Die Verwahrlosung der Schriftsprache Deutsch in Internetforen
Dass die Bindestrichphilie selbst auf öffentliche Einrichtungen und Kaufhäuser übergegriffen hat, in denen man neben Stretchhosen auch Strick-Westen kaufen kann, ist ja bereits unlängst ein treuer und zugleich verwirrender Begleiter unseres Alltags geworden. Das heillose Chaos, welches die Rechtschreibreform in unserer Sprache angerichtet hat, begründet oder rechtfertigt allerdings nicht gewisse Fehler, die mit der Reform überhaupt nicht in Zusammenhang stehen. So werden plausibel oder stabil plötzlich mit ie geschrieben, das Niveau verkommt zur Hautcreme und aus Komplimenten werden Komplemente, aus Dilettanten ein Gemüse und die Toleranz, nunja... von der Tollkirsche scheint auch so mancher Forenschreiber genossen zu haben. Wo sonst ein Bindestrich zuviel ist, werden plötzlich Hauptwörter auseinandergeschrieben. Der Spiel Platz, der Wetter Umschwung, der Konrad Adenauer Platz. Nein, mit der neuen Rechtschreibung kann man sich da nicht herausreden, ebenso wenig mit einer schnellen Schreibweise. Im Gegenteil, erschreckende Unkenntnis und Gleichgültigkeit sind Schuld, dass Texte in der Öffentlichkeit immer mehr zu einem Gedankenaufsatz verkommen, sozusagen das ungeordnete Kopfgebräu ohne Nachzudenken in ein Forum gerotzt wird. Die unsägliche Penetranz, Kommata falsch zu setzen, schießt den Vogel ab und ermutigt kaum, längere, an sich interessante Beiträge durchzulesen. Als Beispiel, wie der letzte Satz fälschlich geschrieben erscheint: Die unsägliche Penetranz Komma, falsch, zu setzen schießt, den Vogel ab sozusagen das ungeordnete, Kopfgebräu..... Ein weiteres Problem stellen das und dass dar. Dass das dass mit einem Doppel-s geschrieben wird, scheint vielen nicht bewusst zu sein. Da heißt es dann, "kann sein das ich da falsch liege" oder "Dass Thermometer fällt", meist noch mit fehlender Kommasetzung garniert. Auch die Platzhalter - gemeinhin Leerzeichen genannt - werden oft falsch angebracht. So kommt nämlich nach einem Wort erst der Punkt, und dann das Leerzeichen. Neben derartigen Fehlern fällt auch häufig das falsche Zitieren negativ auf. Ich möchte die klassischsten Fehler kurz chronologisch auflisten: 1. Die Quellenangabe fehlt völlig! -- Hierdurch erscheint der zitierte Text wie vom Forenuser selbst formuliert. Der Copyright-Schutz wird grob verletzt. Im Internet kann so etwas abgemahnt werden, horrende Geldstrafen sind die Folge.
2. Die Quellenangabe ist ungenau! -- Gerade bei umfangereicheren Webseiten, aber auch Zeitungsberichten sind Angaben wie "Der Spiegel" oder "www.google.de" eher unzureichend, da es oftmals eine durchaus langwierige, selbstständige Suche nach dem Artikel erfordert. Bis auf wenige Webseiten mit beschränktem Zugang für die Öffentlichkeit oder streng geschütztem Material sind vollständige Linkangaben aber (fast) immer möglich.
3. Der zitierte Text ist zu wenig vom eigenen Kommentar unterscheidbar! -- Hier wird gerade beim Zitieren eines vorherigen Beitrags kein Absatz zwischen Zitat und Antwort gelassen, sodass man beim ersten Durchlesen gar nicht weiß, was nun zitiert und was nun kommentiert wird.
4. Es wird zuviel zitiert! -- Viele Kommentatoren machen sich leider nicht die Mühe, nur das zu zitieren, was auch kommentiert wird, sondern zitieren die komplette Antwort, um dann - besonders grauslich - mitten im Zitat ein Sätzchen hinzuschreiben, oder schreiben unter zwei Seiten Zitat ein oder zwei Zeilen Antwort. Da kann einem wirklich die Lust vergehen, Beiträge von diesem Schreiber überhaupt noch anzuklicken.
