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Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

08.11.2004 18:08
RE: Sanfter Faschismus in den USA Antworten

Zitat
(02.11.2004 )

Im Zeitalter der Angst

Wie den Amerikanern das eigene Land unheimlich wird. Droht den USA ein sanfter Faschismus?
/ Von Richard Sennett

Es überraschte mich nicht, als ich in Fanelli's Bar and Grill gleich zwei Gäste Philip Roths neuen Roman „The Plot Against America“ lesen sah. Fanelli's ist so etwas wie das linke Epizentrum von SoHo, einem ehemaligen Industrieviertel im Süden Manhattans, das in den 70er Jahren von Künstlern und Galerien besiedelt wurde und heute mit Touristen aus Europa bevölkert ist. Ins schmutzige, düstere Fanelli's mit einer Temperatur, die die Klimaanlage in die Nähe des Nullpunkts drückt, dringen die Touristen jedoch nicht vor. So bleiben die Veteranen der Gewerkschaftsbewegung, die ergrauenden Bildhauer und das eine oder andere jüngere Paar, das Kinder im Kinderwagen mit imposanten italienischen Hackfleischbällen füttert, unter sich.

Roths Roman fantasiert von einem Amerika, das zu Beginn des Zweiten Weltkriegs vom Faschismus heimgesucht wird – und die Menschen in meinem Stammlokal sorgen sich, dass genau so etwas in Wirklichkeit passiert. Philip Roth erzählt, wie der charmante und hohlköpfige Pilot Charles Lindbergh 1940 in Amerika an die Macht kommt und durch einen bösartigen Vizepräsidenten manipuliert wird. Die Welt, die sie umgibt, macht den Amerikanern Angst; das eigene Land von jüdisch-kommunistischen Terroristen zu säubern, verleiht ihnen hingegen ein Gefühl der Sicherheit. Der Roman ist nicht ohne Vorläufer: In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts schrieb Nathaniel West „A Cool Million“ und Sinclair Lewis „Das ist bei uns nicht möglich“ beides Horrorgeschichten über ein Amerika, das aus Naivität und Furcht rechten Despoten verfällt. Wie seine Vorgänger ist auch Roth ein viel zu guter Autor, um ein Stück Agitprop-Literatur zu verfassen. Er verlässt sich darauf, dass die Nachrichtenlage die Aktualität schon herstellen wird.

Am ersten Tag nach meiner Rückkehr aus London saß ich in meinem Stammlokal und verfolgte eine Fernsehdiskussion über den „Patriot Act“. In seiner ersten Fassung, 2001 kurz nach dem Terrorangriff auf das World Trade Centre verabschiedet, weitete dieses Gesetz die staatlichen Befugnisse zur Überwachung einzelner Bürger erheblich aus (das Stichwort heißt „Datamining“ oder gezielte Datensuche), während gleichzeitig die staatlichen Operationen noch tiefer unter dem Mantel der Geheimhaltung verborgen wurden. Der „Patriot Act II“, dessen erster Entwurf im Februar 2003 bekannt wurde, sollte noch weiter gehen. Dem Entwurf zufolge sollte es möglich sein, US- Bürgern das Bürgerrecht abzuerkennen, wenn sie im Verdacht stehen, einer Terrororganisation anzugehören; diese Entscheidung sollten nicht Gerichte, sondern Behörden treffen, wie auch die Entscheidung über die Abschiebung von Ausländern, die, so der Entwurf, Amerikas „Sicherheit, Außenbeziehungen oder Wirtschaftsinteressen“ bedrohen. In fassungslosem Schweigen verfolgten die Menschen in der Bar eine nüchterne juristische Diskussion dieser Vorschläge auf dem Bildschirm und blickten ab und zu durch die schmutzigen Scheiben auf die Menschenmenge, die draußen vorbeiwogte wie auf einem anderen Planeten. Das System Bush hat die Intellektuellen gelehrt, ihr eigenes Land zu fürchten.

Vier Blöcke weiter stellte Art Spiegelman vor einigen Wochen sein Buch „In The Shadow of No Towers“ im Cooper Union Building vor. Zuerst hatte kein großer Verlag seine Bildgeschichte haben wollen. In ihr erzählt der Cartoonist, wie seine Familie den Angriff vom 11. September und die Zeit danach erlebte; zu „politisch“ war seine Behauptung, die Politik habe die Attentate zu „Geiseln“ gemacht. Im Cooper Union fuhr der Kette rauchende Spiegelman mit seiner Cleverness zuverlässig Lacher ein, als er über Präsident Bush spottete, doch als er Szenen seines neuen Buches mit Szenen aus „Maus“, seinem Comicroman über die Nazis, verglich, herrschte Schweigen. War er zu weit gegangen? Spiegelman ließ nicht locker. Er bohrte noch einmal in der Wunde, indem er bemerkte, die einzigen Amerikaner, die heute keine Angst hätten, seien jene New Yorker, die unmittelbare Zeugen der Angriffe waren.

„Faschismus“ ist ein starkes und undurchsichtiges Wort. Wenn hierzulande darüber gestritten wird, ob in Amerika Faschismus droht, dann geschieht das unter dem Einfluss eines jüngst erschienenen Buchs von Robert Paxton, „The Anatomy of Fascism“. Paxton, ein auf das Vichy-Regime spezialisierter Historiker an der Columbia University, analysiert den Faschismus unaufgeregt als die „entgleiste Demokratie“ Europas zwischen 1919 und 1939. Doch hat das letzte Kapitel Debatten ausgelöst, weil Paxton hier argumentiert, die Demokratie könne immer entgleisen, wenn extrem rechte Positionen sowie konservative ökonomische und politische Institutionen eine Schnittmenge bilden – die Sehnsucht nach der eisernen Faust sei beileibe nicht nur ein historischer Unglücksfall. Paxtons Fingerzeige in Richtung Israel und USA sind verhalten, aber seine Leser haben nicht verhalten auf sie reagiert.

Wir können uns eine harte und eine sanfte Variante von Faschismus vorstellen. Der harte Faschismus hämmert den Bürgern ein, dass sie mit eiserner Faust regiert werden, wie das bei Mussolinis theatralischer Gewalt der Fall war oder in George Orwells Alptraum „1984“. Der sanfte Faschismus hingegen kommt nicht etwa mit Samthandschuhen daher, sondern als unsichtbare Hand, also in Form von Überwachungsmaßnahmen, die ihrerseits jeglicher Kontrolle entzogen werden wie im „Patriot Act II“, sowie einer Unterdrückung der eigenen Bürger, die der Öffentlichkeit als bloß präventives Vorgehen gegen Gefahren verkauft wird. Die Regierung Bush wählte diese präventive Vorgehensweise, als sie beispielsweise drei der größeren islamischen Wohlfahrtseinrichtungen verbot, nicht, weil diese irgendetwas verbrochen hätten, sondern weil irgendwann irgendwo etwas passieren könnte. Im harten Faschismus macht sich der Staat eine konkrete Furcht zunutze, im sanften Faschismus reicht eine diffuse Angst.

Droht Amerika, in einen sanften Faschismus abzugleiten, wie viele Intellektuelle fürchten? Im Laufe dieses Herbstes hat sich der eiserne Griff des Systems Bush etwas gelockert – eine Folge der praktischen Fehlschläge des Regimes im Ausland. Man muss John Kerry zugute halten, dass er erkannt hat, wie viel auf dem Spiel steht; wenn die Linke ihn auch als schwach geißelt, so bemüht er sich doch um eine Sprache, die beruhigen soll. Aber selbst wenn Bush abgewählt würde, wäre jene Hälfte der Amerikaner, für die er spricht, ihre Angst nicht los.


Es ist ein journalistisches Klischee geworden, Amerika in „rote“ und „blaue“ Staaten aufzuteilen. Die roten Staaten sind die im Süden und Westen, sie sind republikanisch, gottesfürchtig, militaristisch und gegen Abtreibung, Homosexuelle und Feminismus. Die blauen Ost- bzw. Küstenstaaten sind demokratisch, säkular, diplomatisch und den verschiedensten Identitäten wohlgesonnen. So scheint das Land exakt zweigeteilt. Woran diese Klischees nicht rühren, ist etwas, das Rot und Blau gemeinsam ist: Amerikas verworrene, angstbesetzte Erfahrung von Klassenunterschieden.

In seinem Buch „What's the Matter with Kansas?“ beobachtet Thomas Frank, wie die Mittellosen in diesem Staat im Herzen der USA mit Bedrohungen wie Arbeitslosigkeit, mangelnder Krankenversicherung und wachsender privater Verschuldung umgehen. Abtreibungen oder Homo-Ehen zu verhindern, scheint irgendeine Art von Lösung darzustellen; wirtschaftliche Fragen werden in kulturelle übersetzt. Wie die pensionierten Gewerkschaftsfunktionäre im Fanelli's, die sich nach der New Yorker Arbeiterklassenpolitik im Gefolge der Weltwirtschaftskrise sehnen, greift Frank zur Kategorie des „falschen Bewusstseins“, um die aktuellen Entwicklungen zu erklären.

Natürlich ist es nichts Neues, wenn wirtschaftliche in kulturelle Unsicherheiten übersetzt werden. Als Jonathan Cobb und ich vor beinahe 40 Jahren für unser Buch „The Hidden Injuries of Class“ recherchierten, stellte sich heraus, dass weiße Arbeiter in Boston den Hippies und der schwarzen Ghettokultur die Schuld für ihre Probleme auf dem Arbeitsmarkt und im Zusammenleben gaben, obwohl kein derartiger Zusammenhang bestand. Als Ideal reicht der kulturelle Konservatismus der Arbeiterklassen ins 19. Jahrhundert zurück.

Neu hingegen ist die Klassenverteilung. Ironischerweise ist es ein britischer Konservativer, Ferdinand Mount, der sie in seinem neuen Buch „Mind the Gap“ nachgezeichnet hat. Seit einer Generation fühlen sich weite Bevölkerungskreise von der „Gesellschaft der Talentierten“ oder „Meritokratie“ in Clintons Amerika und Blairs Großbritannien ausgeschlossen. Es handelt sich um jene Menschen, deren Glaube an Selbstdisziplin, harte Arbeit und Aufopferung für die Familie ihnen kaum noch dazu verhilft, ihre eigenen Lebensumstände zu beeinflussen. Wie Mount hervorhebt, haben sie den Eindruck, übersehen und von den wendigeren Zeitgenossen – bestenfalls – mit Gleichgültigkeit behandelt zu werden. In Amerika stagnierte das Einkommen der Mittelschicht im selben Moment, in dem die oberen zehn Prozent ihren Wohlstand extrem steigern konnten. Um gegen die Stagnation anzukämpfen, stürzte sich die Mittelschicht in Konsumschulden, die sie kaum bewältigt, wie Robert Manning jüngst in „Credit Card Nation“ dokumentierte. Jetzt werden die Rechnungen präsentiert.

