Häuserschluchten nach Mitternacht. Ich beobachte aus der Distanz. Von der Straßenseite gegenüber. Die Dunkelheit schützt mich. Lässt mich in Ruhe beobachten. Die Bedrohung. Gegen sie gerichtet, die zu mir herüber schaut. Auf eine Reaktion wartend. Die ausbleibt. Ihr Blick wird flehend. Unruhe erfasst mich. Will heraus. Aus meiner Haut. Die so straff gespannt ist, dass sie mir die Luft abschnürt. Weiterhin Rehaugenblick. So unschuldig. Hilflos. Ich fühle ihre Einsamkeit. Höre ihren stummen Schrei nach Hilfe. Machtlosigkeit. Es sind zwei. Ganz in schwarz gekleidet. Mit schweren Stiefeln. Vermummte Gesichter. Einer der beiden hält sie fest. An den Haaren. Der andere macht seinen Gürtel auf. Ich befürchte das Schlimmste. Meine Hand fährt wie von selbst in die Jackentasche. Griff ins Leere. Vor dem geistigen Auge sehe ich mein Telefon auf dem Nachttisch liegen. Zum Zuschauen verdammt. Tränen kullern. Banges Warten. Endlich ein Schrei. Sie lassen von ihr ab, suchen nach dem Verursacher. Drehe mich um und renne weg. Meine Muskeln brennen. Ein dumpfer Schlag. Dann nichts mehr.
(c) Felios
"Der beste Kenner einer Gesellschaft ist der Fremde, der bleibt." (Georg Simmel)
Hallo Felios, gruselig... deine Geschichte erzeugt Bilder in meinem Kopf, die ich nur so benennen kann. Finde ich gut. Ein sehr komprimierter Text. Viele Grüße vom Schreiberling
Hallo Felios. Wie Jürgen schon bemerkt hat - beklemmend und zum Grübeln anregend. Überaus kompakt ... ZU KOMPAKT!!!
Irgendwann mal hat man mir beigebracht, dass Sprache nicht nur aus Worten, Ausrufen und kurzen Statements besteht, sondern dass es auch Sätze gibt ... lange, in sich verschachtelte oder auch klare, kurze Sätze. Deshalb meine Frage: Da viele das moderne Gedicht als einen Spielplatz für Sprachenbaustellen und linguistischen Destrux ansehen, warum dann diesen Text nicht in die einzelnen Interpunktionsabschnitte zerhacken und als Gedicht präsentieren? Dem Inhalt und der "Botschaft" würde das nichts nehmen. (Und mein Gewissen wäre beruhigt!) Alex HE OO
"FEUERAUGEN" (3 Bände: 1-Das Dorf, 2-Drei Städte, 3-Das Schloss) Mein Roman im Buchhandel
tut mir leid, ehe ich gemerkt habe, was dieser text mit mir macht, hatte ich ihn schon gelesen. leider sind dadurch sehr viele schlechte erinnerungen aufgekommen. das ist eine persönliche geschichte. man sollte also doch nicht so unbedarft jeden text lesen, der sich gerade anbietet...das habe ich jetzt mal wieder gelernt.
@Alex - gute Idee mit der lyrischen Form. In einer neueren Version versuche ich gerade dies umzusetzen.
@Rainstar - tut mir leid, wenn Du von dem Text "getriggert" worden bist. Beim nächsten Mal werde ich den Beitrag besser kennzeichnen. Warum ich das geschrieben habe? Weil mich die eigene Machtlosigkeit manchmal ankotzt, dass man als Einzelner nicht viele Möglichkeiten hat, will man nicht selbst Opfer werden, am besten die Polizei informieren, gegen mehrere sich zur Wehr zu setzen ist jedoch schwierig.
Gruß, Felios
"Der beste Kenner einer Gesellschaft ist der Fremde, der bleibt." (Georg Simmel)
Hallo Felios. Leider ist mit der fOOl zuvor gekommen, aber ich hab nur wenig Zeit. Ist wirklich sehr lyrisch, Dein Text ... und erschreckend obendrein. Vielleicht tust Du Miss Rainstar einen Gefallen und benennst das Werk mit einem plakativen Titel. (Ich fänd's schade!) Bin gespannt, ob Deine Idee als "Gedicht" hier zu lesen sein wird. Gruß Frizzz
hm, also ich wär schon dafür das solche texte mit einer triggerwarnung gekennzeichnet werden. nimms mir nicht übel ja? es war wirklich sehr heftig.
ansonsten ist der text natürlich gut umgesetzt, sonst hätte ich ja nicht so reagiert. und die hilflosigkeit kenne ich gut, die du da beschreibst. aber mittlerweile ist sogar die polizei soweit, dass sie sagt...man solle nicht eingreifen, sondern hilfe holen, da man sich sonst selbst in gefahr begibt.
