das seine Mutter wie jeden Tag vorbereitet hatte.)


Der Verkehr zwischen den Straßenschluchten wurde immer dichter. Viele Mütter warteten nun auf ihre Kinder. (Halten die Mütter den Verkehr des Linienbusses auf?- ungewöhnlich. Gibt ja auch Berufsverkehr, eventuell den nutzen?) Nur stockend ging es nunmehr voran und Andreas, der krampfhaft die Haltestangen (oder nur eine Haltestange?) im Bus mit der rechten Hand umklammerte, warf einen flüchtigen Blick in den hinteren Teil des Busses.

Da saßen sie, lässig breitbeinig in der letzten Reihe sitzend. Eine Gruppe von Halbstarken. Weitaus älter als er. Andreas schätzte sie auf sechzehn oder siebzehn. In teure Markenklamotten eingekleidet. Weiße Turnschuhe, Jeans, deren Beine über die Schuhe hinaushingen, so wie es der Trend zu seiner Schulzeit wurde (so, wie es derzeit Trend war?). Wirklich beeindrucken sollten jedoch die schwarzen Lederjacken, die von der Gang getragen wurde (oder den Mitgliedern der Gang?) und deren Coolness durch die schwarzen, undurchlässigen Sonnenbrillen formvollendet wurde (welche die Jungen trugen?). Andreas konnte nicht erkennen, ob sie ihn anstarrten, (dennoch nahm er es an, denn...)doch er spürte geradezu ihren durchdringenden Blick. Hastig warf er seinen Kopf in die andere Richtung, als eine kaum verständliche Stimme vom Band seine Haltestelle nuschelte. Er drückte auf den Knopf zum Haltewunsch (Knopf, welcher den Haltewunsch an den Fahrer meldete). Gerade noch rechtzeitig. Der Fahrer warf einen ärgerlichen Blick nach hinten und trat stark auf die Bremse. Die Türen schwangen auf. Andreas hüpfte nach draußen. Befreit von der klaustrophobischen Enge im Bus atmete er auf und ging in Richtung (folgte dem Fußweg? Sonst wär die Haltestelle ja unplaniert) des Fußweges, ein (einem)serpentinenreicher (..reichem) Steig, der eine zeitsparende Abkürzung zu seinem Zuhause darstellte. Ein warmer, aber böiger Wind fegte unablässig seine Haare durcheinander. Die erste Kurve. (Des Weges, oder?) Andreas blieb noch einmal stehen, um die milde Frühlingsluft zu genießen, die der Föhn herantrug. „Wohin willst Du?“ hörte er hinter sich eine tiefe, drohende Stimme fragen. Erschrocken fuhr Andreas herum und erstarrte. Hinter ihm hatte sich die Gang versammelt, die – so glaubte er - (Das weiss der Leser schon) ihn schon während der Busfahrt beobachtet hatte. Nun hatte sie noch an Mitgliedern zugenommen. Drei Mädchen in hässlichen (Komma, Aufzählung)weißen Daunenjacken standen zu seiner Rechten, jede mit einer Kippe in der Hand, herablassend mit ihren durch dicke Schminke fast unkenntlich gemachten Gesichtern auf ihn blickend (Wo kommen die denn her? Hat er sie an der Haltestelle gesehen?). Zu seiner Linken hatten sich gut ein halbes Dutzend junger Männer versammelt. (Hinter ihm standen sie doch eben noch) Unverkennbar Südländer. Türken, mit ihrer dunklen Haut, den kurz geschnittenen, schwarzen Haaren, nach hinten gegelt. Zwei von ihnen rauchten einen Joint, dessen süßlicher Geruch in seine Nase zog.(Rauchten zwei einen Joint, woran merkt man das so schnell? Oder rauchen sie jeweils einen Joint?)
Der Anführer baute sich vor ihm auf und wiederholte seine Frage mit ein wenig mehr Schärfe: „Wohin willst Du, Kleiner?“ Angst kroch in Andreas’ Glieder. (Angst kriecht in Verstand, nicht in Glieder) Er vermochte sich nicht zu rühren, geschweige denn zu antworten. Die Furcht muss in seinen Augen gestanden haben, denn der Anführer warf seinen Kumpanen einen grinsenden (Der Blick grinst nicht, das ist ein Verb für den Mund) Blick zu. Die Falle hat (hatte, sonst plötzlicher Wechsel in Gegenwart) zugeschnappt. Er brachte noch immer keinen Ton heraus, aber seine Beine gehorchtem ihm wieder. Mit einer Behändigkeit, die ihm die Gruppe gar nicht zutraute,(zugetraut hätte?) drehte er sich herum und sprintete los. Plötzlich stand sie vor ihm. Eines der rauchenden Mädchen, das ihm heimlich den Rückweg abgeschnitten hatte. Sie stieß ihm unsanft vor die Brust und blies ihren rauchigen Atem in sein Gesicht. (Ist das Mädchen so stark, einen jungen Burschen im Lauf durch einen Bruststoß aufzuhalten, während sie eine Kippe raucht?) „Lasst mich los! Ich hab Euch (euch klein, ist ja nicht das Ihrzen, wie bei adeligen im Mittelalter) nichts getan!“ (habe? oder ` beim hab)trotzig. Feste, kräftige Hände packten ihn als (wie zur) Antwort von hinten, umklammerten seinen Rücken (eher von hinten seine Brust?) und hielten ihn fest. Der Anführer nahm dem Mädchen die Kippe aus der Hand und näherte sich mit deren (derem) glühenden Ende Andreas’ Gesicht. Panisch wand er sich in seinen (wessen?) Armen. Es half alles nichts.

