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Dieses Thema hat 0 Antworten
und wurde 409 mal aufgerufen
 Texte aller Art, Gedichte, Lyrik, Kurzgeschichten, Altbeiträge
Lori ( gelöscht )
Beiträge:

28.04.2008 23:09
RE: eine von vielen Antworten

hi, ich schreibe schon laenger, kurze texte, manchmal auch gedichte...habe nun mit einer Geschichte angefangen und bin am ueberlegen, sie so auszubauen, dass es fuer ein Buch reicht. Wollte den Anfang mal hier posten und eure Meinung/Kritik dazu hoeren




Es war spät am Abend, um genau zu sein, es war zehn Uhr einunddreißig und fünfzehn Sekunden, als sie den Raum betrat. Groß, schlank, ihr Gang war der einer Lady, braune Haare, blau-graue Augen mit einem Tick zarten Mintgrün betonte sie diese mit einem dezenten Lidstrich.
Alle Blicke richteten sich auf sie. Der alte, klapprige Wirt beäugte sie von oben bis unten, als sei sie ein Auto, das er überlegte zu kaufen. Sein Mund stand offen und der Sabber kroch ihm langsam aus den Mundwinkeln heraus. Er sah sie jeden Abend und jeden Abend war er immer und immer wieder aufs Neue von ihr angetan. Seine Blicke fraßen sie auf, wie ein Geier sich über sein Ass stürzt. Sie spürte förmlich wie er sie auszog und als Fantasie für seine Erregung ausnutzte und sie verwendete als sei sie ein Objekt in seinen Pornoheftchen.
Niemand aber sah, dass sie beinahe an diesen Blicken zu Grunde ging. Die Vorstellung dessen, dass sich die alten Säcke an ihr aufgeilten um so immer wieder auszutesten, ob ihr Schwanz immer noch in der Lage war die ersehnte Leistung auch ohne Viagra zu vollbringen.
Sie sah aus wie eine Diva. Aber das, was uns so erscheint, kommt schon lange nicht mehr mit dem überein, wie sich die Person tatsächlich fühlt, geschweige denn wie ihre Persönlichkeit von innen aussieht. In unsere Gesellschaft, in der das Innere fast überflüssig ist. Es wird nach hinten gedrängt, Personen verstellen sich für andere. Es wird vernachlässigt, ignoriert und überspielt. Es erreicht selbst ärmste Dörfer und Städte. Klischees und Vorurteile herrschen vor. Und das ist ihr zuhause. Ihr Arbeitsplatz. Tag für Tag. Nacht für Nacht. Als Prostituierte.


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Sie war erst acht Jahre alt, als ihre Mutter sie und ihre 2 Jahre jüngere Schwester mit ihrem sehr erfolgreichen Vater alleine ließ. Ihre Schwester und sie waren immer eine gutes Team. Vor allem wenn es darum ging gemeinsam Streiche auszuhecken und ihre Eltern zu verarschen. Beide hatten eine erfüllte Kindheit. Sie gingen zur besten Ballettschule des Landkreises, brachten sehr gute Noten mit nach Hause, hatten viele Freunde und nahmen Klavierunterricht. Eben das typische Klischee für zwei verwöhnte Gören aus reichem Elternhaus.
Es schien alles perfekt. Die Töchter gingen zur Schule, danach kochte die Mutter etwas zu Mittag, anschließend Hausaufgaben, dann vielleicht mit Freunden verabreden oder Ballett- oder Klavierunterricht. Abends kam der Vater nach Hause, es wurde gegessen und schon war wieder Schlafenszeit. Viel Zeit für die Schwestern blieb da nicht, außer vielleicht einmal am Wochenende, aber auch da kam oft Großmutter, väterlicherseits, zu Besuch und betüttelte vor allem ihre Schwester. Sie wurde von der Großmutter meist herablassend beobachtet und vielleicht alle Schaltjahre einmal gedrückt, aber auch in diesem Moment ließ die Großmutter sie ihre Abneigung spüren, indem sie sie danach angewidert anschaute. Sie konnte das natürlich noch nicht verstehen, mit den paar Jahren, die sie alt war.
Eines Samstag nachmittags fragte sie ihren Vater, was sie falsch gemacht habe und warum Großmutter sie immer so behandelte, als gehöre sie nicht zur Familie. Darauf antwortete er nur trocken und mit einem kalten Unterton: „So ist sie halt. Kann man nichts ändern.“ Damals war sie sechs Jahre alt.
Mit ihrer Mutter hatten die beiden Schwestern ein sehr inniges und herzliches Verhältnis. Morgens wurden sie von der Mutter liebevoll geweckt und wenn ein besonderer Tag bevorstand, wurde sogar noch vor dem Aufstehen gekuschelt. Ihre Mutter war eine wunderschöne Frau, sie war groß und schlank und hatte langes schwarzes, gepflegtes Haar. Sie war gelernte Friseurin, doch jetzt widmete sie ihre Energie weitestgehend dem Haushalt und ihrer Familie. Ihren Beruf gab sie deswegen auf. Sie kam aus einer Familie der niederen Mittelschicht, ihre Kindheit war nicht einfach gewesen, denn ihre Eltern starben als sie 13 Jahre alt war. Familie hatte sie keine. Sie kam in ein Heim. Auf dem Ausflug der Schule lernte sie ihren Mann kennen. Sie war 14. Er 9 Jahre älter. Seine Eltern waren beide als Ärzte tätig. Als sein Vater starb, erbte er sein Elternhaus und eine beträchtliche Summe Geld. Seine Mutter schob er ab in ein Seniorenheim für Menschen der gesellschaftlichen Oberschicht, einem Schloss im Saarland. Nur ab und zu am Wochenende besuchte sie ihren Sohn und dessen Frau, für die sie ebenso wenig Sympathie empfand wie für deren älteste Tochter. Es mag wohl am gesellschaftlichen Stand ihrer Familie gelegen haben.
Der Vater war ein sehr einflussreicher Mann, er verstand es Leute zu manipulieren und zu seinen Gunsten auszurichten. Seine Berufung, so fand er, sei es Leuten zu helfen. Als Psychotherapeut. Die Patienten liebten ihn, seine einfühlsame Art, die er verstand vor der Familie erfolgreich zu verstecken. Zu Hause war er immer der gereizte Ehemann, dessen Frau es später verboten war Widerworte zu geben.