Das zeigt sich auch im Stellenabbau. Üblicherweise schiebt man den Schwarzen Peter der Verlagerung von Arbeitsplätzen Mexiko, China oder Indien in die Schuhe, doch führt das in die Irre. So konnte etwa die amerikanische Stahlindustrie ihre Produktivität in den vergangenen 20 Jahren um vier Prozent steigern, während gleichzeitig die Beschäftigtenzahl von rund 212000 auf 79000 zurückging – hauptsächlich der Automatisierung wegen. Des Weiteren werden heute Universitätsabsolventen Stellen angeboten, die früher an Absolventen höherer Schulen gingen. Wie in Großbritannien gedeihen die zu Niedriglöhnen arbeitenden Einwanderer in den Nischen der offiziellen Wirtschaft, was man von ihren Kindern und Enkeln immer seltener behaupten kann.

Zeugt es von „falschem Bewusstsein“, diesen Veränderungen zu begegnen, indem man für ein Verbot von Abtreibungen und gleichgeschlechtlichen Ehen eintritt? Wirtschaft in Kultur zu übersetzen, ist irrational und logisch zugleich. Im reichsten Land der Erde erweckt der Wirtschaftsmotor Ricardos altes Gespenst der Nutzlosigkeit zu neuem Leben; die neue Klassenverteilung führt dazu, dass immer weniger Menschen zählen, immer weniger Menschen eingeschlossen sind. Diese neue Klassenverteilung löst Angst aus, und das Mittel gegen die Angst besteht darin zu sagen, dass die alten Werte Geltung haben.

Wie diese Übersetzung funktioniert, zeigt Samuel Huntingtons „Who are We?“ Sprach er in seinem „Kampf der Kulturen“ von einem unvermeidlichen Konflikt zwischen dem Islam und dem Westen, bringt das neue Werk eine auf Amerika bezogene Version desselben Arguments. Nun sind die Mexikaner die Muslime vom Dienst: eine fremde Gruppe, die sich weigert, nach den amerikanischen Regeln zu spielen. Bemerkenswert an Huntingtons Buch sind nicht so sehr die ethnischen Vorurteile, die es enthält, sondern seine Beschwörung „traditioneller“ amerikanischer Werte, die im kleinstädtischen Gewande eines protestantischen Nonkonformismus daherkommen; stolz bekennt sich der weit gereiste Harvard-Professor zu seinem „Anti-Kosmopolitismus“. Die meisten mexikanischen Einwanderer leben in äußerster Armut, aber darum geht es nicht; Huntington „verteidigt Amerika“.

Dies ist wirklich eine Apologie des sanften Faschismus. Voller Furcht vor der Gegenwart, dem Draußen, dem Fremden, blickt der Verteidiger Amerikas zurück auf ein mythisches Goldenes Zeitalter in den Neuenglandstaaten. Doch heute ist der weiße angelsächsische Protestant mit einem Computer ausgestattet. Die Kultur des sanften Faschismus kann nicht auf den traditionellen Popanz der amerikanischen Linken reduziert werden: Auch in ihren liberalen Zeiten waren die USA ein tief religiöses Land; auch, als sie in zwei Weltkriegen für Europa kämpften, taten die Amerikaner dies als glühende Nationalisten. Man sollte die Verlockung des sanften Faschismus nicht einfach mit Verachtung strafen. Die Terrorangriffe trafen einen neuralgischen Punkt, der mit Erfahrungen von Randständigkeit zu tun hat. Außenpolitisch drückt das System Bush einen verletzten Nationalstolz aus, innenpolitisch die Ratlosigkeit, wie man rechtschaffen leben soll.

Wenngleich Amerika die meisten Kriege im 20. Jahrhundert unter demokratischen Präsidenten focht, mussten Liberale, anders als Konservative, ihren Patriotismus immer wieder unter Beweis stellen. Seit langem hat die intellektuelle Linke in Amerika keinen Kontakt mehr zum amerikanischen Volk. Sie hat im Namen des Volkes gesprochen, aber nicht mit ihm. Nun ist aber der gebildete, kosmopolitische Liberale ein sozialer Gewinner. Selbst der Bildhauer im Fanelli's, der sehen muss, wie er über die Runden kommt, ist ein sozialer Gewinner; niemand kann ihm seine Arbeit und sein Selbstwertgefühl nehmen.

Die Rechte hat diesen Sieg vielleicht besser verstanden als die Sieger selbst und den auf die intellektuelle Linke zielenden Hohn über das „kulturelle Elitedenken“ neu belebt. Sie schließt damit an ein klassisches Dilemma an: Wenn ein junger Mann mit einem guten Abschluss und einem teuren Laptop die soziale Ungerechtigkeit anprangert, empfindet der einfache Bürger dies als herablassend.

In den vergangenen vier Jahren haben die Reichen und Mächtigen Amerikas aus dieser sozialen Distanz Kapital geschlagen. Die sozialen Gewinner haben sich damit verteidigt zu sagen, aber wir sind doch wie ihr, loyale Amerikaner; doch diese Verteidigung klang falsch, weil sie einen realen Unterschied überdeckte. Jene irritierten Blicke aus dem Fenster von Fanelli's, das wissende Kichern im Cooper Union sind Zeichen einer Ungleichheit, die so unklar, so vieldeutig ist wie das Wort „Amerikaner“.

Der Autor, 1943 in Chicago geboren, ist Amerikas herausragender Soziologe und lehrt an der London School of Economics. Im Berlin Verlag erschien von ihm zuletzt „Respekt im Zeitalter der Ungleichheit“. – Aus dem Englischen von Michael Adrian


Quelle: http://www.tagesspiegel.de/kultur/index....004/1455016.asp

Auch in Europa gibt es immer mehr Menschen, die in den USA einen neuen Faschismus heranwachsen sehen. Hitler hat irgendwann einmal angefangen. Wehret den Anfängen!

Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

14.11.2004 12:30
#2 RE: Sanfter Faschismus in den USA Antworten

Filmempfehlung zum Thema:

Zitat
Faschismus mit demokratischem Antlitz
Rüdiger Suchsland 11.11.2004

Der nächste Angriff kommt bestimmt: Jonathan Demmes Polit-Paranoia-Film "Der Manchurian Kandidat"
Ein Schläfer im Weißen Haus.
Seinen Namen gibt ihm die Manchurai - das fremde, wüste Land, eine Mischung, noch ferner als China und die Sowjetunion zusammen. Jonathan Demmes "Der Manchurian Kandidat" ist ein gelungener Paranoia-Thriller, das Remake eines der wichtigsten Filme der US-Filmgeschichte, und eine elektrisierende Parabel auf die gegenwärtigen Verhältnisse - noch in seinen Schwächen ist der Film verräterisch.


Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/18/18780/1.html

pt222 ( gelöscht )
Beiträge:

14.11.2004 16:23
#3 RE: Sanfter Faschismus in den USA Antworten

hallo schreiberling
gibt es eigentlich ausser mehr oder weniger sinnvollen unt nur teilweise akzeptablen angriffen auf die usa auch noch ein anderes thema hier, langsam frage ich mich, ob ich das noch weiter hinnehmen soll, weil ich die anderen foren ganz gut finde, aber so hier abläuft, hat viel mit missionarischem übereifer zu tun

Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

14.11.2004 16:47
#4 RE: Sanfter Faschismus in den USA Antworten

Hallo pt222,
es steht doch jedem frei, seine Meinung zu sagen/schreiben. Oder es halt zu lassen. Was soll ich dir darauf antworten?
Schlag doch ein Thema vor, eröffne einen eigenen Thread, widerspreche, was auch immer.
Viele Grüße
vom Schreiberling

saratoga Offline



Beiträge: 109

23.03.2005 02:13
#5 RE: Sanfter Faschismus in den USA Antworten

Eine sehr gute und detaillierte Auflistung der faschistischen Tendenzen in den USA (mit vielen Beispielen hinterlegt) habe ich auf folgender auch sonst sehr informativer Seite entdeckt:
http://www.oldamericancentury.org

Hier die einzelnen Punkte zusammengefasst:
1.) Mächtiger und steigender Nationalismus
2.) Beschneidung der Menschenrechte
3.) Aufbau eines vereinigenden Feindbildes
4.) Verherrlichung/Förderung des Militärs
5.) Ausweitung von Sexismus/Minderheitenunterdrückung
6.) Kontrolle der Massenmedien
7.) Betonung der nationalen Sicherheit
8.) Verschmelzung von Religion und Regierung
9.) Verschmelzung von Industrie/globale Firmen und Regierung
10.) Unterdrückung der Arbeiter/Arbeitnehmer
11.) Verachtung/Kürzungen bei Bildung und Kunst
12.) Ausweitung der polizeilichen Macht im Inneren
13.) Ausweitung von Korruption und Interessenpositionsvergabe
14.) Wahlbetrug
http://www.oldamericancentury.org/14pts.htm

Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

31.03.2005 21:54
#6 RE: Sanfter Faschismus in den USA Antworten

lest selbst...

Zitat
Die Drecksarbeit machen die anderen

Von Jane Mayer

Da Foltern im eigenen Land verboten ist, verfrachten CIA und FBI Terrorverdächtige heimlich nach Syrien, Ägypten oder Marokko. Die Verhörmethoden dort sind barbarisch, die Geständnisse taugen selten etwas. Ein Blick in den Abgrund Amerikas.

Am 27. Januar versicherte Präsident Bush in einem Interview mit der New York Times, dass Folter «niemals akzeptabel» sei und dass «wir keine Personen an Länder übergeben, in denen gefoltert wird». Maher Arar, ein kanadischer Ingenieur, gebürtiger Syrer, fand Bushs Erklärung überraschend. Vor zweieinhalb Jahren war er beim Umsteigen auf dem New Yorker Flughafen festgenommen und nach Syrien verfrachtet worden, wo er monatelang brutal verhört und auch gefoltert wurde. Als er kürzlich am Telefon seine Erlebnisse schilderte, verwendete er einen arabischen Ausdruck – die Schmerzen seien so unerträglich gewesen, dass «man die Milch vergisst, die man an der Mutterbrust getrunken hat».

