Griesgrämig, wie jeden Montag, wenn sein Verein Schwarz-Weiß verloren hatte, machte sich Hauptkommissar Leo Cernik, ein Fünfziger mit einer sportgestählten Figur, kahlköpfig, am ersten Montagmorgen im September 1975 auf den Weg zu seiner Dienststelle. Seine wässrig blauen Augen, die an die Augen eines schlummernden Löwen, seines Namenpatrons, erinnerten, entging nur selten etwas; immer lagen sie auf der Lauer und konnten einen Delinquenten bis auf den Grund seiner Seele durchbohren. Sein Gedächtnis galt im Präsidium als sprichwörtlich wie das eines Elefanten. Seine Laune verbesserte sich kaum, als er bei seiner Ankunft am Parkplatz des Polizeipräsidiums feststellen musste, dass ein augenscheinlich übermütiger Irgendwer seinen Platz hinter dem Polizeipräsidium mit Beschlag belegt hatte, was er als unverzeihliches Sakrileg empfand. Dieser Platz war zwar nicht ausdrücklich für ihn reserviert, aber die meisten Kolleginnen und Kollegen akzeptierten seinen in keiner Dienstanweisung definierten Anspruch, den er mit allen möglichen Listen verteidigte wie ein Platzhirsch sein Revier. Zähneknirschend vor sich hin fluchend, parkte er seinen Wagen so hinderlich, dass der Verursacher seines Grolls nicht wegfahren konnte. „Strafe muss sein, wer immer du auch bist!“, wies Cernik den Unbekannten zurecht, obwohl dieser den Rüffel nicht hören konnte. Verärgert stapfte Cernik die Stufen zu seinem Büro hinauf, mürrisch die Morgengrüße der Entgegenkommenden erwidernd. Die Frotzeleien „Wie war denn das Spiel gestern?“ ignorierte er dagegen, denn die gestrige Leistung seiner Schwarz-Weißen stieß ihm noch immer auf. Im Inneren gestand er, dass ihn solche Fragen wurmten, was er jedoch niemals offen zugeben würde. Es gehörte jedoch zu den Ritualen der Behörde, dass die gesamte Belegschaft jede Woche ihren Spaß daran fand, montags die Fußballergebnisse zu persiflieren, zumal sich unter ihnen nicht nur Fans von Schwarz-Weiß sondern auch vom verhassten Lokalrivalen Rot-Weiß und von der Ruhrpottikone Schalke 04 befanden. Als er gerade im Begriff war, den Türgriff seiner Bürotür hinunterdrücken, an der ein Schild „SOKO, Eintritt nur nach Anmeldung“ sowie ein weiteres Schild „Rauchfreie Zone“ hing, sprang diese ungestüm auf, sein Mitarbeiter Kommissar Willy Klein stürzte aus dem Büro und prallte mit ihm zusammen. „Gut, dass du endlich da bist. Wir warten schon auf dich.“ „Kannst du nicht aufpassen, du Trottel? Oder mal ein wenig Rücksicht nehmen? Was ist denn los?“ „Wir haben einen neuen Fall … einen prominenten offensichtlich, denn der Oberstaatsanwalt telefoniert schon seit einer geraumen Zeit hinter dir her. Du sollst ihn sofort anrufen.“ Cernik betrat das nur spärlich ausgestattete Büro mit alten Holzschreibtischen, die schon längst gegen neue ausgetauscht werden sollten, dessen Ecken und Winkel von der täglichen Putzkolonne beim Staubwischen stets übersehen wurden und das er mit Kommissar Klein und ihrer gemeinsamen Assistentin Kommissaranwärterin Inga Büllesbach teilte. Wie jeden Morgen begrüßte sie ihn mit einem fröhlichen: „Guten Morgen, Chef“. Mürrisch erwiderte er den Gruß und schwang sich ächzend auf seinen Schreibtischstuhl, warf seine Jacke auf den Garderobenständer, nahm das Telefon zur Hand und wählte die Nummer des Oberstaatsanwaltes. Besetzt! Er hätte es sich denken können.
