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Dieses Thema hat 3 Antworten
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 Texte aller Art, Gedichte, Lyrik, Kurzgeschichten, Altbeiträge
Foxhound Offline



Beiträge: 4

09.07.2008 18:56
RE: BURAN Antworten

Joa, bin neu hier und versuche seit einem Jahr einen kleinen Polit-Thriller zu schreiben. Da dachte ich mir, ich stell den mal hier vor ... Also los geht´s:


BURAN
Der Alptraum wird Realität



Die mächtigsten Männer der Welt:

Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ...

Der Präsident der Russischen Föderation ...

und ...

Die Kommandanten der strategischen Atom-U-Boote beider Seiten ...

In der Hoffnung, eine Katastrophe abwenden zu können ...




Doch früher oder später...

... wird der Alptraum bittere Realität ...

Foxhound Offline



Beiträge: 4

09.07.2008 18:57
#2 RE: BURAN Antworten

PROLOG


Freitag, 01. Mai 1998, Sewmash, Sewerodwinsk

Jurij Rijkow war mit den Nerven am Ende. Der Werftdirektor hatte in den letzten Tagen einige schlaflose Nächte gehabt. Der Lohn für die Arbeiter konnte auch diesen Monat nicht pünktlich gezahlt werden. Wenn das so weiterging, waren Aufstände innerhalb der Firma nicht unwahrscheinlich. Seit zwei Jahren hatte die Werft kaum Geld für staatliche Aufträge bekommen. Seit der Übergabe der Tomsk an die WMF war die Finanzierung praktisch zum Erliegen gekommen. Der Bau von fünf U-Booten musste gestoppt werden. Die Materiallieferungen für die restlichen beiden kamen unregelmäßig, dazu kam akuter Stahlmangel – der Hauptlieferant Azovstal saß jetzt in der Ukraine und verlangte den sechsfachen Preis. Seit den Umwälzungen, der Wahl Boris Jelzin’s zum Präsidenten, den Wirtschaftsreformen und der daraus resultierenden immer schlimmer werdenden Finanzkrise ging dem Staat das Geld aus. Das Telefon klingelte. Er hob ab, ließ den Namen weg und meldete sich erschöpft:
„Hallo?“
„Sie klingen aber gar nicht gesund, Jurij“, meinte der Verteidigungsminister.
„Wie könnte ich“, gab Rijkow säuerlich zurück. „Haben Sie mal die letzten Rechnungen durchgesehen?“
„Jurij, hören Sie, ich kann mir vorstellen, wie sehr die Sache Sie mitnimmt“, sagte der Verteidigungsminister. „Leider überbringe ich auch heute keine guten Nachrichten.“
„Reden Sie nicht lange drum herum, sagen Sie, was Sache ist. Die Firma steckt schon tief genug in der Scheiße.“
„Die Arbeiten an K-337 Kugar sind mit sofortiger Wirkung einzustellen. Das Verteidigungsministerium streicht ab heute die Finanzierung.“
„Letztes Jahr die Rijs und jetzt die Kugar.“ Rijkow hätte vor Wut am liebsten in die Tischkante gebissen. „Und was sage ich den Arbeitern? Was ist mit der Gepard?“
„Jurij, es tut mir sehr Leid, aber wir brauchen die Boote nicht mehr.“
„Oooh, Sie brauchen sie nicht mehr“, höhnte Rijkow. „Ist wir brauchen sie nicht mehr jetzt die Übersetzung für wir sind pleite? Falls Sie es vergessen haben, die Gepard sollte eigentlich dieses Jahr übergeben werden.“
„Die Arbeiten an der Gepard können fortgesetzt werden, Jurij“, versuchte der Verteidigungsminister, ihn zu beruhigen. Doch das ging nach hinten los.
„UND WANN SEHEN WIR DIE KOHLE DAFÜR?!“ brüllte der Rijkow in die Sprechmuschel. „Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, aber meine Leute können nicht arbeiten, wenn Sie sich nicht die simpelste Grundversorgung leisten können. Und die meisten müssen auch eine Familie ernähren.“
„Jurij, es tut mir Leid, aber … “
„Schaffen Sie die Kohle ran, ist mir egal wie. Ohne Geld keine Arbeiter, ohne Arbeiter keine U-Boote. Entscheiden Sie sich, und wenn’s geht schnell! Immerhin sind Sie für die nationale Sicherheit zuständig.“
„Sie müssen mich nicht an meine Funktion erinnern, Jurij“, sagte der Verteidigungsminister mit spürbar kälterer Stimme. „Wie auch immer, ich werde Ihr Anliegen dem Präsidenten vortragen.“
„Jaja“, schloss Rijkow knapp und knallte den Hörer auf die Gabel. „Mein Gott, wo soll das hinführen“, murmelte er.