---------Umsturz-------
Montagmorgen sieben Uhr einundzwanzig. Ein wunderbares Wochenende mit der Familie lag hinter ihr. Sie hatten einen Ausflug zu einem nahegelegenen See gemacht. Es war Mitte Mai, sie gingen schwimmen.
Sie war motiviert in eine neue Schulwoche, die gleich mit einem unangekündigten Mathe-Test beginnen sollte, zu starten. Der Test viel ihr leicht, sie war schließlich eine Musterschülerin und sie arbeitete jeden Tag, das in der Schule gelernte, zu Hause noch einmal auf. Nach dem Mathematikunterricht folgte die Ballettprobe für die jährliche Frühlingsaufführung, um den aufgeregten und spendabelen Eltern zu zeigen, was innerhalb eines Jahres an Lernfortschritt erreicht wurde. „Une Fouetté und danach noch gleich eine doppelte Pirouette!“ kommandierte ihre strenge und altersschwache, was sie aber selber niemals zugeben würde, Ballett-Lehrerin. Sie stand selbst einmal auf der großen Bühne des Show-Business und verstand es ihre Schülerinnen zu striezen, damit sie „ in der Welt dort draußen überleben können“. Das betonte sie gerne öfters als einmal pro Stunde. Die Schülerinnen wanden sich meist ab von ihr und ahmten ihren hohen Tonfall nach. Oft taten die Füße nach dem harten Training weh. Sie versuchte sich von den Schmerzen abzulenken, indem sie in ihr über alles geliebtes Tagebuch schrieb.
An diesem Tag war sie sehr froh. Sie sprang; höher denn je.
Sie kam auf; schmerzhafter denn je. Sie schrie; lauter denn je. Und sie weinte. Lange. Die Lehrerin rief sofort den Notarzt. Im Krankenwagen, war nur ihre Mutter bei ihr. Der Vater konnte nicht, hatte noch einen Patienten. Ihr Bein sah schrecklich aus, ein Knochen guckte heraus und wenn sie ehrlich war, spürte sie kaum wie der Arzt ihr eine 10cm lange Nadel knieaufwärts ins Bein stach. Sie weinte. Sie hoffte noch. Ihre Mutter hatte sie längst schon verloren. Sie spürte die Angst ihrer Mutter. Sie spürte, dass sie fiel, in eine Ohnmacht. In ein Koma. Tagelang, wochenlang, 4 Monate lang.
In all dieser Zeit saß ihre Mutter so oft es ging an ihrem Bett, las ihr Geschichten vor, sang ihr Einschlaflieder, redete mit ihr. Ihr Vater ließ sich kaum blicken „Ich habe viele Patienten, die kann ich nicht einfach im Stich lassen!“ – „Aber deine Tochter schon, oder was?“ –„Das ist doch was völlig anderes!!“ –„Dann erklär‘s mir!“-„Ich kann nicht, muss weg, ein wichtiger Termin.“
Ihre Schwester war auch öfters bei ihr am Krankenbett, jedoch nicht lange, weil der Anblick sie zum Weinen brachte, sie vermisste ihre Schwester und konnte allein dem Streit zwischen ihren Eltern kaum mehr standhalten. Es machte sie traurig eine Schwester zu haben und doch keine in diesem Moment zu haben.
Die Ärzte sagten, der hohe Blutverlust habe das Koma ausgelöst, zudem käme noch der psychische Stress, die Angst nie wieder Ballett tanzen zu können.


Ein Jahr war seither vergangen. Sie erwachte am 6.April an einem wunderschönen Sonntagmorgen, dem einzigen seit langer Zeit. Sie erwachte in einem Umfeld in dem zunächst alles in Ordnung schien.
Die Eltern hatten sie nach Hause bringen lassen, in der Hoffnung, dass sie in gewohnter Umgebung schneller genesen wird. Das erste was sie sah, war ihr über alles geliebter Wandteppich, auf dem eine Ballerina mit einem weißen Tütü zu sehen war, die gerade eine Pirouette drehte und dabei das rechte Bein ganz weit über ihren Kopf hinausstreckte.
Normalerweise, war dies ein Anblick der sie stets beim frühen Aufstehen vor der Schule erfreute, aber nicht an diesem Tag. Trotz des Komas hatte sie nicht vergessen, was geschehen war. Sie konnte sich immer noch kaum bewegen und war benommen. Sie war wie gelähmt, außer ihren Augen, die bewegte sie und was sie sah bewegte sie. Sie weinte, lautlos.[...]

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