Seine Gedanken schweiften ab – sein Privatleben belastete ihn mehr als ihm lieb war und auch seine Mitarbeiter und Kollegen hatten sich damit abzufinden, öfter unter seinen Missstimmungen zu leiden. Anna, seine Frau, zehn Jahre jünger als er, hatte ihn verlassen, des Zusammenlebens mit ihm überdrüssig, mit einem Mann, dem der Beruf und manchmal sogar der Fußball wichtiger schienen als die Vorzüge einer einträchtigen Ehe, deren sexuelle Vernachlässigung die Glut in ihrem Schoß eher gesteigert als ausgelöscht hatte. Seine Frau, deren Held der Jugendzeit er einstmals gewesen war, als er noch für die Schwarz-Weißen die Fußballstiefel schnürte, war ohne eine ausgesprochene Vorwarnung, jedenfalls keine, die er registriert hat, schlichtweg mitsamt dem notwendigsten Teil ihrer Garderobe und ein paar Utensilien, die ihr besonders ans Herz gewachsen waren, vor drei Wochen ausgezogen. Für ihn hatte sie nur einen Zettel mit einer kurzen Nachricht in ihrer schnörkellosen Handschrift hinterlassen, die da lautete: „Falls du zufällig mal nach Hause kommst und mich noch zufälliger vermissen solltest: Ich bin nicht mehr da. Einen Mann wie dich braucht keine Frau – ich schon gar nicht. Lass uns in Frieden unserer Wege gehen. Du wirst von mir wegen der notwendigen Regularien hören. Alles Gute, Anna“. Der völlig überraschte Cernik hatte ihren Auszug als persönliche Schmach empfunden, die erst einmal zu bewältigen war, denn Niederlagen nagten schon seit jeher erheblich an seinem Wohlbefinden und fraßen schmerzhaft an seiner Seele. Zu allem Überfluss hatte gestern Schwarz-Weiß nach einer völlig undiskutablen Leistung die letzte Chance auf die Meisterschaft verspielt, was den Pegel seiner Lebensfreude am vergangenen Wochenende unter den Gefrierpunkt hatte sinken lassen. Immer wieder fragte er sich: „Warum nur rege ich mich nur über diese Anfänger immer wieder auf?“ Dennoch ließ er sich keinen Sonntag davon abhalten, dem Spiel beizuwohnen. Er lebte den Masochismus eines Mannes aus, den zu dulden und zu respektieren mancher Ehefrau nicht gerade leicht fällt.
Cernik verwarf seine trübsinnigen Gedanken und erkundigte er sich bei Inga: „Hast du eine Ahnung, worum es geht?“ Inga besaß trotz ihrer Jugend die außergewöhnliche Gabe, alle Vorkommnisse sofort zu erfassen, die Informationen zu ordnen und auch bereits zu analysieren. Sie war die Tochter des besten Freundes von Polizeidirektor Schütz und hatte seit Kindesbeinen an Polizistin werden wollen. Der Direktor hatte sein Patenkind Inga mit Bedacht Kommissar Cernik zugeteilt, für den er ein unausgesprochenes Faible hatte, denn im Geheimen mochte er unbürokratische Einzelgänger wie ihn, zumal, wenn sie immer wieder beachtliche Erfolge nachweisen konnten, wenn er auch in seinen Vorträgen vor den Mitarbeitern stets die Notwendigkeit der Teamarbeit über alles stellte. Aus diesem Grunde hatte er Cernik, den einsamen Jäger, zum Leiter einer SOKO ernannt, die seine Aufgaben nur von ihm oder dem leitenden Oberstaatsanwalt erhielt. Niemand im Hause sonst erfuhr gewöhnlich, mit welchen Fällen die SOKO gerade beschäftigt war, wenn nicht Amtshilfe von anderen Abteilungen erforderlich wurde. Inga hatte aus freiem Willen die Aufgaben übernommen, für die gute Stimmung in der Abteilung zu sorgen, auch weil gute Laune ihrem Naturell entsprach. Neben ihrem analytischen Verstand fiel jedermann auf den ersten Blick ihr freundliches Gesicht mit ein paar lustigen Sommersprossen auf der Nase und einem aufgeweckten Augenpaar auf, das umrahmt war von schulterlangen rotbraunen Haaren. Ihrer sportlichen Figur mangelte es keineswegs an weiblichen Reizen, und die jüngeren Kollegen ließen kaum eine Gelegenheit vergehen, sich bei ihr ins rechte Licht zu rücken, ohne dass bisher ein Bewerber ihre Gunst errungen hätte. Sie trennte streng Privatleben, das ihr aus guten Gründen heilig war, und Beruf. „Im Stadtwald hat sich jemand erhängt, jedenfalls ist dort ein Mann gefunden worden. Mehr weiß ich auch noch nicht“, ließ sie ihren Chef wissen. Cernik drückte auf die Wahlwiederholung seines Telefons, doch der Apparat des Staatsanwalts meldete noch immer „besetzt“. In Gedanken vertieft, blätterte der Kommissar in den Akten eines unerledigten Falls auf dem Schreibtisch, der ansonsten im Gegensatz zu denen seiner Mitarbeiter ausgesprochen aufgeräumt