Nicht gehaltene Rede auf dem Kongress zur Heilung von Homosexualität
Liebe Mitstreiter, meine Rede wird euch befremden und erzürnen. Ich bitte euch trotzdem um Aufmerksamkeit. Früher war ich jemand, der die Homosexualität strikt ablehnte. Homosexuelle fand ich unnatürlich und krank. Ich investierte viel Zeit um Therapien gegen dieses Leiden zu entwickeln. Eines Tages stieß ich auf einen therapiewilligen Homosexuellen, den ich dann unter meine Fittiche nahm. Ich bot die ganze Bandbreite meines Könnens auf – Monatelang bemühte ich mich um ihn. Schließlich war meiner Therapie auch Erfolg beschieden. Der Mann wurde wirklich heterosexuell. Und brannte dann mit meiner Frau durch. Dieses Erlebnis öffnete mir die Augen. Ich hatte mein bisheriges Leben im Wahn verbracht. Ich halte die Schwulen immer noch für unnatürlich und krank. Aber meine Meinung über uns – ich zähle mich noch zu der Gemeinschaft – hat sich massiv geändert. Wir sind noch unnatürlicher und kränker als die Homos. Anstatt froh zu sein, dass sie unserem Bereich fernbleiben, wollen wir sie als Konkurrenz heranzüchten. So dumm ist kein Tier; im Tierreich ist Homophobie unbekannt. So dumm ist nur der kranke Mensch. Die gesunden Menschen beschäftigen sich mit ihrer eigenen Sexualität, während wir manisch auf die Sexualität anderer Menschen starren. Und gegen unsere Interessen arbeiten. Wenn ich mich hier so umschaue, dann kann ich wohl in aller Nüchternheit feststellen, und das ohne jemand zu nahe treten zu wollen: Realistisch betrachtet sind wir nicht das beste Angebot, das auf dem Markt ist. Mitstreiter, wir müssen umdenken. Anstatt Schwule zu kurieren, müssten wir eigentlich Methoden entwickeln um mehr Männer schwul zu machen. Wenn wir schon heilen wollen, dann sollten wir uns auf Lesben konzentrieren. Das eben Gesagte bezog sich auf die Heterosexuellen unter uns. Für die uns angehörenden Homosexuellen gilt ähnliches: Wollt ihr denn wirklich potenzielle Geschlechtspartner ins andere Lager treiben? Es ist höchste Zeit ein positives Bild der Homosexualität zu entwerfen und zu propagieren. Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Rede eines menschlichen Zooinsassen zu seinem Publikum herauf
Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher, dieser erste Satz bereitete mir beim Aussprechen Unbehagen. Es ist nicht so, dass ich Ihnen die Ehre erweisen will. Ich bin, wie ich noch darlegen werde, ehrlos. Als Ehrloser habe ich mich vom Ehrbarkeitsgetue verabschiedet. Als liebe Gemeinde oder so wollte ich sie aber auch nicht ansprechen. Lieb seid ihr mir nicht. Auch nicht teuer oder wert. Ich musste irgendwie beginnen und habe es auf diese Weise getan. Betrachten sie die Begrüßung als hohle Phrase. Ihr werdet noch Wissen welch zähes Ringen meiner Selbstausstellung vorausging. Man witterte einen Verstoß gegen die Menschenwürde. Meine Zurschaustellung widerspreche in eklatanter Weise der Würde des Menschen wurde mir gesagt, oder vielmehr geschrieen. Nun, Menschenwürde ist eine Allzweckwaffe gegen etwas, was einem nicht gefällt. Es ist schwer vernünftig über Würde zu reden, weil sie so schwammig ist. Ehre ist das Ansehen das man bei anderen Menschen genießt, Selbstachtung ist das Ansehen, dass man sich selbst zubilligt. Die Würde ergibt sich aus beiden. Würde ist ein Auftrag andere Personen respektvoll zu behandeln. Ich betone: andere Personen. Wenn Jemand seine Würde verletzt sieht in den Sachen die ich mir antue, dann kann ich dem Jemand nur zurufen: Werde erst einmal Individuum und lege dir deine eigene Würde zu. Wenn diese dann angetastet wird, dann hast du ein Recht zu schreien. Aber rege dich nicht auf über das, was andere mit ihrer eigenen Würde anstellen. Das geht dich nichts an. Seine eigene Würde kann man meiner Meinung nach nicht verletzen. Zumindest nicht mit Taten, die man in nüchternem Bewusstsein ausführt. Auch dann, wenn meine Meinung falsch sein sollte und es somit möglich ist seine Würde zu verletzen, so geht es nur den Betreffenden an. Niemand hat das Recht jemandem seine Autowürdeverletzung zu untersagen. Ich benötige keine Aufpasser, die mich vor mir selbst beschützen. Nun, ich habe meine Ausstellung nach langen Kämpfen durchgesetzt. Ich mache mich ganz bewusst zum totalen Objekt, was bedeutet, dass ich mich für ein ehrloses Leben entschieden habe. Jemand, dem man beim Scheißen zusehen kann und den man ungestraft verhöhnen kann, dem billigt man keine Ehre zu.
