Wie mein Benutzername bereits leicht anmerken lässt, auch die Signatur, beschäftige ich mich häufig mit dem Thema Unabhängigkeit. Um sich aber mit diesem Thema beschäftigen zu können benötigt man zuerst einmal die Definition für Unabhängigkeit, jedoch sehe ich persönlich keinen Sinn eine offiziell anerkannte Definition herauszufischen und mich daran zu orientieren.
Ich denke, dass jeder oder zumindest viele eine eigene Definition, vielleicht auch mehrere, haben, die euch ansprechen, darum würde ich hier gerne mal eure persönlichen Definitionen hören. Es ist völlig egal in welchen Kontext sich die Definition bewegt, ob im materialistischen Bereich oder was auch immer, jegliche Definition ist erwünscht, die für euch persönlich am logischsten klingt.
"Atheismus ist fast immer ein Zeichen für eine gesunde geistige Unabhängigkeit und sogar für einen gesunden Geist." - Richard Dawkins, Der Gotteswahn, Ullstein Verlag, September 2007, ISBN 3550086881, S. 15. Übersetzer: Sebastian Vogel
"Die vielen Gestalten täuschender Unabhängigkeit, in die wir geraten können, macht die Unabhängigkeit selber verdächtig. Das ist gewiss: um wahre Unabhängigkeit zu gewinnen, bedarf es nicht nur der Durchhellung dieser Zweideutigkeiten, sondern auch des Bewusstseins der Grenzen aller Unabhängigkeit." - Karl Jaspers, Einführung in die Philosophie, Kapitel 10: Die Unabhängigkeit des philosophischen Menschen, 1953
"Es gibt keine Befreiung der Menschheit ohne die soziale Unabhängigkeit und Gleichstellung der Geschlechter." - August Bebel, Die Frau und der Sozialismus
Liebe Grüße vom
Dichter, Denker- Lenker
Harald
Um ein Ziel zu erreichen ist nicht der letzte Schritt ausschlaggebend, sondern der erste!
Ich fange mal mit der finanziellen Unabhängigkeit an: Die ist für mich dann gegeben, wenn das Vermögen so gross ist, dass man sich alle realistischen Wünsche erfüllen kann und nicht arbeiten muss. Wer finanziell unabhängig ist, kann natürlich arbeiten,weil es ihm Spass macht oder weil er ehrenamtliche Betätigungen wichtig findet oder aus anderen Gründen; aber er braucht nicht wegen des Geldes malochen.
Nach meiner Definition sind nur die wenigsten Menschen finanziell unabhängig. Die allgemeine Einschätzung, dass man finanziell unabhängig sei, wenn man ein eigenes Einkommen hat mit dem man seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, klingt mir mehr nach Schönreden von Abhängigkeiten. Solange man zur Arbeit gehen muss um ein halbwegs komfortables Leben führen zu können, ist man nicht wirklich unabhängig.
Wenn alle finanziell unabhängig sein könnten, dass würde Stillstand bedeuten.
Stillstand ist Rückschritt
Ergo:
Finazielle Unabhängigkeit, wenn sie alle hätten, würde zur Abhängigkeit führen!
Denn man wäre davon abhängig, sich irgendwie seine Bedürfnisse selbst organisieren zu müssen - weil niemand es nötig hat, es für dich zu tun!
Aber finanziell so abgesichert zu sein, dass man sich Wünsche erfüllen kann, das ist eine kleine, feine Form der Unabhängigkeit, die der Großteil der Menschheit eben nicht hat!
LG
Harald
[ Editiert von Harald-H am 16.08.11 10:52 ]
Liebe Grüße vom
Dichter, Denker- Lenker
Harald
Um ein Ziel zu erreichen ist nicht der letzte Schritt ausschlaggebend, sondern der erste!
ZitatGepostet von Harald-H Wenn alle finanziell unabhängig sein könnten, dass würde Stillstand bedeuten.