Zwei Monate später kam hoher Besuch. Der Sekretär des Sicherheitsrates, Wladimir Putin, war auf Besichtigungstour durch die Rüstungsbetriebe. Rijkow übernahm persönlich die Führung durch die Bauhallen von Sewmash. Sie gingen an vier unfertigen Rümpfen vorbei – nur an einem wurde hier und da ein wenig gewerkelt – und der Direktor erläuterte die Probleme.
„Sehen Sie sich das an, Herr Minister“, sagte er. „Die Gepard sollte dieses Jahr übergeben werden. Wenn es im jetzigen Tempo weitergeht, ist sie in zehn Jahren noch nicht fertig. Wir können den Lohn nicht pünktlich zahlen, wir verlieren Arbeiter. Viele kommen gar nicht mehr oder unregelmäßig. An so einem Boot arbeiten normalerweise 300 Menschen am Tag. In den letzten zwei Wochen waren es 30, und es werden weniger.“
„Ich verstehe“, sagte Putin knapp und flüsterte dem Direktor dann seine persönliche Meinung zu: „Was erwarten sie von einem Präsidenten, der zum Tag des Sieges keine Militärparade mit Panzern sehen will und auch sonst mit den meisten Traditionen bricht.“
Rijkow war baff. Hörte er vom Premierminister gerade eine ziemlich trockene Kritik an dessen Chef, dem zweitmächtigsten Mann der Welt?
„Lass Sie uns einen Augenblick allein“, sagte Putin zu seinen Leibwächtern, die sich daraufhin entfernten und fuhr dann leise an Rijkow gewandt fort. „ Das bleibt jetzt unter uns. Eine starke und moderne U-Boot-Waffe ist wichtig, um unsere Interessen durchzusetzen. Ich persönlich stehe stark hinter dem Militär, Jurij. Und glauben Sie mir, der Präsident hat den Realitätssinn in dieser Sache verloren. Der Sold wird nicht bezahlt, Soldaten begehen Selbstmord, es wird geplündert, Rekruten werden schikaniert, die Streitkräfte sind kaum noch einsatzfähig.“
„Kein Wunder“, meinte Rijkow schulterzuckend.
„Wenn ich die Gelder auftreiben kann“, sagte Putin, „wann könnte das Boot an die Flotte übergeben werden?“
„Der Rumpf selbst ist so gut wie fertig“, sagte Rijkow. „Im August oder September nächsten Jahres können wir sie aus der Halle ziehen, danach folgt die Ausrüstung im Dock.“
„Wie viel Geld ist nötig?“
„Eine Milliarde Rubel, also 50 Millionen Dollar“, sagte Rijkow. „Wenn wir die modernsten Systeme einbauen, natürlich mehr.“


Neun Jahre später

Der Tag hatte zweifellos etwas Besonderes. Nicht nur, dass die Sicherheitsmaßnahmen auf dem Werftgelände streng waren, weil Vizepremierminister Sergej Iwanow diesem Ereignis beiwohnte, sondern weil in der Bauhalle das bisher wohl am besten gehütete Militärgeheimnis Russlands lag. Es mochte sein, dass ein Hauch von Propaganda durch die Halle wehte, doch es war nach Auffassung der Regierung ein bedeutendes nationales Ereignis. Und die Regierung Putin liebte nun einmal den starken Auftritt und die große Show. Die Tore der Bauhalle waren zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder geöffnet, um etwas hinaus zu bewegen. Aufgelegt auf dutzenden fahrbaren Stützen thronte der Gigant über den 107 Männern, die ihn bald durch die Tiefen der Meere steuern sollten. Es war die größte Leistung des russischen Militärschiffbaus und es war auch das erste wirklich ernsthaft vorangetriebene Schiffbauprogramm für die WMF der postsowjetischen Zeit. Am heutigen Tag ebenfalls anwesend waren der Oberbefehlshaber der WMF, Admiral Massorin; der Generaldirektor der Schiffbauvereinigung Sewmash, Wladimir Pastukhow und der Oberbürgermeister von Moskau, Jurij Lushkow; der Vizeverteidigungsminister für Bewaffnung, General Aleksej Moskowskij und Pawel Nijtshko, Leiter der militärischen Vertretung des Verteidigungsministeriums. Kapitän Ersten Ranges Mitishin trat vor und salutierte vor Sergej Iwanow.
„Herr Vizepremierminister, ich melde Besatzung des APKR Jurij Dolgorukij vollzählig angetreten. Es meldet Kapitan Perwogo Ranga Konstantin Mitishin.“
„Kapitan, Ihnen wird die Ehre zu Teil, dieses neue Unterseeboot in die Wojenno Morskoi Flot einzugliedern. Mir wird die Ehre zu teil, Ihnen hiermit das Schiff zu übergeben.“
Iwanow, Lushkow, Moskowskij und Nijtshko setzten sich an den Tisch auf der Bühne, an der die russische Flagge und die Flagge der WMF wehte. Es sollte der erste U-Kreuzer der vierten Generation sein, welchen die Flotte bekam und der erste neue strategische U-Kreuzer seit 17 Jahren. Am 19. August 1995 war die Jurij Dolgorukij, welche nach dem Gründer der Stadt Moskau benannt war, als erster U-Kreuzer des Projektes 955 in die Bestandsliste der WMF aufgenommen und am 02. November 1996 hier in der Bauhalle der Werft Sewmash auf Kiel gelegt worden. Nachdem die Arbeiten wegen chronischen Geldmangels immer wieder unterbrochen werden mussten, machte Präsident Putin 2002 die Gelder locker und trieb das Programm energisch voran. Schon am 19. März 2004 wurde ein zweites Boot, die Aleksandr Newskij, und am 19. März 2006 ein drittes, die Wladimir Monomakh, auf Kiel gelegt. Jetzt, beinahe 11 Jahre seit dem Tag, an dem die ersten Sektionen verschweißt worden waren, sah die Jurij Dolgorukij erstmals das Tageslicht. Die vier Männer an dem Tisch unterzeichneten das Übergabe-Übernahme-Protokoll – der 23 Milliarden Rubel teure atomgetriebene strategische U-Kreuzer Jurij Dolgorukij war nun Eigentum der Seekriegsflotte. Ob das 955-Programm nun eine optimale Lösung darstellte, stand auf anderen Blättern, doch die WMF bedurfte einer dringenden Modernisierung ihres nuklearen Abschreckungspotenzials.
„Es ist viel angenehmer, dieses Papier zu signieren“ sagte Iwanow gegenüber den Reportern und Journalisten, „als einige internationale Verträge zu unterschreiben.“
Die Kapelle spielte die Nationalhymne und die Besatzung nahm Haltung an. Endlich begann die Zeremonie des Stapellaufes. Kapitän Mitishin nahm eine Champagnerflasche und hoffte, dass sie auch richtig zersprang. Tat sie das nicht, lag ein Fluch auf dem Boot. U-Bootbesatzungen waren abergläubisch. Und jeder hier hatte das Drama von K-141 Kursk nicht vergessen. Aber heute ging alles gut. Mitishin schleuderte die Flasche gegen das Seitenruder seines Bootes. Auch andere Besatzungsmitglieder und Werftarbeiter warfen Flaschen gegen den mächtigen schwarzen Rumpf, bis Generaldirektor Pastukhow verkündete, die Jurij Dolgorukij sei jetzt genug gesegnet. Die auf Schienen laufenden Stützen setzten sich langsam in Bewegung. Der 24 000 Tonnen schwere, 170 Meter lange U-Kreuzer, der 16 nuklear be-stückte Interkontinentalraketen Bulawa-30 tragen sollte, rollte langsam aber sicher in das hinter der Bauhalle in Position gebrachte überdachte Trockendock. Es war Sonntag, der 15. April 2007 – die Russische Föderation meldete sich als Seemacht zurück.

