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Dieses Thema hat 7 Antworten
und wurde 1.215 mal aufgerufen
 Texte aller Art, Gedichte, Lyrik, Kurzgeschichten, Altbeiträge
Heike-Korfhage Offline



Beiträge: 11

07.01.2011 12:31
RE: canis lupus niger Teil II - Leseprobe Antworten

Hallo, liebe Mit-Jung-Autoren und sonstige möglicherweise Interessierte ,

hiermit würde ich gerne die Gelegenheit nutzen, einen Ausschnitt meines neuen Manuskriptes vorzustellen. Es würde mich freuen, wenn Ihr Lust hättet es zu lesen und eventuell sogar zu kommentieren. Es handelt sich bei der Probe um einen Auszug etwa aus der Mitte eines Fantasy-Romans in mittelalterlichen Setting. Der Protagonist ist mit einer Schar Gefährten zu einer Mission auf dem "Schwarzen Kontinent" unterwegs. Dass er dabei auf gewisse Akzeptanzprobleme bei der Mehrheit seiner Gruppe stößt, ist ja offensichtlich. Die Leseprobe beschreibt die Ankunft in einer großen Hafenstadt. Der Protagonist war vor Jahren schon einmal dort und wird ohnehin von Sorgen abgelenkt. Für die Ritter des Mittländischen Reiches ist es die erste Begegnung mit einer Metropole einer fremden Kultur.

_________________________

Eines Morgens, einige Tage danach, waren sie der Küste so nahe gekommen, dass man sie in ihrer ganzen Schönheit im perlmutterfarbenen Licht des Sonnenaufganges liegen sah: Castasarna, die weiße Stadt. Ausgangspunkt aller Fernstraßen, Beginn fast aller Karawanen über den schwarzen Kontinent, das Tor zu seinem Herzen. So sollte man sie sehen, wenn man sie zum ersten Mal besuchte, mit dem Schimmer des Morgenlichts auf ihren goldenen Kuppeln und weißen Mauern.
Schon wenige Stunden später würde diese größte Stadt und der bedeutendste Handelsplatz am Binnenmeer, die Heimstatt unzähliger Menschen, in der Mittagshitze kochen. Und ihr Gestank würde es unmöglich machen, die Augen für ihre Schönheit zu öffnen. Schweigend und mit vor der Brust verschränkten Armen stand Wanja am Mast und sah der näher kommenden Küste entgegen. Nur mit halbem Ohr hörte er den bewundernden Bemerkungen seiner Reisegefährten zu. Er kannte nicht nur das engelgleiche Gesicht der weißen Stadt, sondern auch ihr schwarzes verdorbenes Herz. Wo durch den Handel mit allen erlaubten und verbotenen Gütern der Welt solche Reichtümer verdient wurden, da gab es auch Menschen, die sich durch Verbrechen einen Anteil daran sichern wollten.
Hier, in dieser Stadt, wollten sie in Erfahrung bringen, wo die Tahar-Nomaden zu finden seien, deren Herrschaftsgebiet sie auf dem Weg nach Ghadamis´ Haus durchqueren mussten, aber nicht ohne deren Erlaubnis durften. Und natürlich wollten sie all das kaufen, was sie für den Weg durch die Wüste brauchen würden.

Der Hafen war schon zu erkennen. In nur einer Stunde würden sie dort sein. Deshalb befahl der König seinen Rittern, ihr Gepäck zusammen zu suchen und die Pferde vorzubereiten.
Die befreiten Rudersklaven standen ergriffen an der Reling. Sie hatten nichts zu packen, denn sie besaßen nichts mehr, als ihr Leben und ihre Freiheit. Doch, wie sie Wanja und seinen Gefährten in den Tagen seit dem Piratenüberfall erzählt hatten, war das mehr, als sie bis vor kurzem zu hoffen gewagt hatten. Mit Wanjas Übersetzung, denn die Sprache der Stadt Vinitessa und die des Riffs wurden auf dem Meer von jedem verstanden, hatten die Ritter und der König des Mittländischen Reiches von ihren Schicksalen erfahren. Manch einer hatte eine Familie und ein Heim, zu denen er zurückkehren konnte. Die anderen hofften, eine Arbeit an Land oder auf einem anderen Schiff zu finden.
In diesen Gesprächen waren auch die Mittländer nach ihren Plänen gefragt worden. Und als sie erzählten, dass sie von der weißen Stadt aus das Riffgebirge durchqueren wollten, ernteten sie besorgte und sogar bestürzte Blicke. Das Riff sei gefährlich, sagten die Seeleute, denn die Nomaden, welche es beherrschten, duldeten keine Fremden in ihrem Gebiet. Es seien gnadenlose Kämpfer, die jede Reisegruppe um einen erheblichen Wegezoll berauben würden, welche nicht stark genug sei, sich dagegen zu wehren.
Unbehaglich hatten die Ritter Wanja danach gefragt, denn das hatte er bis zu diesem Zeitpunkt nicht erwähnt. Doch er hatte nur in aller Ruhe erklärt, die Nomaden sollten sie getrost ihm überlassen.

Überhaupt hatte er auf der ganzen Reise bisher nur so viel mit ihnen gesprochen, wie unbedingt nötig war, umso weniger, je näher sie ihrem Ziel kamen. Irgendwann hatten sie begriffen, dass er keine Gespräche wünschte, und ihn seinen Gedanken überlassen. Es war ja auch keiner begierig darauf, sich mit ihm anzufreunden. Nur der König hatte immer wieder das Gespräch mit ihm gesucht. Doch Wanja blieb stets einsilbig. Zu sehr schmerzte sein Herz vor Sorge um Valeria. Und zu sehr verfluchte er die langsame Reisegeschwindigkeit. Allein wäre er schon längst am Ziel ... zumindest hatte er das bis zum Piratenüberfall gedacht. Dem wäre er allein keinesfalls gewachsen gewesen. Und unentwegt überlegte er, wie sie in den festungsähnlichen Palast von Ghadamis eindringen, wie die beiden Frauen befreien sollten, ohne ihr Leben zu gefährden.

