Ich habe schon lange gerne geschrieben, jedoch ist es das erste Mal, wo ein Text an "die Öffentlichkeit" geht. Also bitte nicht hauen
In hoher Gesellschaft
Ich betrete das Foyer. Die Tür knarzt. Die Meute wendet sich mir zu. Sie sieht meine unkonventionelle Kleidung. Ich gehöre nicht hier her. Gespräche sind im Gange. Über das Programm. Klischees und Vorurteile werden Ausgetauscht. Unbegründetes Halbwissen. Ich blicke mich um. Links eine Gruppe Flamingos. Sie picken im Martini nach der Olive. Rechts Pinguine. Watscheln brav Richtung Saaleingang. Krähen ziehen schreiend durch den Raum. Dem Anführer hinterher. In V-Formation. Der Dirigent. Ich gehe zu ihm. Er erkennt mich. Schüttelt mir die Hand. Stellt mich der Traube nicht vor. Schämt sich. FLUCHT! Ich schwänze den Sektempfang. Das ist nicht meine Welt. Ich irre durch die Straßen. Finde um die Ecke einen Gitarristen, der sein Instrument mit einer Stimmgabel stimmt. Ich grüße ihn freundlich, den fremden Freund. Ob ich mitmachen dürfe. Ja. Unser Programm beginnt. Dylan. Lennon. Cohen. Nach eine dreiviertel Stunde gebe ich ihm meine Handynummer und durchwate unser Publikum. Hier gehöre ich hin. Das ist meine Welt. Ich betrete die Garderobe durch den Seiteneingang. Ich ziehe mich um. Hugo Boss. Wohin das Auge blickt. Ich kotze. Ziehe mich an. Die Meute klatscht. Der Konzertführer betritt den Saal. Begrüßt Meute und Orchester. Ließt das Programm vor. Kündigt den ersten Punkt an. Beethovens Vierte. Erweitert die Vorurteile und Klischees der Meute. Kündigt den ersten Punkt an. Beethovens Vierte. Die Meute ruft den Dirigenten. Er betritt den Saal. Kündigt den ersten Punkt an. Beethovens Vierte. Der Konzertführer begrüßt den Dirigenten. Kündigt den ersten Punkt an. Beethovens Vierte. Applaus. Das Konzert beginnt. Zwischen den Sätzen Klatschen. Man hört nie die letzten Töne. Der Konzertführer betritt den Saal. Applaus. Ich stöhne durch die offene Tür. Meine Stimme hallt unter der goldenen Decke. Erstickt den Applaus. In absoluter Stille betrete ich den Saal. Man hört nur meine Absätze. Ich stelle mich an mein Pult. Verbeuge mich. Das Stück beginnt. Die Meute klotzt mich an. Manche erkennen mich. Gaffen mich an. Die Decke stürzt ein. Der Balkon zerschmettert mich. Die Orgel spießt den Dirigenten auf. Sein Stab mein Auge. Mein Einsatz. Ich beginne ohne den Text zu wissen. Meine Stimme füllt den Saal. Ich singe mechanisch. Mein Blick gleitet den Mittelgang entlang zur Tür. Durch das Schlüsselloch. Das Foyer. Es ist drei Stockwerke hoch. Darüber der kleine Raum und der Kleine Saal. Die Künstler werden hier gefeiert. Das Stück ist zu Ende. Applaus. Verbeugungen. Lache die Meute aus. Die Meute ströhmt in den Raum. Ich betrete ihn unauffällig. Komplimente. Tolle Stimme. Schöne Interpretation. Der Dirigent. Er lässt sich und mich feiern. Ich lasse ihn sich feiern. FLUCHT! Ich stürze aus dem Raum. Fliege die Treppen hinunter. Af die Straße. Mein Handy klingelt. Es ist der Gitarrist. Ich soll bitte zur Fußgängerzone kommen. Ich entdecke ihn schnell. Er erkennt mich nur schwer. Ich ziehe meinen Smoking aus und hänge ihn ihm über. Es geht los. Lennon, Dylan, Cohen und andere sind der Anfang. Mein Herz sitzt in meinem Hals. Es klopft. Es möchte raus. Ich sperre es ein. Ich möchte leben. Wenn auch nur kurz in diesem Leben. Wir gehen auf und werden eins. Wir müssen nicht mehr fragen, was als nächsten kommt. Unser Publikum feiert. Der Gitarrenkoffer ist voller Münzen und Scheine. Da passiert das unfassbare – unmögliche – unerlaubte. Er spielt Nirvana. Ich singe R.E.M. Er bricht ab. Ich nach wenigen Takten auch. Die Nase und Tränen laufen vor Glück und Unglück. Der Applaus ist atemberaubend. Von überall hagelt Geld auf uns nieder. Es trifft uns überall. Der Applaus will nicht mehr aufhören. Da fange ich wieder an. Britten. Ruhe auf der Fußgängerzone. Dem Publikum fallen die Kinne auf den Boden. Das hättet ihr nicht von mir erwartet. Ich stelle euch alle in den Schatten. Ich bin besser. Ich gehöre gar nicht mehr hier her. Ihr habt alle keine Chance. Ich bin der einzige Künstler hier! Mir wird schwarz vor Augen. Ich höre mein Herz pochen. Dann explodiert es in meinem Hals.