Foxhound Offline



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09.07.2008 18:58
#3 RE: BURAN Antworten

RTV-Meldung vom Montag, 29. März 2010

„Hier ist Natalia Fedotowa mit einer Live-Übertragung von Bord des Flugdeckkreuzers Admiral Kuznetsow im Weißen Meer. Als vor vier Wochen die Demonstrationen der Bevölkerung gegen die Regierung in Moskau auf Sankt Petersburg und andere Großstädte übergriffen, befahl der Präsident persönlich der OMON härteres Durchgreifen. Ursache der Demonstrationen war die Ankündigung, Sozialprogramme zu Gunsten der Ausrüstung der RWSN mit der Rakete Topol-M zurückzustellen. Erschüttert über die Opfer unter den Demonstranten blockierten die EU-Länder sowie die Ukraine sämtliche Öl- und Gas-Lieferungen aus Russland. Der Befehlshaber der Tamanskaja-Garde, General Wiktor Roshkow, prangerte das Durchgreifen der Regierung als Kriegshandlung gegen das russische Volk an und verweigerte den Befehl zur endgültigen Niederschlagung der unbewaffneten und friedlichen Demonstrationen.
Als diese sich nach dem Eingreifen der OMON zu landesweiten bewaffneten Aufständen entwickelten, wechselte Roshkow mit allen ihm unterstellten Streitkräften auf die Seite der Demonstranten. Während er die regierungstreuen Duma-Mitglieder sowie den Präsidenten und seinen Staab als Marionetten der Geheimdienste bezeichnete, rief er die staatlichen Organe dazu auf, sich seiner Revolte anzuschließen.
Nachdem immer mehr Verbände der Streitkräfte auf Roshkow‘s Seite wechselten, wurde am vergangenen Samstag um zwölf Uhr Moskauer Zeit die Duma aufgelöst und das Kriegsrecht verhängt. Angesichts dieser Entwicklung ist der europäische Teil Russlands somit in einen regelrechten Bürgerkrieg geraten. Vor zwei Tagen gelang Roshkow mit der Tamanskaja-Garde und Luftunterstützung durch eine Schlachtfliegereinheit aus Kubinka der Durchbruch auf den Autobahnring um Moskau.
In einem Interview durch Kommersant nahm General Roshkow offiziell Stellung zu seinen Handlungen und bat den Präsidenten, die gewaltsamen Handlungen gegen die Zivilbevölkerung einzustellen und bot im Gegenzug ein persönliches Gespräch an …“



RTV-Meldung vom Samstag, 03. April 2010

„Nachdem gestern sämtliche Verhandlungsversuche mit der in Moskau eingeschlossenen Regierung gescheitert sind, begann die Tamanskaja-Garde einen Vormarsch auf das Stadtzentrum und traf auf geringen Widerstand. Die Tatsache, gegen die eigenen Landslaute zu kämpfen wirkte sich negativ auf der Moral der verbliebenen regierungstreuen truppen aus, und sie ergaben sich schnell. Am Abend umstellten Schützeneinheiten das Kreml-Gelände und verhafteten den Präsident und wichtige Militärangehörige. Wir schalten nun live zu General Wiktor Roshkow auf dem Roten Platz.“

(Bildwechsel)

„Bürgerinnen und Bürger der Russischen Föderation, ihr wurdet betrogen. Betrogen von einer Regierung, die sich durch manipulierte Wahlen und Propaganda an der Macht hielt. Ich darf mit Stolz verkünden, dass diese Zeiten vorbei sind. Die Geheimdienst-Marionetten wurden unter Arrest gestellt und das Innenministerium vorerst jeglicher Kommandogewalt enthoben.. Ich wurde vor wenigen Minuten von einem Notstandskomitee vorübergehend als Staatsoberhaupt vereidigt, mit voller Handlungsfreiheit nach Innen und Außen. Meine erste Amtshandlung war die Anordnung für die Vorbereitung und schnellstmöglicher Durchführung freier, gleicher und geheimer Wahlen … “

Foxhound Offline



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09.07.2008 19:11
#4 RE: BURAN Antworten