Baron Tarzel und seinen beiden Freunden, dem Baron Marburg und dem jungen Grafen Felden, gefiel es, Wanjas Wortkargheit als Angst zu deuten. Ihr Spott machte es nicht angenehmer, mit den Reisegefährten über das zu sprechen, was sie in der Stadt und der Wüste erwarten würde, und über das, was sie über das Reisen durch diese Gegenden wissen mussten. Dass Wanja in Vinitessa seinen “Freund” nicht angetroffen hatte, von dem er sich doch Unterstützung erwartet hatte, vergrößerte nicht den Respekt, welchen man ihm entgegen brachte, und mit welchem sie seine Ratschläge aufnahmen. Es würde schwer sein, die ungestümen und übermäßig von sich selber überzeugten jungen Ritter in der weißen Stadt vor sich selber zu schützen..
Kurz, bevor die Windbraut in den Hafen einlief, vertraute Wanja diese Sorge dem König an und bat ihn, die jungen Männer fest im Zaum zu halten. König Karl hörte seine Worte aufmerksam an. Dann lächelte er jedoch beruhigend und fragte:
“Macht Ihr Euch nicht zu viele Sorgen, Herr Bajarin? Die drei sind recht sorglos, darin gebe ich Euch recht. Doch sind sie keine kleinen Kinder. Sie werden sich zu helfen wissen, wenn sie in Schwierigkeiten geraten. Wart Ihr nicht in genau demselben Alter, als Ihr Euer Elternhaus verließet, um durch die Welt zu reisen? Und so, wie damals ihr, werden diese jungen Männer durch die Erfahrungen dieser Reise reifen.”
Unzufrieden mit dem Vergleich, brummte Wanja, dazu sei es erforderlich, dass man bereit sei, zu lernen. Auch seien die weiße Stadt und der schwarze Kontinent keine Klosterschule.
“Ja, Ihr habt abermals recht. Doch auch das zu erkennen, ist ein Teil der Lebenstüchtigkeit, die ich von meinen Rittern erwarte. Wenn sie sie bisher noch nicht besaßen, so müssen sie sich nun eben mehr bemühen. Und sind sie dazu nicht in der Lage, sind sie es nicht wert, Ritter genannt zu werden.”
Überrascht blickte Wanja seinem König in das streng gewordene Gesicht. So hart hatte er ihn bisher nicht erlebt. Aber, natürlich, nur durch Güte regierte man ein so großes und vielfältiges Königreich nicht. Es schien, als müsse nicht nur der König ihn, Wanja, sondern auch er seinen König noch besser kennen lernen. Staunend erkannte er, wie sehr sich König Karl seiner Verantwortung bewusst war und mit wie großer Entschlossenheit und Stärke er sie trug.
“Ja, Herr”, sagte er deshalb reumütig. “Ich erkenne zu spät, dass Euch dieses Problem längst bewusst war. Bitte vergebt mir, dass ich es für nötig hielt, Euch darauf aufmerksam zu machen.”
“Ihr tatet, was Ihr für Eure Pflicht hieltet, Herr Bajarin”, entgegnete der König, nun wieder freundlich. “Es gibt keinen Grund, sich dafür zu entschuldigen. So vermessen bin ich nicht, zu glauben, dass ich derartiger Ratschläge nicht bedürfe.”

Er beschattete seine Augen gegen die höher steigende Sonne.
“Bitte sagt mir, was ich dort sehe. Diese beiden Türme zu beiden Seiten der Hafeneinfahrt, wozu dienen sie?”
“Auf ihren Dächern werden des Nachts Signalfeuer entzündet, Herr.” Wanja sah ebenfalls zu den Leuchttürmen hinüber. “Ich erwähnte doch, dass viele Schiffe nachts fahren, aus Angst vor den Piraten. Die Leuchttürme leiten sie sicher in den Hafen.”
“Das ist ja eine ungeheuer nützliche Einrichtung!” König Karl sah die Türme bewundernd an. “Unsere Häfen haben auch Laternen, welche die Einfahrten bei Nebel und Dunkelheit kenntlich machen. Aber ein solches Feuer ist natürlich etwas anderes. Jetzt verstehe ich, was Herr Taranas meinte, als er sagte, die Seefahrer beklagten sich über das schwache Leuchtfeuer des Hafens von Harburg. Vielleicht sollten auch wir solche Türme bauen lassen.”
“Soweit ich weiß, besteht im Hafen von Harburg eher das Problem, dass sich das Fahrwasser der Alba-Mündung ständig verlagert”, murmelte Wanja, in den Anblick der zahllosen Schiffe versunken. “Eine so enge felsige Einfahrt wie hier gibt es dort nicht.” Des Königs beeindrucktes Schweigen veranlasste ihn, hinzuzufügen: “Zumindest habe ich mir das erzählen lassen.”
“Offensichtlich!” König Karl schüttelte verwundert den Kopf. “Ich staune, was Ihr Euch alles merkt, um es dann bei Gelegenheit plötzlich zur Verfügung zu haben. Nur aus Neugier: Wie würdet Ihr das Problem der sich verlagernden Fahrrinnen lösen?”
Wanja zuckte mit den Schultern. “Darüber habe ich noch nie richtig nachgedacht. Grundsätzlich kann man mit einem Problem zu leben versuchen, es beseitigen, oder ihm aus dem Weg gehen. Heißt es nicht so?
Wie also könnte man damit leben? Nun, ein Leuchtfeuer wäre sicher die richtige Lösung. Aber es müsste mit dem Fahrwasser verändert werden können. Vielleicht mit kleinen beleuchteten Booten? Aber die Lichter müssten vor dem Wasser geschützt sein.
Könnte man das Problem beseitigen? Das wäre sehr schwierig. Die Fahrrinne müsste befestigt werden. Ich weiß nicht, ob Ihr den Küstenschutz der Flammländer kennt. Diese Leute verstehen etwas davon, wie man Wasser bändigt. Aber diese Sandmassen, die der Fluss mit sich bringt? Ich weiß nicht, ob es möglich ist, die zu beherrschen. Auf jeden Fall wäre es sehr, sehr schwierig.
Und wie könnte man dem Problem aus dem Weg gehen? Indem man den Hafen verlegt, vielleicht, irgendwohin flussaufwärts, wo die Alba immer in einem gleichmäßig tiefen Bett bleibt. Aber es bliebe immer noch das Problem, dorthin zu kommen. Und es würde alle diejenigen ärgern, die von Handel und Seefahrt leben, weil der Weg zwischen Hafen und Stadt länger würde. Also wäre vielleicht die Sache mit den beleuchteten Booten der einfachste Weg. Ich weiß es nicht ...”
Er sah weiter auf den Hafen und gab vor, nicht die Verwunderung des Königs zu bemerken. Die Windbraut war schon zwischen den Leuchttürmen hindurch geglitten. Kapitän Dorella stand am Bug und beobachtete scharf den Kurs seines Schiffes. Hin und wieder rief er dem Steuermann einen Befehl zu. Schließlich erreichte die Windbraut einen Liegeplatz und der Kapitän ließ die Segel einholen. Zwei Seeleute sprangen an Land, um das Schiff zu vertäuen.
Dann mussten die Pferde an Land gebracht werden. In Vinitessa hatte man sie vom niedriger gelegenen Kai über einen Steg ins Schiff führen können. Doch hier mussten sie mit einem Kran aus dem Leib des Schiffes heraus gehoben werden.
Manch eines der Tiere begann zu toben, wenn es mit einer Tuchbahn unter dem Leib in die Höhe gehoben werden sollte und musste mit vielen Seilen gefesselt werden, damit es sich nicht verletzen konnte.
Wanjas Hengst bleib als einziges Tier völlig ruhig, denn sein Herr saß auf seinem Rücken und sprach ihm beruhigend zu. Zwar legte das Tier die Ohren unwillig an und grunzte empört, als das Tuch es aufhob, aber es ließ den Flug durch die Luft mit gespreizten Beinen und lang gestrecktem Hals widerstandslos über sich ergehen. Wieder auf dem Boden angelangt, schüttelte es sich und stolzierte von dem ausgebreiteten Tuch herunter. Liebevoll strich Wanja ihm über den Hals. Auch mit seinen beiden anderen Pferden verfuhr er auf diese Weise, wenn sie auch nicht so ruhig blieben, wie sein Streitross.
Die anderen Ritter hatten diese Vorführung bewundernd verfolgt und mehrere von ihnen lobten den Gehorsam der Wolfsburger Pferde. Davon überrascht dankte Wanja ihnen, bevor er sattelte.

Schließlich waren alle Pferde und alles Gepäck an Land. Der herbeigeeilte Gehilfe des Hafenmeisters musste mit enttäuschtem Gesicht und beinahe leeren Händen wieder gehen, denn wertvolle Güter gab es hier nicht zu besteuern.
Herzlich verabschiedeten sich die Ritter aus dem Mittländischen Reich sodann vom Kapitän und der Mannschaft der Windbraut. Kapitän Dorella bot an, zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder die weiße Stadt anlaufen und auf seine vornehmen Fahrgäste warten zu wollen. Doch ließ der König ihm durch Wanja danken und ausrichten, man wisse noch nicht, wie lange die Mission dauern würde, auf der sie seien. Und demnach sei es völlig ausgeschlossen, schon jetzt Pläne für die Rückreise zu schmieden.