Weit und breit war niemand auf dem sonst so belebten Fußweg zu sehen, den täglich Hunderte an Stadtmenschen (Menschen/Leuten? Was sind Stadtmenschen?) passierten. Nur am oberen Ende (der Straße? Sind Begriffe wie oben und unten überhaupt richtig bei einer Straße? anderen? Oder etwa so: Weit entfernt näherte sich...) näherte sich eine alte Frau an einem Stock mit langsamen Schritten. Die wird mir kaum eine Hilfe sein, dachte Andreas frustriert. Jemand zerrte seinen Schulranzen von seinen Schultern. Er musste tatenlos zusehen, wie die jüngeren der Gruppe die (seine?) Taschen durchsuchten, bis er einen Freudenschrei hörten (hörte). Sie hatten sein Handy gefunden. „Das gehört...!“ schrie Andreas, doch die brennende Zigarette stach wieder nach seinen Wangen. Er spürte die davon ausgehende Hitze. Den rußigen Geruch nach Teer, wie an einer Straßenbaustelle. Der Geruch von angesengten Haaren. Tränen füllte (füllten seine...) sich in seinen Augen. Um ihn herum johlten die jungen Burschen, als hätten sie die Trophäe eines selbst erledigten Bären in der Hand. Die Erniedrigung vor den Augen der Gang ließ seine Gegenwehr erschlaffen. Er hoffte, dass sie schneller von ihm abließen, wenn er sich kooperativ zeigte. Noch immer zeigten sich keine Passanten. Die gehbehinderte Oma (die alte Frau wird respektlos zur Oma) war spurlos verschwunden.