wirkte, und betrachtete sinnierend das Foto seiner Schwarz-Weißen, das neben seinem Schreibtisch an der Wand hing – ein Relikt aus jener Zeit, als er noch zur Mannschaft gehört hatte, und sofort begann sich sein Unmut über das gestrige Spiel erneut in ihm zu regen. Er konnte und wollte kein Verständnis für die Profis von heute aufbringen, die fast ausschließlich zugekauft waren und nicht mehr für das Trikot spielten, das sie trugen, wie es für ihn und seine Kameraden noch selbstverständlich gewesen war. Heute spielten die Kicker aus aller Herren Länder nur für den Verein, der am meisten zahlte. Während Cernik noch über die sich drastisch ändernden Zeiten nachsann, läutete sein Telefon. Er meldete sich und hörte am anderen Ende die schneidende Stimme des Oberstaatsanwalts bullern: „Schneider hier. Auch schon da? Da kann ich wohl mal wieder ‚Mahlzeit‛ sagen … Ich hatte um Ihren Rückruf gebeten. Können Sie sich nicht auch einmal an die selbstverständlichen Spielregeln einer kooperativen Zusammenarbeit halten?“ „Entschuldigen Sie“, unterbrach Cernik gereizt den Redeschwall seines Vorgesetzten, „bei Ihnen ist immerzu besetzt …“ „Unsinn! Lassen Sie sich endlich mal eine gescheitere Ausrede einfallen, sonst sind Sie doch auch nicht auf den Mund gefallen … Kommen wir zur Sache: Ich erhielt soeben einen Anruf, dass im Stadtwald ein Mann erhängt aufgefunden worden ist.“ „Was ist so Besonders an dem Tatbestand, dass Sie sich persönlich engagieren, wenn ich fragen darf?“ „Weil sich der Fundort der Leiche, die so genannte Hexeneiche, nicht weit von der Villa Saersbeck – genauer gesagt oberhalb der Villa – auf dem Gipfel des Hügels befindet.“ „Ja, und …?“ Nun ja, die Saersbecks sind mir nicht unbekannt, und ich hoffe, dass nicht ein Mitglied dieser Familie …“ „Vermuten Sie etwas …?“ „Übernehmen Sie diesen Fall und sehen Sie erst einmal nach dem Rechten! Belästigen Sie bei Ihren Ermittlungen bitte die Saersbecks nicht mehr als unvermeidlich. Falls der Tote etwas mit dem Haus Saersbeck zu tun haben sollte, so bitte ich um strengste Diskretion, und alle Berichte sind ausschließlich an mich zu richten, und zwar an mich persönlich! Und keine Kontakte mit der Presse vorläufig! Von allen übrigen Fällen sind Sie und Ihre Abteilung während der Untersuchungen befreit.“ „Das hört sich sehr nach – wie soll ich sagen …?“ „Sagen Sie nichts! Ich habe bereits das gesamte Gelände absperren lassen, Spurensicherung und Gerichtsmedizin verständigt und jedermann zum Schweigen verpflichtet. Noch Fragen?“ „Meinen Sie, Saersbeck könnte der Tote sein?“ „Fahren Sie erstmal hin und nehmen Sie eine Identifizierung vor! Dann sehen wir weiter.“ „Herr Oberstaatsanwalt, warum habe ich nur das Gefühl, dass Sie mehr wissen als Sie zuzugeben bereit sind? Es würde meine Arbeit erheblich erleichtern, wenn Sie mir jetzt schon reinen Wein einschenkten. Sie scheinen mir zu sehr überzeugt, dass der Tote mit den Saersbecks zu tun hat, und ich frage mich ‚warum?‘“ „Unsinn! Ich will keine Pferde scheu machen. Tun Sie bitte, was ich Ihnen aufgetragen habe und melden Sie sich danach umgehend bei mir. Sie können mich auch in meiner Wohnung anrufen, wenn’s sich nicht vermeiden lässt.“ „Na gut, dann werde ich mich mal auf den Weg machen. Bis später.“ Mit diesen Worten legte Cernik den Hörer auf und nahm Blickkontakt mit seiner Assistentin auf, die das Gespräch aufmerksam verfolgt hatte und fragend ihre Stirn runzelte. „Wo ist Klein hin?“, fragte Cernik. „Eigentlich wollte er nur nachsehen, ob Sie schon im Hause sind, Chef. Soll ich ihn suchen gehen?“ „Nicht nötig. Weißt du, welche Kollegen zum Fundort geschickt worden sind?“ „Außer der Spurensicherung Kowalskis Männer von der Schutzpolizei und zwei Beamte mit Suchhunden, so viel ich weiß.“ „Hoffentlich machen die nicht die ganze Umgebung aufmerksam und halten uns die Presse vom Hals. Schneider legt großen Wert darauf.“ Cernik erhob sich mürrisch, nahm sein Jackett von der Garderobe und blieb grübelnd am Schreibtisch stehen, so, als ob er auf eine Erleuchtung wartete. Stürmisch, wie es seine ungestüme Art war, platzte Kommissar Klein zurück ins Büro und schimpfte los: „Der Kaffeeautomat funktioniert wieder nicht. Wie soll ich nur einen klaren Kopf zum Denken bekommen?