Samstag, 12. Oktober 2013, FGUP Swesdotshka, Sewerodwinsk

Während neben den gigantischen Bauhallen die Rümpfe der neuen 50 000-Tonnen-Flugzeugträger Mikhail Sergejewitsch Gorbatshow und Boris Nikolajewitsh Jelzin langsam aber sicher Gestalt annahmen, fand in der kleineren Bauhalle der Werft Swesdotshka die Übernahme eines U-Bootes statt, das soeben die erste eineinhalbjährige Hauptintandsetzung und Modernisierung durchlaufen hatte. K-335 Gepard wurde langsam durch die riesigen Stahltore der Halle gerollt. Sie war der zweite von eigentlich vier Mehrzweck-U-Kreuzern des Projektes 971M, denn die letzten beiden Boote hatten die Bauhalle nie verlassen. Bisher waren sie auch die beiden modernsten Mehrzweck-U-Kreuzer der Nordmeerflotte, denn am ersten Baumuster einer komplett neuen Klasse wurde erst seit einem Jahr in den Bauhallen der ge-genüber liegenden Werft Sewernoje Mashinistroitelnoje Predprijadije, kurz Sewmash, gebaut. Auch K-335 war am 23. September 1991 in den letzten Wochen der Sowjetunion in dieser Bauhalle auf Kiel gelegt worden. 1998 sollte sie in Dienst gestellt werden, allerdings ließ die Finanzierung unter der Jelzin-Regierung dermaßen nach, dass die Arbeiten nur schleppend voran kamen. Dann besuchte jedoch der Sekretär des Sicherheitsrates Wladimir Putin die Werft und setze sich persönlich für den Weiterbau ein. Am 17. September 1999 wurde K-335 endlich aus der Bauhalle gerollt und nach umfangreichen Erprobungen am 05. Dezember 2001 in den Dienst der Nordmeerflotte gestellt. Damit war sie das erste neue Unterseeboot, das im 21. Jahrhundert in Russland in Dienst gestellt wurde. Auch Präsident Putin war bei der Feier zum Hissen der Flagge der WMF anwesend und bezeichnete diesen Tag kurzerhand als bedeutendes nationales Ereignis. In Wirklichkeit brauchte man einen Erfolg nach der Katast-rophe von K-141 Kursk. Dieser Raketen-U-Kreuzer des Projektes 949A war am 12. August 2000 in der Barentssee gesunken, nachdem ein Treibstoffleck in einem Torpedo für die Ex-plosion der gesamten Torpedosektion gesorgt hatte. 118 Mann gingen mit der Kursk unter. Das Wrack wurde schließlich 2001 gehoben und untersucht. In Folge dessen hatte sich Putin eine umfassende Modernisierung der russischen Streitkräfte stark gemacht und als Ansporn die Gepard fertigstellen lassen. Als K-335 endlich in Dienst gestellt wurde, lagen die anderen beiden Schiffe vom Projekt 971M allerdings unfertig in der Bauhalle. Am dritten Boot, K-333 Rijs, wurden die Arbeiten schon 1997 eingestellt und am zweiten Boot, der K-337 Kugar, 1998. Beide Rümpfe wurden unfertig konserviert, nur um die Gepard fertigzustellen, und später für die neuen Raketenträger des Projektes 955 verwendet. Die Werft setzte sogar eigene Gelder für ihre Fertigstellung ein, während die Regierungsgelder nur spärlich flossen. K-335 Gepard wurde auf Pump fertiggestellt.
Allerdings hatte das Konstruktionsbüro Malakhit, welches die 971-Serie von Anfang an weiterentwickelte, sein Versprechen gehalten. 1996 war mit K-157 Wepr der erste U-Kreuzer des Projektes 971M in Dienst gestellt worden. K-157 glich insgesamt dem Projekt 971U, welches die erste Modifikation des Projektes 971 war. Allerdings war K-157 zwei Meter länger mit nochmals verbesserter Geräuschdämpfung sowie überarbeiteten Sonar- und Feuerleitsystemen. K-335 Gepard war das zweite Boot der Klasse, sah jedoch etwas anders aus. Ihr Turm war vergrößert worden, während der Hohlkörper für das Schleppsonar auf dem hinteren oberen Seitenruder kleiner war. Sie wurde zwar unter dem Projekt 971M geführt, war aber ein erneut modifizierter Entwurf mit wiederum verbesserten Gefechtsmöglichkeiten. In der NATO bekam das Projekt 971M die Bezeichnung Akula II.