Der 34-jährige Arar, der in seiner Jugend mit den Eltern nach Kanada ausgewandert war und an der McGill University studiert hatte, wurde am 26. September 2002 verhaftet, weil sein Name auf einer Liste mutmasslicher Terroristen stand. Er wurde dreizehn Tage festgehalten und über mögliche Kontakte zu einem anderen mutmasslichen Terroristen befragt. Er habe den Mann kaum gekannt, allerdings mit dessen Bruder zu tun gehabt. Ohne dass gegen ihn formell Anklage erhoben worden war, verfrachtete man Arar, an Händen und Füssen gefesselt, in einen Executive Jet, der nach Washington und weiter nach Portland/Maine flog und nach einem Zwischenstopp in Rom in Amman landete.

Während des Fluges hörte Arar, dass sich die Piloten in Funksprüchen als Angehörige einer «Special Removal Unit» zu erkennen gaben. Er erfuhr, dass man ihn in die Nähe der syrischen Grenze bringen wollte. Da ihm seine Eltern von den barbarischen Praktiken der syrischen Polizei erzählt hatten, bat er die Besatzung, ihn nicht nach Syrien zu bringen, dort werde er mit Sicherheit gefoltert. Doch die Besatzung reagierte nicht, schlug ihm bloss vor, einen Spionagefilm anzuschauen, der an Bord gezeigt würde.

Zehn Stunden nach der Landung in Jordanien wurde Arar nach Syrien gefahren, wo seine Vernehmer ihn zuerst mit Drohungen einschüchterten und am zweiten Tag begannen, «einfach auf mich einzuprügeln». Sie schlugen seine Hände mit 5 cm starken Stromkabeln und hielten ihn in einem fensterlosen Kellerverschlag fest, der ihm wie ein Grab vorkam. «Nicht einmal ein Tier hätte es dort ausgehalten», sagte er. Anfänglich versuchte er noch, seine Unschuld zu beteuern, doch schliesslich gab er alles zu, was seine Folterer von ihm hören wollten. «Man gibt einfach auf», sagte Arar. «Man wird zum Tier.»

Ein Jahr später, im Oktober 2003, wurde er auf Intervention der kanadischen Regierung freigelassen. Imad Mustafa, der syrische Botschafter in Washington, erklärte, dass man Arar keine Verbindungen zum Terrorismus habe nachweisen können. Wie sich herausstellte, war Arar auf Anordnung der US-Regierung im Rahmen des verschwiegenen «Sonderüberstellungsprogramms» nach Syrien transportiert worden. Ziel dieses Programms war es, Terrorverdächtige zwecks Verhör und Strafverfolgung ins Ausland zu verbringen. Nach Ansicht von Kritikern besteht der unerklärte Zweck dieser Ausweisungen darin, die verdächtigen Personen aggressiven Verhörmethoden (einschliesslich Folter) zu unterwerfen, die in Amerika verboten sind.

Arar hat die US-Regierung wegen seiner Misshandlung inzwischen verklagt. Er sagt: «Sie lassen woanders foltern, weil sie wissen, dass es gesetzwidrig ist. Wenn sie jemanden verdächtigen, warum können sie ihn dann nicht im Rahmen der geltenden Gesetze verhören?»

«Illegale feindliche Kombattanten»

Ausweisungen wurden ursprünglich in sehr beschränkter Anzahl durchgeführt, doch nach dem 11. September, nachdem Präsident Bush den globalen Krieg gegen den Terrorismus verkündet hatte, wurde das Programm deutlich intensiviert – und entwickelte sich zu einer «Abscheulichkeit», um einen ehemaligen CIA-Mitarbeiter zu zitieren. Während anfangs nur eine geringe Zahl von Verdächtigen betroffen war – Personen, gegen die bereits ausländische Haftbefehle vorlagen –, richtete sich das Programm nunmehr gegen eine breite, nur vage definierte Gruppe von Menschen, die im Sprachgebrauch der US-Regierung «illegale feindliche Kombattanten» heissen. Gegen viele dieser Leute wurde nie formell Anklage erhoben. Der Völkerrechtsexperte Scott Horton, Koautor eines Berichts der New Yorker Universität und der New Yorker Anwaltsvereinigung, schätzt, dass seit 2001 hundertfünfzig Personen ausgewiesen wurden. Ed Markey, demokratischer Abgeordneter aus Massachussetts und Mitglied des Ausschusses für Heimatsicherheit, weist darauf hin, dass es unmöglich sei, an genauere Zahlen zu kommen. «Ich habe bei der CIA nachgefragt. Man wollte keine Zahlen nennen, sondern beschränkte sich auf den Hinweis, dass alles legal sei.»

Auch wenn das ganze Ausmass des Überstellungsprogramms nicht bekannt ist, so sind doch mehrere Fälle bekannt geworden, in denen möglicherweise gegen geltendes US-Recht verstossen wurde. 1998 verabschiedete der Kongress ein Gesetz, wonach niemand ausgewiesen, ausgeliefert oder anderweitig gegen seinen Willen in ein Land verbracht werden darf, in dem er wahrscheinlich gefoltert wird, unabhängig davon, ob sich der Betreffende in den USA aufhält.

Nach Ansicht der amerikanischen Regierung stellen staatenlose Terroristen, die nicht zwischen militärischen und zivilen Zielen unterscheiden, jedoch eine so grosse Bedrohung dar, dass ein schärferes Vorgehen notwendig ist. Formuliert wurde dieser Perspektivwechsel («New Paradigm») von Alberto Gonzales, der seinerzeit Rechtsberater des Weissen Hauses war. «Um weitere Anschläge gegen die amerikanische Zivilbevölkerung zu verhindern, ist es besonders wichtig, rasch an Informationen von gefangen genommenen Terroristen und ihren Auftraggebern zu kommen», heisst es in dem Memorandum. Die Rechte der Häftlinge spielen nur noch eine untergeordnete Rolle, und auch zahlreiche völkerrechtliche Bestimmungen werden ignoriert. Fünf Tage nach den Anschlägen vom 11. September erklärte Vizepräsident Dick Cheney in «Meet the Press», dass der Staat gewissermassen auf der Schattenseite kämpfen müsse. «Vieles wird im Verborgenen passieren, ohne öffentliche Diskussion, und wenn wir Erfolg haben wollen, werden wir uns der Quellen und Methoden bedienen müssen, die unseren Nachrichtendiensten zur Verfügung stehen. Das ist die Welt, in der diese Burschen operieren. Es wird also entscheidend darauf ankommen, dass wir jedes verfügbare Mittel benutzen, um unser Ziel zu erreichen.»

Das Sonderüberstellungsprogramm kennt keine der rechtsstaatlichen Garantien, auf die jeder Angeklagte in Amerika Anspruch hat. Zahlreiche Terrorverdächtige in Europa, Afrika, Asien und Nahost wurden von maskierten US-Agenten entführt und anschliessend in einen Gulfstream V-Jet verfrachtet. Dieses Flugzeug (wie es von Arar beschrieben wurde), das bei mehreren Tarnfirmen (etwa Bayard Foreign Marketing in Portland/Oregon) registriert ist, darf auf US-Militärstützpunkten landen. Nach der Ankunft im Ausland verschwinden die überstellten Personen meist, sie bekommen keinen Anwalt, die Angehörigen werden nur selten über ihren Aufenthaltsort informiert.

Überstellt wird gewöhnlich nach Ägypten, Marokko, Syrien oder Jordanien, alles Länder, in denen gefoltert wird und die vom US-Aussenministerium wegen Menschenrechtsverletzungen gerügt wurden. Um die Überstellung in diese Länder zu rechtfertigen, stützt sich die US-Regierung auf die besonders geschickte Interpretation einer unscharfen Klausel der UN-Antifolter-Konvention (die 1994 von den USA unterzeichnet wurde), wonach «substanzielle Gründe» für die Annahme vorliegen müssen, dass ein Verdächtiger im Ausland gefoltert wird. Der Jurist Martin Lederman, der 2002 nach acht Jahren Tätigkeit im Justizministerium ausschied, meint: «Die Konvention ist nur anwendbar, wenn man davon ausgehen kann, dass der Betreffende gefoltert wird. Aber was, wenn man es nicht genau weiss? Das reicht nicht. Es gibt also immer Wege, dies zu umgehen.»

Regierungsvertreter waren nicht bereit, das Überstellungsprogramm zu diskutieren. Rohan Gunaratna, ein sri-lankischer Experte, der verschiedene Geheimdienste berät, wies jedoch darauf hin, dass ein hartes Vorgehen womöglich «Hunderte von Menschenleben» retten könne. «Ein gefasster Terrorist», so Gunaratna, «weiss vielleicht, wann die nächste Operation stattfindet. Es kann also notwendig sein, ihn physisch oder psychisch unter Druck zu setzen. Ich bin gegen physische Folter, aber manchmal muss man damit drohen.»

Das Überstellungsprogramm ist nur ein Element der neuen Vorgehensweise der US-Regierung. Neben den schätzungsweise 550 Häftlingen von Guantánamo gibt es Dutzende von «hochrangigen» Terrorverdächtigen, die sich ausserhalb der USA in CIA-Gewahrsam befinden. Washington bestätigte gegenüber der 9/11-Kommission die Identität von mindestens zehn solcher Personen (unter anderem Chalid Scheich Mohammed, ein hoher Al-Qaida-Führer, und Ramsi Binalschibh, einer der Chefplaner der Anschläge vom 11. September), weigerte sich aber, den Kommissionsmitgliedern Zugang zu den Häftlingen zu ermöglichen, und lehnte es ab, Angaben zu deren Aufenthaltsort zu machen. Berichten zufolge unterhält die CIA Haftzentren in Thailand, Katar und Afghanistan. Auf Ersuchen der CIA ordnete Verteidigungsminister Rumsfeld an, einen Häftling im Irak mehrere Monate lang vor Vertretern des Roten Kreuzes zu verstecken. General Paul Kern erklärte vor dem Kongress, dass sich möglicherweise hundert Personen in CIA-Gewahrsam befinden. Nach der Genfer Konvention von 1949 müssen Kriegsgefangene unverzüglich registriert werden, damit ihre Behandlung überwacht werden kann, doch Washington argumentiert, dass für Mitglieder und Unterstützer von al-Qaida, die keiner staatlichen Militärorganisation angehören, die Genfer Konvention keine Gültigkeit habe.