Ihr kommt zu mir um mal die Drecksau anzuschauen, wie ich schon öfters aus euren Mündern gehört habe. Ihr gebt euch nicht die Mühe die Verachtung, die ihr für mich hegt, vor mir geheim zu halten oder auch nur in schicklichere Worte zu kleiden. Ihr beleidigt mich und fragt mich dann mit vorwurfsvoller Stimme ob ich denn kein Schamgefühl hätte. Ich glaube eurer Anstandshuberei in diesem Fall nicht. Ihr alle freut euch, wenn andere bloßgestellt werden. Zumindest dann, wenn es die in euren Augen richtigen Anderen trifft. Einige von euch stellen heimlich gemachte Bilder, die Menschen in peinlichen Situationen zeigen, ins Internet. Ihr kauft Schmierblättchen in der Hoffnung etwas Peinliches über Promis zu erfahren, und haltet damit das Paparazziunwesen am Laufen. Ihr seid nicht gegen Bloßstellung, ihr seid gegen die freiwillige Bloßstellung. Ich gelte euch als Spielverderber. Indem ich mich in jeder Hinsicht nackig mache, kann mir nichts mehr entrissen werden. Ich rüste mich indem ich mich ausziehe. So könnte man meine Selbstausstellung auch als Notwehrakt interpretieren. Auch gegen den Staat. Es könnte sein, dass ich mich gegen die zunehmende Überwachung mit Schamlosigkeit zur Wehr setze. Sie sehen, ich weiß auch nicht so genau um meine Motive. Es ist natürlich auch möglich, dass es sich bei mir um einen Objektifizierungsfetischisten handelt. Die Notwehrtheorie gefällt mir besser. Überwachungskameras werden im öffentlichen Raum installiert, bald wird man nicht mehr das Haus verlassen können ohne dass man gefilmt wird. Ich bin kein Freund von halben Sachen. Wenn schon Überwachung, dann richtig: Lückenlos in räumlicher und zeitlicher Hinsicht. Ich habe durchgesetzt, dass das Menschengehege rund um die Uhr besucht werden kann. Auch habe ich mehrere Überwachungskameras installieren lassen, die die Vorgänge im Gehege rund um die Uhr aufzeichnen. Die Aufzeichnungen des jeweils letzten Tages können sie sich in Endlosschleife auf den zwölf Bildschirmen, die vor dem Gehege stehen, anschauen. Auf den Bildschirmen laufen jeweils zwei Stunden des Tages. Die Datenträger werden sorgfältig archiviert und können, sollte jemand den Wunsch haben die Geschehnisse eines länger zurückliegenden Zeitraums anzusehen, auf einem separaten Gerät abgespielt werden. Ich defäkiere öffentlich. Ich onaniere öffentlich, ich ficke öffentlich. Dankenswerterweise haben sich einige Pornodarstellerinnen bereit gefunden mit mir den Koitus und andere freudemachende Sachen zu vollziehen. Es stört mich nicht im Geringsten, dass sie dies in Sachen Eigenwerbung getan haben. Ich habe nichts gegen den Kapitalismus. Alles kann vermarktet werden. Diese Frauen vermarkten ihren Körper und ich meine Intimität. Ich habe kein Geheimnis. Die Untersuchungsergebnisse meiner vergangenen ärztlichen Untersuchungen können sie in einem vor meinem Gehege befindlichen Schaukasten einsehen. Ebenso können sie Videos von meinen Darm- Magen-Blasen- Sondenuntersuchungen auf einem danebenstehenden Fernsehapparat sehen. Jeder Hohlraum meines Körpers wird visuell nach außen gestülpt. Die Tagebuchaufzeichnungen meiner Gedanken, die ich täglich anfertige, befinden sich ebenfalls im Schaukasten. Ich würde diese gerne an einen Lügendetektor angeschlossen aufzeichnen, aber dieses tägliche Elektrodenaufkleben ist mir lästig. Glauben sie mir einfach, dass alles, was ich schreibe, authentisch ist. Vielleicht bringt ja die zukünftige technische Entwicklung ein Gerät hervor, das die Hirnströme automatisch in Worte übersetzt und dann verkündet. Dieses Gerät würde ich benutzen. Vor euch steht ein bloßgelegtes Tier, ein Homo sapiens sapiens. Die Bezeichnung sollte man nicht so wichtig nehmen, stammt sie doch von dem Bezeichneten selbst. Ehrender wäre es, wenn eine andere Tierart dem Menschen diese Bezeichnung gegeben hätte. Aber was solls, die Menschheit hält eben sehr viel auf ihren Verstand. Von mir aus hätte man Namensmäßig beim Homo erectus stehen bleiben können; damit stünde heute wahrscheinlich ein homo erectus erectus vor euch. Das hätte doch was. Ich gerate wieder ins Schwafeln, und werde deshalb an dieser Stelle meinen Vortrag beenden.