Die Gepard war 112 Meter lang, 14 Meter breit und 18,60 Meter hoch. Auch Sie hatte den Druckwasserreaktor OK-650B, der über eine Dampfturbine GT3A über eine Welle die Schraube antrieb. Allerdings war die Bewaffnung fast doppelt so stark, wie auf den Booten des Projektes 971. Die Hauptbewaffnung bildeten acht Torpedorohre, wie üblich vier mit ei-nem Kaliber von 533 Millimeter und vier mit 650 Millimeter. Allerdings gab es noch sechs Abschussrohre vom Kaliber 533 Millimeter, die außerhalb des Druckkörpers lagen. Aus diesen konnten entweder Marschflugkörper Raduga RK-55 Granat oder U-Bootabwehrraketen 91RE1 abgefeuert werden. Das Konstruktionsbüro Malakhit beabsichtige einst, bei einem Kampfsatz von 34 Torpedos weitere 12 Marschflugkörper auf dem U-Boot unterzubringen. Nun war jedoch in der Torpedosektion nur Platz für sechs Stück, die aus den normalen 533er Torpedorohren abgefeuert werden konnten. Kurzerhand entschied man sich, weitere sechs Abschussrohre außerhalb des Druckkörpers unterzubringen. Sie konnten zwar nur von außen, also im Hafen, nachgeladen werden, aber die Kapazität von 12 Marschflugkörpern wurde so ohne weitere Probleme erreicht. Meistens führte die Gepard ohnehin nur sechs RK-55 in die-sen Abschussrohren mit und konnte so einen Kampfsatz von 40 Torpedos aufnehmen. Die Seeausdauer der Gepard lag bei 120 Tagen, und die wurden auf den meisten Fahrten voll ausgenutzt. Um der Besatzung diese Zeit so angenehm wie möglich zu machen, gab es eine Sauna, einen großen Ruheraum mit Naturgeräuschen und (echten) Vögeln sowie einen kleiner Swimmingpool.
Die Gepard wurde der 24. DPL der 1. FLPL der Nordmeerflotte in der Saida-Bucht in Gadshijewo zugewiesen, die im Flottenchargon auch Wildtier-Division genannt wurde. 2007 wurde sie das Flaggschiff des Verbandes.
Der gerade erst zum Kapitan Perwogo Ranga beförderte Aleksei Musatenko stand stolz auf der Turmbrücke des Kolosses und beobachtete das Geschehen. Gerade erst eine Woche lang hatte er dieses erste Kommando. Er konnte sich noch genau an das Gespräch mit Admiral Mushketow am letzten Sonntag erinnern. Bis dahin war er nämlich die Nummer eins auf K-117 Brjansk gewesen, einem strategischen 18 200-Tonnen-U-Kreuzer des Projektes 667BDRM, der gerade erst von einer zweimonatigen Patrouille im Arktischen Ozean zurückgekehrt war. Nachdem die Brjansk festgemacht hatte kam Kapitan Smirnow zu Alex geeilt und sagte ihm, er solle sich sofort in Seweromorsk melden. Alex fuhr also zum Hauptquartier der Nordmeerflotte und klopfte an die Bürotür ihres Oberbefehlshabers. Kaum war er drin, drückte Mushketow ihm eine Scheibe Brot mit Kaviar in die Hand, ließ von seiner Sekretärin zwei riesige Tassen mit Früchtetee – wie er sich ausdrückte – bunkern und überbrachte dem von der Begrüßung völlig überraschten Alex eine Nachricht, die ihn fast in Ohnmacht fallen ließ. Alex war nicht mal dazu gekommen, vor dem Admiral zu salutieren und binnen zehn Sekunden hatte er das Kommando über ein eigenes Unterseeboot bekommen.
„Ich habe mir gestern Ihre Akte angesehen“, hatte Mushketow breit grinsend gesagt. „Kapitan Smirnow persönlich hat Sie mir empfohlen. Ihre taktischen Entscheidungen während des letz-ten Herbstmanövers haben nicht nur ihren Kommandanten überzeugt.“
Alex erinnerte sich zurück. Im Herbst 2012 sollte die Brjansk eine Barriere von Überwassereinheiten durchbrechen – unbemerkt natürlich. Als jedoch ihr Weg durch den Raketenkreuzer Marshal Ustinow gekreuzt wurde, hatte Alex dem Kapitän kurzerhand vorgeschlagen, das Schiff mit Übungstorpedos zu versenken.
Ein Raketenkreuzer der von einem strategischen Unterseeboot versenkt wurde – eine noch größere Blamage konnte sich die Besatzung der Marshal Ustinow nicht vorstellen.
„Kapitan Belkow von der Marshal Ustinow ist immer noch sauer auf Sie“, lachte Mushketow, der den Blick auf die Akte von Alex gerichtet hatte.
„Admiral“, sagte Alex immer noch baff, „das war nur ein Manöver. Wer weiß, wie dass im Krieg ausgesehen hätte.“
„Ach was“, hatte der Admiral abgewinkt. „Leute wie Sie verdienen sich ihr Kommando. Sie sind keines von diesen Weicheiern, die ihr Kommando durch Beziehungen bekommen und versagen wenn es brenzlig wird. Melden Sie sich Montag früh auf der Werft Swesdotshka, dass ist ein Befehl. Und jetzt beißen Sie endlich in ihre Schnitte, bevor ich sie Ihnen reinstopfen muss.“