Da hörte er ein Geräusch, als ob ein Fenster zuschlug. Das Haus gegenüber! Rasch wurden Vorhänge vorgezogen. Jemand hat uns beobachtet! Auch seine Kontrahenten bemerkten die Einmischung und ließen ihn endlich los. (Einmischung? Da hat ja nur jemand feige demonstriert, sich eben nicht einmischen zu wollen...) Ein letztes Mal trat der Anführer vor ihn hin, hob die Hand, führte sie zu seiner Wange und kniff zu. Vor Schmerz kniff Andreas das rechte Auge zu. „Au!“ rief er aus, „Du tust mir weh!“ Der Anführer (zu oft Anführer) schüttelte ihn an der Backe und nahm die Sonnenbrille herunter. Er blickte in (ihn mit stechenden Augen an...) stechende Augen, die sein Gehirn zu durchleuchten schienen. „Wir kennen Dich nun,“ zischte er ihm zu. „Wenn Du uns verpetzt, dann...(.Drei Zeichen sind genug)(er beliess es bei...) beließ er es bei der unausgesprochenen Drohung, dessen Ende (deren Inhalt?) sich Andreas auch so ausmalen konnte. Die Gruppe zog sich zurück. Andreas ging langsam weiter. Das Essen war sicherlich schon kalt geworden.

Ich hoffe, das hilft Dir weiter
Bled

[ Editiert von Bled Gambler am 25.02.08 20:45 ]

[ Editiert von Bled Gambler am 25.02.08 20:50 ]

[ Editiert von Bled Gambler am 25.02.08 20:59 ]

Felios Offline



Beiträge: 416

25.02.2008 22:30
#3 RE: Der Überfall Antworten

Danke, das hilft mir sehr weiter.

Ein Klassiker auch....


als hätten sie die Trophäe eines selbst erledigten Bären


Manchmal lohnt es sich, den selbst geschriebenen Text mit einigem (zeitlichen) Abstand nochmals anzuschauen.

Gruß,
Felix

"Der beste Kenner einer Gesellschaft ist der Fremde, der bleibt." (Georg Simmel)

Felios Offline



Beiträge: 416

25.02.2008 22:34
#4 RE: Der Überfall Antworten

Korrigierte und überarbeitete Fassung:

Der Überfall

Andreas befand sich auf dem Nachhauseweg von der Schule. Die überfüllte Schultasche hing schwer auf seinen Schultern, als er verzweifelt versuchte, sich im ebenso überfüllten Linienbus festzuhalten. Bei jedem Halt an einer Ampel schleuderte es ihn gegen seine Mitschüler. Die letzte Haltestelle nahte. Bald bin ich daheim, dachte Andreas erleichtert. Er freute sich bereits auf das Mittagessen, das ihm seine Mutter wie jeden Tag zubereiten würde.

Der Verkehr in den Straßenschluchten wurde immer dichter. Hupen und Drängeln zeugte von ungeduldigen Autofahrern, die sich wie Andreas nach der Mittagspause sehnten. Nur stockend ging es nunmehr voran. Andreas hielt sich krampfhaft an den Haltestangen im Bus fest. Wie ein Orang-Utan hing er da, nicht fähig, sich zu bewegen, geschweige denn sein Gewicht zu verlagern. Er bemerkte, wie er im Fuß einen Krampf bekam. Flüchtig warf er einen Blick in den hinteren Bereich des Busses.

Da saßen sie, lässig breitbeinig in der letzten Reihe sitzend. Eine Gruppe von Halbstarken. Weitaus älter als er. Andreas schätzte sie auf sechzehn oder siebzehn. In teure Markenklamotten eingekleidet. Weiße Turnschuhe. Jeans, deren faltenreichen Beine über die Schuhe hinaushingen – so wie es derzeit der Trend war. Wirklich beeindrucken sollten jedoch die schwarzen Lederjacken, die sie trugen und ihre schwarzen, undurchlässigen Sonnenbrillen, die die Coolness ihres scheinbar selbstbewussten Auftretens formvollendeten.