Dann bestiegen die Ritter und ihr König ihre Pferde, welche froh waren, wieder festen Boden unter den Hufen zu haben. Sie folgten Wanja zu einem Anwesen am Rande der Stadt, welches er eine Karawanserei nannte. Dort wollten sie Unterkunft für ihre Tiere und sich selber finden, um am Abend auf dem Markt, die Dinge einzukaufen, die sie brauchen würden.
Doch die Karawanserei war überfüllt. Die Torwachen hätten sie wohl noch eingelassen. Jedoch ließ die Vielzahl der Tiere, welche sich bereits jetzt im Hof drängten, weil sie in den Pferchen keinen Platz mehr gefunden hatten, sie von ihrem Vorhaben Abstand nehmen. Das Gebrüll der unzähligen Tiere, der Staub und der Gestank waren unerträglich.
Am Tage zuvor seien gleich zwei große Karawanen eingetroffen, erzählte der behäbige Wirt strahlend, mit dem Wanja über eine Unterkunft sprach, und am Tage davor auch schon. In allen Kammern und Sälen, ja, selbst entlang der Hausmauern auf dem Hof schliefen die Reisenden dicht gedrängt.

Als er Wanjas enttäuschtes Gesicht sah, lächelte der Wirt spöttisch und fragte:
“Warum versucht ihr nicht, in der Niederlassung der Nordleute einen Schlafplatz zu finden? Die halten sich zwar für etwas Besseres, aber vielleicht machen sie ja eine Ausnahme für euch. Immerhin habt ihr ja die gleiche blasse Haut und die gleichen farblosen Augen, wie sie.”
“Nordleute?” Wanja horchte auf. “Haben die denn jetzt eine feste Niederlassung in Castasarna?”
“Oh, ja, Mittländer. Seit zwei Jahren schon. Auch liegt zur Zeit kein Nordland-Schiff im Hafen. Gewiss haben sie für euch wenigen Reiter Platz in ihrer großen Niederlassung. Sie liegt dort draußen auf dem Silidon-Hügel.” Der Mann gluckste, als hätte er einen guten Witz erzählt. “Ihr könnt sie ja um ihre Gastfreundschaft bitten, wenn sie euch zu Wort kommen lassen, und euch nicht gleich erschlagen, sobald ihr an ihre Tür geklopft habt. Sie sind nämlich mit ihren langen Schwertern schnell bei der Hand.”
“Das ist ja endlich einmal eine gute Nachricht!” Froh sah sich Wanja nach seinen Gefährten um. Sein Gesicht verdüsterte sich kurz, als er die jungen Ritter ihre Nasen rümpfen sah. Doch ermahnte er sich, geduldig zu bleiben. Die jungen Leute würden sich an noch ganz andere Dinge gewöhnen müssen, ehe diese Fahrt zu Ende war.
Mit wenigen Worten berichtete er, was er erfahren hatte. Der König schlug erleichtert vor, sogleich diese Niederlassung aufzusuchen. Das unübersehbare Gedränge der Handelsstadt beunruhigte ihn. Anders als den meisten seiner Ritter, war ihm die ständig unterschwellig vorhandene Gefahr durchaus bewusst.

Noch einmal mussten die Gefährten die Stadt durchqueren, deren Häuser aus der Nähe und in der Tageshitze betrachtet bei Weitem nicht mehr so weiß aussahen. In den ärmeren Stadtvierteln fiel der Putz in großen Platten von den Wänden und der Unrat zog von unten in die Mauern. Schwärme von Fliegen folgten jedem ihrer Schritte, ebenso wie die Horden unerträglich bettelnder Kinder. Mehrmals musste König Karl seine Ritter mahnen, keine Gewalt gegen diese zu richten.
Endlich standen sie vor dem gesuchten Anwesen. Es war auf einem der felsigen Hügel erbaut, welche sich rings um die Stadt erhoben. Das ursprünglich kleine Fischerdorf war aus seiner geschützten Lage im Tal in die Breite gewachsen und hatte die umliegenden Hügel überwuchert. Dort hatten die Reichen und Mächtigen der weißen Stadt ihre Wohnsitze. Und hier war die weiße Stadt wirklich weiß, und die Häuser, deren frisch gekalkten Hauswände ständig von einer sanften Brise umspielt wurden, waren in ihrem Inneren angenehm kühl.
Die hohe und wehrhafte Mauer um die Niederlassung wurde von nur einem einzigen Tor unterbrochen. Davor lungerten vier dunkelhäutige Söldner herum. Als die Reisegesellschaft aus dem Mittländischen Reich näher kam, erhoben sich die Männer langsam und misstrauisch.
“Was wollt ihr?”, fragte einer von ihnen grob. König Karl sah Wanja fragend an, der ihm übersetzte.
“Wir sind eine Schar Ritter aus dem Mittländischen Reich und bitten um Obdach für eine Nacht. Die Karawanserei ist überfüllt”, ließ er ihn dann antworten.
“Dies ist keine Herberge”, knurrte der Söldner. “Die Herren dieses Hauses wünschen nicht, in ihren Mauern von Fremden belästigt zu werden.”
“Wir sind keine Fremden”, antwortete Wanja. “Geh´ zu deinem Herrn, Wachmann, und sage ihm, dass Wanja Bajarin vor seiner Tür steht und Obdach begehrt.”

Die Blicke der Wachleute blieben misstrauisch, doch nickte einer von ihnen und verschwand durch das schwere eisenbeschlagene Tor. Schon nach sehr kurzer Zeit kam er in Begleitung eines großen, bärtigen und blondhaarigen Nordländers zurück. Wanja lächelte froh. Endlich hatten sie auch einmal Glück: Diesen Mann kannte er. Freundlich fragte er deshalb:
“Hast du schon ausgeschlafen, Einar Bjarnason? Oder habe wir dich aus deinem Bett geholt?”
Der groß gewachsene junge Mann strahlte.
“Wahrhaftig, da ist dieser verrückte Ostling! Was machst du denn hier in Castasarna, Mann?”
Wanja sprang vom Pferd und tauschte mit dem Nordmann eine Umarmung.
“Das ist eine lange Geschichte, Einar”, erklärte er, zur mittländischen Sprache zurückkehrend, damit seine Gefährten ihn verstehen konnten. Er wusste, dass sie dem Nordmann geläufig war.
“Können wir heute bei euch übernachten? Ich erzähle dir dann alles.”
“Natürlich wohnt ihr hier! Kommt erst mal rein. Hier draußen wird man ja gebraten.”
Der Nordmann befahl den Wachen, das Tor ganz zu öffnen, und die Ritterschar konnte endlich in den schattigen Hof reiten. Erleichtert saßen die Männer ab.

________________________

So, das war´s erst einmal. Bin gespannt, wie es Euch gefallen hat.

[ Editiert von Heike-Korfhage am 07.01.11 12:38 ]

Harald-H Offline




Beiträge: 5.232

10.01.2011 14:19
#2 RE: canis lupus niger Teil II - Leseprobe Antworten

Hallo Heike,

ich weiß, wie es ist, wenn man etwas einstellt und n iemand sich dazu äußert ...

Fantasy ist nun mal nicht mein Ding, ich habe das mal überlesen, ist sehr mittelalterlastig, das könnte auch gut und gerne als mittelaltrlicher Reisebericht durchgehen.

