Hallo Leute! Hier gebe ich mal eine meiner wenigen Kurzgeschichten zum besten. Es ist eine Ergänzung zu den Wizmages-Büchern, die ich ja schon als Thema vorgestellt habe. Ich denke, die KG ist gut verständlich, auch wenn sie mitten aus der Reihe herausgegriffen ist und daher einige wenige Namen als selbstverständlich gelten. Bei Fragen also an mich wenden.
Hier der 1. Teil (2. folgt noch) von "Das magischste Element":
Ich bin Sanja Kukov. Viele kennen mich als Kämpferin. Als Magierin und Hüterin über das Herz des Wassers. Meine Sehkraft ist unangefochten, mit dem Bogen treffe ich die entferntesten Ziele. Ich bin bekannt und respektiert als Kriegerin für das Gute. Doch niemand kennt die blonde, junge und oftmals schüchterne Frau aus Volikien, die einfach nur Studentin sein will. Ich habe vor, Journalistin zu werden. Warum? Weil ich die Wahrheit liebe. Die einfache, wenn auch schmerzhafte Wahrheit. Als Journalist kann man jede noch so kleine Lügen enttarnen. Und wohl auch, weil ich neugierig bin. Ich weiß gar nicht, über wie viele Schultern ich schon gestiert habe. Trotz meiner Herzträgerberufung komme ich mit dem Studium gut voran. Der Weg dahin war jedoch weiß Gott nicht leicht. Schließlich bin ich einem Land geboren, in dem jahrelang Bürgerkrieg herrschte. Genauer gesagt erblickte ich am 17. November 1989 in Dovilace, genauer in einer heruntergekommenen Krankenstation, das Licht der Welt. Meine Mutter war Lehrerin, mein Vater zuerst Offizier der Volikischen Armee, später Rebell. Ich sollte nicht das einzige Kind bleiben, bekam meine Mutter doch vier Jahre später Zwillinge. Kristina und Milan schienen sich nicht um den Bürgerkrieg zu kümmern, der ab 1997 in unserem Land wütete. Im selben Jahr kam mein jüngster Bruder Zsinjah zur Welt. Ich versuchte möglichst wenig an die grausigen Auseinandersetzungen zu denken, die zwischen den Rebellen und dem selbsternannten Diktator Brostinov herrschten und konzentrierte mich auf die Schule. Viele meiner Verwandten, insbesondere meine vielen Tanten, waren nicht gerade begeistert davon. Schließlich gehörte eine anständige Volikierin hinter den Herd. 2001 war das schlimmste Jahr meines Lebens: Diktator Brostinov hatte erfahren, dass sich in unserem Dorf ein paar Rebellen versteckten und fiel mit seinen Soldaten über die Einwohner her. Ich hatte das Glück, das Gemetzel zu überleben, doch verlor ich in dieser Hölle aus Feuer, Blei und Schreien meine Eltern und meinen jüngsten Bruder. Zuerst dachte ich, auch Kristina sei tot, doch ich sollte eines besseren belehrt werden. Mein Bruder Milan kam mit dem Leben davon, aber er war von nun an mit Blindheit gezeichnet. Ich war unverletzt geblieben, aber mein Herz blutete dennoch. Nur wenige Tage später wurde Brostinov durch internationales Einschreiten zum Abdanken gezwungen. Damit standen die Tore zu einem freien, friedlichen Volikien weit offen. Doch für mich nahm der Schrecken kein Ende. Kaum aus dem Krankenhaus entlassen, wurden wir zu unserer Großtante nach Lazke, der Hauptstadt unseres Landes, geschickt. Marizka Melovic war die ältere Schwester unsere Großmutter mütterlicherseits und einer Hexe wie sie im Buche stand. Zwar nahm sie uns auf, aber behandelt wurden wir wie Dreck. Milan war wesentlich öfter ein Opfer ihrer Stockhiebe und Giftspuckerei, er ertrug die Quälerei schweigend. Ich selbst ging zur Schule. Auf dem Lazker Mädchengymnasium, einer der besten Schule des Landes, strebte ich mein Abitur an. Es war weiß Gott nicht leicht, schließlich war Marizka eine meine konservativen Tanten. Sie ließ einen Schrei fahren, als ich ihr sagte, das ich einmal studieren gehen wollte. Ihre Worte suchen mich heute noch heim: „Studieren willst du? Pah, du bist genauso eine Schande für unsere Familie wie deine Mutter! Frauen brauchen kein Studium, sie gehören ins Haus und ziehen die Kinder groß! Aber mit deiner neumodischen Art wirst du bestimmt keinen Ehemann finden, wart es nur ab.