Nachdem die Banane als Rhythmusstudie eher auf Unverständnis gestoßen ist, hier mal eine Formidee zur Verschmelzung von Prosa und Lyrik. Auf Inhaltsleere wurde bewusst verzichtet.
VORWÄRTS
das alte endet das neue beginnt wer noch steht gewinnt
in furchtbarem fleische gebrochen in zerstörendem eifer geblendet laut jubelnd in den untergang doch wer geht voran
eine welt gebrochen von überfluss gestrauchelt am höchsten punkt wie ein flugzeug das hinunterfällt und nicht wieder nach oben schnellt
das geifernde auge blickte in den eifersüchtigen himmel und zerschellte bei dem versuch an dessen unsichtbaren schranken der vernunft
ist es wahr dass es sein muss dass alles vergehn muss dass es nicht bleibt dass die welt vergeht dass das feld sich bewegt dass das spiel weitergeht auch wenn sie fort ist
ich sammle die trümmer auf und stecke die flamme in das dunkel der geschichte vergangenheit und vergessenheit auf das niemand mehr davon nährt
sie steht auch wieder auf noch heller als zuvor bis das der nächste sagt es muss neu sein es muss das alte brennen das neue muss den schritt ins rampenlicht wagen muss es ertragen vorne zu stehen weiter zu gehen
die geschichte ist kein kampf sondern ein transzendales gewächs im auge des betrachters
Die Sonne strahlt, der Apfel steigt. Solange nur die Leiter schwebt
Du hast Recht; zur tatsächlichen Synthese fehlt noch Prosaanteil. Jedoch als ersten Schritt in die Richtung des Holzpfades finde ich dies sehr gelungen :-D.
Mal sehen was die Zukunft bringt
Tintenfass
Die Sonne strahlt, der Apfel steigt. Solange nur die Leiter schwebt
Zitateine welt gebrochen von überfluss gestrauchelt am höchsten punkt wie ein flugzeug das hinunterfällt und nicht wieder nach oben schnellt
Das ist für mich sogar sehr stark! Gereimt, verwehrt den Reim, bringt Gedankenquerschläger (=Assozis) ins Spiel und verwehrt auch diese. Doch ... das kommt mir sehr entgegen, den es wird was gesagt. Die leise Kritik mit der Prosa halte ich für etwas überflüssig, denn Prosa ist ja nur (in meinen Augen) nicht metrisch gespanntes, gereimtes Gesagtes. Prosa ist, was wir denken ... prosaisch ... lebendig. Und das holpert auch mal so dahin.
Ganz im Sinne von VORWÄRTS:
Lass die Flieger nicht drehen und sie nicht unterkriegen.
tHEfOOl
"FEUERAUGEN" (3 Bände: 1-Das Dorf, 2-Drei Städte, 3-Das Schloss) Mein Roman im Buchhandel
Natürlich gibt es Prosa, die so vor sich hinplätschert. Das gibt es aber auch in lyrischen Texten. Selbst bei Goethe gab es schon ganze Strophen, die einfach so dahinliefen, ohne großartig anzustrengen.
Für mich als Leser ist Lyrik immer auch etwas entspannendes. Der Rhythmus, die Melodie, die gesamte Artikulation ist formal implizit oder explizit enthalten. Atemlose Gedichte in derartiger Explosivität, wie etwa ein Roman von Pascal Mercier, Thomas Mann oder Theodor Fontane habe ich in noch keinem Gedicht gefunden. Inhaltliche Dichte, Schönheit und einfacher, geballter Ausdruck; Standbilder aus Sprache, gemeißelt aus Granit, unveränderlich auf einem Fundament aus Metaphorik ( ) das ist für mich Lyrik. Diese beiden Aspekte von Literatur sich näherzubringen, habe ich dieses "dynamische Standbild" geschrieben. Es gibt sicher andere, bessere, schönere, leichtere, schnellere und ältere Wege - Diesen, habe ich mir aber selber in den mir bekannten Blätterwald geschlagen.
Tintenfass
Die Sonne strahlt, der Apfel steigt. Solange nur die Leiter schwebt
mir gefällt, was du schriebst, das wäre zu einfach! Ich sag es mal so: Deine Symbiose verschiedener Schreibstile ist in mehrfacher Hinsicht provokant und interessant. Einmal von der äußeren Form, vor allem aber inhaltlich. Es fordert m.E. aber nur die zum Nachdenken auf, die es ohnehin tun. Wenn ich mal noch was sagen darf, du bist alles, nur kein Anfänger, der sich vorsichtig an die Öffentlichkeit wagt.
ZitatDer Rhythmus, die Melodie, die gesamte Artikulation ist formal implizit oder explizit enthalten.
Was meinst du mit "...formal implizit oder explizit..."? das sagt alles und nichts. Vor allem "implizit" lässt mir zu viele Deutungen zu. Vielleicht kannst du mir ja mal erläutern, welches "implizit" du hier meinst.
Übrigens bin ich mir gar nicht sicher, dass Goethe erwartete, dass man über ihn nachdachte. Das hatte er vermutlich nicht mehr nötig. Wenn ich jetzt noch mehr dazu schreibe, werde ich wahrscheinlich verhauen. Nein, G. war großartig, ohne anzustrengen; du sagst es. Ne, das sagtest du nicht. Es hieß wohl "... ohne großartig anzustrengen...". Wie auch immer - er hatte Glück in SEINER Zeit zu leben und mit einer Clevernis ausgestattet zu sein, von der unsereins nicht mal träumt, weils vermessen wäre.
Zitatdie geschichte ist kein kampf sondern ein transzendales gewächs im auge des betrachters
Geschichte ist schon deswegen kein Kampf, weil sie Geschichte ist. Aber "transzendales gewächs im auge des betrachters" - auf die Spitze getrieben, aber wunderbar umschrieben.
