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 Texte aller Art, Gedichte, Lyrik, Kurzgeschichten, Altbeiträge
Simon K Offline



Beiträge: 31

19.12.2009 20:36
RE: Message in a Bottle - Der Beginn eines Lebens Antworten

Hallo,

ich habe diesen Text in 2 Tagen geschrieben, was für mich eine Glanzleistung ist, weil ich sonst für 10 Seiten ein bis zwei Monate brauche. Ja, ich bin schreibfaul, aber vor allem mache ich mir Gedanken über meine Texte.
Diese Erzählung kann man als Kurzgeschichte auffassen; ich würde gerne von euch wissen, ob es sich lohnen würde, daran weiter zu schreiben.
Es geht in diesem (erstmal) ersten Kapital um einen bisher namenlosen jungen Mann, dessen Familie durch Spekulation an der Börse reich geworden ist, und der langsam erkennt,
dass er nicht weiterhin in seinem goldenen Käfig leben kann- er beschließt, sich zu befreien und ein neues Leben zu beginnen.
Ich möchte nicht, dass ihr mich mit anderen 15-jährigen vergleicht. Bewertet einfach meinen Text.
Danke schon einmal.




Einleitung: Message in a Bottle

Er saß alleine auf der breiten Fensterbank, den Blick starr auf irgendeinen Punkt am fernen Horizont gerichtet. Er war alleine, wieder einmal. Im Grunde konnte er sich nicht an eine einzige Situation in seinem Leben erinnern, in der er nicht alleine gewesen war. Selbst am Abend des prunkvollen Abschlussballs am Ende der Highschool, in einer lauten, tanzenden, fröhlichen Menschenmenge, hatte er sich einsam gefühlt.
Es kam ihm vor, als befinde sich eine unsichtbare, aber undurchdringliche Mauer zwischen ihm und all den anderen Menschen. Eine Mauer, die jeglichen menschlichen Kontakt, jede, auch noch so kleinste, Annäherung unterband.
Doch dabei hätte sein Leben einen ganz anderen Lauf nehmen können. Sein Vater war durch erfolgreiches Pokern steinreich geworden. Doch im Gegensatz zu den meisten Männern, die gelegentlich ein wenig Geld im Casino am Roulette oder in der Spielbank an Glücksspielautomaten einsetzten, hatte sein Vater Millionenbeträge auf fallende Kurse an der New Yorker Börse gesetzt- mit großem Erfolg.
Der Gewinn war so plötzlich und überwältigend gekommen, dass sämtliche –lokale wie auch überregionale- Zeitungen und Rundfunksender darüber berichtet hatten.
Von dem Moment des großen Gewinnes an, den sein Vater scherzhaft als „Big Bang“, also als Urknall all ihres Vermögens bezeichnete, war er in einem goldenen Käfig gefangen gewesen. Am Anfang hatte er noch Gefallen daran gefunden, sinnlos Geld für noch viel sinnfreiere Sachen auszugeben. Sein Vater hatte ihm einen geringen Teil des Geldes auf sein Konto überwiesen, doch dieser kleine Anteil war noch immer so groß, dass er sich zwei Jugendträume damit erfüllen konnte: Er kaufte sich mit dem frischen Vermögen ein lang erträumtes Porsche Cabriolet und ließ ein eigens auf ihn zugeschnittenes Haus in der Innenstadt Bostons von einem der Stararchitekten der Ostküste planen.
Dieses, bescheidene wie er es nannte, Haus hatte eine Wohnfläche von fast sechshundert Quadratmetern und hatte drei Schlafzimmer und vier Bäder.
Er kannte diese Geschichte aus vielen Reportagen im Fernsehen, in denen irgendein Landwirt aus dem mittleren Westen einige Millionen Dollar im Lotto gewonnen, sich davon ein riesiges Haus, ein neues Auto und eine komplett neue Identität gekauft hatte. Nach einigen Jahren, in denen Geld, Frauen und Konsum das Leben darstellten, war diese neue Identität zum Alltag und somit lästig gewonnen.
Als er damals solche Sendungen im Fernsehen gesehen hatte, war er im höchsten Grade skeptisch und vor allem ungläubig gewesen: Wie konnte eine Person, die sich alle Wünsche erfüllen konnte, sich langweilen?
Nun hatte er die Quittung und vor allem die Bestätigung erhalten, dass ein Leben wirklich so verlaufen konnte.
Sein Vater war zu einer gefragten Größe an der Börse und sein Sohn somit überflüssig geworden. Anstatt, so wie früher, vor dem „Big Bang“, mindestens ein- oder zweimal pro Woche mit ihm zum Baseball zu radeln, flog sein Vater nun jedes Wochenende mit seinem Privatjet von seinem Haus in Los Angeles quer durch die Staaten nach New York. Dort beschäftigte er sich nicht mit seinem Sohn, sondern mit seinem neuen Kind, das viel mehr Pflege benötigte: Er schloss hier einen Vertrag ab, beriet dort einen Konzern, ob sie Anteile ihrer Aktien verkaufen sollten oder nicht und wurde zu jedem großen Dinner eingeladen. Während Sohn und Ehefrau zu Hause die Zeit tot schlugen, spielte er den großen Businessmann.
Ein Mal, aber nur ein einziges Mal, hatte er sich deswegen bei seinem Vater beschwert. Es sei unverantwortlich, seine Familie so verkommen zu lassen. Er solle sich lieber um seine Angehörigen anstatt um sein Geld kümmern. Daraufhin hatte sein Vater kühl erwidert, er sorge für seine Familie, wo es nur ging, doch als eine so bekannte Person, die er war, hatte er nun mal auch andere Sachen zu tun. Er solle froh darüber sein, dass er solch ein tolles Leben habe; nicht jedem seiner Klassenkameraden würde es so ergehen.