“ Trotz ihrer beinahe täglichen Sticheleien besuchte ich weiter die Schule. Dort hatte ich, aufgrund meiner fantastischen Leistungen, beinahe noch weniger Ansehen als bei meiner Großtante. Ich war von Zicken, Konservativen und Neureichen umgeben. Man lachte mich aus, weil ich einmal mehr werden wollte als Hausfrau oder bestenfalls Krankenschwester und weil ich mit nichts als einem Sack Lumpen bekleidet zur Schule kam. Dabei war Marizka gar nicht so arm gewesen. Egal, auf jeden Fall hatte mit der neureichen, dunkelhaarigen Nikola und ihrer Clique kein leichtes Leben. Ich weiß nicht, wie oft sie meine Sachen versteckten oder mir Käfer in den Kragen setzten. Einmal sogar hatten sie mein Mathematikbuch im Klo versenkt. Zum Glück war es nicht allzu beschädigt worden. Großtante Marizka hätte mir nie im Leben ein neues gekauft. Immer, wenn mir die Streiche von Nikolas Clique zu viel wurden, schloss ich mich im Schulklo ein. Dort hatte ich wenigstens etwas Ruhe. Nie dachte ich daran, mich gegen sie zu wehren. Wie denn auch? Ich war alleine, und Nikola hatte immer mindestens zwei Mädchen um sich herum. Tja, Halbstarke gab es nicht nur unter den Jungs. Doch eines Tages, geschah etwas, das ich mein ganzes Leben nicht mehr vergessen werde. Es war in der achten Klasse. Ich hatte mich mal wieder auf dem Klo eingeschlossen, als jemand hereinkam. Den Stimmen nach zu urteilen handelte es sich um Nikola und ihre beiden Dauerbegleiterinnen Aleksa und Andrija. „Also wirklich, was diese Kukov heute wieder alles fabriziert hat“, sagte Nikola säuerlich. „Diese Strebereien gefallen unseren Lehrern auch noch.“ „Uns beeindruckt sie damit jedenfalls nicht“, fügte Andrija hinzu. „Sie ist und bleibt eine Bäuerin. Man merkt, dass sie in Dovilace geboren ist. Diese strenge Parfümmischung aus Schweinestall und Kuhmist. Ihr wisst schon...“ Die zwei anderen Mädchen lachten lauthals. Ich machte mir nichts daraus, schließlich war ich das gewohnt. Doch dann schoss Aleksa den Vogel ab: „Wisst ihr eigentlich, was ich gestern von meinem Onkel erfahren habe. Die Kukov hat einen Bruder. Wusstet ihr das?“ Nikola klang überrascht: „Nein, echt? Na ja, die Blondine quatscht ja auch nicht viel.“ „Und wisst ihr was?“ Den letzten Satz prustete Aleksa förmlich aus: „Er ist blind!“ Ich knirschte mit den Zähnen. Diese Schlampe von einer Fabrikbesitzertochter lachte tatsächlich über die Behinderung meines Bruders! „Blind?“ Auch Andrija begann zu lachen. „So richtig blind?“ „Ist ja hart.“ Selbst Nikola war am lästern: „Wie hat er das angestellt? Beim Ausmisten die Heugabel ins Auge gestochen?“ Das Gelächter wurde lauter, und mein Zorn größer. In diesem Augenblick wünschte ich mir nichts anderes, als dass den drei Lästermäulern die Waschbecken um die Ohren fliegen sollten. Fast gleichzeitig mit meinem Gedanken gab es einen lauten Knall. Es klirrte und schepperte, gefolgt von schrillem Gekreische. Ein Rauschen war deutlich zu hören. Als die drei Mädchen nach draußen stürmten, plätscherten ihre hastigen Schritte. Die Tür fiel mit einem ohrenbetäubenden Schlag ins Schloss. Überrascht öffnete ich die Kabinentür und lugte nach draußen. Zwei der vier Waschbecken waren abgerissen. Wasser