Hallo Felios, wer in eine ähnliche Skituation, wie die im Text gerät, der sollte sich bewusst sein, dass diese Hilflosigkeit bei fast allen Menschen vorhanden ist. Umd die zu verjagen muss man andere (soweit vorhanden) direkt ansprechen und zur Mithilfe auffordern. Auf die Polizei zu warten kann in vielen Fällen zu lange dauern. Ich finde, du hast mit Deinem Text sehr zum Nachdenken angeregt. Gut so, auch wenn es natürlich für einige Deiner LerserInnen böse Erinnerungen wach ruft. Liebe Miss, tut mir sehr leid, wenn du so schlimme Dinge erleben musstest. Ich hoffe, du hast es einigermaßen "verarbeitet"? Ich kenne mehrere Gewaltopfer und weiß wie schwierig es ist, im "normalen Leben wieder Tritt zu fassen. Solche texte wie oben sind wichtig, um die Menschen wach zu rütteln. Denn irgendwo wird immer jemandem Gewalt angetan. Und da gibt es in meinen Augen nur eines, aufklären, und dafür sorgen, dass die Menschen helfen und nicht weg schauen, und wenn es der Anruf bei der Polizei ist. Viele Grüße Schreiberling
Ich beobachte aus der Distanz. Von der Straßenseite gegenüber. Die Dunkelheit schützt mich. Lässt mein Entsetzen über die Bedrohung unentdeckt. Die gegen die Frau gerichtet ist. Die zu mir herüberschaut, auf eine Reaktion wartet. Die ausbleibt.
Panik tritt in ihre Augen. Flehender Blick. Unruhe erfasst mich. Ich will heraus, aus meiner Haut. Sie ist noch jung. So unschuldig und hilflos. Fühle ihre Einsamkeit. Höre ihre stummen Schreie. Bin ich machtlos?
Zwei sind es. Ganz in schwarz gekleidet. Mit schweren Stiefeln und vermummten Gesichtern. Einer der beiden hält sie an den Haaren fest. Während der andere seinen Gürtel öffnet. Ich befürchte das Schlimmste. Meine Hand fährt wie von selbst in die Hosentasche. Ein Griff ins Leere. Das Mobiltelefon liegt auf dem Schreibtisch. Ich bin zum Zuschauen verdammt!
Tränen rinnen ihre Wangen hinab. Leises Schluchzen. Banges Warten auf das Ende der Qual. Endlich: ein Schrei! Sie lassen von ihr ab. Die Suche nach dem Störer beginnt. Ich drehe mich um und renne weg. Meine Muskeln brennen. Schwerer Atem. Ein dumpfer Schlag. Schmerzen.
Dann nichts mehr.
(c) Felios
"Der beste Kenner einer Gesellschaft ist der Fremde, der bleibt." (Georg Simmel)
Hi, also ich finde die erste Variante besser. Der Leser fragt sich: was würde ich machen. Zumindest ging es mir so. Da ich schon einmal in einer Situation gekommen bin wo ich Hilfe braucht und sie nicht bekommen habe, kann ich nur für mich reden. Nächst besten Gegenstand nehmen und rauf da. Natürlich ist das leichter gesagt als getan. Aber man sollte versuchen seinen inneren Schweinehund zu bezwingen und in das geschehen eingreifen. In einigen fällen reicht es schon hin zugehen und nach zu fragen. Meist lassen die täten dann von einem ab. Ich finde deinen Text gelungen. Er regt zum denken an.
ich glaube, mit Nachfragen wäre man in der beschriebenen Situation nicht weitgekommen. Und wenn man in der Unterzahl ist, dann zieht man immer den Kürzeren, außer man hat zufällig eine Waffe dabei, Tränengas oder hat eine Kampfsportausbildung. Nichts zu tun halte ich auch für falsch, in einem solchen Fall kann ein Handy tatsächlich lebensrettend sein oder zumindest aus einer kritischen Situation helfen. Man könnte auch versuchen, die Nachbarn wachzuklingeln, um Verbündete zu suchen bzw. dass diese die Polizei rufen, wenn man selbst nicht dazu in der Lage ist.
Die Jugendbanden, die hier teilweise durch die Städte ziehen und Jüngere, Schwächere, Einzelne ausrauben/zusammenschlagen, sind allerdings noch in viel größerer Anzahl vertreten, meist zu fünft oder siebt, manchmal sogar noch mehr. Da ist man als einzelner Passant so gut wie machtlos.
PS: Ich habe den Text in lyrische Prosa umgewandelt, weil ich alles in kürzere Sätze gefasst habe, fast überwiegend Hauptsätze, kaum Nebensätze. Und der letzte Satz eines jeden Absatzes/Verses beinhaltet eine wichtige Aussage Das kommt in der lyrischen Form besser zur Geltung als ohne Absätze. Und nur Absätze würden aus dem Text weder ein Prosastück noch einen lyrischen Text machen, sondern einen undefinierbaren Mischmasch.
Gruß,Felios
"Der beste Kenner einer Gesellschaft ist der Fremde, der bleibt." (Georg Simmel)