Ich gehe mal davon aus, dass im Laufe der Geschichte etwas mehr geschehen wird, eventuell sind dann noch einige deiner ausführlichen Erklärungen und Umschreibungen nötig, in diesem Part erscheint mir einiges zu ausführlich.

Und, wie gesagt, ein wenig Handlung, die Ahnung, was passierte, was passieren wird, das wäre auch schon mal hilfreich.

LG

Harald

Liebe Grüße vom

Dichter, Denker - Lenker

Harald

Um ein Ziel zu erreichen ist nicht der letzte Schritt ausschlaggebend, sondern der erste!

Heike-Korfhage Offline



Beiträge: 11

11.01.2011 00:53
#3 RE: canis lupus niger Teil II - Leseprobe Antworten

Hallo, Harald,

Danke schön für Dein Statement. Fantasy ist das Ding von vielen Leuten nicht. Auch mein Mann liest "sowas" nicht. Ich kann damit leben. Deine Tipps finde ich interessant und überdenkenswert.

In der Folge zieht die Spannung tatsächlich noch deutlich an, Das ganze Ding hat einen Umfang von rund 140.000 Wörtern.

Liebe Grüße
Heike

[ Editiert von Heike-Korfhage am 12.01.11 19:49 ]

Gast ( gelöscht )
Beiträge:

11.01.2011 08:54
#4 RE: canis lupus niger Teil II - Leseprobe Antworten

Hallo Heike,

ein kleiner Tipp: Am Anfang muß mehr passieren. Denk daran, daß Du einen Leser von Anfang an in den Bann ziehen willst. Nur so erzeugst Du Interesse und Lust zum Weiterlesen. Die Aussage, daß später der Spannungsbogen anzieht, hilft nicht. Dann hat der Leser vermutlich schon abgeschaltet und die Geschichte zur Seite gelegt.

Miss Rainstar Offline




Beiträge: 1.967

11.01.2011 12:51
#5 RE: canis lupus niger Teil II - Leseprobe Antworten

ich lese ja sehr gern fantasy und schreibe es auch...wenn ich ein buch kaufen will, schlage ich die erstn und die ltzen seiten auf und lese dort. und wenn auf diesen seiten nicht viel passiert, lege ich das buch meist wieder weg...

...
Der Weg der Drachen - mein Roman

www.die-perlenzwerge.net

- mein Wunsch-einfach mal klicken und guggen!

Heike-Korfhage Offline



Beiträge: 11

11.01.2011 15:47
#6 RE: canis lupus niger Teil II - Leseprobe Antworten

Hallo, Danke für den Tipp mit der Spannung. Ich habe das hoffentlich einigermaßen hingekriegt. Der gezeigte Ausschnitt ist ja aus dem Mittelteil des Buches und enthält tatsächlich wenig Aufregendes. ich hatte ihn ausgewählt, weil ich dachte, Atmosphäre und Lebensart in der "weißen Stadt" ganz gut eingefangen zu haben, vor allem im Kontrast zu den eher eingleisig orientierten Rittern des Mittländischen Reiches.

Vor allem nach einem entsprechenden Hinweis eines Beta-Lesers habe ich aber auch noch nachträglich einen Prolog geschrieben, um den zentralen Konflikt der Geschichte (Wanja Bajarin gegen den Zauberer Ghadamis, die Kontrahenten des ersten Bandes) an den Anfang des Buches zu holen. Wärt Ihr daran interessiert, dass ich das mal hier poste? Oder einen der actonlastigeren Ausschnitte?

Nicht dass das jemandem zu aufdringlich wird ...

Arminus Offline



Beiträge: 403

12.01.2011 03:06
#7 RE: canis lupus niger Teil II - Leseprobe Antworten

Lesern, denen dies zuviel wird, sei empfohlen, an anderer Stelle zu lesen!

Wer hier schreibt sucht Anregungen, Hilfe, Feedback, auch Anerkennung!

Daher, Schreiben, Lesen, Kommentieren, das sollten die Hauptkriterien sein!

LG

Harald

Liebe Grüße von Harald

Heike-Korfhage Offline



Beiträge: 11

12.01.2011 13:19
#8 RE: canis lupus niger Teil II - Leseprobe Antworten

Na dann verstehe ich das doch mal als ein zustimmendes "Mach mal!"

Also hier der Prolog :

Der alte Mann starrte in das kristallene Becken, dessen Inhalt von einem Tropfen einer äußerst seltenen und schwer zu beschaffenden Tinktur milchig weiß verfärbt war. Wie durch einen Nebel sah er, was in der Zukunft auf ihn warten würde.
Doch was er sah, befriedigte ihn nicht. Hatte er die kostbare Tinktur und ein erhebliches Maß an magischer Kraft vergeudet, um einen kleinen schwarzen Stein zu betrachten? Er hatte in Erfahrung bringen wollen, ob sich seine Pläne endlich erfüllen würden!
Seit Jahren bereitete er den Boden vor, und nun war vor wenigen Monaten endlich die Saat aufgegangen. Der Befehl war ausgeprochen worden, der den Zigeuner in sein Verderben führen würde. Es musste und würde gelingen! Dieser Barbar aus Amudaria würde nicht gegen einen Kundigen der alten Weisheiten und Künste bestehen können, vor allem deshalb, weil er damals seine einzige wirksame Waffe so bereitwillig fortgeworfen hatte. Der Narr war jung und töricht genug gewesen, um sich durch ein schönes Weib ablenken zu lassen.

Doch schon einmal war er sich ganz sicher gewesen, am Ziel zu sein. Er hatte das Vertrauen des Königs besessen, die Achtung der Fürsten und die Furcht des Volkes. Die Frau und alles andere, das er begehrte, waren schon beinahe sein gewesen. Und dann ...
Der alte Mann ballte zornig seine sehnigen Fäuste. Tief unten im Berg knirschte und stöhnte das Gestein als Antwort auf die Wut seines Herrn. Hunderte von Sklaven duckten sich furchtsam in den unzähligen Gängen, Sälen, Kammern und Verliesen, und auch die rot gewandeten Krieger welche hinter ihm standen und seine Befehle erwarteten, erstarrten mit aufgerissenen Augen. Doch ihr Herr hatte sich bereits wieder in der Gewalt. Der Zigeuner musste aus dem Weg, dann wäre alles Andere ein Kinderspiel und er würde dort wieder anknüpfen können, wo er aufgehalten worden war.
Verächtlich stieß der Zauberer das Kristallbecken um, so dass es am Boden in tausend Splitter zersprang und sich die weißliche Flüssigkeit zischend und dampfend auf dem Steinboden ausbreitete. Ohne sich umzusehen verließ er den einstmals schönen Saal, während die rot gewandeten Krieger hastig der beängstigenden Lache auszuweichen versuchten.

Das Bild dieses Steinchens war ein unsinniges Rätsel, mit dessen Auflösung er seine Zeit nicht vergeuden konnte. Manchmal schlugen auch die zuverlässigsten Zauber fehl. Er konnte keine Zeit und Kraft opfern, um einem Rätsel nachzuspüren. Er konnte auch keine Zeit und Kraft opfern, um auf magische Weise nach Hohenstein zu reisen. Der Weg war weit, und Zeit und Kraft wurden knapp. Er würde heute auf gewöhnlichen Wegen reisen müssen. Doch wenn er Erfolg hatte, dann brauchte er nicht wieder in dieses sterbende Land zurückzukehren.