strömte aus den gebrochenen Rohren im hohen Bogen in den Gang. Noch eine ganze Zeit lang stand ich verwundert da. War ich das gewesen? Wahrscheinlich, aber meine Bestimmung als Herzträgerin ist eine andere Geschichte. Auf jeden Fall schaffte ich es trotz dem vielen Ärger mit Tante und Mitschülerinnen, mein Abitur zu machen, genauer gesagt im Frühjahr 2008. Ich war sogar Klassenbeste, weit über all den Zicken, Konservativen und Neureichen. Das war dem neu gegründeten und endlich stabilen Staat Volikien ein Stipendium wert. Ich durfte im Ausland studieren. Wahrscheinlich ist Nikola in dem Augenblick vor Neid geplatzt, als man mir das Stipendium überreichte, denn seit diesem Tag habe ich sie nicht mehr gesehen. Nur gab es noch ein Hindernis: Großtante Marizka war ganz und gar nicht von meinem Vorhaben begeistert, ins Ausland zu gehen. Mit allen Mitteln und Wegen versuchte sie mich zurückzuhalten. Aber Marizka war bereits 82 Jahre alt. Es war wohl die Anstrengung, mich zurückzuhalten, die sie letzten Ende das Zeitliche segnen ließ. Dann ging alles Recht schnell. Ich bekam das Sorgerrecht für meinen Bruder Milan zugeschrieben und wir beiden machten uns auf nach Deutschland, wo ich endlich studieren durfte.
Tja, und jetzt bin ich hier. Ich stehe auf dem Campus der Neustädter Universität. Mein Studium läuft jetzt seit zwei Monaten und ich habe über meinen kleinen Freund Philip einen Job beim Neustädter Morgen als Fotografin bekommen. Damit kann ich die Wohnung, die sich Milan und ich teilen, und mein Auto finanzieren. Mir geht es eigentlich ganz gut. Eigentlich. Abgesehen von den alltäglichen Problemen der Wizmages habe ich noch eine Sorge, die jeder normale Mensch unter uns bekommen kann. Eine Sorge, die mich wenigstens halbwegs normal erscheinen lässt. Michael. Der Bruder von Tobias und Jennifer, mit denen ich regelmäßig die Stadt rette, besuchte ebenfalls mein Semester. Er sieht gut aus, ist sportlich und intelligent. Obendrein war er wohlhabend, schließlich gehörte seinem Vater eine ganze Firma. Zu meinem Verdruss war ich nicht die einzige, die das so sieht. Jede junge Frau entweder aus meinem Semester oder einem anderen bleibt an seinem Anblick haften, wenn er vorbeigeht. Lächelt er dich an, bist du rettungslos verloren. Mein Gott, jedes Mal, wenn ich ihn sehe, fahren die Schmetterlinge in meinem Bauch Achterbahn. Ich habe so viel Kontakt zu ihm (schließlich kennt er mein magisches Geheimnis), und nie den Mut, ihm zu sagen, was ich für ihn empfinde. Leider bleibt mein Kontakt zu Michael, der mehr ein Kontakt zu seinen Geschwistern ist, nicht lange unbemerkt. So werde ich bereits erwartet, als ich nach der Vorlesung an dem wunderschönen Springbrunnen des Campus vorbeigehe. Dabei handelt es sich um zwei junge Damen aus meinem Semester: Kathrin, eine hochgestylte und ebenso hochnäsige Brünette, und Mona, die vor allem durch ihren vielen Schmuck auffiel. „Hey Kukov“, zischelt Mona und winkt mich mit dem Finger herbei. „Komm doch mal her.“ Mir ist sofort klar, dass das nur auf Ärger hinausläuft. Aber ich beiße in den sauren Apfel und gehen zu den beiden. In ihren Augen funkelt Neid. Meine Augen sind so gut, ich erkenne die Eifersucht nur durch Hinsehen. „Was gibt es denn?“ fragte ich gelassen. Mein Deutsch ist perfekt, nur bin ich den Akzent meiner Muttersprache noch nicht losgeworden. „Ich hab’ dich gestern gesehen“, sagt Kathrin, es klingt wie eine Anschuldigung. „Mit den Geschwistern von Michael.“ „Na und, was ist denn schon dabei?“ Mona beugt sich zu mir vor. „Machst du dich etwa hinterrücks an Michael ran? Das geht aber nicht.