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Simon K Offline



Beiträge: 31

08.06.2010 22:40
RE: Kurzgeschichte : Ein Tag am Meer Antworten

Ein Tag am Meer

Es hätte ein perfekter Tag sein können. Der schönste Tag des Jahres. Schon Tage zuvor hatte er ein angenehmes Kribbeln im Bauch gespürt, als er daran gedacht hatte, wie schön es hätte sein können: Ein Tag am Meer zusammen mit ihr. Gemeinsam die letzten Strahlen der hinter dem Horizont versinkenden Sonne genießen. Nur sie beide, das Meer, die Sonne und leise Musik.
Sie hatten einander versprochen, um genau vier Uhr nachmittags unten an der kleinen Bucht zu sein, wo die wogenden Wellen über feinen Sand und glattgeriebene Steine leckte. Sie hatten darauf gehofft, komplett alleine zu sein: Keine störenden Touristen, keine streunenden Hunde, keine Kinder. Nur er und sie.
Stunde um Stunde verging, die Sonne verwandelte sich langsam in einen golden glühenden Feuerball, der seinen Abstieg vom Himmel begann. Aber sie kam nicht und damit brach sie ihm mehr als nur sein Herz. Er spürte förmlich, wie ein Teil seiner Persönlichkeit fehlte. Dieses Bruchstück seines Charakters, seiner gesamten Existenz, war sie. Und nun war sie nicht gekommen und er war allein. Diese Leere. Diese unendliche Leere, die sich in seinem Herzen ausbreitete, ließ ihn innerlich taumeln.
Doch er war stark und erlaubte sich selbst nicht, auch nur eine Träne zu vergießen. Er musste cool bleiben und sich unter Kontrolle halten, sonst würde er nachher haltlos schluchzend im Sand liegen, das wusste er.
Doch Welle um Welle wurde von den Steinen gebrochen, Welle um Welle wurde vom Sand aufgesaugt. Er hätte sich niemals vorstellen können, dass es einen Mensch auf der Welt geben könnte, ohne den er sich so verloren, so allein fühlen würde. Doch dann war sie in sein Leben getreten und hatte alles in einem Sturm der Lebendigkeit durcheinander gewirbelt.
Und er hatte ihr nicht ein einziges Mal gesagt, wie sehr er sie brauchte. Er hatte es als selbstverständlich angesehen, dass sie seine Gefühle verstand – und erwiderte.
Doch nun verstand er, dass er sich geirrt hatte. Er hatte sich nicht von all den anderen unterschieden und gedacht, Frauen wären leicht zu durchschauen. Nun dämmerte ihm, dass auch er so gedacht hatte wie die anderen: Während sie sich fragte, ob er der Richtige war, ob sie ihn wirklich liebte, fragte er sich, wie er sie am besten und vor allem am schnellsten flachlegen könnte. Im Grunde waren alle Männer so, und auch er war so gewesen. Bis zu diesem Tag.
Nun begann er zu verstehen, dass sie keineswegs einfach funktionierten oder alle gleich tickten. Er war ein Idiot gewesen. Und nun würde er für seine eigene Dummheit bezahlen. Hatte sie ihn verlassen? Ihn aufgegeben?
Wenn er tief in sein Innerstes blickte, konnte er sich die Frage beantworten: Es gab nicht irgendjemanden, der ihm jetzt noch verziehen hätte. Das Versöhnungstreffen war wohl abgelaufen. Sie war weg. Für immer. Und er blieb allein.
Er schluchzte einmal laut auf und riss sich alle Klamotten vom Leib. Er begann zu zittern und robbte auf den Knien an das Meeresufer heran.
Er wollte nicht ohne sie leben. Er konnte nicht ohne sie leben. Und er würde nicht ohne sie leben. Er beugte den Oberkörper vor und tauchte den Kopf ins Wasser ein. Er streckte den rechten Arm aus, ließ die Hand im Sand versinken und begann, die Luft anzuhalten.
Nach dreißig Sekunden zog er den Kopf wieder aus dem Wasser heraus. Hatte sie ihn wirklich im Stich gelassen?
War es aus zwischen ihnen beiden? Ja. Aber er war stark und durfte nicht weinen. Die Sonne versank nun hinter im Meer. Sie starb. Sie ertrank im Meer. Das Meer war seine große Liebe gewesen, noch bevor er sie gekannt hatte. Nun würde er mit seiner großen Liebe sterben. Er tauchte den Kopf ins Wasser. Nach vierzig Sekunden zog er ihn wieder heraus. Er konnte sich vor zittern nicht mehr auf den Knien halten und kippte auf die Seite, wo er reglos liegen blieb.
Aber er war stark und durfte nicht weinen. Als er so da lag, kam es ihm vor, als vergingen Stunden, Tage, Wochen, Monate, ganze Jahre. Sein Leben schien dahinzufließen. Und er war allein.
Doch dann spürte er etwas. Etwas hatte seine rechte Hand berührt, so sanft, dass er zuerst dachte, es sei nur ein Windhauch gewesen. Ein sehr warmer, weicher Windhauch. Er schlug die Augen auf. Sie war der Windhauch gewesen. Der Sturm des Lebens, der sein Leben veränderte. Nein, nicht irgendjemand auf der Welt hätte ihm noch verziehen. Doch sie war nicht irgendjemand. Sie war einzigartig. Sie gehörte zu ihm wie er zu ihr. Sie konnten nicht ohne einander leben. Sie war so viel und doch so wenig, so unbeschreiblich. Sie war seine Liebe. Nun spürte er, dass er nur ein Mensch war. Doch dieser Moment fühlte sich göttlich an. Er war schwach ohne sie. Er war nichts ohne sie. Endlich ließ er seinen Tränen freien Lauf.

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Leute, es sind meine Gedanken. Klaut sie nicht, denkt selber nach!

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