Kapitel eins

Dies war ein für den Juni erstaunlich heißer Tag. Eine Grille saß schon geraume Zeit auf dem großen Stein und putzte ihre Flügel. Der Amsel, die sie vom Ast einer großen Eiche begehrlich anstarrte, verhieß sie einen vollen Magen. Doch würde es erforderlich sein, eine weite Strecke zu fliegen, bis man sie fressen konnte. Das Insekt würde sie sehen und sich rechtzeitig in Sicherheit bringen. Plötzlich machte die Grille einen Satz und verschwand im hohen Gras. Die Huftritte eines Pferdes hatten sie verscheucht. Empört schimpfte die Amsel und flüchtete ebenfalls. Der Reiter des Pferdes hielt sein Tier an und las, was auf dem Stein geschrieben stand:

Wolfsburg
Zur Burg 18 Meilen

“Noch achtzehn Meilen”, dachte der Reiter ärgerlich. “Das schafft der Gaul nicht mehr ohne Pause.” Er nahm seine Kappe ab und fuhr sich mit allen Fingern durch das schweißfeuchte blonde Haar. Dabei ließ er seinen Blick über die Landschaft schweifen. Er würde wohl noch einmal rasten müssen.

Bis Päse 2 Meilen

stand unter dem Hinweis auf die Burg. Das immerhin war ermutigend. Der Reiter trieb sein müdes Pferd wieder an.
Ein aufmerksamer Beobachter hätte bemerken können, dass die Landschaft jenseits des Steines anders aussah, als diesseits. Die Blätter der Rüben auf den Feldern waren größer und fleischiger. Das Getreide stand wesentlich höher und auch die Wiesen waren grün, statt braun. An den Obstbäumen hingen noch viel mehr von den unreifen Früchten, als anderenorts. Nur wenige waren infolge der Trockenheit herab gefallen.
Der Reiter war eigentlich ein aufmerksamer Beobachter, aber in diesem Augenblick waren seine Gedanken mit dem seltsamen Auftrag beschäftigt, der ihn hierher geführt hatte. Im Zusammenhang mit dem, was man über dieses Lehen und seinen neuen Grafen alles erzählte, verursachte er ihm ein beträchtliches Unbehagen. Doch war Unbehagen kein Grund, einen Auftrag des Königs zu verweigern.
Graf Bajarin hatte das Lehen Wolfsburg erhalten, nachdem dessen vorheriger Inhaber seinen Lehens- und Treueschwur gebrochen hatte und gegen den König ungehorsam geworden war. Monatelang hatte der König damals die Burg belagert, ohne die Aussicht, sie bald erobern zu können. Dann war da dieser Unbekannte aufgetaucht und hatte den Krieg in weniger als zwei Tagen beendet. Er hatte nämlich vorgeschlagen, mit den Kriegsmaschinen nicht Steine, sondern brennende Ölschläuche in die Burg schleudern zu lassen und so den Grafen zur Aufgabe zu zwingen. Doch hatte der damalige Graf nicht aufgeben wollen und sogar, was noch heute für jederman unverständlich war, den Herold des Königs niederschießen lassen. Und so war die Burg bis auf die Grundmauern nieder gebrannt worden. Niemand hatte diesen Angriff damals vor zweieinhalb Jahren überlebt. Der Reiter schauderte in der Erinnerung an das grausame Ende des Grafen Siegmund und seiner Familie.
Gleich nach dem Fall der Burg war die vornehme Dame Valeria Escarenza, die Herzogin des Landes Tarazona, welche sich mit der Königin im Feldlager aufgehalten hatte, von fliegenden Ungeheuern entführt worden. Der Fremde war hinter den Entführern her gejagt, noch ehe die Ritter des Königs auch nur ihre Pferde satteln konnten. Als sie dann die Verfolgung aufnahmen, hatten sie weder vom Fremden, noch von den Ungeheuern eine Spur finden können. Man hatte die Dame Valeria schon verloren gegeben. Doch dann kehrte sie nach fast drei Monaten unversehrt in der Begleitung des Fremden zurück und berichtete unglaubliche Dinge, die sie erlebt haben wollte.
Es war damals viel darüber gerätselt worden, wie der Fremde, kaum mehr als ein gewöhnlicher Landstreicher, den Ungeheuern auf der Spur hatte bleiben können, da es so viele und ruhmreiche Ritter nicht vermocht hatten. Manche glaubten gar, dass er mit den Ungeheuern verbündet gewesen sein könnte.
Doch unbeirrt von derartigen Vermutungen beauftragte der König diesen Fremden mit der Verwaltung des verwaisten Lehens Wolfsburg. Wenig später schlug er ihn sogar zum Ritter und ernannte ihn zum Grafen des Lehens, obwohl der Mann öffentlich bekannt hatte, Hexerei und Zauberei zu beherrschen und sich ihrer bedient zu haben. Und der König gewährte dem Mann aus dem fernen Amudaria die Hand der Dame Valeria - gegen den Willen ihres Vaters, der sie bereits dem Grafen Ghadamis versprochen hatte.
Die Dame musste wohl von dem Fremden verhext worden sein, denn sie willigte nicht nur in diese Verbindung ein, sondern verzichtete auch auf das Herzogtum Tarazona, welches von der Familie ihrer Mutter an sie gegangen war, zugunsten ihres Vaters und seiner Erben. Das ging über alles hinaus, was eine Dame des Hochadels aus Dankbarkeit für einen Landstreicher, einen Zigeuner, wie ihn manche sogar nannten, tun würde.
Seitdem waren zwei Jahre vergangen und man hatte während der ganzen Zeit nichts weiter aus Wolfsburg gehört. Lediglich die Königin, deren Kusine die Dame Valeria war, hatte das Lehen gelegentlich besucht, und die Dame war in die Reichshauptstadt auf die Burg Hohenstein gekommen, um die Königin zu besuchen. Die Zofen der beiden Damen hatten Manches berichtet, das so verwunderlich und sonderbar war, dass man nicht wusste, ob man es glauben durfte. In jedem Falle hatte es den Gerüchten über den Grafen von Wolfsburg reichlich neue Nahrung verschafft.
Die Steuern waren pünktlich bezahlt worden, das schon. Auch die Staatsschulden an den König hatte Graf Bajarin beglichen, in einem Betrag und in Gold, gleich nach der Hochzeit. Auch das war eine seltsame Geschichte: Man sagte, dass sich in der neuen Burg unglaubliche Reichtümer häufen sollten. Woher konnte ein Mann, der das Lehen praktisch mit leeren Taschen betreten hatte, so viel Geld haben? Zwar hatte er bei seiner Ernennung dem König einen feierlichen Eid geschworen, niemals mehr Zauberei zu betreiben, aber mit rechten Dingen konnte das doch alles nicht zugegangen sein!