Grausam, unmenschlich, entwürdigend

Elitejuristen wie Gonzales, Harvard-Absolvent und neuer Justizminister, haben die Begründung dafür geliefert, warum sich die US-Regierung über internationale Normen hinwegsetzt. Gonzales erklärte in seiner Anhörung, dass das (in der UN-Anti-Folterkonvention aufgestellte) Verbot jeder «grausamen, unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung» mutmasslicher Terroristen nicht anwendbar sei, wenn Ausländer im Ausland von Amerikanern verhört würden. Der schärfste interne Widerstand gegen diese Sichtweise kommt überraschenderweise von Leuten, die bei Verhören unmittelbar mitgewirkt haben, altgedienten Veteranen von FBI und CIA. Deren Bedenken sind sowohl praktischer als auch ideologischer Natur. Aufgrund jahrelanger Erfahrungen bezweifeln sie, dass mit physischem Druck verlässliche Informationen gewonnen werden können. Sie weisen darauf hin, dass die vielen Häftlinge, die sich in rechtsfreiem amerikanischem Gewahrsam befinden, möglicherweise nicht wieder in den Bereich des Gesetzes zurückgebracht werden können.

Wenn man diese Häftlinge zeitlich unbegrenzt festhalte, ohne Rechtsbeistand, ohne formelle Anklage und unter Bedingungen, die das Gewissen eines Gerichts erschüttern könnten, beraube man sich der Chance, Hunderte von Terrorverdächtigen zu verurteilen oder sie auch nur als Zeugen vor ausländischen Gerichten zu verwenden.

«Es ist ein Riesenproblem», sagt Jamie Gorelick, ehemals stellvertretender Justizminister und Mitglied der 9/11-Kommission. «Normalerweise macht man einem Verdächtigen entweder den Prozess, oder man lässt ihn laufen. Hat man diese Leute aber in einer Art und Weise behandelt, die es nicht erlaubt, dass man ihnen den Prozess macht, dann bewegt man sich in einer Art Niemandsland. Was will man mit diesen Leuten denn anfangen?»

Für die Regierung Bush hatte die strafrechtliche Verfolgung von Terrorverdächtigen keine Priorität. Man konzentrierte sich vielmehr auf die Verhinderung weiterer Anschläge. Manche Leute, die seit Jahren den Kampf gegen den Terrorismus führen, denken indes mit Sorge an die ungewollten Auswirkungen der radikalen Schritte der Regierung. Einer dieser Kritiker ist Michael Scheuer, ein ehemaliger Antiterrorexperte der CIA, der das Überstellungsprogramm mitentwickelte. Scheuer quittierte im letzten Jahr den Dienst und schrieb unter dem Pseudonym «Anonymous» zwei bitterböse Abrechnungen mit dem Kampf gegen den islamischen Terrorismus – sein jüngstes Werk «Imperial Hubris» war ein Bestseller.

«Denkt euch irgendwas aus»

Vor kurzem sprach Scheuer öffentlich zum ersten Mal darüber, wie er und andere hohe CIA-Beamte in den neunziger Jahren das Programm entwickelten. «Wir waren ratlos», berichtete er mir. Seinerzeit leitete er die Abteilung «Islamische Militante», deren Aufgabe es war, terroristische Operationen «aufzudecken, zu stören und zu vereiteln». Den Grossteil des Jahres 1996 verbrachte man damit, das Vorgehen von al-Qaida zu studieren. Im Jahr darauf sollten Bin Laden und seine Gefährten gefasst werden. «Wir sprachen im Weissen Haus vor und erhielten grünes Licht.» Richard Clarke, der im Nationalen Sicherheitsrat für die Terrorabwehr zuständig war, gab ihnen keinen Rat, sagte nur: «Denkt euch irgendwas aus.» (Clarke war zu einem Interview nicht bereit.)

Scheuer wandte sich an Mary Jo White, die ehemalige Staatsanwältin in New York, die mit einigen FBI-Agenten die Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Anschlag auf das World Trade Center 1993 führte. 1998 erwirkte sie einen Haftbefehl gegen Bin Laden, so dass US-Agenten nunmehr die Möglichkeit hatten, ihn und seine Gefährten zu einem Prozess in die Vereinigten Staaten zu schaffen. Doch von Anfang an zögerte man bei der CIA, Terrorverdächtigen die rechtsstaatlichen Möglichkeiten einzuräumen, die das amerikanische Gesetz vorsieht. Die CIA wollte ihre Informationsquellen und ihre Methoden nicht preisgeben, aber amerikanische Gerichte verlangen Transparenz. Schon allein die Frage nach der Herkunft wichtiger Beweisstücke – etwa eines Notebooks – könnte ein Problem sein: Ausländische Behörden könnten sich weigern, vor amerikanischen Gerichten Aussagen darüber zu machen, wie sie an Beweisstücke gekommen sind, weil ihnen nicht daran gelegen wäre, Auskunft über ihre Geheimoperationen zu geben. (Manche Staaten befürchteten auch Racheaktionen von Seiten ihrer muslimischen Bevölkerung.) Gelegentlich fühlte sich die CIA auch in ihrer Arbeit behindert. 1996 beispielsweise verhinderte das US-Aussenministerium ein gemeinsames Vorgehen von CIA und FBI, die einen Cousin von Bin Laden in Amerika verhören wollten, der als Besitzer eines Diplomatenpasses aber Immunität besass. Scheuer beschrieb die Frustration der CIA folgendermassen: «Wir waren Voyeure. Wir wussten, dass diese Leute im Land waren, konnten ihnen aber nichts anhaben, weil wir sie nirgendwo hinschaffen konnten... Wir mussten uns eine Drittlandlösung einfallen lassen.»

Die naheliegende Option war Ägypten – ein wichtiger strategischer Verbündeter, der grösste Empfänger von US-Auslandhilfe (nach Israel), dessen Geheimpolizei, die Mukhabarat, als besonders brutal galt. Ägypten war wegen Folter von Gefangenen mehrmals vom Aussenministerium gerügt worden. Nach einem Bericht von 2002 wurden «Häftlinge entkleidet und bekamen die Augen verbunden. Sie wurden an der Decke oder am Türrahmen aufgehängt, dass ihre Füsse knapp den Boden berührten, mit Fäusten, Peitschen, Metallstangen oder anderen Gegenständen geschlagen, mit Elektroschocks gefoltert, in kaltes Wasser getaucht und sexuell misshandelt.» Der ägyptische Präsident Hosni Mubarak, der 1981 nach dem Attentat islamistischer Extremisten auf Sadat an die Macht kam, war entschlossen, den Terrorismus auszulöschen. Seine Hauptfeinde waren die radikalen Islamisten, von denen Hunderte das Land verliessen und sich al-Qaida anschlossen. Zu ihnen gehörte auch Ayman al-Zawahiri, ein Arzt aus Kairo, der nach Afghanistan ging und schliesslich zum Stellvertreter Bin Ladens aufstieg.

1995 wurde den Ägyptern ein Auslieferungsprogramm vorgeschlagen, mit dem Hinweis, dass sie die Möglichkeiten hätten, Terrorverdächtige weltweit aufzuspüren, gefangen zu nehmen und mit Hilfe einer Flotte kleiner Flugzeuge abzutransportieren. Ägypten erwärmte sich für die Idee. «Der Witz war ja, dass einige der Topleute von al-Qaida Ägypter waren», sagte Scheuer. «Im amerikanischen Interesse war es, dass diese Leute gefasst wurden, und im ägyptischen, dass diese Leute nach Ägypten geschafft wurden, wo man sie verhören konnte.» Formell ist die CIA verpflichtet, «Zusicherungen» ausländischer Regierungen einzuholen, dass überstellte Personen nicht gefoltert werden. Laut Scheuer hatte man das auch getan, aber er war «nicht sicher», ob entsprechende Dokumente zur Bestätigung dieses Arrangements auch unterzeichnet wurden.

Dieses Geheimabkommen führte zu mehreren spektakulären verdeckten Operationen. Am 13. September 1995 wurde – mit Hilfe von US-Agenten – Talaat Fouad Qassem, einer der meistgesuchten ägyptischen Terroristen, in Kroatien gefasst. Qassem war nach Europa geflohen, nachdem ihn die Ägypter wegen Beteiligung am Attentat auf Sadat in Abwesenheit zum Tode verurteilt hatten. Die kroatische Polizei schnappte Qassem in Zagreb und übergab ihn US-Agenten, die ihn an Bord eines Schiffes auf der Adria verhörten und anschliessend nach Ägypten brachten. Dort verschwand er. Nirgendwo findet sich ein Beleg dafür, dass er vor Gericht gestellt wurde. Nach Ansicht von Hossam el-Hamalawy, einem ägyptischen Journalisten, der sich mit Menschenrechtsfragen beschäftigt, wurde Qassem hingerichtet.

Kein Zurück in die Rechtsordnung

Eine aufwendigere Operation fand im Sommer 1998 in Tirana statt. Laut einem Bericht des Wall Street Journal stellte die CIA dem albanischen Geheimdienst Geräte zur Überwachung von Personen zur Verfügung, die als militante Islamisten verdächtigt wurden. Mitschnitte von Telefongesprächen wurden ins Englische übersetzt, woraufhin US-Agenten feststellten, dass lange Gespräche mit Bin Ladens Stellvertreter al-Zawahiri geführt worden waren. Die USA ersuchten Ägypten um Hilfe. Im Juni stellten die Ägyp-ter einen Haftbefehl für Shawki Salama Attiya aus, einen der Islamisten. Laut Wall Street Journal töteten albanische Sicherheitskräfte (in Kooperation mit US-Agenten) in den darauffolgenden Monaten einen Verdächtigen und verhafteten Attiya sowie vier weitere Personen. Diese Männer wurden gefesselt und mit verbundenen Augen zu einem ehemaligen Luftwaffenstützpunkt gebracht und von dort nach Kairo zum Verhör geflogen. Attiya erklärte später, er sei an den Genitalien mit Elektroschocks gefoltert und an Armen und Beinen aufgehängt worden, und in seiner Zelle habe kniehoch schmutziges Wasser gestanden. Zwei andere Verdächtige, die in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden waren, wurden hingerichtet.

Am 5. August 1998 veröffentlichte eine arabische Zeitung in London einen Brief der Internationalen Islamischen Front für den Dschihad, die den Amerikanern Vergeltung für die albanische Operation androhte – «in einer Sprache, die ihr verstehen werdet». Zwei Tage später kam es zu den Anschlägen auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania, bei denen 224 Menschen den Tod fanden.

