Die Zeichen der aktuellen deutschen Politik wirken bedrohlich. Da gibt es neue Kriegerorden, plötzlich gedenkt man toten Soldaten mit allem staatlichen Pomp, die Bundeswehr wird von der Verteidigungsarmee zur Angriffsarmee umgebaut und längst beteiligt sich Deutschland an verbrecherischen Kriegen in aller Welt. Diesen Kriegern und Militaristen muss das Handwerk gelegt werden, bevor sie uns einmal mehr an den Abgrund führen.
Wolfgang Wippermann hat ein Essay im "Freitag" geschrieben, das ich hier sehr gern vorstelle:
ZitatWolfgang Wippermann Bewahrt uns vor Helden und Heldentaten!
SOLDATENTOD*Sieben Thesen gegen den neuen Helden- und Opferkult
"Der Himmel erhalte dich, wackeres Volk, Er segne deine Saaten, Bewahre dich vor Krieg und Ruhm, Vor Helden und Heldentaten" Heinrich Heine "Deutschland - Ein Wintermärchen", Caput X
Deutschland führt wieder Kriege. Natürlich keine Angriffskriege im Alleingang, sondern Kriege innerhalb und im Auftrag von internationalen Bündnissen von der NATO bis zur UNO. Alle diese Kriege vom Kosovo bis Afghanistan sind vom obersten Souverän - dem Parlament - gebilligt worden. Allerdings werden sie nicht als das genannt, was sie sind: unzweifelhaft Kriege. Über die politische Legitimität und den politischen Nutzen für Deutschland und die betroffenen Länder kann man streiten. Das soll hier nicht geschehen.
Nicht unbedingt wichtiger, wohl aber interessanter und gefährlicher ist etwas anderes: die öffentliche und von politischer Seite aus geführte Diskussion, wie man in diesen Kriegen zu Tode gekommene (ich vermeide das schreckliche Wort "gefallene") deutsche Soldaten ehren und auszeichnen soll. Da ist von neuen Orden, Ehrenzeichen und selbst Ehrenmalen die Rede. In diesen neuen Opferdiskurs eingestreut sind die alten Begriffe "Helden" und "Heldentaten". Beispiele sind zahlreich und werden mehr. Das letzte und problematische ist der diesjährige "Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten", der von der Körber-Stiftung veranstaltet wird. Sein Thema: Helden: verehrt - verkannt - vergessen. Die zum Mitmachen aufgeforderten Schüler sollen nach den Worten von Horst Köhler lernen, dass "Helden Symbolfiguren sind, die durch ihre Haltung und ihr Tun Orientierung vermitteln können".
Durch diese großen Worte angesprochen fühlte sich offensichtlich auch der Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge, der kürzlich in der Berliner Jerusalemkirche eine Tagung zum Thema veranstaltete unter der harmlos, fast lustig klingenden Überschrift Darf der Rote Baron wieder ein Held sein? und unter dem Signum des Volksbundes, den während des Ersten Weltkrieges im Osten geschaffenen so genannten Hochkreuzen.
Ich habe an dieser Veranstaltung teilgenommen und ein "Impulsreferat" gehalten, das auf scharfe Kritik und eisige Ablehnung stieß. Das hat mich sehr überrascht und verblüfft, empfand ich doch meine Thesen keineswegs als so neu und radikal, wie sie von den Teilnehmern der Volksbund-Veranstaltung wahrgenommen wurden.
1. Bewahrt uns vor Helden und Heldentaten,
denn diese waren mit "Krieg und Ruhm" verbunden. Die meisten der von Deutschen geführten Kriege waren alles andere als ruhmvoll, handelte es sich doch um Angriffskriege. Der Zweite Weltkrieg war zudem ein schon fast beispielloser Raub- und Rassenkrieg, in dem die Wehrmacht keine "Heldentaten", sondern Verbrechen begangen hat. Natürlich nicht von allen ihren Angehörigen. Aber ebenso natürlich ist, dass es in diesem verbrecherischen Krieg keine Helden gab und geben konnte. Ihre Ehrung käme einer Leugnung der Kriegsschuld gleich.
Kein Einwand ist der Hinweis auf die Widerstandskämpfer in der Wehrmacht. Denn sie sind als Widerstandskämpfer zu bezeichnen und zu ehren. Damit wird aber nicht die gesamte Wehrmacht entschuldet. Tatsächlich ist sie seit einiger Zeit auch von der Bundeswehr nicht mehr als traditionswürdig anerkannt worden.