Die Häusergruppe die der Reiter nun dort in der Ferne erblickte, musste wohl Päse sein. Ein kleines Dorf nur, aber da es an diesem Abschnitt der Heerstraße eines von nur wenigen war, besaß es dennoch ein Gasthaus.
“Ja, Herr”, sagten die Kinder, welche er fragte. “Zum Ochsen heißt es. Es ist gleich da vorne.”
Der Mann nickte ihnen dankend zu und ritt weiter. Diese Kinder hatten in seinen Augen ganz normal ausgesehen, dachte er erleichtert. Allerdings waren sie etwas besser genährt und gekleidet, als andere, die er gesehen hatte.
Neben dem kleinen Gasthaus stand ein Wassertrog im Schatten einer mächtigen Kastanie. Der Reiter band sein Pferd dort an und trat ein. Sauber gescheuerte Tische und Bänke erwarteten ihn in der angenehm kühlen Stube. Doch keine Menschenseele war zu sehen. Er musste zweimal laut rufen, bis ein Weib im mittleren Alter herbeigeeilt kam.
“Verzeiht bitte, Herr”, rief sie. Ich war gerade am Teigkneten und habe Euch nicht gleich gehört. Mein Mann ist mit den Knechten auf den Feldern unseres Herrn Grafen zum Frondienst. Ich bin hier ganz allein mit der Wirtschaft. Was kann ich denn für Euch tun, bitte?”
“Gib mir Bier, wenn du welches hast. Und Brot und Käse.”
“Sofort, Herr! Wir haben gutes kaltes Bier. Ich hole Euch gleich einen Krug aus dem Brunnen.”
Der Reiter stutzte.
“Ihr habt einen Bierbrunnen?”
Die Frau starrte ihn mit offenem Mund an.
“Was?” Dann lachte sie. “Aber nein, Herr! Wir legen die gefüllten und verschlossenen Krüge in den Brunnen, damit sie kühl bleiben.”
Sie eilte hinaus und kam gleich darauf mit dem Gewünschten wieder. “Bitte schön, der Herr! Mein Junge hat Eurem Pferd auch etwas Heu vorgelegt. Es sieht aus, als hätte es einen langen Weg hinter sich.”
Die Frau schien zum Plaudern aufgelegt. Das war gut! Dann würde sie dem Reiter vielleicht manches Wissenswerte erzählen.


[u]Und hier einer der actionlastigeren Ausschnitte:[/u]
(Protagonist Bajarin ist mit dem von ihm wenig geschätzten Ritter Tarzel und einem einheimischen Stammesfürsten in die feindliche Festung eingedrungen, um den Antagonisten unschädlich zu machen)

Aufatmend kauerten die drei Männer einen Augenblick nieder, um auszuruhen.

„Was nun?“, hauchte Fürst Mihal. „Wohin müssen wir uns jetzt wenden?“
„Wir müssen nach seinen Gemächern“, flüsterte Wanja ebenso leise zurück, den Namen des Feindes meidend, um dessen Aufmerksamkeit nicht zu wecken. „Nach Raisuns Schilderungen müssten die im dritten Stockwerk von oben sein. Die Treppe ist irgendwo westlich von hier.“ Ohne es sehen zu müssen, wusste Wanja, dass Tarzels Gesicht größten Zweifel ausdrückte. Warum hatte der Bengel in Castasarna bloß nicht zugehört?
„Und die Verliese?“
„Ganz unten im Berg, noch unter der Erdoberfläche.“
Wanja hörte den Tahar ärgerlich knurren.
„Was ist mit ...?“
„Schläft“, antwortete er schnell.
„Bist du sicher?“
„Ja!“ Wanja sah Fürst Mihal im Dunklen zufrieden nicken.
„Gut! Und Wachen? Flugdämonen?“
„Die nächste Wache ist erst hinter der übernächsten Wand. Es ist nur ein einzelner Mann. Die Takklamatyr schlafen ebenfalls.“ Er schnitt eine Grimasse. „Ja, ich bin sicher. Ich spüre keinen einzigen wachen Geist eines von ihnen.“
Mihal grunzte zufrieden.
„Ich gehe voraus. Mein Weg ist der weiteste.“
„Ihr wollt Euch doch nicht blind auf diese Behauptungen Bajarins verlassen?“, zischte Tarzel ungläubig. Mihal ließ im Dunkel seine Zähne weiß aufblitzen, als er lautlos lachte.
„Weißt du, was uns jenseits dieser Wände erwartet?“, fragte er.
„Natürlich nicht! Was für eine dumme Fr...!“
„Nun, er schon. Und soviel ich weiß heißt es in Mittland und insbesondere für dich immer noch Herr Bajarin. Also sei still, Junge, und tue, was dir gesagt wird!“
Tarzel fuhr empört zurück, doch Wanja brachte beide mit einem energischen Zischen zum Schweigen. Es war alles gesagt worden, was nötig war. Nun war Stille geboten. Er hatte im angrenzenden Raum ein Geräusch gehört, ein erschreckend vertrautes ledernes Rascheln.
„Still!“, hauchte er vorsichtshalber noch einmal. „Ich gehe zuerst.“ Er sah die beiden anderen Männer noch einmal streng an und erhob sich dann langsam und lautlos.
„Warum du?“, hörte er Mihal fragen, doch antwortete er nicht darauf. Die Tür zum ersten Raum war nicht verschlossen. Warum nur? Vorsichtig drückte er sie auf. Der Raum schien leer zu sein, abgesehen von diesem üblen Geruch, welcher in der Luft hing wie ein fauliger Schwamm. Angeekelt versuchte Wanja möglichst flach zu atmen. Doch da war nicht nur dieser Geruch, der ihm das Gefühl von Bedrängnis verursachte, ... da war auch plötzlich der Eindruck, von zahlreichen Wesen belauert zu werden... Unvermittelt sah Wanja in die Höhe. Dutzende Augenpaare schienen ihn von oben herab anzustarren. Dort oben waren Ghadamis´ Takklamatyr und schienen sich auf ihn stürzen zu wollen. Er musste sie mit dem Öffnen der Tür geweckt haben.
Zwar wusste Wanja, dass die Wesen bei Dunkelheit vollständig blind waren und dass sie nicht einen Meter weit fliegen würden. Doch wusste er ebenso, dass sie gar nicht zu fliegen brauchten, sondern sich nur auf ihn fallen lassen und auf diese Weise festhalten mussten, bis Hilfe kam. Dazu brauchten sie nicht sehen zu können, ihr schieres Gewicht würde ihn zu Boden zwingen. Es fehlte nur noch jemand, der ihnen den Befehl dazu gab.
Doch noch war ihm die Verwendung magischer Mittel nicht wieder verboten. Wanja zwang sich, ruhig und gleichmässig zu atmen. Er legte seine beiden Hände an die Felswand hinter sich und sammelte seine Gedanken. Das nur sehr schwache Echo überraschte ihn. Noch vor wenigen Tagen war die Kraft bereitwilliger in ihn geströmt. Doch nach seiner Sorge in der Höhle war er dankbar, dass er überhaupt etwas bekam. Er brauchte ja auch nicht viel für das, was er vorhatte.
Als er behutsam nach den Auren der Takklamatyr tastete, erschreckte ihn, was er dort vorfand. Die Wesen waren bei seiner Berührung vor Angst erstarrt. Sie kannten diese Art der Einflussnahme und fürchteten sie mehr als den Tod. Wie anders, als auf diesem Wege konnte Ghadamis die schlichten Gemüter dieser Kreaturen auch seinem Willen unterworfen, ihnen Befehle gegeben und sie sogar auf goße Entfernungen bestraft haben? Nach dem Ausmaß ihrer Furcht musste er mit seiner Macht wie mit einem Messer in ihren Köpfen herumgefuhrwerkt haben. Ungläubig erkannte Wanja die Versehrtheit dieser Kreaturen, ihre entsetzliche Angst vor Fehlern, vor Versagen, vor Ghadamis´ Zorn. Mitleid erfüllte Wanjas Herz, verwandelte sich jedoch schnell in Wut über Ghadamis´ maßlose Grausamkeit. So durfte man mit keinem Lebewesen umspringen! Er biss die Zähne aufeinander und versuchte seine Beherrschung zurückzugewinnen. Dann, als ihm das annähernd gelungen war, besänftigte er die Takklamatyr und versprach, ihnen nichts zu tun. Er würde sie von ihrem brutalen Herrn befreien, falls es ihm irgend möglich war.
„Wer im Namen des Allmächtigen, ...“
„Still, Mihal!“ Wanja flüsterte es über seine Schulter. „Dies ist die Wohnung der Takklamatyr. Und sie sind aufgewacht.“
„Was?“ Er hörte, dass Mihal seinen Säbel zog, darum streckte er seine Hand aus und hielt den Arm des Tahar fest.
„Sie sind uns jetzt nicht gefährlich. Es ist dunkel und weiter als bis hier dringen sie nicht ins Innere der Festung ein. Wenn wir diesen Raum hinter uns gelassen haben, ...“
„Wir müssen auch wieder zurück ins Freie. Warum die Bestien nicht jetzt unschädlich machen, da sie hilflos sind?“
„Diese Wesen sind unschuldige Opfer von Ghadamis, ebenso wie seine menschlichen Sklaven. Wenn er tot ist, sind sie nicht mehr unsere Feinde.“
Mihal knurrte ärgerlich, aber schon halb besänftigt: „Seit wann nehmt ihr Mittländer denn so viel Rücksicht auf eure Feinde?“
„Das ist einer der Grundsätze der mittländischen Religion, mein Freund. Außerdem stamme ich aus Amudaria, wie du weißt.“
Vorsichtig setzte Wanja seinen Weg durch den großen Raum fort.
„Kommt Ihr, Herr Tarzel?“ Der junge Mann stand noch immer in der Tür nach draußen. Man sah nur die Umrisse seines Körpers im Mondlicht.
„Da ist etwas über uns, oben an der Decke!“
„Ja, ich weiß. Die Takklamatyr. Aber sie sind keine Gefahr für uns. Kommt jetzt!“ Er hatte nicht bedacht, dass der junge Ritter seine Worte an Mihal nicht gehört haben könnte.
„Die ... diese Flugungeheuer?“
„Ja doch. Kommt Ihr nun, oder wollt Ihr hierbleiben bis die Sonne aufgeht?“
„Ich ... ja! Nein!“ Nach einem weiteren kurzen Zögern näherte sich Tarzel mit tastenden Schritten. Es quatschte unter seinem Fuß und er stöhnte entsetzt auf. „Oh nein, ich bin in ... in ...“
„Takklamatyrkacke getreten? Gütiger Gott! Na und? Eilt Euch und benehmt Euch nicht wie ein Mädchen!“ Ärgerlich wandte sich Wanja wieder der inneren Tür zu und versuchte zu lauschen, ohne auf Mihals leises Lachen zu achten. Zu hören war nichts, aber der menschliche Wächter im Gang vor der Tür war auf andere Weise wahrnehmbar.