Die USA begannen, mutmassliche Terroristen auch an andere Länder auszuliefern, aber das wichtigste Zielland blieb Ägypten. Zwischen dem amerikanischen und dem ägyptischen Geheimdienst bestand eine enge Partnerschaft. Die Amerikaner konnten den ägyptischen Vernehmern morgens eine Liste mit den Fragen geben, die sie beantwortet haben wollten, und abends lagen die Antworten vor. Die Amerikaner wollten die Leute selbst verhören, doch das, so Michael Scheuer, lehnten die Ägypter ab. «Wir waren nie zur gleichen Zeit in einem Raum.»

Laut Scheuer wurde bei diesen Überstellungen anfänglich Wert auf ein «legales Vorgehen» gelegt. Jeder Verdächtige, der verhaftet wurde, war in Abwesenheit verurteilt worden. Vor seiner Verhaftung wurde eine Akte angelegt, die eine Art Strafregister enthielt. Der Rechtsberater der CIA zeichnete jede geplante Operation ab. Auf diese Weise, so Scheuer, habe man sichergestellt, dass keine Unschuldigen ausgeliefert wurden. «Langley gab nur dann grünes Licht, wenn der Fall begründet war.» Überdies sei dieses Programm aus Zweckmässigkeitsgründen praktiziert worden – «und nicht, weil man es für die beste Politik hielt».

Seit dem 11. September, angesichts der gestiegenen Zahl von Auslieferungen und nachdem Hunderte von Terrorverdächtigen auf unbestimmte Zeit in Orten wie Guantánamo festgehalten werden, haben sich die Schwachpunkte dieser Praxis gezeigt. «Wollen wir diese Leute in alle Ewigkeit festhalten?», fragte Scheuer. «Die Politiker haben sich nicht überlegt, was mit diesen Leuten geschehen soll und was passiert, wenn herauskommt, dass wir sie an Staaten ausliefern, die von Menschenrechtsorganisationen kritisiert werden.» Hat man die Rechte eines Häftlings erst einmal verletzt, «kann man ihn nicht mehr in die Rechtsordnung zurückführen. Töten kann man ihn auch nicht. Das Einzige, was wir erreicht haben, ist ein Alptraum.»

Dan Coleman, ein ehemaliger FBI-Agent, der im Juli vergangenen Jahres aus Krankheitsgründen den Dienst quittierte, findet die Vorstellung, ein CIA-Agent könne wegen der Auslieferungen Gewissensbisse haben, lächerlich. Die CIA habe das Programm von Anfang an gut gefunden. «Ihnen gefiel, dass diese Burschen einfach von der Bildfläche verschwanden und nie wieder von ihnen gehört wurde. Sie waren stolz darauf.»

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31.03.2005 21:56
#7 RE: Sanfter Faschismus in den USA Antworten

Zitat
«Wer sind wir denn? Die Hunnen?»

Zehn Jahre arbeitete Coleman eng mit der CIA bei der Terrorbekämpfung zusammen, auch im Zusammenhang mit den Anschlägen auf die Botschaften in Kenia und Tansania. Doch nach dem 11. September war sein methodisches Vorgehen – Verhöre dienten immer dem Zweck, ein Verhältnis zu den Häftlingen aufzubauen – nicht mehr gefragt, auch deswegen, weil Washington zur Verhinderung weiterer Anschläge möglichst rasch an Informationen kommen wollte. Mit ihrer geduldigen Arbeit hatten Coleman und andere jedoch einige Erfolge vorweisen können. Im Fall der Botschaftsanschläge konnten vier Al-Qaida-Angehörige verurteilt werden. Die Geständnisse, die die FBI-Agenten erreichten, und der Prozess selbst, der im Mai 2001 endete, führten zu wertvollen Erkenntnissen über al-Qaida, ihre Finanzierung, die innere Struktur und die Absicht, sich Massenvernichtungswaffen zu verschaffen. (Die politische Führung in Washington zeigte sich leider nicht hinreichend interessiert.)

Coleman verstand sich immer als politisch neutraler Staatsdiener. Sein ältester Sohn war bei den Rangers, diente in Afghanistan. Gleichwohl beunruhigte Coleman die neue Ausrichtung der Bush-Regierung. Folter, sagte er, wird bürokratisiert. So schlecht die Praxis der Auslieferung vor dem 11. September auch war, nach dem 11. September «lief sie aus dem Ruder. Statt die Leute einfach in Drittländer zu überstellen, halten wir sie selbst in Gewahrsam. Wir verhaften Leute und halten sie in Drittländern selbst in Gewahrsam. Das ist ein Riesenproblem.» Ägypten, so Coleman, habe ein zwar brutales, aber doch etabliertes Justizsystem. «Es gab Prozesse dort. Und wie sehen unsere Prozesse aus? Wir haben dort drüben keine andere Methode als unsere Gesetze – und wir haben beschlossen, sie zu ignorieren. Wer sind wir denn? Die Hunnen? Wenn du nicht mit uns sprichst, bringen wir dich um?»

Dass in Ägypten gefoltert wurde, sei von Anfang klar gewesen. Coleman erwähnte den Fall eines Mannes, der nach Ägypten floh, weil er im Verdacht stand, an dem ersten Anschlag auf das World Trade Center beteiligt gewesen zu sein. Die USA beantragten seine Auslieferung, und die Ägypter verfrachteten ihn wieder zurück – von Kopf bis Fuss in Isolierband eingewickelt, wie eine Mumie. (Ein anderer Ägypter, der Kontakte zu al-Qaida gehabt und mit den US-Behörden bei einem Terrorprozess zusammengearbeitet hatte, wurde in Kairo verhaftet und eingesperrt, bis US-Diplomaten seine Freilassung erreichten. Tagelang war er an eine Toilette angekettet gewesen, wo die Wächter auf ihn uriniert hatten.)

Angesichts solcher Verhältnisse könnte man annehmen, dass die US-Regierung Mühe hätte, Überstellungen nach Ägypten juristisch zu rechtfertigen. Seit dem 11. September, so Coleman, glaubt man bei der CIA, nach anderen Regeln zu operieren, sich ausserhalb der USA nicht an das Gesetz halten zu müssen. Agenten hätten ihm berichtet, dass praktisch alle Operationen von den Hausjuristen abgesegnet würden. Alles finde ja im Ausland statt.

Unhaltbar, unzutreffend, unklar

Coleman fand es empörend, dass Anwälte in Washington neue Regeln für Vernehmungen von Terrorverdächtigen aufstellten. «Haben diese Leute jemals versucht, mit einem Mann zu sprechen, dem man seine Kleider weggenommen hat? Dieser Mann schämt sich, er fühlt sich erniedrigt, und er friert. Er wird einem alles erzählen, was man hören will, nur um seine Sachen wiederzukriegen. Seine Aussage ist wertlos.» Coleman sagte, er habe gelernt, «selbst die übelsten Figuren so zu behandeln, als gäbe es eine persönliche Beziehung, auch wenn man sie verabscheut». Viele Verhaftete hätten erwartet, dass sie gefoltert würden, und erstaunt festgestellt, dass sie nach amerikanischem Recht bestimmte Rechte besassen. Durch rechtsstaatliches Vorgehen erreiche man sehr viel eher, dass Häftlinge beim Verhör kooperieren. Das Recht auf einen Verteidiger nütze nicht nur dem Beschuldigten, sondern auch dem Vernehmer. Anwälte könnten ihre Mandanten oft dazu bringen, mit der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten, die im Gegenzug Strafmilderung zusage. «Die Anwälte zeigen diesen Leuten, dass es einen Ausweg gibt», so Coleman. «Das liegt in der Natur des Menschen. Man kooperiert nur, wenn man einen Grund sieht. Brutalität bringt nichts. Das ist bekannt. Ausserdem verliert man seine Würde.»

Die Neudefinierung der Verhörregeln fand praktisch unbemerkt statt. Einer der Ersten, die von offizieller Seite auf diesen Kurswechsel hinwiesen, war Cofer Black, der bei der CIA die Abteilung Terrorbekämpfung leitete. Am 26. September 2002 erklärte er vor dem Geheimdienstausschuss, dass die Verhaftung und Verwahrung von Terroristen ein «ausserordentlich geheimer Bereich» sei. «Ihr Wissen muss sich darauf beschränken, dass es ein ‹vor dem 11. September› und ein ‹nach dem 11. September› gibt. Seit dem 11. September machen wir Ernst.»

Die Grundlage für diese Neuorientierung lieferten mehrere interne juristische Memoranden – von denen einige der Presse zugespielt, andere von Gruppen wie dem Center for Law and National Security der New Yorker Universität bekannt gemacht wurden. Diese Memoranden stammten zum grössten Teil aus der Feder konservativer Juristen im Justizministerium und im Büro von Alberto Gonzales, dem Rechtsberater im Weissen Haus. Eine prominente Rolle spielte John C. Yoo, seinerzeit Staatssekretär im Justizministerium. (Er lehrt heute in Berkeley.) Die Autoren dieser Memoranden machten darauf aufmerksam, dass der Präsident in seinem Krieg gegen den Terrorismus praktisch unbegrenzte Möglichkeiten habe. Yoo gehörte viele Jahre der Federalist Society an, einer Gruppierung konservativer Intellektueller, die dem Völkerrecht kritisch gegenüberstehen, und nach dem 11. September bot sich ihm und anderen in der Regierung die Gelegenheit, ihre politischen Ideen zu verwirklichen. Ein ehemaliger Jurist im Aussenministerium erinnerte sich an die Stimmung, die in der Regierung herrschte: «Die Twin-Towers schwelten noch. Die Atmosphäre war gespannt. Der Ton an der Spitze war aggressiv – verständlicherweise. Der Oberkommandierende hatte die Formulierung ‹tot oder lebendig› verwendet und geschworen, die Terroristen vor Gericht zu bringen. Alle waren ausser sich.»
Bald nach dem 11. September begannen Yoo und andere Regierungsjuristen, den Präsidenten darauf hinzuweisen, dass man sich bei Personen, die im Krieg gegen den Terror festgenommen würden, nicht an die Genfer Konvention halten müsse. Die Anwälte bezeichneten diese Personen nicht als Zivilisten oder Kriegsgefangene – die unter dem Schutz der Genfer Konvention stehen –, sondern als «illegale feindliche Kombattanten». Diese Kategorie galt nicht nur für Mitglieder und Sympathisanten von al-Qaida, sondern für das gesamte Taliban-Regime, weil Afghanistan nach Ansicht Yoos und anderer Anwälte ein «failed state» sei. Eric Lewis, ein Völkerrechtler, der mehrere Guantánamo-Häftlinge vertritt, sagte: «Die Anwälte der Regierung schufen eine dritte Kategorie, mit der diese Häftlinge ausserhalb des Rechts gestellt wurden.»