Nun kann man einwenden, dass es neben diesen kriegerischen auch zivile "Helden" gegeben hat. Doch "Alltagshelden" sind in dem Helden-Opfer-Diskurs nicht gemeint. Außerdem hat man in der Geschichte fast ausschließlich militärische Helden gefeiert. Nichtkriegerische "Helden" waren und sind "Derivat-Helden" wie die "Helden der Arbeit" aus der realsozialistischen Zeit. Nicht zu vergessen sind aber auch die "Helden von Bern", womit die Fußballspieler gemeint sind, was auf eine ironische Verwendung hindeutet. Auf die weitere "Helden"-Inflation können wir gespannt sein. An der kriegerischen Belastung des Begriffes wird das aber nichts ändern.
2. Bewahrt uns vor Helden und Heldentaten,
denn die sind nicht einfach da, sie werden gemacht. Von Heerführern, Staatsmännern, Politikern, Publizisten und Historikern aus zum Teil eigennützigen Motiven, subjektiven Zielen und in selektiver Auswahl.
Hier kann man einwenden, dass dies nicht immer und auf alle zutrifft. So etwa auf die Menschen, die verfolgten Juden geholfen haben. In Israel sind sie als "Gerechte unter den Völkern" bezeichnet und derart in der Gedenkstätte Yad Vashem geehrt worden. Letzteres aber nicht durch die Verleihung von Orden oder gar Kreuzen, sondern durch das Pflanzen eines Baumes, der Leben symbolisiert und symbolisieren soll.
In Deutschland gibt es nichts Vergleichbares. Die von Israel als "Gerechte unter den Völkern" bezeichneten und geehrten Menschen sind hier kaum geehrt und etwas unbeholfen als "unbesungene Helden" bezeichnet worden. Dabei kann es bleiben. Mich würde es erschrecken, wenn etwa die Frauen (und Männer) der Rosenstraße, die im März 1943 erfolgreich für die Freilassung ihrer jüdischen Angehörigen protestiert haben, als Helden oder Heldinnen bezeichnet und damit auf eine Stufe mit "Helden" des Ersten oder gar des Zweiten Weltkrieges gestellt würden, die nicht Leben gerettet, sondern genommen haben.
3. Bewahrt uns vor Helden und Heldentaten,
weil sie nicht nur erfunden, sondern zugleich instrumentalisiert worden sind. Zur Legitimation einer Staatsführung und Staatsform, einer Nation und "Rasse" sowie einer Klasse und Religion. Held - warum und wofür, ist immer zu fragen.
In unserer Geschichte ging es "für Gott, König und Vaterland" sowie "für Führer, Volk und Vaterland". Allgemein diente der Heldenkult dazu, die Überlegenheit einer "Rasse", den Sieg einer Klasse und die Überlegenheit einer Religion zu feiern, deren Anhänger sich anmaßten "Heilige Kriege" zu führen, ob sie nun Kreuzzüge oder Jihad hießen Wollen wir das wieder oder immer noch?
4. Bewahrt uns vor Helden und Heldentaten,
weil die Verherrlichung von Helden und Heldentaten unchristlich ist. Jesus war und wollte kein Held sein, und das Christentum sollte als Religion des Friedens gelten, die keine Helden kennt und braucht. Tatsächlich stammen schon die Begriffe "Helden" und "Heldentum" aus der vorchristlichen Zeit. Neben den griechischen wurden in Deutschland vor allem die germanischen Helden verehrt. So etwa im Nibelungenlied, aus dem der Stoff für Wagners Helden kam, an denen sich Hitler so berauschte. Daher scheint es auch nicht zufällig zu sein, dass sich die deutsche Verehrung von Helden und Heldentaten an den germanischen oder als germanisch angesehenen heidnischen Bräuchen und Symbolen orientierte. Hier ist nicht nur an die SS Heinrich Himmlers zu erinnern. Das begann alles schon im 19. Jahrhundert.
5. Bewahrt uns vor Helden und Heldentaten,
weil auch die christlichen oder besser pseudochristlichen Formen und Rituale der Helden- und Opferverehrung einen blasphemischen Charakter haben. Hier ist einmal das in den so genannte Befreiungskriegen gestiftete Eiserne Kreuz zu erwähnen. Es orientierte sich an dem Schwarzen Kreuz des mittelalterlichen Deutschen Ordens, der wie die übrigen Ritterorden Heiden "mit Feuer und Schwert" zum Christentum bekehren wollte. Dieses vielleicht unchristliche und auf jeden Fall unfriedliche Ziel wurde mit der Verwendung des Symbols einer an sich friedlichen Religion begründet. Es ist wahrlich schon ein Kreuz mit diesen Schwarzen und Eisernen Kreuzen.