„Eine Wache!“, flüsterte Wanja. „Rechts von der Tür. Er ist müde und lehnt an der Wand. Bisher hat er uns noch nicht bemerkt. Wir müssen ihn überrumpeln, ehe er Alarm schlagen kann. Mihal? Packst du ihn? Ich öffne die Tür.“
„Wieso nicht ich?“ Das war genau das, was sie jetzt brauchten: Ein übereifriger trotziger Hitzkopf.
„Weil Eure Rüstung genug Lärm macht, um die ganze Festung aufzuwecken. Mihal bewegt sich dagegen völlig lautlos. Auf drei? Eins ... zwei ...“, Wanja riss die Tür weit auf und Mihal warf sich sofort auf den hochfahrenden Wächter. Ehe der auch nur einen einzigen Laut ausstoßen konnte, hatte der Tahar ihm schon die Linke auf den Mund gepresst und ihm mit der Rechten das Messer ins Herz gestoßen. Sobald der Tote sich nicht mehr regte, ließ er ihn sacht zu Boden sinken.
„Das war viel zu leicht!“
„Werd´ nicht übermütig“, mahnte Wanja. „Dies ist kein Spaziergang.“
„Was denn sonst?“ Mihal grinste. „Komm, lass uns weitergehen, ehe du mich mit deinen Sorgen ansteckst. In welche Richtung müssen wir?“
„Westlich habe ich gesagt. Das ist rechts von hier aus gesehen.“ Wanja hielt Mihal am Ärmel fest. „Und sei vorsichtig, Nomade! Je weiter wir kommen, ehe wir entdeckt werden, ...“
„Ich weiß, wo Westen ist. Ich bin ein Tahar. “ Mihal riss sich los. Er war sichtlich beleidigt, doch wurde er nun wenigstens ein bisschen ernster.