Nach diesem zweiminütigen Dialog hatte er keine Worte mehr für seinen Vater übrig gehabt. Er hatte sich komplett aus seinem Leben zurückgezogen, lebte von einem Tag auf den nächsten.
Und jeder Tag war wie der andere: Um halb elf Uhr vormittags wurde er von seinem Butler, den er Joe nannte, geweckt. Joe, wenn es denn sein richtiger Name war, war ihm schon immer ein Rätsel gewesen. Sie hatten ihn im wahrsten Sinne des Wortes von der Straße aufgelesen, weshalb sein Vater sich immer noch als sein Lebensretter bezeichnete.
Damals, vor fünf, oder waren es sechs Jahre? , hatte es eine große Galaveranstaltung in Los Angeles gegeben, zu denen sich die ganze höhere Prominenz zeigte. Auf dem Nachhauseweg, den sie alle drei, er, seine Mutter und sein Vater, ziemlich betrunken oder zumindest beschwipst antraten, hatten sie Joe angefahren.
Man konnte von Glück im Unglück sprechen, denn Joe, ein junger Kubaner, hatte sich lebensmüde vor ihr Auto geworfen. Hätte ihr Chauffeur nicht im letzten Augenblick die Fahr verlangsamt, dann wäre es seine letzte Tat gewesen.
Stattdessen hatten sie den schwer verletzten Joe, der, wie sich später herausstellte, keinen gültigen Pass besaß, in ein nahe gelegenes Krankenhaus gebracht.
Nach drei Wochen, in denen tägliche Besuche obligatorisch waren, wurde Joe entlassen. Er brauchte Krücken, um gehen zu können, doch er lebte.
In den drei Wochen des Krankenhausaufenthaltes war er der ganzen Familie und vor allem dem Sohn ans Herz gewachsen.
Damals war er ein pickeliger, pubertierender Jugendlicher gewesen, der in allem und jedem einen nervigen Störfaktor sah. Doch Joe, der inzwischen einen echten Pass und eine Aufenthaltsgenehmigung auf Lebenszeit besaß, hatte ihn moralisch in dieser schwierigen Zeit unterstützt, und so waren sie unzertrennlich geworden.
Wenn er zurückdachte, war Joe sein einziger wirklicher Freund gewesen. Zwar hielt sein Vater nichts von Langschläfern, die „ihr viel zu kurzes Leben nur im Bett verbrachten“, obwohl er selber am liebsten ausschlief. Früher wurde er von seinem Vater immer pünktlich um acht Uhr unsanft geweckt, doch Joe hatte seinen Willen, oder vielmehr den Willen seines Freundes, durchgesetzt, indem er seinem Brotgeber einen Vortrag in damals noch sehr gebrochenem Englisch hielt, wie wichtig es für aufstrebende Wirtschaftsbosse sei, lange zu schlafen. Der Vater war nach dieser Predigt einverstanden gewesen, seinen Sohn zumindest bis zehn Uhr dreißig schlafen zu lassen.
Doch mit dieser Regelung hatte für ihn der langweilige Alltag erst begonnen, in dem sich kein Tag von dem vorherigen unterschied. Jeden Tag um halb elf Uhr vormittags wurde er von Joe mit leiser Musik geweckt. Danach begab er sich ins Badezimmer, um ausgiebig zu duschen. Joe führte ihn danach immer ins Ankleidezimmer, beriet ihn bei der Zusammenstellung der Kleidung und geleitete ihn dann nach unten ins Esszimmer, wo ein riesiger, gedeckter Frühstückstisch auf ihn wartete.
Dienstags und donnerstags ging er zum Golfspielen, jeden Sonntagmittag in die Kirche außerhalb des Ortes und jeden Montag und Freitag musste er seine Mutter auf eine langatmige, stundenlange Einkaufstour begleiten.
Mittwoch war der für die Presse reservierte, und mit Abstand nervigste Tag der Woche. Der Samstag war ihm heilig, denn es war der einzige Tag, an dem er tun und lassen konnte, was er wollte.
Wie auch jetzt saß er oft auf der Fensterbank, starrte ins Nichts und versuchte, nicht an sein bisheriges Leben zu denken. Es musste sich etwas ändern, doch er hatte nicht den blassesten Schimmer einer Ahnung, wie er eine Änderung bewerkstelligen sollte, dazu war er viel zu sehr in seiner Existenz und dem Haus seiner Eltern gefangen.
Nachdenklich stand er auf und ging die paar Schritte zu seiner Stereoanlage. Es war ein Designergerät mit riesigen Lautsprechern, deren raumfüllender Klang nur selten sein Zimmer erfüllte. Zögernd drückte er auf den Power-Knopf und schaltete das Gerät ein. Er wusste eigentlich nicht einmal, ob er nun Musik hören wollte. Im Grunde wusste er das nie. Er hatte sich so oft den Willen anderer aufzwingen lassen, dass er nur noch eine winzige, verkümmerte Persönlichkeit besaß, die sich scheu zurückhielt und sich niemals ans Tageslicht wagte. Doch er bereute es nicht, die Stereoanlage eingeschaltet zu haben. Gerade kündigte der aufgedrehte Radiomoderator einen alten Hit an, bei dem sich sogleich all seine Haare wie elektrisiert aufstellten: Message in a bottle von The Police. Wie er diesen Song geliebt hatte, als er noch jünger gewesen war! Er hatte sich nur zu dem Zweck, dieses Lied nachspielen zu können, eine Gitarre gekauft, die nun jedoch schon seit Jahren irgendwo auf dem Dachboden vor sich hin staubte.
Die E-Gitarre begann zu spielen, und sogleich fing auch er an, mit den Füßen den Takt zu klopfen, dass es ihm durch Mark und Knochen ging.
Als der Sänger ansetzte, war auch er mit ganzer Seele dabei. Diesen Text, den er damals an warmen Sommerabenden auswendig gelernt und vor sich hin gesungen hatte, kannte er immer noch auswendig, und so sag auch er, zu Anfang leise, dann immer lauter werdend:

Just a castaway, an island lost at sea, oh
Another lonely day, with no one here but me, oh
More loneliness than any man could bear
Rescue me before I fall into despair, oh

Den Refrain sing, oder schrie er förmlich aus voller Brust:

I'll send an S.O.S. to the world
I'll send an S.O.S. to the world
I hope that someone gets my
I hope that someone gets my
I hope that someone gets my
Message in a bottle, yeah
Message in a bottle, yeah

Schwer atmend packte er sich an die Brust. Sein Herz schlug wie nie zuvor mit einer Intensität, die seinen ganzen Brustkorb beben ließ.

I’ll send an S.O.S. to the world
I hope that someone gets my
Message in a bottle

Diese drei Zeilen… nun verstand er sie. Damals, als er noch ein Teenager mit Träumen und Wünschen gewesen war, hatte er sie nur als beiläufige Bemerkung interpretiert.
Aber nun… viel es ihm wie Schuppen von den Augen. Dieser Song traf vollkommen auf ihn zu. War das Verlieren der Lebensfreude nicht mit einem S.O.S. gleichzusetzen? Nein, er schickte dieses S.O.S. nicht hinaus in die Welt. Stattdessen sperrte er sich ein, redete mit sich selbst, dachte an nichts und wurde langsam wahnsinnig.
War es nicht auch seine größte Hoffnung, dass ihn jemand bemerkte? Wünschte er sich nicht sehnlichst den Tag herbei, an dem jemand seine Flaschenpost erhielt… und verstand? War er nicht auch wie auf einer einsamen Insel gefangen, alleine, einsamer, als jeder Mensch aushalten konnte? Wollte er nicht auch sehnlichst gerettet werden? Würde er jemals Rettung erhalten, wenn er nur in seinem Zimmer saß und das Leben an sich vorbeiziehen ließ? Nein. Er musste etwas tun. Aber wie konnte er sich am besten bemerkbar machen? Solle er zu seinen Eltern gehen und ihnen beichten, wie sehr ihm das Leben ihm Überfluss missfiel, wie krank es ihn machte?
Wäre es die richtige Entscheidung? Er wusste es nicht. Doch gewiss würden sie ihm nicht zuhören. Konnte er sich an jemand anders wenden, und wenn ja, an wen? Dafür war keine Zeit nachzudenken. Er hatte genug Zeit verschwendet, nun war seine Zeit gekommen… Zeit zu handeln. Er war schon immer ein Einzelgänger gewesen und nun sollte er beweisen können, dass er auch ein Einzelkämpfer war. Er wollte der Welt zeigen, dass er wieder ins Leben finden konnte.

Auf alle meine Texte gilt, so fern nicht anders angegeben :
Copyright by Simon K.
Unerlaubtes Kopieren, auch nur von Abschnitten oder Sätzen, ist nicht gestattet.

Leute, es sind meine Gedanken. Klaut sie nicht, denkt selber nach!

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