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Dieses Thema hat 18 Antworten
und wurde 3.012 mal aufgerufen
 Texte aller Art, Gedichte, Lyrik, Kurzgeschichten, Altbeiträge
Seiten 1 | 2
Harald-H Offline




Beiträge: 5.232

07.01.2011 22:24
#16 RE: Der Traum Antworten

J.W.v.G war/ist bekannt für seine excellente Metrik, insbesondere bei Sonetten wird dies immer wieder hervorgehoben.

Dessenungeachtet war er aber auch ein Freund des freien Verses, aber wenn gereimte Gedichte, die eine Metrik vorausstzen, dann Metrik total, ohne wenn und aber!

Die Dichtkunst dabei ist es ja, nach zig Änderungen, Wortverschiebereien, suchen nach neuen Wörtern ein Gedichr dort stehen zu haben, das sich liest, als hätte der Ersteller es grade mal aus dem Ärmel geschüttelt!

***

Leicht, locker, zweideutig dies >>

April

Augen, sagt mir, sagt, was sagt ihr?
Denn ihr fragt was gar zu Schönes?
Gar des lieblichsten Getönes;
Und in gleichem Sinne fragt ihr.

Doch ich glaub' euch zu erfassen:
Hinter dieser Augen Klarheit
Ruht ein Herz in Lieb' und Wahrheit,
Jetzt sich selber überlassen,

Dem es wohl behagen müßte,
Unter so viel stumpfen, blinden,
Endlich einen Blick zu finden,
Der es auch zu schätzen wüßte.

Und indem ich diese Chiffern
Mich versenke zu studieren,
Laßt euch ebenfalls verführen,
Meine Blicke zu entziffern!

von Johann Wolfgang von Goethe

(ein Gedicht, durchgängig im Trockäus (..X...x..) geschrieben, jede Zeile 4 Trochäen

***

Und nun ein Sonett, das Sonett über das Sonett schlechthin!


Das Sonett

Sich in erneutem Kunstgebrauch zu üben,
Ist heil'ge Pflicht, die wir dir auferlegen:
Du kannst dich auch, wie wir, bestimmt bewegen
Nach Tritt und Schritt, wie es dir vorgeschrieben.

Denn eben die Beschränkung läßt sich lieben,
Wenn sich die Geister gar gewaltig regen;
Und wie sie sich denn auch gebärden mögen,
Das Werk zuletzt ist doch vollendet blieben.

So möchte' ich selbst in künstlichen Sonetten,
In sprachgewandter Maße kühnem Stolze,
Das Beste, was Gefühl mir gäbe, reimen;

Nur weiß ich hier mich nicht bequem zu betten,
Ich schneide sonst so gern aus ganzem Holze,
Und müßte nun doch auch mitunter leimen.

von Johann Wolfgang von Goethe


Lest es betont durch, setzt (im Geist)..x...X... x... X... x... X darunter und entdeckt, dass da alles stimmig ist. Beim Sonett sind alle Teilen in fünf Jamben (..x...X ) geschrieben, bei einigen Zeilen mit, bei anderen ohne angehängte, unbetonte Silbe, metrisch völlig korrekt.

Liebe Grüße vom

Dichter, Denker - Lenker

Harald

Um ein Ziel zu erreichen ist nicht der letzte Schritt ausschlaggebend, sondern der erste!

Mús ( gelöscht )
Beiträge:

09.01.2011 12:52
#17 RE: Der Traum Antworten

Zitat
Gepostet von Harald-H
Dessenungeachtet war er aber auch ein Freund des freien Verses, aber wenn gereimte Gedichte, die eine Metrik vorausstzen, dann Metrik total, ohne wenn und aber!

Die Dichtkunst dabei ist es ja, nach zig Änderungen, Wortverschiebereien, suchen nach neuen Wörtern ein Gedichr dort stehen zu haben, das sich liest, als hätte der Ersteller es grade mal aus dem Ärmel geschüttelt!



Ich sage nicht, dass du falsch liegst, ich denke allerdings viel mehr, dass es darauf ankommt, was man mit seinem Gedicht zeigen oder aussagen möchte. Will man perfektion zeigen? spontanität? Gedankengänge? Gefühle?

Ich denke, dass ein Gedicht aussagekräftig sein kann, auch wenn es nicht durch und durch metrisch ist. Es kann trotzdem einen schönen, angenehmen "Gesamtklang" haben. Auf der anderen Seite gibt es dann die zehnfach überarbeiteten Gedichte. Sie verlieren meiner Meinung nach an Spontanität (was nicht immer schlecht ist).