Hintereinander schlichen die Männer den von eisernen Leuchten spärlich erhellten Gang entlang. Dies musste einer der vornehmeren Teile des Palastes sein. Die Wände waren mit Friesen und Bildern geschmückt, deren Farbe jedoch inzwischen abblätterte.
An mehreren Türen auf beiden Seiten kamen sie vorbei, doch ließen sie die unbeachtet, da Wanja feststellen konnte, dass sich hinter ihnen niemand aufhielt. Schließlich konnten sie die große Treppe sehen, an der sie sich trennen mussten. Breit und mächtig schwang sie sich nach oben und unten.
Doch vor der Treppe befand sich noch ein Hindernis. Einer von Ghadamis´ roten Kriegern stand im Gang vor einer Tür. Er starrte müde mit halb geschlossenen Augen vor sich hin. „Ich nehme ihn“, flüsterte Wanja und stürzte schon los. Bis der Wächter ihn bemerkte, hatte er ihn schon erreicht, presste ihm wie zuvor Mihal dem anderen Mann, eine Hand auf den Mund und stieß ihm sein Messer ins Herz. Auch dieser Krieger starb fast lautlos. Wanja ließ ihn leise zu Boden gleiten und lauschte. Hinter der Tür waren Männerstimmen vernehmbar, mindestens noch vier oder fünf. Er warnte seine beiden Gefährten mit dem Finger auf den Lippen, keinen Laut von sich zu geben. Mihal nickte, doch plötzlich ging die Tür auf und die Ereignisse überstürzten sich.
Ein weiterer Krieger trat heraus. Er sah seinen Kameraden am Boden liegen und stieß einen Warnruf aus. Aufblickend sah er die Eindringlinge. Seinen Säbel konnte er nicht mehr ziehen, denn Wanjas Messer traf ihn zuvor in den Leib. Nun hätte man die Tür vor den heranstürmenden anderen Männern zuschlagen und womöglich verriegeln können. Und auch wenn das nicht gelungen wäre, wären die Krieger, welche nur einzeln durch die Tür herauskommen konnten, einer nach dem anderen leicht zu besiegen gewesen. Doch Baron Tarzel zog sein Schwert und drang mit einem Schrei in die Wachstube ein.
Dieser Idiot! Mit einem Aufstöhnen zog auch Wanja sein Schwert und folgte ihm, ebenso wie Fürst Mihal. Es waren mehr als fünf Männer in dem Raum, ... acht sogar, und das folgende Gefecht war hart. Tarzel wurde von seinem Kettenhemd geschützt, sonst wäre er schon in den ersten Augenblicken gefallen. Wanja und Mihal wüteten unter den Roten wie Dämonen. Ihre Klingen wirbelten wie Blitze von einem Gegner zum Nächsten, ihre wehenden Mäntel verwischten die Konturen ihrer Glieder und Leiber, so dass sie selber kaum zu treffen waren. Es war ihre Schnelligkeit, die sie am Ende siegen ließ. Schwer atmend sah Wanja sich um. Keiner der Roten stand mehr, doch zwei von ihnen regten sich noch. Ehe er ihn daran hindern konnte, tötete Mihal jedoch die Schwerverletzten mit entschlossenen Stichen seines Säbels.
„Mihal!“, empörte Wanja sich. „Das wäre nicht nötig gewesen. Sie waren doch keine Gefahr mehr. “
„Was?“ Der Tahar funkelte ihn ärgerlich an. „Wolltest du sie etwa schonen?“ Er spie aus. „Dreckige Dämonenanbeter! Sie hätten Schlimmeres verdient! Bist du verletzt?“
„Nichts Ernstes. Nur ein paar Kratzer. Du?“
„Ein Stich in den Arm. Nicht so schlimm.“
Beide sahen Tarzel an, der unter ihren Blicken zu schrumpfen schien. Sein schlechtes Gewissen stand ihm auf die Stirn geschrieben.
„Ich ... es tut mir leid, ich ... war ... „
„Ja, das wart Ihr.“ Wanja knurrte ärgerlich. „Ihr wart voreilig und unbedacht und hättet leicht unser aller Tod verschulden können.“ Er sah, dass der junge Mann seine Hand auf ein blutiges Loch in seinem Kettenhemd presste und deutete darauf. „Wie schwer ist Eure Verletzung?“
„Nicht allzu sehr, glaube ich.“ Zögernd nahm Tarzel seine Linke von seinem Leib und ließ Wanja nachsehen. Ein direkter Säbelstich hätte das Kettenhemd gewiss weiter durchdrungen. Doch war der Stich wohl abgelenkt worden, hatte nur wenige Glieder des Geflechts auseinander gerissen und einen handspannenlangen Schnitt über Tarzels Rippen gezogen. Taktvoll übersah Wanja das die Hände des jungen Ritters zitterten.
„Die Wunde ist nicht lebensgefährlich, Baron, auch wenn sie Euch Schmerzen bereitet. Lasst sie bluten, damit kein Schmutz darin bleibt, dann wird sie sich mit etwas Glück auch nicht entzünden. Und beherrscht Euch nächstes Mal, wenn wir auf feindliche Krieger stoßen. Es schadet nicht, wenn man erst denkt und dann zuschlägt.“ Trotz seiner verständnisvollen Worte klang seine Stimme kalt und abweisend.
„Er ist jung und hat einen Fehler gemacht, Bajarin.“ Mihal schnitt vom Gewand eines der roten Krieger einen Streifen Stoff ab, den er um seinen Arm wickelte, und dessen Knoten er dann mit den Zähnen zuzog. „Und das hätte jedem in seiner Lage passieren können. Ich denke, er hat daraus gelernt. Lass uns jetzt weitergehen, ehe die restlichen Krieger des Dämons uns in diesem Loch stellen.“
„Ja, du hast recht. Wir müssen hier weg. Was auch immer Ghadamis bisher dran gehindert haben mag, uns zu bemerken, ... jetzt ist es bedeutungslos geworden. Ich spüre seine Aufmerksamkeit auf mir. Er weiß, dass wir in seinem Haus sind und warum. Deshalb wird er alles tun, um uns aufzuhalten. Wir müssen nicht nur mit seinen Männern rechnen, sondern auch damit, dass er uns eine Falle stellt oder mit Zauberei angreift.“
Wanja säuberte sein Schwert am Mantel eines der Toten, steckte es wieder ein und ging zur Tür. Vorsichtig spähte er hinaus. „Im Augenblick ist niemand zu sehen und zu hören. Wirst du dieser Treppe wie geplant abwärts zu den Verliesen folgen, Mihal? Dann trennen sich jetzt unsere Wege. Tarzel und ich müssen so schnell wie möglich nach oben und Ghadamis finden. Je mehr Zeit wir ihm lassen, sich vorzubereiten, desto schwerer wird es für uns.“
Fürst Mihal verschränkte seine Arme und dachte nach. „Nein“, sagte er dann entschlossen. „Ich gehe zunächst mit euch. Wenn ihr scheitert, komme auch ich nicht mehr aus dieser Festung heraus. Ich habe ihre Größe und die Anzahl von Ghadamis´ Kriegern unterschätzt. Selbst wenn ich Erfolg hätte und Murawi fände, hätte ich doch keine Aussicht darauf, mit einem geschwächten Gefangenen zu entkommen.“
Wanja nahm diese Entscheidung mit einem Kopfnicken zur Kenntnis und verließ den Wachraum ohne ein weiteres Wort als Erster. Er lief zur Treppe und folgte nach einem prüfenden Blick hinauf und hinunter eilig den Stufen nach oben. Die beiden Gefährten folgten ihm. An den beiden nächsten Stockwerk führte er sie ohne Zögern vorbei. Ghadamis befand sich weiter oben und Krieger konnte er auch keine wahrnehmen. Für die Schönheit des Bauwerkes hatte er keinen Blick mehr. Allein das Verlangen, endlich mit Ghadamis abzurechnen, erfüllte ihn.

Dann hatten sie das richtige Stockwerk erreicht, Wanja spürte es ganz deutlich. Er verließ die Treppe und ging auf eine große zweiflügelige Tür zu. Aber seine Schritte wurden langsamer und schließlich hielt er ganz an. Mihal und Tarzel traten neben ihn.
„Was ist?“, fragte der Tahar leise.
„Sie sind hier drinnen, Ghadamis und eine Menge seiner Krieger. Sie erwarten uns. Ich bin mir nicht sicher, ob es nicht eine Falle ist.“
„Dann lass es uns herausfinden“, erwiderte Mihal unternehmungslustig. „Komm schon!“
Auch Tarzel fasste sein Schwert fester, aber Wanja zögerte. Es gab nichts Dümmeres, als sehenden Auges in eine Falle zu laufen. Andererseits: Welche Möglichkeit hatten sie sonst?
„Es sind fünfzehn Männer oder mehr, Mihal. Ich kann es nicht genau sagen. Wir werden sehr schnell sein müssen. Der Saal ist nicht sehr groß. Diese Tür befindet sich in der Mitte seiner Stirnseite. Er erstreckt sich etwa zwanzig Schritte von der Tür fort. Auf beiden Seiten stehen Reihen von Säulen ... und dahinter verbergen sich die roten Krieger. Ghadamis ist am anderen Ende des Saales, ... irgendwo weiter oben, auf einer Empore oder ...“
„Gut. Auf drei?“
Wanja nickte.
„Eins, zwei, ...“ Mihal stieß die Türflügel mit einem Fußtritt auf und stürmte voran. Wanja und Tarzel folgten ihm mit gezogenen Waffen. Dem ersten gefällten Feind entriss Mihal dessen Säbel und kämpfte nun mit zwei Waffen. Wanja hielt sich nicht mit so etwas auf. Wie immer, wenn Wenige gegen viele Feinde kämpften, brauchte er nicht zu überlegen, wen er angreifen musste oder wen nicht. Er kämpfte gegen Männer in roten Gewändern. Seine Klinge hielt eine blutige Ernte, glitt und stieß durch Stoff, Fleisch, Knochen und Rüstungsteile ohne Unterschied, hielt nur gelegentlich an, um den Hieb eines Gegners an sich entlang und von Wanja fort gleiten zu lassen, und dann ansatzlos ihren Tanz des Todes weiterzuführen. Es schien, als flöge sie von selber von einem Feind zum nächsten und als brauche Wanja ihr nur zu folgen. Nach wenigen Augenblicken war der Boden schlüpfrig vom Blut und die Luft erfüllt von einem erstickenden, ekelhaft nassen Dunst. Auch Tarzel schlug sich beachtlich. Sein langes Schwert und seine große Reichweite hielten Wanja und Mihal den Rücken frei. Trotz der zuerst großen Überzahl begannen Ghadamis´rote Krieger allmählich zurückzuweichen, was ihnen von Mihal verächtliche Spottrufe bescherte. Aus großer Höhe erklang Ghadamis zornige Stimme, der seine Männer zu größerer Anstrengung anspornte und sie aufforderte, die Spieße einzusetzen.

[ Editiert von Heike-Korfhage am 12.01.11 14:56 ]

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