“ „Den hast du bisher weder mit noch ohne Kaffee vorgezeigt, Willy“, flachste Cernik grinsend und fuhr fort, „komm, wir haben zu tun! Ich erzähl dir unterwegs, worum wir uns kümmern müssen. Wir können meinen Wagen nehmen.“ Im Hinausgehen wandte er sich an Inga Büllesbach und fragte: „Hast du noch irgendetwas für mich?“ Sie verneinte kopfschüttelnd. „Sie für mich, Chef?“ „Hm, eigentlich nicht … Doch. Stell mir bitte mal alles zusammen, was du über die Familie von Saersbeck und deren Unternehmungen herausfinden kannst.“ „Wird gemacht, Chef.“ Die beiden Kommissare verließen ihr Büro. Ohne Eile stiegen sie die Treppen aus der zweiten Etage hinab und begaben sich zu Cerniks BMW, wo er bereits von dem wutschnaubenden Wagenbesitzer erwartet wurde, der seinen Parkplatz eingenommen hatte und sich am Wegfahren gehindert sah. „Machen Sie das immer so? Unverschämtheit!“, polterte er los, als er die Kommissare kommen sah. Cernik grinste ihn wortlos an und ignorierte die Beschimpfungen. Nachdem die beiden Kommissare auf der Fahrt zum Stadtwald eine Zeitlang geschwiegen hatten, konnte Klein seine Neugier nicht mehr verbergen. „Jetzt erzähl schon. Was ist passiert?“ „Wenn ich das mal selbst wüsste. Im Stadtwald ist ein Erhängter aufgefunden worden. Schneider vermutet offensichtlich, dass es sich um jemanden handelt, den er – vorsichtig ausgedrückt – kennt oder zu seinem Bekanntenkreis gehört. Mehr wollte er aber nicht herausrücken, doch waren seine Gedanken durchs Telefon zu hören. Irgendetwas gefällt mir an dieser Sache nicht, denn ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass er sehr viel mehr weiß, und ich hasse es, wenn mir jemand Informationen vorenthält.“ „Dein berühmter Löweninstinkt, Leo?“, feixte Klein. „Du sagst es … du sagst es, mein Freund und Partner.“ Schweigend setzten sie ihre Fahrt in Richtung Stadtwald fort. Dort befand sich die Villa, wo heute die Familie von Saersbeck residierte und wo ansonsten kein Normalsterblicher eine Baugenehmigung erhält, wie Cernik wusste. Um die Jahrhundertwende war das Gebäude errichtet worden, inzwischen weitläufig umzäumt und mit den modernsten Sicherheitseinrichtungen versehen. Die Saersbecks waren bekannte Stahlhändler mit einer weitläufig verzweigten Unternehmensstruktur und weltweiten Verbindungen, doch vermieden deren Mitglieder so weit wie möglich, öffentlich in Erscheinung zu treten. Cernik fuhr einen Waldparkplatz an, der sich in der Nähe der Hexeneiche befand und der gerne von Spaziergängern mit Hunden, weniger ohne vierbeinige Begleitung benutzt wurde. Beim seinem Eintreffen stellte er mit Genugtuung fest, dass bereits das gesamte Areal weiträumig abgesperrt worden war und sich auch noch keine Schaulustigen eingefunden hatten. Er wurde bereits von einem Wachmeister erwartet, der seine Hand zum Gruß an die Schläfe legte, denn, obwohl er im Dienst war, trug er keine Mütze, was Cernik ignorierte. Über ein Funkgerät informierte er den Einsatzleiter Kowalski über die Ankunft der Kommissare. Der Uniformierte wies mit seinem Arm den Fußweg hügelan und: „Dort den Hügel müsst ihr rauf, dann seht ihr schon.“ Die Kommissare stiegen den Weg hinauf und beobachteten aufmerksam die Umgebung, damit ihnen auf dem Weg zum Tatort nichts entging. Oben angekommen erwartete sie bereits ungeduldig Polizeimeister Kowalski: „Morgen, Kollegen, wird aber auch Zeit, sonst fällt uns der noch runter.“ „Soll das heißen, er hängt noch?“, fragte Cernik entsetzt. „Ja, der Staatsanwalt hat gesagt, du sollst dir den Kerl genau angucken, und die Spurensicherung ist auch noch nicht ganz fertig.“ Kowalski zeigte auf die mehrere hundert Jahre alte Eiche, die im Volksmund den Namen Hexeneiche trug, die wehrhaft den Gipfel des Hügels beherrschte und deren Stamm sich majestätisch in den Himmel erhob. Bereits in längst vergangenen Zeiten, so wollen Legenden wissen, soll ihr knorrig ausladendes Astwerk mehr als einem Individuum als Galgen zu einem neuen Lebensabschnitt verholfen haben – der Glaube an ein Leben nach dem Tod vorausgesetzt. An einem dieser gewaltigen Äste hing ein Mann – also nicht der erste Mensch, der dort sein Leben ausgehaucht hatte –, mit einen Strick um den Hals. Wie trotz des schummrigen Lichts, das durch das dichte Laub fiel und dem Ort jene Gespenstigkeit verlieh, um die sich seit Menschengedenken unzählige geheimnisumwitterte Geschichten rankten, unschwer von unten zu erkennen war – war das