Insgesammt finde ich, dass Gedichte, welche zu sehr bearbeitet wurden und indenen man "einfach nach passender Metrik" suchte an Gefühl verlieren (was nicht heissen soll, dass alle genau überdachten Gedichte schlecht sind! Im Gegenteil, ich bewundere vor allem die Schriftsteller, welche ziemlich spontan sowohl Gefühl als auch Metrik vereinen können, wobei ich nicht behaupten möchte, dass man nur ein guter Dichter ist, wenn ohne grosse Überarbeitung gleich die Metrik stimmt. Aber man sollte genau so wenig denken, dass gute Dichter nur zwei Möglichkeiten haben: Entweder totale oder gar keine Metrik).

Natürlich gehen die Meinungen darüber auseinander. Je nach dem ob dem Leser die Metrik wichtig ist oder nicht (weniger)...

Harald-H Offline




Beiträge: 5.232

09.01.2011 16:44
#18 RE: Der Traum Antworten

Ich habe mal, lange bevor ich mich ernsthaft mit der Metrik beschäftigt habe, ein Gedicht spontan "aus dem Ärmel geschüttelt", das bei einem Wettbewerb eingefordert wurde, dabei die Vorgaben hatte, dass die Worte Sturm,Turm, Reise und Preise vorkommen sollten. Der kurze Zeitrahmen ließ nicht viel zu, ich meine 15 Minuten waren vorgegeben.

Wir waren bei dieser gesamten Geschichte als "Schotten" unterwehs, nach gut 5 Minuten lag mein "Gedicht" vor:

Geht ein Schotte auf die Reise,
klagt er über hohe Preise
und besteigt im größten Sturm,
weil schon bezahlt, den höchsten Turm.

Fand ich damals super, alle anderen auch.

Heute würde ich alles entweder in Jamben setzen, oder in Trochäen.

Beginnt ein Schotte eine Reise,
beklagt er stets die hohen Preise.
Besteigt dann auch im größten Sturm
weil schon bezahlt, den höchsten Turm.

Alle vier Zeilen haben vier Jamben, in den ersten zwei Zeilen mit angehängter ,unbetonter Silbe, kaum andere Wörter, metrisch korrekt.

Nun, Meinungen dazu?

Liebe Grüße vom

Dichter, Denker - Lenker

Harald

Um ein Ziel zu erreichen ist nicht der letzte Schritt ausschlaggebend, sondern der erste!

tHEfOOl Offline




Beiträge: 559

09.01.2011 17:21
#19 RE: Der Traum Antworten

Zitat
Gepostet von Harald-H

Geht ein Schotte auf die Reise,
klagt er über hohe Preise
und besteigt im größten Sturm,
weil schon bezahlt, den höchsten Turm.

Heute würde ich alles entweder in Jamben setzen, oder in Trochäen.

Beginnt ein Schotte eine Reise,
beklagt er stets die hohen Preise.
Besteigt dann auch im größten Sturm
weil schon bezahlt, den höchsten Turm.



Tja, Harald ... MIR gefällt Deine erste Version bedeutend besser.

Geht ein Schotte ... das ist stimmiges Deutsch, denn es beinhaltet ohne Schnickschnack den ganzen Vorgang - von den Reisevorbereitungen bis zur Heimkehr.
Beginnt ein Schotte ... das ist eine Pfennigfuchserei, die nach hinten los geht.
Klagt / beklagt ... hier kommt spontan in der 1. Version das rüber, was eigentlich auch gewollt ist: der Ärger, der sich geizig im Keim schon fast selbst erstickt.
Die anderen beiden Zeilen kommen bei mir gleich weg ... wobei durch das Bindewort 'und' in der 1. Version für mich einfach mehr Zusammenhalt erreicht wurde.

Also Jamben hin und Trochäen her ... für mich zählt immer der Sinn dahinter.
Wenn der Rhyhmus OK ist, dann sollten Regeln über Bord gespült werden.

Von der Idee her, finde ich Deine Umsetzung auf jeden Fall sehr nett .... so und so!

LG
Alex

"FEUERAUGEN" (3 Bände: 1-Das Dorf, 2-Drei Städte, 3-Das Schloss)
Mein Roman im Buchhandel

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