Andreas konnte daher nicht erkennen, ob sie ihn anstarrten, nahm es aber an, da sie alle in seine Richtung blickten. Obwohl es nur eine Sekunde zu dauern schien, wurde es ihm zuviel. Hastig warf er seinen Kopf in die andere Richtung. In diesem Moment nuschelte eine kaum verständliche Stimme vom Band den Namen seiner Haltestelle. Erschrocken drückte Andreas auf den Knopf, welcher den Haltewunsch an den Fahrer meldete. Gerade noch rechtzeitig. Der Fahrer warf einen ärgerlichen Blick in den Rückspiegel und trat stark auf die Bremse. Andreas fegte es beinahe von den Füßen, als er mit den Händen von den Haltestangen abrutschte. Türen schwangen auf. Andreas hüpfte nach draußen. Befreit von der klaustrophobischen Enge und der stickigen Luft im Bus blieb er erst einmal stehen und atmete tief aus und ein. Dann folgte er dem Gehweg in Richtung des serpentinenreichen Steiges, der eine zeitsparende Abkürzung zu seinem Zuhause darstellte. Als er zwischen die Häuser einbog, wo der Steig seinen Anfang nahm, wehte ihm ein warmer, böiger Wind entgegen und ließ seine Haare in alle Richtungen abstehen. An der ersten Serpentine des Weges bleib Andreas noch einmal stehen. Er genoss die milde Frühlingsluft, die der Föhn herantrug. Zwitschernde Vögel schienen zum Frühlingsanfang ein Ständchen singen zu wollen. Blühende Forsythien säumten den Wegesrand mit frischem Gelb. „Hier ist es schön!“ rief mit Andreas mit leuchtenden Augen aus.

„Wohin willst Du?“ entgegnete hinter ihm eine tiefe, drohende Stimme. Wie von einer Tarantel gestochen fuhr Andreas herum und erstarrte. Die Mitglieder der Gang, die ihn schon während der Busfahrt beobachtet hatte, hatten sich auf dem Steig versammelt und waren gerade dabei, einen Halbkreis um ihn herum zu bilden. Die Falle hatte zugeschnappt. Sie waren zu acht. Fünf von ihnen hatte bereits im Bus gesehen. Die drei Mädchen mit den hässlichen, weißen Daunenjacken, der Jahreszeit völlig unangemessen, hatten hinter ihm im Bus gestanden. Eine von ihnen hielt eine bereits weit abgebrannte Kippe in der Hand, eine dicke Rauchwolke in seine Richtung blasen. Die anderen beiden standen daneben wie die Ölgötzen neben ihr und gafften ihn an. Die anderen teilten sich einen Joint, dessen süßlicher Geruch rasch in seine Nase zog. Während er das durch Schminke unkenntlich gemachte Gesicht der Mädchen keiner Nationalität zuordnen konnte, waren die Burschen unverkennbar Türken. Dunkle, stark beharrte Haut. Schwarze, kurz geschnittene Haare an den Seiten, in der Mitte zu einem Irokesenschnitt hochgegelt. Die Punks der Neuzeit. Nur, dass diese sich nicht wie Punks verhielten.

Der größte der Gruppe baute sich breitbeinig vor ihm auf. Er trug ihm Gegensatz zu den anderen keine Lederjacke, sondern nur ein weißes, kurzärmeliges T-Shirt, durch das sich seine muskulösen Oberarme abzeichneten. Er warf seinen Kumpanen einen nickenden Blick zu, worauf diese näher kamen. Andreas mutmaßte, dass er der Anführer der Gang war. Er musste seinen Kopf in den Nacken heben, um dessen Gesicht zu erkennen. Sein Gegenüber betrachtete dies als Aufforderung seine Frage zu wiederholen. „Ich hab Disch gefragt, wo Du hin willst, Kleiner!“ wiederholte dieser mit scharfer Stimme, in der der Slang vieler türkischer Jugendlicher mitschwang, der ihre Herkunft verriet. Der Schrecken über den plötzlichen Überfall lähmte Andreas’ Glieder. Er vermochte sich nicht zu rühren, geschweige denn zu antworten. Die Furcht muss in seinen Augen gestanden haben, denn der Rädelsführer lachte gehässig, als er auf ihn herabschaute. Andreas brachte noch immer keinen Ton heraus, aber seine Beine gehorchten ihm plötzlich wieder. Mit einer Behändigkeit, die ihm die Gruppe gar nicht zugetraut hätte, drehte er sich herum und warf sich zwischen die beiden Mädchen, welche inzwischen zu seiner Rechten standen. Sie hielten ihn vor Überraschung über seinen Fluchtversuch nicht auf, doch das dritte Mädchen mit der Kippe neben den beiden nahm gelassen die Kippe in den Mund und hielt ihm an seinem Rucksack fest. Der Anführer setzte ihm nach und umklammerte wie zur Antwort auf seinen missglückten Fluchtversuch mit festen, kräftigen Händen seine Brust. Das rauchende Mädchen nahm noch einen langen Zug von ihrer Zigarette, ehe diese sich mit ihrem glühenden Ende Andreas’ Gesicht langsam, aber unaufhörlich näherte. Panisch wand er sich in den muskulösen Armen, die ihn festhielten. Zwecklos.