Grinsend dachte Alex an die Worte des Admirals. Er war jetzt 33 Jahre alt und er war froh, es so jung so weit gebracht zu haben. Er war in der Kälte Nordrusslands in Murmansk aufgewachsen und ging 1995 auf die Akademie nach Sankt Petersburg. Dort besuchte er verschiedene Einheiten der Baltischen Flotte und seine Karriere begann schließlich als Matrose auf dem großen U-Bootabwehrschiff Neustrashimij. Die war zum damaligen Zeitpunkt erst vier Jahre alt und eine der Vorzeigeeinheiten der WMF. Ihr Schwesterschiff Jaroslaw Mudrij wurde erst 2009 in Dienst gestellt und ein drittes Schiff der Klasse unfertig verschrottet. Dann wurde Alex nach einem Lehrgang für U-Bootjagd zurück zur Nordmeerflotte versetzt und kam als Sonaroffizier auf einen der gewaltigen strategischen 26 500-Tonnen-U-Kreuzer des Projektes 941UM. Diese mit 20 nuklear bestückten Interkontinentalraketen bewaffneten Monster waren bis heute die größten jemals gebauten Unterseeboote. Bis 2002 diente Alex auf TK-17 Arkhangelsk und wurde dann Waffensystemoffizier auf TK-208 Dmitri Donskoj, welche damals zur Erprobung der Bulawa-Raketen umgerüstet worden war. Er wurde schnell zum Experten für Waffensysteme und Nukleartechnologie und kam 2010 schließlich als erster Offizier auf K-117 Brjansk. Deren Kommandant sah in Alex eher einen Jäger, für den das dauernde Versteckspiel der strategischen U-Kreuzer einfach nichts war. Strategische Raketenträger hatten Gefahren aus dem Weg zu gehen und langsam, still und leise dahin zu treiben.
Kapitan Smirnow überließ Alex gern das Kommando, der junge Offizier war einfach dazu geboren, U-Boote zu kommandieren. Im Nordmeer wurden sie oft von amerikanischen Jagd-U-Booten verfolgt, doch Alex drehte den Spieß einfach um. Er hetzte die Amerikaner gnadenlos, und zwar nicht, wenn die Bedingungen günstig waren, sondern wenn ihm der Sinn danach kam. Daher fiel beim Flottenkommando auch die Entscheidung, ihm einen Mehrzweck-U-Kreuzer der Klasse 971M zu überlassen.
Alex hatte sich dieses Kommando über das Flaggschiff der Wildtier-Division mehr als verdient, denn er tat genau das, was einige Admirale immer noch verfluchten: Er spielte nach westlichen Regeln.
Er blickte nach Steuerbord, und es tat ihm in der Seele weh, die gewaltige TK-208 so zu sehen, wie sie aufgebahrt auf ihr Schicksal wartete. Was würde aus dem U-Kreuzer werden, dem Alex einen Großteil seines Wissens verdankte? Ein gewaltiger nuklearer Schrotthaufen? Ein Unterwasserfrachter? Oder würde es als Mahnmal russischer Ingenieurskunst der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden? Alex schüttelte den Kopf. Kriegsschiffe hatten heutzutage kaum ruhmreiche Schicksale ...
Er schüttelte erneut den Kopf und wandte sich an den neben ihm auf der Brücke stehenden Werftdirektor. Dem war alles andere als wohl bei dem Gedanken, eines der modernsten Unterseeboote der Flotte diesem jungen Spund zu überlassen.
„Nur keine Sorge, ich werd Sie schon nicht zu Schrott fahren“, sagte Alex mit einem gequälten Grinsen. Werftdirektor Arbanow nickte nervös. Alex konnte sich denken, wieso. Arbanow war ein Finanzhai, der den Kapitalismus in den Neunzigern anscheinend mit Löffeln gefressen hatte. Das hier war für ihn nur Zeitverschwendung. Ihm war nur das große Geschäft wichtig. Nach Alex' Meinung hatte er die Flotte bei einigen Aufträgen über den Tisch gezogen und das Volk um Milliarden von Steuergeldern betrogen. Gewiss, Swesdotshka lieferte hervorragende Arbeit ab und die Techniker von Malakhit sorgten dafür, dass die WMF für die 550 Millionen Rubel teure Modernisierung auch ausgezeichnete Qualität bekam, doch dieser Arbanow war dem gesamten Flottenstab ein Dorn im Auge.
„Ach was, Kapitan. Ich sagte schon zu Admiral Mushketow, dass die Gepard bei Ihnen in besten Händen ist.“
Du Arschloch!, dachte Alex. Du prahlst vor dem Admiral, dass du über meine Tauglichkeit befindest. Ich würde dir kein Schlauchboot in der Flaute anvertrauen, geschweige denn diese Werft! Alex rang sich ein weiteres Grinsen ab und drehte sich weg. Werftdirektoren sollten eigentlich etwas von Schiffen verstehen. Aber dem ging es nur um Kohle.
Und das alte System war korrupt?, dachte Alex. Mag ja sein, dass es nicht perfekt war, aber die Flotte bescheißen, sowas hat´s da nicht gegeben ...
Der mächtige Rumpf der Gepard bewegte sich weiter in Richtung Schleuse. Alex konnte es kaum erwarten, den Amerikanern ein paar Streiche zu spielen. Die neuen Sonarsysteme und die überarbeitete Reaktorpumpe würden möglichen Gegnern das Leben schwer machen.