Unsere Wirtschaft würde kollabieren. Möglich wäre eine finanzielle Unabhängigkeit nur in einem Sci-Fi Zeitalter: Wenn Roboter die ganzen Arbeiten erledigen würden. Ja dann sähe die Sache anders aus.
Wenn alle Menschen sozial unabhängig wären, sähe die Welt auch anders aus. Soziale Unabhängigkeit wie ich sie definiere: Machen können wozu man Lust hat ohne zu bedenken was "die Leute" denken. Wirklich sozial unabhängige Leute gibt es wahrscheinlich kaum. Am ehesten unter Autisten. Die übrigen Menschen haben den "Blick des Anderen" internalisiert. Man kann nach sozialer Unabhängigkeit streben und auch kleine Erfolge feiern, aber die totale soziale Unabhängigkeit bleibt einem vorenthalten.
"Soziale Unabhängigkeit wie ich sie definiere: Machen können wozu man Lust hat ohne zu bedenken was "die Leute" denken. Wirklich sozial unabhängige Leute gibt es wahrscheinlich kaum. Am ehesten unter Autisten. Die übrigen Menschen haben den "Blick des Anderen" internalisiert. Man kann nach sozialer Unabhängigkeit streben und auch kleine Erfolge feiern, aber die totale soziale Unabhängigkeit bleibt einem vorenthalten"
Ja die soziale Unabhängigkeit ist mir selbst auch ein wichtiges Thema, denn tatsächlich formt sich jeder Mensch durch die Meinung anderer. Folglich wär tatsächlich interessant, ob die Möglichkeit besteht, totale soziale Unabhängigkeit zu erlangen, wobei das bedeuten würde, dass man sich komplett der Meinungen der Außenwelt enthalten müsste. Natürlich ist es Schwachsinn sich solange der Gesellschaft zu enthalten bis man zu sämtlichen Themen eine eigens geformte Meinung hat und diese dann stetig vertritt, was also tatsächllich wieder zu dem Schluss führt, dass es keine totale soziale Unabhängigkeit gibt.
Fazit: Der Mensch ist ein Rudelwesen und selbst wenn er mit einer Meinung nicht ganz einverstanden ist, also eine andere hat, muss er seine eigene Meinung auch von jemanden kopiert oder aus mehreren Meinungen anderer erschlossen haben.
Jetzt wär natürlich noch die Frage interessant, ob ein ganz einfacher Mensch so unabhängig handeln kann wie die Autisten, denn das würde bedeuten, dass man ohne halt das tut was man selbst will. Meiner Meinung nach nicht möglich, denn beziehen wir das einfach mal auf die berufliche Ebene. Wenn ich nicht das tue was der Vorgesetzte sagt, dann flieg ich raus, zwar ganz toll, dass man unabhängig gehandelt hat, aber wenn man es nicht schafft unabhängig von einer festen Arbeitsstelle zu leben und ohne staatliche Hilfe dann verzichtet man wahrscheinlich auf diese Unabhängigkeit, voraussichtlich man bevorzugt das Leben unter einer Brücke und den täglichen Kampf ums überleben.
Soziale Unabhängigkeit ist auch eine Altersfrage. Je jünger man ist, desto abhängiger ist man von anderen Menschen. Zu Beginn des Lebens ist man von den Eltern abhängig. Sobald diese Abhängigkeit schwächer wird, treten neue Abhängigkeiten auf. Am stärksten sind Jugendliche vom Freundeskreis abhängig. Wenn hier jemand nicht zu den angesagten Typen gehört kann er in Depressionen versinken. Die dümmsten und gefährlichsten Dinge werden getan um andere zu beeindrucken. Erst wenn man die Jugendzeit hinter sich hat, kann man zu einer begrenzten Unabhängigkeit finden.