Seil fachmännisch mit einem Henkerknoten versehen. Der Mann, so schätzte Cernik, war fünfzig bis sechzig Jahre alt, wies eine sportlich schlanke Figur auf, und trug seine blonden Haare mit Seitenscheitel kurz geschnitten. Aus seinem Gesicht quollen die Augen ungläubig hervor, so als konnte er nicht fassen, was geschah. Bekleidet war er mit einem dunkel-gestreiften Maßanzug, dessen Hose sich bräunlich durch einen biologischen Vorgang verfärbt hatte, der sich beim Erhängen nicht vermeiden lässt und die auch einen der Verfärbung entsprechenden Geruch verbreitete, einem offenen weißen Oberhemd und teuren englischen Schuhen. Hauptkommissar Cernik betrachtete sich die Szene eine Weile. „Der gehört zweifellos nicht zu den armen Leuten“, brummelte er vor sich hin. Anschließend wandte er sich an Kowalski: „Wer hat ihn gefunden?“ „Ein Spaziergänger, der seinen Hund ausführte. Der bringt gerade mal den Köter weg, weil der Kläffer zu unruhig war und meine Männer andauernd ansprang. Danach kommt er hierher zurück, hat er zugesagt; er wohnt nicht weit.“ „Willy soll mit ihm sprechen“, ordnete Cernik an und stieß seinen Kollegen Klein, der wie ein Hund um die Eiche herumschnüffelte. „Fällt dir was auf?“ Die Blässe in Kleins Gesicht war trotz der schummrigen Umgebung nicht zu übersehen. Er hatte gelegentlich Probleme, mit einem Toten konfrontiert zu werden und starrte gebannt auf den Hängenden. Als sein Chef ihn ansprach, fuhr er zusammen, als wäre er auf frischer Tat erwischt worden. „Na, was meinst du? Kannst du dir vorstellen, wie dieser Mann den Baum hochgeklettert, sich an die Stelle gehangelt hat, wo er jetzt hängt, und sich dann fallen gelassen hat, damit ihn der Tod auch ereilte?“ Cernik grinste ihn unverschämt an. „Wenn du mich so fragst …“
So mancher Spaziergänger hat sich schon gefragt, wem wohl die prachtvolle Villa gehören mag, deren Anbau allerdings von Bäumen dem Auge von weitem verborgen bleibt und daher das Gesamtbild nicht stört, die auf einer Anhöhe über einem dicht bewaldeten Tal auf einem Hang in der Eifel errichtet worden ist. Nur eine schmale Zufahrtstraße, schlängelt sich vom Tal aus hoch und endet dort an einem Torhaus, bewacht von einem Pförtner, der ein Rolltor zum Einlass bedient. Kein Schild weist auf Bewohner oder Nutzung hin des Gebäudes hin. Der Pförtner, von neugierigen Spaziergängern befragt, zeigt sich einsilbig und nicht bereit, Auskunft zu erteilen. Selbst der zuständige Postbote, der ansonsten über jeden Menschen in seinem Bezirk alles weiß, kann in diesem Fall nicht weiterhelfen. Noch nie hat er Post in die Villa zu liefern gehabt. Der Besitzer scheint offensichtlich irgendwo ein Postfach zu besitzen und dort seine Post selbst abzuholen. Auch die wenigen Bediensteten, die in der näheren Umgebung zu Hause sind, sprechen nicht über ihre Arbeit, da sie zum Schweigen verpflichtet sind. Selten fährt ein Kraftfahrzeug vor, darunter gelegentlich einmal ein Krankenwagen. Jedoch ist auf dem Gelände der Villa ein Hubschrauberlandeplatz angelegt, der – sehr zur Verwunderung der Talbewohner – relativ oft benutzt wird. Wer jemals – aus welchem Grunde auch immer – der Villa einen Besuch abgestattet hat, könnte berichten, welche Schwierigkeiten damit verbunden sind, dort Einlass zu erhalten. Zuerst muss ein Antrag gestellt werden, der einer sorgfältigen Prüfung unterzogen wird, ob der Antragsteller ein begründetes Interesse an einem Besuch vorweisen kann. Ferner muss er seine Fingerabdrücke abgeben, ohne die sich die Schleuse für ihn nicht öffnet, um in die Rezeption zu gelangen. Aber selbst dann ist den meisten Besuchern der Zugang zu einem Teil des Gebäudes verwehrt, sogar unmöglich, weil ein Teil der Türen und Aufzüge nur mit einem Zulassungscode zu öffnen ist. In der Villa ist die Privatklinik eines bekannten Professors untergebracht, der ansonsten in einer Universitätsklinik forscht und praktiziert. In einem geräumigen Einzelzimmer mit vergitterten Fenstern und zwei schwer bewaffneten Polizeibeamten vor der Tür liegt ein etwa fünfzig Jahre alter Mann, kahlköpfig, mit wässrig blauen Augen, die an die Augen eines schlummernden Löwen, seines Namenpatrons, erinnern; Augen, denen selten etwas entgeht, die immer auf der Lauer liegen und die einen Delinquenten bis auf den Grund seiner Seele durchbohren können. Sein Oberkörper und auch sein linker Arm sind vollständig in Verbände gewickelt. Mehrere medizinische Geräte halten mit ihren Schläuchen Verbindung zu ihm, und ein Tropf flößt eine Flüssigkeit in seinen Arm. Auf seinem Nachttisch häuft sich ein Berg Papiere, die er sich in den nächsten Tagen Blatt für Blatt vorzunehmen vorgenommen hat, nachdem er endlich aus dem Koma erwacht ist und wieder – wenn auch noch eingeschränkt – am Leben teilnehmen kann. Obenauf befindet sich eine Tageszeitung, nach der der Patient mit seinem unbeschädigten Arm greift, um noch einmal einen Blick hineinzuwerfen. In einem Bericht, der rot angestrichen ist, steht zu lesen:
„Wie dem lokalen Polizeibericht zu entnehmen ist, ereignete sich am vergangenen Samstag in einem Nobelhotel im Norden der Stadt ein Zwischenfall, dessen Tathergang noch völlig im Dunklen liegt. In einem Zimmer wurde ein Toter ohne Papiere aufgefunden, dessen Körper von zahlreichen Messerstichen durchbohrt war. Der Tote wurde entdeckt, nachdem Hotelbedienstete einen Schuss vernommen hatten. Offenbar muss der Tote den Schuss auf eine noch unbekannte Person abgegeben und sie auch getroffen haben, denn er hielt eine Pistole in der Hand, als er aufgefunden wurde. Über den Flur und durch das Treppenhaus zog sich eine Blutspur bis hinunter in die Tiefgarage, von wo Helfer die getroffene Person offensichtlich weggeschafft haben, bevor die Polizei eintraf. Die Person hatte dem Polizeibericht zufolge zuvor einen Servicemann des Hotels niedergeschlagen und in eine Kammer gesperrt und ferner einen bewaffneten Sicherheitsmann überwältigt und geknebelt. Von den Eindringlingen, denn es ist davon auszugehen, dass sie keineswegs in friedlicher Absicht das Hotel aufgesucht haben, fehlt jede Spur. Ein Motiv lässt sicht nicht erkennen. Weitere Informationen sind von der Polizei nicht zu erhalten. Der Fall wurde mit einer Nachrichtensperre belegt, was Raum für Spekulationen jeglicher Art zulässt.“
Bei der Lektüre des Zeitungsberichts kann der Patient ein Schmunzeln nicht unterdrücken, obwohl ihm das noch immer schwer fällt. Gerade in diesem Moment öffnet sich Zimmertür, und eine bildhübsche Krankenschwester kommt mit einem fröhlichen Gesicht herein. „Na, wie geht es unserem Patienten?“, fragt sie lächelnd. „Ich sag’s Ihnen, wenn ich wieder auf dem Damm bin, Schwester Renate, versprochen!“ Die Schwester klimperte kokett mit ihren Augenlidern. Sie weiß, wie Männer am besten wieder auf die Beine kommen. „Es ist etwas für Sie abgegeben worden“, lässt sie den Patienten wissen und überreicht ihm ein Päckchen. „Bitte öffnen!“, bittet der Eingewickelte neugierig, und die Krankenschwester überreicht ihm ein Schmuckkästchen, öffnet es und zeigt ihm darin ein aufklappbares Amulett mit dem Foto der ermordeten Inga Büllesbach und einen Brief des Polizeipräsidenten Schütz, der ihm baldige Genesung wünscht und das Herzensanliegen von Ingas Freundin Dorit übermittelt, dieses Amulett zu tragen, damit es ihn schütze und er nie vergesse möge, nach ihrem Mörder zu fahnden und seiner gerechten Strafe zuzuführen, damit Inga nicht umsonst gestorben ist. „Darauf kannst du dich verlassen, Inga“, flüstert der Patient. „Diesen Kerl werde ich jagen, und wenn es bis zu meinem Lebensende sein muss. Jetzt, da er für mich ein Gesicht hat, kann er sich nicht mehr vor mir verbergen, und ich weiß auch, wo ich ihn finden werde. Inga, dein Tod soll nicht nutzlos gewesen sein.“
Die Krankenschwester verlässt singend das Zimmer und winkt ihm von der Tür noch einmal fröhlich zu. Doch sofort danach öffnet sie sich erneut, und Hauptkommissar Höfer vom LKA tritt ein. „Freut mich, Kollege, dass Sie’s überstanden haben, freut mich wirklich …“ Routiniert unterzieht er das Zimmer einer Kontrolle und schaut auch im Bad nach, ob alles seine Ordnung hat. Schließlich verrät er den Grund seines Kommens: „Der Staatssekretär will Sie sprechen …“. Er öffnet die Tür und nickt wortlos jemandem zu. Sogleich betritt der Staatssekretär das Zimmer, in einem langen Mantel und einen Hut tief ins Gesicht gezogen, während Höfer den Raum verlässt. „Guten Tag, Herr Cernik, freut mich aufrichtig, dass Sie überlebt haben und auf dem Wege zu Ihrer Genesung sind. Sie scheinen nicht nur ein hervorragender Ermittler zu sein, sondern auch mit einer zähen Konstitution ausgestattet zu sein. Sie waren ja früher ein bekannter Sportler, wenn ich richtig unterrichtet bin.