Mittwoch, 11. Dezember 2013, Sewerodwinsk

K-335 Gepard lag an der Pier der Werft Swesdotshka, wo jetzt letzte Feineinstellungen der Waffensysteme vorgenommen wurden. Alex hatte sich seine Mannschaft neu zusammenstel-len dürfen und hatte in allen Bereichen nur die fähigsten Leute ausgewählt. Er war jetzt Herr über 73 Mann, davon 25 Offiziere und 12 Rekruten, die gerade erst von der Akademie ge-kommen, in ihren Bereichen aber die jeweils Klassenbesten waren. Er hatte das beste Unterseeboot, das die Nordmeerflotte aufbieten konnte. Seit auch russische Unterseeboote wieder Patrouillen von bis zu drei Monaten Dauer durchführten, hatte sich der Ausbildungsstandard der Besatzungen enorm verbessert. Jetzt galt es zu beweisen, was die schwimmende Raubkatze nach ihrer Modernisierung zu bieten hatte. Und Alex war entschlossen, dieses Boot wenn nötig durch die Hölle zu schicken – auch wenn diese etwas zu tief lag, denn die Tauchtiefe der Gepard lag bei maximal 600 Meter.
Alex saß auf dem Stuhl in der Zentrale etwa so, wie Captain Kirk auf der Brücke der Enterprise. Etwas erhöht, damit er alles überblicken konnte. Die Zentrale war ebenfalls komplett modernisiert worden. Die alten Röhrenbildschirme waren durch neue LCD-MFD ersetzt worden, Analoginstrumente waren Digitalanzeigen gewichen. Das Angriffsperiskop war kein Sehrohr mehr, sondern am Periskopmast war eine Kamera installiert, die das Bild auf einen ausklappbaren 21-Zoll-LCD-Bildschirm übertrug.
„Wiktor, machen Sie einen Diagnose der Waffenleitsysteme“, wies Alex den Waffensystemoffizier Kapitan Tretego Ranga Petshkin an. „Ich gehe mal nach vorn, um nachzuschauen wie´s läuft.“ Mit diesen Worten erhob er sich aus seinem Stuhl und ging nach vorn in die Sektion eins, die Torpedosektion. Die Torpedoschienen, auf denen die tödlichen Geschosse normalerweise befestigt wurden, waren noch leer. Waffen würden erst in Gadshijewo übernommen werden. Auch die sechs Abschussrohre für RK-55 waren modifiziert worden und konnten jetzt auch Raketen des Komplexes Klub-S einsetzen.
„Wie sieht´s aus?“, fragte der Kommandant den Werftarbeiter, der hinter dem Torpedogestell herumschraubte. „Probleme?“
„Nein, Kapitan. Nur eine leckende Dichtung.“
„Sie wissen, dass ich Wasser in einem U-Boot hasse“, sagte Alex. „Es sei denn, ich dusche oder wasche mir die Hände.“
„Keine Sorge, Kapitan. Diese Dichtung dient der Trinkwasserversorgung. Es tritt kaum etwas aus, aber ich habe den Gummiring gewechselt.“
„Na dann ist gut. Überprüfen Sie bitte alle anderen Dichtungen für Trinkwasser. Nicht das uns auf See alles ausgeht.“
„Jawohl, Kapitan.“
Alex ging nach hinten, durchquerte die Zentrale und lief zum Turbinenraum. Er durchquerte auch die Sektion mit dem Reaktor. Er warf dabei einen kurzen Blick durch das Fenster im Bleimantel und stellte zufrieden fest, dass alles in bester Ordnung war. Dann ging er weiter nach hinten. Chefingenieur Kapitan Jurij Bugajew saß zufrieden an seinem Schaltpult und hörte durch seine Kopfhörer hämmernden Rock.
Dem geht's gut, dachte Alex und schlich sich heran. Dann tippte er dem Kapitan auf die Schulter. Bugajew sprang vor Schreck auf und knallte mit dem Kopf gegen das Dampfrohr über ihm.
„AU! Verdammt, welcher Vollidiot ... “ Er brach den Satz ab, als er den Kommandanten grin-sen sah und nahm die Kopfhörer ab, aus denen John Parr's St. Elmos Fire plärrte.
I can climb the highest mountain, cross the wildest sea, I can feel St. Elmo's Fire burnin' in me ...
„Der Vollidiot bin ich, Jurij“, lachte Alex und begutachtete die Anzeigen. „Alles in Ordnung hier?“
„Ja, Kapitan“, sagte Bugajew, während er sich den Kopf rieb. „Ich war gerade ... “, versuchte er sich zu rechtfertigen.
„ ... beschäftigt“, beendete Alex den Satz. „Ist schon in Ordnung, Jurij. Ein bisschen Unterhaltung muss sein und außerdem sind wir nicht im Einsatz. Also kein Problem.“
„Danke, Kapitan.“
„Wie geht´s dem Antrieb?“, fragte Alex und deutete mit dem Kopf auf die Anzeigen.
„Allmählich können wir die Turbine auf Touren bekommen, aber der Hilfsdiesel macht mir Sorgen“, sagte Bugajew.
„Läuft der immer noch nicht rund?“
„Nein. Wir schrauben seit vorgestern an dem Ding. Vorhin sprang er zwar an, ist aber wieder abgesoffen.“
„Ich ruf nochmal dieses Arschloch Arbanow an“, murmelte Alex, dem es vor dem Anruf graute. „Es kann nicht angehen, dass wir ohne Hilfsantrieb rumschwimmen, sollte es Probleme mit der Hauptanlage geben.“
„Dann sagen Sie ihm einen schönen Gruß von mir“, grummelte Bugajew. „Wenn er mir vor's Auto läuft, kann es passieren, dass ich die Bremse nicht finde ... “
Kichernd nahm Alex das Mikrofon.
„Kommandant an Zentrale, holen Sie Arbanow her. Sagen Sie ihm, es ist wichtig.“
„Zu Befehl, Kapitan“, kam es aus dem Lautsprecher.
„Warum, mussten die ausgerechnet den zum Direktor dieser Werft ernennen“, jammerte Bugajew und langte sich mit der Hand an den Kopf. „Der Typ kann einen Reaktor nicht von einem Heißluftofen unterscheiden, aber wir lassen in seiner Werft unsere U-Boote überholen.“
„Ich weiß, was Sie meinen, Jurij“, sagte Alex und verdrehte die Augen. „Der hat sich diese Stellung auch bloß erkauft. Arbanow war übrigens war selbst bei der WMF.“