Zitat Es fordert m.E. aber nur die zum Nachdenken auf, die es ohnehin tun.
Ich befürchte, du hast Recht.
ZitatWenn ich mal noch was sagen darf, du bist alles, nur kein Anfänger, der sich vorsichtig an die Öffentlichkeit wagt.
Ich bin vielleicht kein "Anfänger", aber maximal Fortgeschrittener mit durchschnittlicher Begabung und Abitur. Übung habe ich nicht, dafür schreibe ich zu wenig und zu selten. Auch kann ich nicht immer schreiben, sondern es überfällt mich. Dann muss ich einfach schreiben. Das reift dann ein Paar Tage - teilweise Wochen - und dann wird es ruckzuck aufgeschrieben. Der Füller darf nicht ruhen. An die "Öffentlichkeit" ging ich übrigens das erste mal in diesem Forum (mit "In hoher Gesellschaft").
ZitatVielleicht kannst du mir ja mal erläutern, welches "implizit" du hier meinst.
explizit: Er hat nichts auf die Reihe gekriegt. implizit: Er hat sich stets bemüht.
ZitatÜbrigens bin ich mir gar nicht sicher, dass Goethe erwartete, dass man über ihn nachdachte. Das hatte er vermutlich nicht mehr nötig. Wenn ich jetzt noch mehr dazu schreibe, werde ich wahrscheinlich verhauen. Nein, G. war großartig, ohne anzustrengen; du sagst es. Ne, das sagtest du nicht. Es hieß wohl "... ohne großartig anzustrengen...". Wie auch immer - er hatte Glück in SEINER Zeit zu leben und mit einer Clevernis ausgestattet zu sein, von der unsereins nicht mal träumt, weils vermessen wäre.
Kein Kommentar aufgrund unverstehender Zustimmung
Ich setze mir bei jedem Text, den ich von Papier auf den PC übertrage das Ziel, die Dichte zu erhöhen und das Tempo zu optimieren. Nicht nur beschleunigen, nicht nur abbremsen. Die Grausamkeit dem Leser gegenüber erhöhen - aus meiner Sicht. Ähnlich einem beliebigen Lied aus Schuberts Winterreise. Die furchtbarsten - ja körperlich schmerzhaften - Stellen sind die, wenn der Protagonist in lieblicher Dur-Tonart von etwas schönem erzählt. Man weiß genau, der träumt, aber so realistisch, dass ihn die Desillusionierung beinahe umbringt. Kurze Rede, wenig Sinn: Je nach Art des komponierten Textes die richtigen Momente dehnen oder stauchen. Den Höhepunkt schreie ich dem Leser ins Gesicht. Die Beschleunigung, die ich einfach brauche, kann ich in einer reinen Gedichtsform einfach nicht leisten. Ist das Unvermögen? Ich weiß es nicht. Ich weiß aber, dass die Prosa in diesem Textstück nicht wie von HE OO oder Miss Rainstar behauptet, ein retardierendes Moment darstellt. Dann schon eher Kompensation von Unvermögen.
Prost, Tintenfass
[ Editiert von Tintenfass am 14.09.09 19:19 ]
Die Sonne strahlt, der Apfel steigt. Solange nur die Leiter schwebt
da darf man wohl auf einiges gefasst sein, wenn das, was du uns hier schreibst "nur mal ebenso hingeschrieben" ist, weil dir gerade danach ist.
Zitatdie Dichte zu erhöhen und das Tempo zu optimieren. Nicht nur beschleunigen, nicht nur abbremsen. Die Grausamkeit dem Leser gegenüber erhöhen - aus meiner Sicht.
Das Genie liegt nah beim Wahnsinn. Das weißt du schon?
ZitatDie furchtbarsten - ja körperlich schmerzhaften - Stellen sind die, wenn der Protagonist in lieblicher Dur-Tonart von etwas schönem erzählt. Man weiß genau, der träumt, aber so realistisch, dass ihn die Desillusionierung beinahe umbringt. ...Den Höhepunkt schreie ich dem Leser ins Gesicht.
In vergleichbarer Form hab ich so etwas noch nie gelesen. Ich irrte, als ich zunächst ein "Opfer" in dir vermutete. Du bist ein Mörder, ein Vampir, der den Leser hinmetzelt und sich am Blut des Protagonisten ergötzt. Genial! Mach weiter so.
ZitatIst das Unvermögen? Ich weiß es nicht. Ich weiß aber, dass die Prosa in diesem Textstück nicht wie von HE OO oder Miss Rainstar behauptet, ein retardierendes Moment darstellt. Dann schon eher Kompensation von Unvermögen.
Ganz gewiss nicht! Weder ein retardierendes Moment noch Kompensation von Unvermögen - es sei denn, du meinst das Unvermögen der Bananen (banalen) Welt.
ZitatKönnte ich nicht sehen, bliebe mir die Phantasie. Doch bin ich blind. Denn ich wehre mich, zu sehen, wohin die Blindheit führt.
Könnte ich nicht hören, bliebe mir die Phantasie. Doch bin ich taub. Denn ich wehre mich, zu hören, wohin die Taubheit führt.
Könnte ich nicht reden, bliebe mir die Phantasie. Doch bin ich stumm. Denn ich wehre mich, zu sagen, wohin die Sprachlosigkeit führt.
Lahmend an den Krücken der Blindheit, der Taubheit und der Sprachlosigkeit tröste ich mich mit invalider Gleichgültigkeit. Ich addiere meine Gebrechen und stelle fest - Sie sind die Summe der Dummheit. Tula Sykor