Weit und breit war niemand auf dem sonst so belebten Steig, den täglich Hunderte an Fußgänger passieren. Nur ganz am oberen Ende, wo der Steig in die Straße zu seinem Zuhause führte, näherte sich eine altere Frau an einem Stock mit langsamen Schritten. Die wird mir kaum eine Hilfe sein, dachte Andreas frustriert. Während das Mädchen vor ihm stand und ihn mit ihrer verdammten Kippe bedrohte, zerrten die anderen den Schulranzen von seinem Rücken. Tatenlos musste zu sehen, wie sie seine Taschen durchsuchten, bis er einen Freudenschrei vernahm. Sie hatten sein Handy gefunden. Der Akku war leer, doch das würde die Bande wohl kaum vom Diebstahl abhalten. „Das gehört doch mir!!“ rief Andreas mit einer Mischung aus Trotz und Furcht. Die glühende Zigarette stach nach seinen Wangen. Er spürte die davon ausgehende Hitze, bemerkte den Geruch von frisch geteertem Asphalt. Dazu gesellte sich nun der Gestank angesengter Haare. Tränen füllten seine Augen. Um ihn herum johlten die Kerle, als hätten sie die Trophäe eines selbst erlegten Bären in der Hand. Die Erniedrigung vor den Augen der Bande ließ seine Gegenwehr nun vollends erschlaffen. Er hoffte, dass sie schneller von ihm abließ, wenn er sich kooperativ zeigte. Das Handy war ohnehin verloren.

Noch immer zeigten sich keine Passanten, als hätten sich heute alle gegen ihn verschworen. Die alte Frau am oberen Ende des Weges lief immer noch mit kleinen Trippelschritten herunter, doch sie schien blind oder taub oder beides, denn trotz der Rufe seiner Peiniger hob sie nicht einmal den Kopf. Da hörte er ein Geräusch, als ob ein Fenster zuschlug. Das Haus gegenüber! Die weißen Jalousien schlossen sich. Jemand hat uns beobachtet! Auch seine Kontrahenten bemerkten, dass sie bei ihrem Diebstahl nicht ungesehen waren und hörten damit auf, seine Schultasche zu zerlegen. Der Anführer ließ ihn endlich los, hob aber die Hand und kniff ihm kräftig in die Wange. Vor Schmerzen entfuhr Andreas ein lauter Aufschrei. „Au! Du tust mir weh!“ Sein Gegenüber nahm die Sonnenbrille herunter. Stechende Augen schienen sein Gehirn zu durchleuchten, ahnten seine Gedanken voraus, die Andreas in diesem Moment durch den Kopf schossen. „Versuch es erst gar nicht!“ zischte ihm der Chef der Bande zu. „Wir kennen Dich nun. Wenn Du uns verpetzt, dann....!“ Er beließ es bei der unausgesprochenen Drohung, dessen weitere Worte sich Andreas auch so ausmalen konnte. Hastig raffte er seine Sachen zusammen. Mit demütigen Blick auf den Boden des Fußweges gerichtet ging er weiter. Sein Essen war sicherlich schon kalt geworden.

Gruß,Felios

"Der beste Kenner einer Gesellschaft ist der Fremde, der bleibt." (Georg Simmel)

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