“ Bevor ich etwas zu meiner Verteidigung sagen kann, giftet mich Kathrin an: „Lass die Finger von ihm, Bachstelze. Mit dir will Michael nichts zu tun haben. Sieh dich doch an. Du bist so arm wie eine Kirchenmaus. Und da willst du mit uns mithalten? Sie dir doch deine Klamotten an. Die sind selbst in Volikien schon seit Jahren aus der Mode. Mit so einer Hinterweltlerin wie dir gibt er sich bestimmt nicht ab.“ „Also halt dich von ihm fern, du ruinierst noch seinen Ruf.“ „Ach, was wisst ihr denn schon“, murmle ich genervt und gehe weiter. Dass ich die zwei High-Society-Gänse ignoriere, passt ihnen gar nicht. Nichts ist für sie schlimmer als gebrochener Stolz. Als ich an Mona vorbeigehe, stellt sie mir das Bein. Normalerweise achte ich auf solche Hinterhalte, nur dieses Mal war ich überrascht. Mit einem Schreckensschrei kippe ich über den Rand des Springbrunnens. Zusammen mit meinem Minirucksack lande ich in dem schmutzigen Wasserbecken. Allein mein Schrei bringt viele Studenten dazu, sich zu mir herumzudrehen. Als ich den klatschnassen Kopf aus dem Brunnen hebe, macht sich allgemeines Gelächter breit. Natürlich lachten Kathrin und Mona am lautesten. Sie hatten sich von mir abgewandt, dennoch fixiere ich sie. Wut kommt in mir hoch. Plötzlich platzt ein Teil des dreistöckigen Brunnens auf. Eine Wasserfontäne segelt im hohen Bogen über mich hinweg und ging auf die zwei Zicken nieder, denen ich diese Blamage zu verdanken hatte. Von einem Augenblick auf den anderen waren sie ebenso nass wie ich. Anders als beim letzten Mal kann ich mir erklären, warum das Wasser plötzlich diejenigen bestraft, auf die ich wütend bin. Wasser ist mein Element, darin fühle ich mich zu Hause. Die Aufmerksamkeit der Studenten wendet sich den durchweichten Michael-Fans zu. Deshalb steige ich aus dem Brunnen und verschwinde unaufmerksam. Da mein Minirucksack aus Leder besteht, ist der Inhalt, mein Taschenkalender und mein Notizblock, unversehrt geblieben. Im Gegensatz zu mir. Völlig durchnässt steige ich in meinen Opel Astra und fahre nach Hause. In der kleinen Wohnung finde ich meinen Bruder Milan auf dem Sofa liegend vor. Obwohl er blind ist, spürt er, was in mir vorgeht. Bevor er etwas sagen kann, herrsche ich ihn auf serbisch an, er solle gefälligst keine Fragen stellen. Mein Gewissen bringt mich letzten Endes doch dazu, mich zu entschuldigen, bevor ich ins Bad verschwinde. Dort lasse ich erst einmal heißes Wasser in die Wanne laufen und kippe etwas Duschgel dazu. Schließlich ist das Brühe im Springbrunnen kalt und dreckig gewesen. Nicht das erste Kalte und Dreckige, mit dem ich zu tun habe, und bestimmt auch nicht das letzte. Ich entkleide mich und steige in das angenehm warme Wasser. Während ich in den Badewanne liege, vergesse ich alles. Meine schreckliche Vergangenheit, meine weltverändernde Bestimmung und alle meine sonstigen Probleme. Nur eine Sache will mir partout nicht aus dem Kopf gehen. Ständig erscheint das Bild von Michael vor meinem geistigen Auge. Die Erinnerungen an all meine Begegnungen mit ihm kommen in mir hoch. Ich entspanne mich und gebe mich den Erinnerungen und Sehnsüchten hin. Wie meine Gefühle gehen auch dieses Mal meine Kräfte mit mir durch. Plötzlich steigen herzförmige Seifenblasen aus dem Wasser auf und trieben ziellos durch das Badezimmer. Dann begreife ich, dass nicht nur dem Wasser die Kräfte der Magie innewohnen. Nein. Ich besitze noch ein weiteres Element Das wohl magischste Element von allen. Eines, das mich verzaubert hat. Es nennt sich Liebe.