Als Erwachsener ist man in sexuelle Abhängigkeiten verstrickt. Auf Asexuelle ist der Begriff "sexuelle Unabhängigkeit" nicht vernünftig anzuwenden, alle Anderen sind mehr oder weniger von der "Fleischeslust" in Besitz genommen.
Wann ist man sexuell unabhängig? Meine Definition: Sexuell unabhängig ist man dann, wenn man Onanie als vollwertige Sexualitätsform ansieht, mit der man auch dauerhaft zufrieden sein kann. Ein Mann der nach der Devise: "Solange ich zwei gesunde Hände habe, kommt mir keine Frau ins Haus" lebt, ist auf sexuellem Gebiet sicher unabhängiger als einer, der verzweifelt jeder Frau nachjagt, weil er Onanie für ein unzureichendes Substitut für das Eigentliche hält.
Wie sehr Sexualität die Unabhängigkeit gefährdet, haben Jörg Kachelmann, D. Strauss-Kahn, Julian Assange am eigenen Leib erleben müssen. Das Privatleben wird aufgedeckt; es gibt kein Geheimnis mehr. Jeder darf sich an peinlichen Details laben. Was für Unabhängigkeit wichtig ist: Ein Bereich, der einem selbst gehört. Ein Bereich, den man anderen Menschen zugänglich machen kann, wenn man dies wünscht. Wenn aber dieser Bereich von Jedem, der daran Interesse hat, begutachtet werden kann, ist das der Tod der Unabhängigkeit.
Ich glaube, dass völlige Unabhängigkeit nur ein Denkmodell sein kann, in keinem Fall aber realistisch im wirklichen Leben. Völlig Unabhängigkeit würde nämlich auch völlige Haltlosigkeit bedeuten. Unsere Werte, unsere moralische Gesinnung, unsere Fähigkeit zur Empathie, all das ist abhängig von der Existenz von Vorbildern und Wertekatalogen. Eine völlige Lösung aus Abhängigkeitsverhältnissen ist gleichbedeutend mit kulturellem und gesellschaftlichem Untergang.
Wir existieren nur durch die Augen und in den Augen der anderen, darin liegt immer eine gewisse Abhängigkeit, völlig unabhängig von materiellen Dingen - so sehe ich das zumindest. Der Mensch ist kein Einzelwesen - ich kenne niemanden, der das jemals geschafft hat - ganz abgesehen davon, ob dies überhaupt erstrebenswert ist. Viele Grüße Jürgen
Da habt ihr ein Thema aufgegriffen, sehr kontrovers.
Soziale Unabhängigkeit ist aus meiner Betrachtung zum Überleben unmöglich.
Entweder du hast reiche Vorfahren, einen Job, oder Hartz IV.
Ein aus der Gesellschaft, sprich der Sippe, Ausgestoßener, der mag sich sozial unabhängig betrachten. Die Palette reicht von Selbstmitleid bis Selbstüberschätzung. Wir, da schließe ich mich nicht aus, zocken ums Überleben, betrachten uns als etwas Besonderes. Diese Art der Dekadenz steht der, die Phallussymbole, sprich Radkappen von Nobelkarossen der Hautewolaute mit Brillies zu bekleben, dem containerweise Horten leerer Flaschen in nichts nach. Das ist ein extremer Vergleich, einen Unterschied sehe ich nicht.
Unabhängigkeit fängt für mich in den Gedanken an. Keine Fessel kann mich hindern, meine Gedanken zu denken. Nur darin, lb. Jürgen, besteht meiner Ansicht nach Unabhängigkeit. Eine materielle Unabhängigkeit ist schon deswegen nicht möglich, weil die Spezies Mensch dann nicht nur in Afrika, sondern grundsätzlich mangels Materie von Körnern, Wasser, organischen und geistigen Stoffen usw. verhungern, verdursten und verkümmern würde.
... "... Die Gedanken sind frei ..." ... Mögen sie es bleiben und nicht von Mega's und Giga's, Brillies und aufoktruierten Frasen gestohlen werden!