Das Aussenministerium wollte unbedingt an der Genfer Konvention festhalten, kämpfte gegen Bushs Anwälte, unterlag aber. In einem (bislang unveröffentlichten) 40-seitigen Memorandum vom 11. Januar 2002 erklärte William Taft IV, der Jurist des Aussenministeriums, dass Yoos Analyse «schwerwiegende Fehler» aufweise. Yoos Auffassung, der Präsident könne sich über die Genfer Konvention hinwegsetzen, sei «unhaltbar», «unzutreffend» und «unklar». Afghanistan sei kein «failed state», für den die Genfer Konvention nicht gelte. «Die Vereinigten Staaten haben vor, während und nach der Herrschaft der Taliban stets die offizielle Haltung vertreten, dass Afghanistan ein Staat ist», so Taft. Wenn die USA den Krieg gegen den Terrorismus ausserhalb der Genfer Konvention führten, riskiere man nicht nur, dass US-Soldaten den Schutz der Konvention verlieren (und daher angeklagt werden könnten). Selbst Präsident Bush könne von anderen Ländern als Kriegsverbrecher angeklagt werden. Taft schickte eine Kopie seines Memorandums an Gonzales, in der Hoffnung, seine Warnung werde den Präsidenten erreichen. Wenig später reagierte Yoo mit einer ausführlichen Entgegnung.

Andere Regierungsmitarbeiter erfüllte die Willfährigkeit der Rechtsberater im Weissen Haus mit Sorge. «Anwälte müssen die Stimme der Vernunft sein und manchmal auf die Bremse treten, auch wenn der Mandant etwas anderes von ihnen hören will», sagte der ehemalige Jurist im Aussenministerium. «Unser Job ist es, dafür zu sorgen, dass der Zug nicht entgleist. Und nicht, dem Präsidenten zu sagen: ‹So können Sie das Gesetz umgehen.› Es gibt keine Ausnahmen von der Genfer Konvention. Man kann nicht sagen, dass die Genfer Konvention für bestimmte Leute nicht gilt. Das ist Unsinn. Die Konvention gilt für alle, die an Kämpfen teilnehmen – ob Weltkrieg oder lokale Rebellion.» Taft, so der Aussenamtsjurist, habe Yoo und Gonzales gedrängt, den Präsidenten darauf hinzuweisen, dass er «im Ausland als Kriegsverbrecher wahrgenommen» werde, doch diese Empfehlung verhallte ungehört. Vielleicht hatte sich Präsident Bush schon entschieden. Nach Angaben hoher Beamter im Aussenministerium beschloss er am 8. Januar 2002 – drei Tage bevor Taft das Memorandum an Yoo schickte –, die Genfer Konvention für nicht bindend zu erklären.

Das Geheimmemorandum

Die juristischen Ausführungen zum Status von Häftlingen waren so geschickt konstruiert, dass zahlreiche Lücken blieben. So erklärte Präsident Bush im Februar 2002 in einer schriftlichen Direktive, er habe zwar verfügt, dass die Genfer Konvention im Krieg gegen den Terror nicht anwendbar sei, alle Häftlinge sollten aber «human» behandelt werden. Eine genauere Lektüre der Anweisung ergibt jedoch, dass dies nur für militärische Vernehmer galt – nicht für CIA-Mitarbeiter. So konnte die CIA weiterhin Praktiken (einschliesslich Auslieferung an Drittländer) anwenden, die an Folter grenzten. Und in einem Memorandum vom August 2002 (verfasst weitgehend von Yoo, aber unterzeichnet von Jay S. Bybee, dem Staatssekretär im Justizministe-rium) wird festgestellt, dass Folter die Absicht voraussetze, Schmerzen zuzufügen, «die in ihrer Intensität mit solchen Schmerzen vergleichbar sind, wie sie bei schweren körperlichen Verletzungen (Organversagen, Beeinträchtigung von körperlichen Funktionen und sogar Tod) auftreten». Nach einem Bericht der New York Times wurde die CIA durch ein Geheimmemorandum ermächtigt, neuartige Verhörmethoden anzuwenden – auch das sogenannte water-boarding, eine Methode, bei der Häftlinge gefesselt und so lange unter Wasser gehalten werden, dass sie fast ersticken. Dr. Allen Keller, Direktor eines therapeutischen Zentrums für Folteropfer, berichtete mir von mehreren Personen, die solche Verhörmethoden erlebt hätten, und meinte, dass dies tatsächlich Folter sei. Einige Opfer seien noch Jahre später traumatisiert. Ein Patient könne sich nicht duschen und gerate bei Regen in Panik. «Die Angst, getötet zu werden, ist eine schreckliche Erfahrung», so Dr. Keller.

Die offizielle Position, dass eine harte Behandlung von Häftlingen gerechtfertigt sei, durchlief offenbar die ganze Befehlskette. Ende 2003 wurden im Gefängnis Abu Ghraib Fotos aufgenommen, auf denen Gefangene zu sehen sind, die von US-Soldaten grotesk misshandelt werden. Nachdem der Skandal ans Tageslicht gekommen war, revidierte das Justizministe-rium die Folterdefinition, die in Bybees Memorandum formuliert worden war. Misshandlungen während des Verhörs sollten nun verboten sein. Doch die Regierung wehrte sich heftig gegen alle Bemühungen, der CIA Zügel anzulegen. In den letzten Monaten haben republikanische Politiker auf Drängen des Weissen Hauses zwei Gesetzentwürfe im Senat abgeblockt, wonach der CIA die Anwendung von grausamen und unmenschlichen Verhörmethoden untersagt werden sollte. Ebenfalls erfolglos war der Versuch des republikanischen Abgeordneten Markey, das Sonderüberstellungsprogramm für gesetzwidrig zu erklären.

John C. Yoo, mit dem ich unlängst am Telefon sprach, reagierte freundlich, aber resolut. «Warum können die Leute nicht verstehen, dass es eine Kategorie von Verhalten gibt, das ausserhalb des Gesetzes steht?», fragte er. «Wer waren die Piraten? Sie haben nicht für einen bestimmten Staat gekämpft. Wer waren die Sklavenhändler? In der Geschichte hat es immer wieder so schlechte Menschen gegeben, dass sie nicht den Schutz der Gesetze genossen. Für sie gab es keine Prozessordnung, keine Haftvorschriften. Wer ein illegaler Kombattant war, hatte den Schutz des Kriegsrechts nicht verdient.»Yoo wies auf Präzedenzfälle hin. «Auch Lincolns Mörder hat man so behandelt. Sie wurden vor ein Militärgericht gestellt und hingerichtet.» Entscheidend sei, dass die «simple Definition» der Genfer Konvention – Zivilist oder Soldat – «nicht akkurat» sei.

Yoo wies auch darauf hin, dass der Präsident nach der Verfassung bevollmächtigt sei, sich über die Genfer Konvention hinwegzusetzen, wenn es um die Verteidigung der Nation gehe – eine Auffassung, die von vielen Juristen angefochten wird. Laut Yoo ist der Kongress nicht befugt, dem Präsidenten hinsichtlich der angewendeten Verhörmethoden Vorschriften zu machen. Yoo: «Dies gehört zu den Kernaufgaben des Oberkommandierenden. Man kann den Präsidenten nicht daran hindern, Folter anzuordnen.» Falls der Präsident seine Macht als Oberkommandierender missbrauche, dann, so Yoo, sei die Amtsenthebung die verfassungsgemässe Antwort. Der Sieg Bushs bei den Wahlen im letzten Jahr und der relativ geringe Widerstand, den die Demokraten Gonzales entgegengebracht hätten, beweise, «dass die Debatte vorbei ist. Das Thema ist erledigt. Die Öffentlichkeit hat ihr Referendum gehabt.»

Das FBI verhört, die CIA greift hart durch

Wenige Monate nach dem 11. September fiel den Amerikanern der erste hochrangige Al-Qaida-Führer in die Hände. Ibn al-Scheich al-Libi, der Bin Ladens Terrorcamp in Khalden (Afghanistan) geleitet hatte, war in Pakistan festgenommen worden. Zacarias Moussaoui, der sich bereits in US-Gewahrsam befand, und Richard Reid, der Schuhbomber, waren in Khalden gewesen. Jack Cloonan, der seit 1972 für das FBI arbeitete, versuchte von New York aus, den Vorgang im Auge zu behalten. Sowohl CIA als auch FBI waren an al-Libi interessiert. Cloonan, der viele Jahre mit Dan Coleman in der Terrorabwehr zusammengearbeitet hatte, wollte al-Libi als Zeugen in den Verfahren gegen Moussaoui und Reid aussagen lassen. Er bat die FBI-Kollegen in Afghanistan, den Mann respektvoll zu vernehmen und so vorzugehen, als wären sie «hier in meinem Büro in New York. Wir haben über eine sichere Leitung miteinander gesprochen. Ich sagte: Tut euch einen Gefallen, weist den Burschen auf seine Rechte hin. Es mag altmodisch sein, aber wenn wir es nicht tun, kommt alles heraus.

Vielleicht erst in zehn Jahren, aber es wird euch schaden und dem Ansehen des FBI. Seid ein leuchtendes Beispiel für das, was wir für richtig halten.» Cloonans FBI-Kollegen wiesen al-Libi auf seine Rechte hin und verhörten ihn, abwechselnd mit CIA-Leuten. Wenige Tage später hatten sie den Eindruck, dass sie eine gute Beziehung zu ihm aufgebaut hatten. Doch die CIA-Agenten waren überzeugt, dass der Mann log und man ihn härter anfassen müsse.

Cloonan erfuhr, dass die CIA al-Libi nach Ägypten überstellt hatte. Der Mann war, an Händen und Füssen gefesselt und mit verklebtem Mund, in Afghanistan an Bord eines Flugzeugs gebracht worden. Cloonan, der 2002 das FBI verliess, sagte: «Zumindest kamen wir an Informationen mit Methoden, die kein Gericht aufrütteln würden. Und für das, was ich getan habe, wird sich niemand rächen müssen. Wir müssen der Welt zeigen, dass wir führen können, aber nicht bloss mit militärischer Stärke.»