naja, wie gesagt - bitte nicht hauen
Die Sonne strahlt, der Apfel steigt. Solange nur die Leiter schwebt
Wie kommst du darauf, dass dich in diesem Forum irgendjemand hauen würde für Worte, die einen so betroffen machen, wie deine es tun. Und sie machen betroffen, berühren die Seele, wie es mir selten geschah, denn ich erkenne mich wieder. Du hältst dir selbst und den Statisten einen Spiegel vor. Der Statist bin ich. Mein Kragen ist auch zu eng, wenn ich auf Gesellschaften bin, an denen ich glaube teilnehmen zu müssen, ohne es tatsächlich zu müssen, die mich langweilen und mir Nettigkeiten abfordern, die schlichtweg Fassade sind. Längst ist nicht jeder, der ein Opern-Abo besitzt, auch einer der versteht. Du schreibst sehr zutreffend, ohne polemisch zu sein. Kurz und auf den Punkt genau. Das gefällt mir. Die wenigen Kommata, die dir im Eifer untergegangen sind, spielen keine Rolle. Ich würde gerne mehr lesen. Ein µ weniger Depri tut es aber auch.
Ich finde, man man kann die Empfindungen des Erzählers sehr gut nachempfinden. Man leidet förmlich mit. Dass mir am Ende selbst fast schwarz vor Augen wurde ist keine schlechte Kritik am Text, sondern weil ich mich fast zu gut in den Erzähler hineinversetzen konnte.
Und wenn dich einer für den Text haut, hau zurück. Der hat es 100%tig mehr verdient als du
jou, Tinte... Alex hat vollkommen Recht. Obwohl ich zurückhaun nicht so gut finde, weil man sich dann auf eine niedere Stufe begibt. Nur einstecken, einstecken sollte man auch nicht alles. So wie du schreibst, Tinte..., hast du das Zeug, dich gegen Hauen sehr gut mit Worten zu wehren. Keine Bange, uns mehr von dir zu erzählen! Mir jedenfalls gefror mein Lächeln bei deinen Worten, denn es sind ernste Worte, die zu überdenken es nicht nur wert, sondern notwendig sind.
Man merkt es vielleicht; der Text ist sehr persönlich. Er wurde nach einer Erfahrung und einem inneren Autoritätsduell meiner Seite innerhalb kürzester Zeit niedergeschrieben. Ich habe ihn mittlerweile fast ein halbes Jahr hier liegen und konnte ihn nicht lesen - aus verschiedenen Gründen. Wenn ich heute an die Zeit der Textentstehung zurückdenke, kommen Tränen und Gänsehaut. Die Abscheu vor sich selbst. Nun habe ich ihn dann doch abgetippt und dabei deutlich verändert, was - wie ich finde - der Sprachlichen Inhomogenität nur zu gute kommt.
Demnächst tippe ich doch auch mal mein bislang längstes Fragment ab. Da habe ich nur leider eine gewisse Schreibblockade.
Tintenfass
Die Sonne strahlt, der Apfel steigt. Solange nur die Leiter schwebt
Ich finde, daß die Aussage "bitte nicht hauen" eigentlich gut gewählt ist, denn wenn man zum ersten Mal "seine Phantasie" fremden Personen vorstellt, weiß man ja wirklich nicht was zurückkommt und wohl alle wünschen sich da, daß man gnädig ist und lieber was Angenehmes und Schönes antwortet, als was Negatives...
Ich darf zu dem Text feststellen, daß mir besonders gut diese gedanklichen und zuletzt auch realen Sprünge vom Konzertsaal auf die Straße und wieder zurück sehr gefallen... Auch die Art, wie das beschrieben wurde, ist nicht schlecht... So richtig schön schnell und atemlos...
Ich verstehe wahrscheinlich auch die hintergründige Abscheu vor etwas, was man tun muß und eigentlich gar nicht mag, und andererseits das gierig-wilde Gefühl etwas tun zu können, was man sehr mag...
Eine Kleinigkeit möchte ich aber schon anbringen, was aber vielleicht gar keine Bedeutung hat: Ein Konzert in einem Konzertsaal, egal wo, ist meiner Meinung nach nicht ganz so schlimm, wie es in diesem Text dargestellt wird, und auf der Straße gibt es auch Sänger oder Musiker, die wirklich nicht gut sind...
Aber, wie gesagt, das ist eben die andere Seite, um die es hier ja nicht geht...
Universen und Welten feiern prächtig, Galaxien singen hell und klar und die Sterne tanzen mit Dir... (EMail: Idee@gmx.at)
ZitatGepostet von Der Fürst Eine Kleinigkeit möchte ich aber schon anbringen, was aber vielleicht gar keine Bedeutung hat: Ein Konzert in einem Konzertsaal, egal wo, ist meiner Meinung nach nicht ganz so schlimm, wie es in diesem Text dargestellt wird, und auf der Straße gibt es auch Sänger oder Musiker, die wirklich nicht gut sind...
Dies kann ich beides nicht abstreiten, jedoch ist die Aussage des Textes eine andere. Das Beschreiben aus der Sicht des Protagonisten, sollte eigentlich alles erklären. Was stört ist das Prestige. Nicht das Konzert.
Die Sonne strahlt, der Apfel steigt. Solange nur die Leiter schwebt