Eine Beachtung der aufgezählten Punkte würde schon viel zur Seriösität und Übersichtlichkeit beim Zitieren hineinbringen. Wo ich gerade das Stichwort Übersichtlichkeit erwähne - es werden einfach zu wenig Absätze gemacht. Ein wirklich lesbarer Artikel, der mehr als eine Seite umfasst, lässt sich gerade dann gut lesen und wird auch bevorzugt angeklickt und ganz durchgelesen, wenn er in mehrere Abschnitte unterteilt ist. Viele Menschen haben gerade am Bildschirm die Schwierigkeit, längere Texte zu lesen. Gründe dafür sind ganz banale körperliche Folgen wie trockene und gereizte Augen, Schwindel- oder Kreislaufprobleme vom langen Sitzen, aber auch der psychologische Faktor sollte beim Erstellen umfangreicher Artikel nicht vernachlässigt werden: Tendenziell werden lange, schlecht gegliederte Texte aus reiner Ungeduld wegen dem mühsamen Durchlesen schnell weggeklickt. Der Leser mag zwei Arten von Beiträgen besonders nicht: einmal Beiträge, die nur einen Link enthalten - und das andere Mal Beiträge ohne Absätze. Ersteres erfordert ein weiteres Fenster, das bei Vielsurfern irgendwann die Schmerzgrenze überschreitet, wenn zehn oder zwölf Fenster offen sind. Erfahrungsgemäß klickt zwei Drittel einer Leserschaft nicht auf den im Beitrag enthaltenen Link, was sich leicht anhand von Webseitenstatistiken nachweisen lässt. Letzteres führt dazu, dass längere Beiträge, die freilich mit viel Mühe und Liebe zum Detail erstellt wurden, nur überflogen werden und entweder gar keine Antwort oder nur einen unbefriedigenden Kurzkommentar erhalten.
Noch ein kleiner Hinweis --- es gibt in Word eine Option, die Rechtschreibung überprüfen zu lassen. Einige Schreiber reden sich gerne damit heraus, Legastheniker zu sein und daher so ein mieses Schriftdeutsch zu schreiben. Da halte ich dagegen und sage: Wer selbst Artikel verfasst, ob auf seiner Webseite oder in Foren, und der weiß, dass er an einer Rechtschreibschwäche leidet, der ist dankbar für so eine Option und benutzt sie auch.
Insgesamt zeigt sich in den letzten Jahren eine zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber korrektem Schriftdeutsch, sowohl die Grammatik als auch die Rechtsschreibung betreffend. Es scheint so, als sei dem Schreiber egal, ob seine Texte lesbar sind, ob sie einem größeren Leserkreis zugänglich sind und vor allem, als ob der Leser unendlich viel Zeit und Geduld hätte, sich durch unsägliche Grammatikminen zu wühlen. Bei allem Unfug, den die neue Rechtschreibreform verursacht haben mag, aber die aufgezählten Punkte sind selten Flüchtigkeitsfehler, sondern basieren auf einer erschreckenden Unfähigkeit, die deutsche (Schrift)sprache wenigstens auch nur in Grundsätzen zu beherrschen und - vor allem - beherrschen zu wollen.
Hallo Felios, in vielem gebe ich Dir Recht, nur in einem Punkt regt sich der Widerspruch:
ZitatInsgesamt zeigt sich in den letzten Jahren eine zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber korrektem Schriftdeutsch, sowohl die Grammatik als auch die Rechtsschreibung betreffend.
Es ist bei Einigen eher Unsicherheit. Was gilt denn nun für eine Rechtschreibung? Ich ertappe mich immer wieder, dass ich beim Lesen der Tageszeitung über Worte stolpere, die sich für mich mittelalten Menschen komisch lesen. Diese sinnlose Reform der Rechtschreibung, die sich nur einer immer größeren Rechtschreib- und Grammatikschwächer der Schüler beugt, anstelle die Ausbildung zu verbessern, die hat gewaltige Flurschäden angerichtet.
Wobei vieles, was heute falsch geschrieben wird, was ich anspreche, gar nicht von der Reform tangiert wurde. Das ist für mich auch ein Widerspruch, kein Wider Spruch.