“ „Danke, Herr Staatssekretär. Ja, ich war als Fußballspieler nicht der Schlechteste.“ „Ich bin heute gekommen, nur um Ihnen eine Frage zu stellen, die aber jetzt die wichtigste für mich ist: Kann ich mit Ihnen rechnen, wenn Sie wieder einsatzfähig sind?“ „Ja, das können Sie! Jetzt erst recht, Herr Staatssekretär, ich kann es gar nicht abwarten.“ Und um zu beweisen, wie ernst es ihm war, versuchte sich der Kommissar mit Unterstützung seines gesundes Arms im Bett hochzustemmen. „Ich habe keine andere Antwort von Ihnen erwartet, Cernik, und ich freue mich über Ihre Bereitschaft. Ich kann und werde jetzt sofort mit den detaillierten Vorbereitungen beginnen. in den nächsten Tagen werde ich Ihnen ein paar Personalunterlagen zukommen lassen, damit Sie sich erste Gedanken über Ihre Einsatztruppe machen können.“ „Vielen Dank, Herr Staatssekretär, dann vergeht die Zeit hier vielleicht ein wenig schneller. Ich denke, für den Anfang sollte die Sonderkommission nicht zu umfangreich werden. Nach dem, was ich erlebt habe, erscheint es mir wichtiger, erst einmal Vertrauen aufzubauen.“ „Damit haben Sie durchaus Recht. Inzwischen konnte auch das Leck im Präsidium in Essen ausfindig gemacht werden, das Ihr Frühstück mit Büllesbach verraten hat. Sie hatte dummerweise bei der Spurensicherung etwas davon verlauten lassen, und diesen Küppers hatten wir eh schon längere Zeit im Visier … Ach, und noch was …“ Der Staatssekretär zieht aus seiner Manteltasche einen Umschlag, entnimmt ihm ein Foto und zeigt es dem Patienten. „Haben Sie den Mann auf dem Foto schon irgendwo einmal gesehen?“ „Wo haben Sie das her?“ „Von der Antiterrorkommission in Holland. Sie haben diesen Mann aus einer Gracht gefischt.“ „Das ist der Bluthund der Hüter, der Mann, der mich ermorden wollte und auf dessen Konto mit Sicherheit auch Ingas Tod geht.“ „Das habe ich mir gedacht. Das ist … war Boris Rogalla. Die Hüter haben ihr Mordwerkzeug geopfert. Sie werden augenscheinlich nervös.“ „Haben die Untersuchungen über seinen Tod etwas zu Tage gefördert?“ „Nein, nichts, und wir werden auch keine Energie darauf verschwenden … Aber um deren Nervosität anzuheizen, wird unsere SOKO Wirtschaftskriminalität die Röhrenwerke und die INTERSTAHL auf den Kopf stellen. Wäre doch gelacht, wenn wir dort nichts fänden.“ „Das wollte ich auch bereits vorschlagen, Herr Staatssekretär. Es gibt wahrscheinlich eine Verbindung der beiden Unternehmen und oder auch deren Führung.“ Sie wechselten noch ein paar Freundlichkeiten, und bald darauf verabschiedet sich der Staatssekretär: „Ich habe noch einen vollen Terminkalender heute. Jetzt überlasse ich Sie voll und ganz Ihrer Genesung. Wie ich gesehen habe, ist Ihnen ja eine besonders nette Krankenschwester zugeteilt worden. Das sollte doch der Gesundung dienen … Sehen Sie zu, dass Sie bald Ihre Arbeit aufnehmen können. Bis bald also.“ „Ich hoffe, bis bald, Herr Staatssekretär.“
Erschöpft fielen Cernik die Augen zu. Er würde noch ein paar Wochen benötigen, bis er wieder so weit hergestellt sein würde, dass die Jagd beginnen konnte. Doch die Bedrohung hatte nun Konturen. Er war zuversichtlich, dass es ihm gelingen würde, das Feuer der Hüter zu löschen und die Köpfe der Organisation zur Strecke zu bringen und ihrer gerechten Strafe zuzuführen, und er war vor allem jetzt bereit, seine Lebensaufgabe anzutreten, koste es, was es wolle, die Aufgabe, auf die er gewartet hatte. Doch ohne Ingas Opfer hätte er diese Entscheidung niemals getroffen.
9. Epilog Begegnung mit der Vergangenheit
Bei einem Besuch meiner fast hundertjährigen Mutter in der beschaulichen St. Josef-Altenresidenz hatte ich ihn das erste Mal im Innenhof der großzügigen Anlage unter einer Linde in seinem Rollstuhl getroffen. Er stand – rein zufällig – nur wenige Meter von dem Liegestuhl entfernt, in dem meine Mutter das schöne Wetter genoss. Meine Mutter macht uns bekannt, weil sie davon überzeugt war, dass er mir Stoff zum Schreiben und Erzählen liefern würde, denn sie hatte sich mit ihm schon des Öfteren unterhalten und wusste ein wenig von seinem Leben. Ich stellte mich ihm vor, wünschte freundlich einen guten Tag und erkundigte mich pflichtschuldigst nach seinem Befinden, denn ohne eine solche Frage kam in der Altenresidenz kein Gespräch in Gang. .