Das Eiserne Kreuz wurde in allen deutschen Kriegen bis hin zu dem Hitlers an "Helden" beziehungsweise an Offiziere und Soldaten verliehen, die sich "für Volk und Vaterland" verdient gemacht hatten. Gleichzeitig wurde das Eiserne Kreuz zum Symbol der Trauer von "Volk und Vaterland" über diejenigen deutschen Soldaten, die sich für eben dieses "Volk und Vaterland" geopfert hatten. Im Englischen heißen sie sacrifices; im Deutschen dagegen Opfer.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden jedoch auch die Opfer geehrt, die im Englischen als victims bezeichnet werden. Konkret die von Deutschen ermordeten Juden. Das geschieht unter anderem am Volkstrauertag, der im Dritten Reich "Heldengedenktag" hieß. Schon weil man im Deutschen nicht zwischen victims und sacrifices unterscheiden kann, sind mit den "Opfern" aber zunächst und vor allem die deutschen gemeint. Von denen gibt es immer mehr. Zu den "Opfern" des Krieges im Allgemeinen, des Bombenkrieges im Besonderen kommen die "Opfer" von Flucht und Vertreibung und jetzt auch noch der DDR. So viel "Opfer" war nie. Und alle werden mit Kreuzen und anderen christlichen Symbolen geehrt.
Ein ebenso gutes wie abstoßendes Beispiel für die Vermischung von Heldentum und Opferkult unter Verwendung von christlichen beziehungsweise pseudochristlichen und nationalistischen Symbolen bietet unser Nationaldenkmal. Gemeint ist die Neue Wache. Gewidmet ist dieses Nationaldenkmal, das kaum jemand brauchte und fast niemand haben wollte, den "Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft".
Zu den "Opfern" werden dabei sowohl die deutschen sacrifices (von denen einige sehr wohl zu den Tätern und Mördern zu rechnen sind) wie die jüdischen victims gezählt. Und unter Gewaltherrschaft versteht man sowohl die der Faschisten wie die der Realsozialisten in der, wie es kaum noch widersprochen heißt, "zweiten deutschen Diktatur". Alles geschieht unter missbräuchlicher Verwendung von christlichen Symbolen wie der Pietà und wiederum des Kreuzes. Und kaum jemand protestiert. Wir scheinen uns daran gewöhnt zu haben. Warum?
Weil diese un-, ja eigentlich antichristliche Verbindung von Heldentum und Opferkult schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts von protestantischen und dann auch von katholischen Theologen geschaffen und abgesegnet worden ist, die damit die enge Verbindung nicht mehr nur von Thron und Altar, sondern auch von Altar und Nation unter Beweis stellen wollten. Angegriffen und kritisiert worden ist diese "Bindestrich-Theologie" erst von Karl Barth, dessen Ansicht sich aber bis heute nicht durchsetzen konnte. In vielen unserer Kirchen hängen immer noch christliche und Eiserne Kreuze Seite an Seite.
6. Bewahrt uns vor Helden und Heldentaten,
weil es bessere Begriffe und Tugenden gibt: Altruismus, Humanität, Liebe - auch "deine Feinde" - und meinetwegen auch Pflichterfüllung, Mut, vor allem im zivilen Bereich, also Zivilcourage, und vielleicht auch Tapferkeit. Diese Eigenschaften und Tugenden werden von vielen Staatsbürgern unter Beweis gestellt. Auch von den "Staatsbürgern in Uniform" und auch von denen, die sich im "Auslandseinsatz" befinden. Man könnte sie dafür auch ehren - wenn sie es denn wollen. Doch das will kaum jemand. Und ich kenne keinen, der "Held" oder gar "Opfer" sein möchte und deshalb geehrt werden will. Tatsächlich geht der Helden-und-Opfer-Diskurs an den wahren Bedürfnissen der Bundeswehr vorbei.
7. Bewahrt uns vor Helden und Heldentaten,
weil wir genug damit zu haben, unsere zivile Existenz zu sichern, in Frieden zu leben und unseres, wenn vorhanden, beruflichen Erfolges und privaten Glückes zu erfreuen.