Nachdem al-Libi nach Ägypten gebracht worden war, verlor ihn das FBI aus den Augen. Offenbar spielte er aber indirekt eine entscheidende Rolle bei der Erklärung von Aussenminister Colin Powell, mit der er im Februar 2003 vor dem UN-Sicherheitsrat für einen Präventivschlag gegen den Irak plädierte. Al-Libi wurde zwar nicht namentlich erwähnt, aber Powell erklärte, dass ein «hochrangiger Terrorist», der «eines der Ausbildungslager von al-Qaida in Afghanistan leitete», gegenüber den US-Behörden ausgesagt habe, dass Saddam Hussein angeboten habe, zwei Al-Qaida-Terroristen in der Verwendung von «chemischen oder biologischen Waffen» auszubilden.

Im Sommer letzten Jahres berichtete Newsweek, dass al-Libi, der schliesslich von Ägypten nach Guantánamo geschafft wurde, die Quelle von Powells Beschuldigung sei, inzwischen aber widerrufen habe. Zu diesem Zeitpunkt war mehr als ein Jahr seit der US-Invasion im Irak vergangen, und die 9/11-Kommission hatte erklärt, dass es für eine Verbindung zwischen Saddam Hussein und al-Qaida keine Beweise gebe. Dan Coleman war empört, als er von al-Libis falschem Geständnis hörte. «Dass die Vernehmer geglaubt haben, al-Libi könne etwas über den Irak wissen, ist doch lächerlich», so Coleman. «Das hätte ich ihnen auch erzählen können. Er hat ein Trainingslager geleitet. Er hatte nichts mit dem Irak zu tun. Washington hat uns ständig gedrängt, Beweise für eine Zusammenarbeit vorzulegen. Aber es gab keine. Unzutreffende Informationen bekam man nur deswegen, weil man sie aus ihm herausgeprügelt hat. Mit einer solchen Vorgehensweise kommt man nie an zuverlässige Informationen.»

«Kreative» Informationsbeschaffung

Die meisten Folterexperten sind sich darin einig, dass man mit Folter und geringeren Formen körperlichen Zwangs durchaus Geständnisse erhält. Allerdings müssen diese Geständnisse nicht unbedingt stimmen. Drei der britischen Guantánamo-Häftlinge, die im letzten Jahr entlassen wurden, hatten beispielsweise gestanden, dass sie auf einem unscharfen Videoband zu sehen seien, das ein Treffen von Bin-Laden-Kämpfern in Afghanistan zeige. Wie der Londoner Observer berichtete, konnten britische Geheimdienstbeamte, die nach Guantá-namo geflogen waren, nachweisen, dass diese Männer zum Zeitpunkt der Videoaufnahmen in England lebten. Die Häftlinge erklärten den britischen Behörden, dass sie zu falschen Geständnissen gezwungen worden seien.

Craig Murray, der ehemalige britische Botschafter in Usbekistan, sagte mir, dass die Amerikaner von den Usbeken jede Menge Informationen erhielten, die diese mit Hilfe von Folter gewonnen hätten. Diese Informationen seien grösstenteils wertlos. Murray berichtete von mindestens drei Fällen, in denen die Amerikaner verdächtige Militante von Afghanistan nach Usbekistan überstellt hätten. Murray nimmt an, dass sie dort gefoltert wurden. «In Usbekistan ist es durchaus üblich, eine Hand oder einen Arm in kochendes Wasser zu halten.» Er wisse auch von zwei Fällen, in denen Häftlinge zu Tode gekocht worden seien.

Aus Sorge, die Amerikaner könnten Komplizen eines solchen Regimes sein, bat Murray im Jahr 2002 seinen Stellvertreter, das Problem mit dem CIA-Chef in Taschkent zu besprechen. Der CIA-Mann habe nicht bestritten, dass Informationen durch Folter gewonnen würden, darin aber kein Problem gesehen. «Es bestand kein Grund zu der Annahme, dass sie das störte», sagt Murray.

Es gibt – wegen der moralischen und rechtlichen Probleme, die entsprechenden Experimenten im Wege stünden – nur begrenzt wissenschaftliche Studien zur Effizienz von Folter und harten Verhörmethoden. Tom Parker, ein ehemaliger britischer Geheimdienstbeamter, der in Yale unterrichtet, vertrat den Standpunkt, dass – unabhängig davon, ob folterähnliche Verhöre zu zuverlässigen Informationen führen – das viel grössere Problem darin bestehe, dass viele Häftlinge «nichts erzählen können». Jahrelang habe man IRA-Leute harten Verhören unterzogen, am Ende aber erkennen müssen, dass Häftlinge nicht viel bringen. Sinnvoller sei es gewesen, Informationen auf «kreativerem» Weg zu beschaffen, etwa durch Unterwanderung und Abhören.

«Die USA machen das, was die Briten in den Siebzigern getan haben – sie verhaften Leute und verletzen deren bürgerliche Rechte», so Parker. «Es hat die Situation nur noch verschlimmert. Die meisten Internierten sind zum Terrorismus zurückgekehrt. Am Ende hat man die ganze Bevölkerung radikalisiert.»

Selbst wenn Habib, wie vom Pentagon behauptet, ein Terrorist mit Verbindung zu al-Qaida ist, so werden – angesichts der Behandlung, der er in Ägypten unterzogen wurde – die Staatsanwälte vermutlich nie eine wasserdichte Anklage gegen ihn vorlegen können. John Radsan, Juraprofessor am William Mitchell College in St. Paul/Minnesota, der bis zum letzten Jahr in der Rechtsabteilung der CIA arbeitete, sagte: «Ich glaube, niemand hat sich konsequent überlegt, was wir mit diesen Leuten anfangen.»

Ähnlich komplizierte Probleme stellen sich im Fall von Chalid Scheich Mohammed, der im März 2003 in Pakistan verhaftet wurde und während des Verhörs unter Wasser getaucht worden sein soll. «Wenn das stimmt», so Radsan, «könnte man ihn praktisch nicht mehr vor Gericht bringen. Jede Information, die aus seinem Verhör stammt, könnte als Frucht vom verbotenen Baum betrachtet werden. Ich glaube, die Regierung denkt an ein Verfahren vor einem Militärgericht. Aber selbst dort gilt die Bestimmung, dass erzwungene Geständnisse nicht verwendet werden dürfen.»
Das Verfahren gegen Zacarias Moussaoui – das einzige Verfahren vor einem US-Strafgericht gegen einen Verdächtigen vom 11. September – befindet sich in einer Sackgasse. Vor mehr als drei Jahren bezeichnete Justizminister John Ashcroft die Anklage gegen Moussaoui als «Chronik des Bösen». Grund für den Stillstand ist Moussaouis Gesuch (das von Washington abgelehnt wird), als Zeugen Al-Qaida-Mitglieder vorzuladen, die sich in US-Gewahrsam befinden, darunter auch Ramsi Binalschibh und Chalid Scheich Mohammed. (Binalschibh soll gefoltert worden sein.) Rechtsberater der Regierung machen geltend, dass ein Auftritt der Zeugen den Vernehmungsprozess stören werde.

Auch die deutschen Ermittlungsbehörden befürchten, die unter Terrorverdacht stehenden Mitglieder der Hamburger Zelle, die mutmasslich an der Planung der Anschläge vom 11. September beteiligt waren, nicht verurteilen zu können – auch deswegen, weil die USA sich weigern, Binalschibh und Scheich Mohammed als Zeugen aussagen zu lassen. Einer der Hamburger Angeklagten, Mounir Motassadeq, wurde 2004 als Erster wegen Beteiligung an den Anschlägen vom 11. September zwar verurteilt, doch das Urteil wurde aufgehoben, weil das Berufungsgericht die Beweise nicht überzeugend fand.

Was hat die US-Regierung zu verbergen?

Inzwischen steht Motassadeq wieder vor Gericht, muss aber nach deutschem Recht nicht mehr in Untersuchungshaft sitzen. Obwohl ihm vorgeworfen wird, die Überweisung von Geldern auf Konten der Terroristen vom 11. September organisiert zu haben (und mit Mohammed Atta, dem Piloten eines der Todesflugzeuge, befreundet gewesen zu sein), befindet er sich auf freiem Fuss. Die USA haben dem deutschen Gericht Zusammenfassungen der Aussagen von Scheich Mohammed und Binalschibh vorgelegt. Gerhard Strate, Motassadeqs Anwalt, erklärte mir jedoch: «Diese Zusammenfassungen stellen uns nicht zufrieden. Wenn man die Wahrheit herausfinden will, muss man wissen, wer die Leute verhört hat und unter welchen Bedingungen. Darauf haben wir noch keine Antwort bekommen.» Die Weigerung der US-Behörden, die Zeugen persönlich aussagen zu lassen, so Strate, bringe das Gericht in eine «lächerliche Position». «Ich weiss nicht, warum sie die Zeugen nicht kommen lassen. Man denkt sofort, dass die US-Regierung etwas zu verbergen hat.»

Tatsächlich räumte das Justizministerium unlängst ein, dass man in Bezug auf Maher Arar, den kanadischen Ingenieur, etwas zu verbergen habe. Um das Verfahren abzuschmettern, das Arars Verteidiger gegen den Staat anstrengen wollten, berief sich die Regierung auf das selten geltend gemachte «State Secret Privilege». Nach Ansicht der Regierung würde ein öffentliches Verfahren die «nachrichtendienstlichen, aussenpolitischen und nationalen Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten» gefährden. Barbara Olshansky vom Center for Constitutional Rights, das Arar vertritt, berichtete, Regierungsjuristen hätten ihr erklärt, «dass dieses Verfahren nicht durchgeführt werden kann und die Geheiminformationen, die ihrer Argumentation zugrunde liegen, nicht einmal den gegnerischen Anwälten zur Einsicht vorlegt werden können. Das ist der Gipfel der Arroganz – sie glauben, im Namen des globalen Kriegs gegen den Terror können sie sich alles erlauben.»