Leo Cernik war zur damaligen Zeit wenig mehr als 80 Jahre alt, von einem Schlaganfall, anderen Krankheiten, darunter Morbus Parkinson, deutlich sichtbar gezeichnet. Als Mensch kam er mir völlig ausgebrannt vor. Aus trüben Augen, die kaum noch sehen konnten, blickte er mich geistesabwesend an, und ich bemerkte bald, dass auch seine Ohren längst nicht mehr alles aufnahmen, was um ihn herum zu hören war. Da ich ihn scheinbar an einem seiner besseren Tage angetroffen hatte, gelangten wir alsbald in ein ergiebiges Gespräch. Nachdem ich erwähnt hatte, mein Brot mehr schlecht denn recht als Schriftsteller zu verdienen, ergriff er meine Hand und flüsterte mir mit brüchiger Stimme zu, sich dabei vorsichtig nach allen Seiten umsehend, so, als ob er fürchte, bei seinem Tun ertappt zu werden: „Ich habe auch mal einen Autor kennen gelernt, der ein Buch über ein Begebenheit schreiben wollte, die uns für kurze Zeit miteinander verband. Klausner heißt er. Vielleicht haben Sie den Namen schon einmal gehört. Leider habe ich den Kontakt zu ihm verloren, weil die Umstände dies erforderten. Deshalb habe ich ihm auch nicht mehr über meine Ermittlungen und das Ende des Falles berichten können, was ihn mit Sicherheit brennend interessiert hätte. Bis heute ist nichts davon an die Öffentlichkeit geraten. Ich denke jedoch, dass ich den Nebel um diese Geschichte inzwischen lüften kann. Hätten Sie Interesse?“ Und ob ich hatte! Welcher Autor ist nicht immer auf der Stoffsuche für neue Geschichten oder Bücher. Exkommissar Cernik begann zu erzählen, stockend und mit zahlreichen Unterbrechungen. Schon nach den ersten Minuten zog mich seine Geschichte völlig in ihren Bann. Schnell kramte ich meinen Notizblock hervor und begann mit meinen Aufzeichnungen. Bald jedoch war er so erschöpft, dass er einschlief.
Sein Pfleger berichtete mir, dass der Alte immer wieder von lichten Momenten heimgesucht würde, oft jedoch völlig abwesend in seine Vergangenheit abtauche. Ich nahm mir vor, ihn zu besuchen, so oft es mir möglich war, so oft, bis er mir seine Geschichte zu Ende erzählt haben würde. Dieses Vorhaben gestaltete sich in den nächsten Wochen recht aufwändig, und ich musste viel Geduld aufbringen, doch kamen wir letztlich Schrittchen für Schrittchen voran. Oft erkannte er mich nicht, viele Details wiederholte er immer wieder. Doch schließlich gelang es mir, die Geschichte seines Kampfes gegen die Hydra der Verblendung und des Machtstrebens, deren Tentakel schneller nachwachsen als sie abgeschlagen werden und die ein jedes demokratische Gemeinwesen ohne Unterlass aussaugt, aus vielen Mosaiksteinchen zu einem Ganzen zusammenfügen, diesen Kampf, dessen Aussicht auf finalen Erfolg gegen Null tendiert, aus dessen scheinbar unabänderlicher Pattsituation jedoch immer wieder neue Hoffnung für die Zukunft erwächst.
Zu meinem tiefsten Bedauern versenkte ihn ein weiterer Schlaganfall in ein friedliches Koma. Die Wahrscheinlichkeit, dass er daraus noch einmal auftauchen wird, ist nach Meinung der Ärzte gering. Kurz zuvor war es ihm – wie auch immer – gelungen, mit einer krakeligen, kaum entzifferbaren Handschrift eine Nachricht für mich zu hinterlassen, mit der Geschichte, die er mir anvertraute, zumindest eine Abrundung erfährt, denn sie verfügt über so viel Gehalt, dass ich sie zu diesem Buch verarbeitet habe, mit dem ich allen Kämpfern gegen rechtsradikale Umtriebe meinen uneingeschränkten Respekt zolle. Auf dem Zettel stand zu lesen: „Nach einigen Jahren harter und oft demotivierender Ermittlungsarbeit, die oft genug nach einem 24 Stunden-Tag verlangte, ist es mir und meinen tüchtigen Mitarbeitern gelungen, die Hüter des Feuers zu entlarven und weitestgehend unschädlich zu machen. Hagen von Saersbeck stellte sich alsbald schon als ihr wahrer Führer heraus, doch konnte ich lange Zeit das Problem nicht lösen, ihm etwas nachzuweisen. Schließlich wurden jedoch die Köpfe der Hüter verhaftet, zumindest die, die sich noch im Lande aufhielten. Aus politischen Gründen und auf Druck der Regierung ist jedoch niemals etwas von ihnen an die Öffentlichkeit gedrungen. Die Regierung wollte nicht wahrhaben, dass in Deutschland solcherlei Organisationen am Werk waren. Die INTERSTAHL geriet kurze Zeit später in Konkurs. Nach dem Tode ihres Mannes wanderte Helene von Saersbeck wieder nach Argentinien aus, wo sie als Musikprofessorin für Cello an der führenden Akademie tätig wurde und gelegentlich selbst wieder auftrat. Nachdem ich in den Ruhestand getreten war, hörte ich von meinen Nachfolger, dass sich eine rechtsradikale Nachfolgeorganisation gebildet hatte, die es nunmehr zu bekämpfen galt. Wann ist ein Ende dieses Unfugs in Sicht …?“
Cernik verstarb wenige Wochen später, ohne das Bewusstsein wieder erlangt zu haben. Mit Fug und Recht ist festzuhalten: Er hat sich um das Vaterland verdient gemacht.
Da werde ich übrigens demnächst einige Ausschreibungen machen, man kommt so ins Net mit seinen KGs, Drabbles, Gedichten, auch eine Witze-Sammlung ist angedacht, möglichst mit selbsterfundenen!
LG
Harald
Liebe Grüße vom
Dichter, Denker- Lenker
Harald
Um ein Ziel zu erreichen ist nicht der letzte Schritt ausschlaggebend, sondern der erste!