Bugajew's Augen weiteten sich fast auf den Durchmesser der Torpedoluken.
„Sie machen Scherze, Kapitan.“
„Oh nein, was Arbanow angeht mache ich keine Scherze mehr“, fuhr Alex fort. „Er war Koch auf B-534 Nishnij Nowgorod, bis er wegen seiner Inkompetenz rausgeschmissen wurde. Aber er hatte eben genug auf der Kante, um sich aus allem rauszukaufen.“
„Auf was bezog sich seine Inkompetenz?“, fragte Bugajew interessiert.
„Erinnern Sie sich an den Beinahe-Reaktorunfall auf der Nizhnij Nowgorod?“
„Ja, ich glaube nicht, dass ich das jemals vergessen werde.“
„Arbanow hatte verkrustete Töpfe und ein wahnwitziger Ingenieur riet ihm, sie unter heißem Dampf zu reinigen. Und dieser Idiot marschierte doch tatsächlich zum Dampferzeuger und wollte ein Inspektionsventil aufdrehen.“
„Na klasse!“ Bugajew schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Er hat den ganzen Tag Schnittchen geschmiert und hat keine Ahnung von U-Booten.“
„Jedenfalls kam im selben Moment, als Arbanow das Ventil aufdrehen und die Töpfe darunter halten wollte, der Reaktoroffizier vorbei und warf sich auf ihn.“
„Glück gehabt.“
„Allerdings.“ Auf Alex Stirn bildeten sich langsam aber sicher Gewitterwolken.
„Und wie hat Arbanow sich rausgeschwindelt?“, fragte Bugajew neugierig.
„Er war ganz einfach der verwöhnte Sohn eines Ölmilliardärs“, erzählte Alex weiter. „Er hatte alles. Einen VW Touareg, eine Freundin, die zwar hübsch aber strohdoof war – mit der er jetzt übrigens verheiratet ist, ein Neubauhaus in Seweromorsk, einfach alles. Ich will gar nicht wissen, mit wie viel Schadenersatz er die Flotte geschmiert hat. Angeblich hat er die zur gleichen Zeit stattfindende Instandsetzung von B-336 Pskow zu einem Fünftel mitbezahlt. Da sehen sie mal, wie viel Geld der Mistkerl hat. Obwohl ihn die Admiralität am liebsten an die Wand gestellt hätte, hat man das Geld genommen, allein schon, weil die Instandsetzungen an den 945er Booten wegen dem Titanrumpf so teuer sind und die Kohle knapp war.“
„Und wie hat er es zum Direktor der Werft gebracht?“, fragte Bugajew und blickte finster in Richtung der Reaktoranzeigen.
„Sie meinen wohl, wie er sich diesen Job gekauft hat?“
„Genau.“
„Ganz einfach. Da er an die Flotte Unmengen Schadenersatz bezahlt hat, dachte man, ihn weiter ausnutzen zu können, was auf Dauer für ihn die schlimmere Strafe gewesen wäre. Man dachte, für diesen Beinahe-GAU auf B-534 könnte man Schiffe in der Werft zu Sonderpreisen reparieren lassen, und eine Zeit lang funktionierte das auch.“
„Aber dann hat Arbanow den Spieß umgedreht?“
„Bingo“, gab Alex dem Chefingenieur Recht. „Nachdem Roshkow den Kreml übernommen hatte und der Wert des Rubel anstieg, sank natürlich die Inflation. Dabei kam einiges durcheinander. Hätte die Instandsetzung von K-328 Leopard vor Roshkow fünfzehn Milliarden Rubel gekostet, kostete sie nur noch sechshundert Millionen. Und das hat sich Arbanow zunutze gemacht. Er hat die Preise erhöht und das mit der besseren Bezahlung und Moral der Arbeiter begründet.“
„Seit die mehr Geld bekommen, liefern sie aber weitaus bessere Arbeit ab“, warf Bugajew ein.
„Das stimmt schon, aber das ist kein Grund, die Preise weiter zu erhöhen und die Landesverteidigung über den Tisch zu ziehen. Die Werft hat Milliarden verdient, aber das Geld wanderte in nicht kleinen Summen in Arbanow's Taschen.“
„Dürfen Sie mir das überhaupt erzählen?“
„Eigentlich nicht, aber Sie sollten wissen, wer Arbanow wirklich ist."
„Zentrale an Kapitan Musatenko“, knarzte es aus dem Lautsprecher. „Arbanow erwartet Sie in seinem Büro.“
„Danke, bin gleich drüben“, gab Alex knapp zurück und fügte an Bugajew gewandt hinzu: „Drehen Sie die Musik ruhig wieder auf. Solange der Diesel nicht richtig läuft, verlasse ich den verdammten Hafen nicht.“
Damit rauschte Alex zur hinteren Ausstiegsluke und kletterte aufs Achterdeck. Dann ging er über die Gangway auf die Pier und stürmte in Richtung Verwaltungsgebäude.
Zwei Minuten später klopfte – hämmerte traf es wohl besser – er an die Bürotür von Arbanow.
„Kommen Sie rein, Kapitan.“ Alex atmete tief durch, um dem arroganten Werftdirektor nicht gleich unter den Schreibtisch zu brüllen. „Danke, dass Sie mich so kurzfristig nochmal empfangen, Herr Direktor.“
„Keine Ursache, Kapitan. Setzen Sie sich.“
Alex ließ sich in einem Sessel vor Arbanow's Schreibtisch nieder.
„Der Hilfsdiesel mach Zicken“, begann Alex, bevor Arbanow die Frage stellen konnte, wieso Alex hier war. „Erst sprang er nicht an, dann doch, aber er ging gleich wieder aus.“
„Unmöglich“, sagte Arbanow. „Die Gepard hat eine Grundinstandsetzung hinter sich. Sie haben ein praktisch neues Unterseeboot bekommen.“
„Dessen bin ich mir bewusst, Herr Direktor. Aber schicken Sie bitte ein paar Techniker runter, die sich das mal ansehen.“ Alex bemühte sich um einen möglichst netten Tonfall, schaffte es aber nicht einen säuerlichen Unterton zu unterdrücken. Außerdem war dieser Unterton nur ein Bruchteil dessen, was er wirklich dachte.
Wirft dieser dämliche Ignorant mir etwa vor, ich hätte keine Ahnung?

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