Die 30-jährige Nadja Dizdarevic lebt mit ihren vier Kindern in Sarajevo. Am 21. Oktober 2001 wurden ihr Mann, Hadj Boudella, ein Muslim algerischer Abstammung, und fünf weitere in Bosnien wohnhafte Algerier verhaftet, nachdem die bosnische Regierung von amerikanischer Seite einen Hinweis erhalten hatte, dass die Gruppe einen Anschlag auf die amerikanische und britische Botschaft in Sarajevo plane. Einer der Verdächtigen soll nach dem 11. September 2001 rund siebzigmal mit Al-Qaida-Führer Abu Zubaydah telefoniert haben. Boudella und seine Frau erklären jedoch, dass weder er noch mehrere der anderen Beschuldigten den Mann kannten, der mit Zubaydah telefoniert haben soll. Und nach Angaben der amerikanischen Anwälte der Männer, Rob Kirsch und Stephen Oleskey, konnten die bosnischen Ermittlungsbehörden auch keine Bestätigung dafür finden, dass die Anrufe tatsächlich gemacht wurden.

Auf Ersuchen der Amerikaner blieben die sechs Männer drei Monate lang in bosnischem Gewahrsam. Da gegen sie nichts vorgebracht werden konnte, ordnete der Oberste Gerichtshof Bosniens am 17. Januar 2002 ihre Freilassung an. Die Männer verliessen das Gefängnis, allerdings gefesselt und vermummt, und wurden von maskierten Personen, darunter offenbar Mitglieder bosnischer Sonderkommandos, zu bereitstehenden kennzeichenlosen Autos gebracht. Boudellas Frau wartete vor dem Gefängnis auf ihren Mann. Obwohl er vermummt war, erkannte sie ihn an dem neuen Anzug, den sie ihm am Tag zuvor ins Gefängnis gebracht hatte. «Nie werde ich diese Nacht vergessen», sagte sie. «Es schneite. Ich schrie um Hilfe.» Eine Menschenmenge stellte sich der Wagenkolonne in den Weg, doch die Autos fuhren in hohem Tempo davon. Ziel war ein Luftwaffenstützpunkt, wo die Häftlinge stundenlang in einem kalten Hangar warten mussten. Einer der Männer erklärte später, er habe gesehen, wie einer der Entführer seine bosnische Uniform ausgezogen habe und als Amerikaner zu erkennen gewesen sei. Die US-Regierung hat eine Beteiligung an dieser Operation weder bestritten noch bestätigt.

Sechs Tage nach der Entführung erfuhr Boudellas Frau, dass ihr Mann und die anderen nach Guantánamo geschafft worden waren. Einer der Entführten behauptet, US-Soldaten hätten ihm zwei Finger gebrochen. Über das Schicksal der anderen ist wenig bekannt.

Boudellas Frau sagte, sie sei erstaunt gewesen, dass ihr Mann ohne Anklage und ohne Prozess inhaftiert werden konnte, in Friedenszeiten und nachdem er von seiner eigenen Regierung freigesprochen worden war. Der Begriff «feindlicher Kombattant» habe sie verwirrt. «Wessen Feind?», fragte sie. «Und wo soll er gekämpft haben?» Sie habe nun ein anderes Bild von Amerika. «Ich habe nicht meine Meinung über die Menschen geändert, aber leider meine Meinung, was den Respekt der Amerikaner für die Menschenrechte angeht. Amerika führt die Welt nicht mehr. Es führt in Sachen Menschenrechtsverletzungen.»

Im Oktober wollte Boudella vor dem «Combatant Status Review Tribunal» des Pentagons seine Unschuld beweisen. Dieses Tribunal ist die Antwort des Verteidigungsministeriums auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, der sich über die Argumente der Bush-Regierung hinwegsetzte und befand, dass den Guantánamo-Häftlingen das Recht zustehe, ihre Inhaftierung anzufechten. Einen Verteidiger durfte Boudella nicht mitbringen. Und das Tribunal erklärte, dass es nicht imstande sei, eine Kopie des Urteils jenes bosnischen Gerichts aufzutreiben, das ihn freigesprochen hatte (Boudella hatte das Tribunal ersucht, dieses Urteil zu prüfen). Laut Protokoll erklärte Boudella: «Ich bin gegen Terrorakte.» Und weiter: «Wie kann ich einer Organisation angehören, die meinem Volk, davon bin ich fest überzeugt, Schaden zugefügt hat?» Das Tribunal lehnte seinen Einspruch ab, so wie es 387 von insgesamt 393 Einsprüchen abgelehnt hat. Als Boudellas Frau davon erfuhr, schrieb sie den folgenden Brief an die amerikanischen Anwälte ihres Mannes:

«Liebe Freunde, diese Nachricht hat mich so schockiert, dass mir das Blut in den Adern zu gefrieren schien. Ich kann nicht atmen, und ich wünschte, ich wäre tot. Ich kann nicht glauben, dass so etwas geschieht, dass sie einem den Mann wegnehmen, mitten in der Nacht und ohne Grund, die Familie zerstören, die Träume zerstören, nachdem man drei Jahre gekämpft hat... Bitte sagt mir, was ich für ihn noch tun kann... Ist diese Entscheidung endgültig, welche juristischen Möglichkeiten gibt es noch? Bitte helft mir, das alles zu verstehen, das ist doch Wahnsinn, es verstösst gegen alle möglichen Gesetze und Menschenrechte. Bitte helft mir. Ich will ihn nicht verlieren.»

John Radsan, der ehemalige CIA-Jurist, hatte eine Art Antwort: «Als Gesellschaft ist uns noch nicht klar, worauf dieses harte Vorgehen hinausläuft. Es gibt kaum Bestimmungen für feindliche Kombattanten. Es herrscht das Gesetz des Dschungels. Und im Moment sind wir zufällig das stärkste Raubtier.»

Aus dem Englischen von Matthias Fienbork@ The New Yorker


Quelle: http://www.weltwoche.ch/artikel/?AssetID=10536&CategoryID=60

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28.04.2005 16:21
#8 RE: Sanfter Faschismus in den USA Antworten

AImmer noch unter dem Eindruck einer dreiteiligen Reportage in der ARD über die Gestapo möchte ich an dieser Stelle eine Argumentation , wie Faschismus definiert werden kann, veröffentlichen (von Dr. Lawrence Britt, Politikwissenschaftler. Dr. Britt untersuchte die faschistischen Regime Hitlers (Deutschland), Mussolinis (Italien), Francos (Spanien), Suhartos (Indonesien) und Pinochets (Chile) und weiterer lateinamerikanischer Länder.

Er fand heraus, dass all die Regime 14 Dinge gemeinsam hatten und er nennt sie die Identifikationsmerkmale des Faschismus.)
:

Zitat
Die 14 Merkmale sind:

1. starker und anhaltender Nationalismus

Faschistische Regime neigen zu einem ständigen Gebrauch von patriotischen Mottos, Slogans, Symbolen, Liedern und was sonst noch dazu gehört. Flaggen sind überall zu sehen, wie auch Flaggensymbole auf Kleidung und anderen öffentlichen Präsentationen.

2. Geringschätzung der Menschenrechte

Aus Angst vor Feinden und dem Bedürfnis nach Sicherheit heraus werden die Menschen in einem faschistischen Regime überzeugt, dass die Menschenrechte in einigen Fällen ignoriert werden können. Die Leute sehen in die andere Richtung oder stimmen den Folterungen, Massenhinrichtungen, Ermordungen, langen Inhaftierung von Gefangenen uns so weiter sogar zu.

3. Identifizierung von Feinden/Sündenböcken als vereinigende Sache

Die Leute werden in einen vereinigenden patriotischen Wahn getrieben durch das Ziel, eine erkannte allgemeine Bedrohung oder einen Feind zu beseitigen, sei es eine rassische, ethnische oder religiöse Minderheit; Liberale; Kommunisten; Sozialisten; Terroristen uns so weiter.

4. Vorrang des Militärs

Selbst wenn es weit reichende inländische Probleme gibt, erhält das Militär einen überproportional großen Anteil des Staatshaushalts und die inländischen Probleme werden vernachlässigt. Soldaten und das Militär werden verherrlicht.

5. wachsender Sexismus

Die Regierungen faschistischer Länder sind fast ausschließlich von Männern beherrscht. Unter faschistischen Regimes werden traditionelle Geschlechtsrollen stärker betont. Der Widerstand gegen Abtreibung ist groß, wie auch die Homophobie wie auch gegen Homosexuelle gerichtete Gesetzgebung und staatliche Politik.

6. kontrollierte Massenmedien

Manchmal werden die Medien direkt durch die Regierung kontrolliert, aber in anderen Fällen werden die Medien indirekt durch Verordnungen der Regierung kontrolliert oder durch geistesverwandte Sprecher oder Vorstände der Medien. Zensur, insbesondere in Kriegszeiten, ist weit verbreitet.

7. Besessenheit von der nationalen Sicherheit

Angst wird als Mittel der Motivation für die Massen durch die Regierung eingesetzt.

8. Religion und Regierung sind miteinander verflochten

Regierungen faschistischer Länder neigen dazu, die gebräuchlichste Religion des Landes zu nutzen, um die öffentliche Meinung zu manipulieren. Religiöse Rhetorik und Fachsprache wird von Regierungsmitgliedern häufig genutzt, selbst wenn die Lehrsätze der Religion der Politik oder den Handlungen der Regierung genau entgegenstehen.

9. unternehmerische Macht wird geschützt

Die Aristokraten der Industrie und der Unternehmen eines faschistischen Landes sind häufig diejenigen, die den politischen Führern an die Macht geholfen haben, was zu einer beidseitig nützlichen Beziehung von Unternehmen und Regierung und einer Machtelite führt.

10. gewerkschaftliche Macht wird unterdrückt

Da die organisierende Macht der Gewerkschaften die einzige wirkliche Bedrohung für ein faschistisches Regime darstellt, werden Gewerkschaften entweder ganz ausgemerzt oder sie werden stark unterdrückt.

11. Geringschätzung Intellektueller und der Künste

Faschistische Länder neigen dazu, offene Feindschaft zu höherer Bildung und Akademien zu förden und zu tolerieren. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Professoren oder andere Akademiker zensiert oder sogar verhaftet werden. Freier Ausdruck in der Kunst wird häufig öffentlich angegriffen und die Regierungen lehnen es häufig ab, die Künste zu fördern.

12. Besessenheit von Verbrechen und Bestrafung

Unter faschistischen Regimes wird der Polizei fast unbegrenzte Macht zur Verbrechensbekämpfung eingeräumt. Das Volk ist häufig bereit, Polizeiverbrechen zu übersehen und sogar Bürgerrechte im Namen des Patriotismus' aufzugeben. In faschistischen Ländern gibt es meistens eine landesweite Polizeieinheit mit praktisch unbegrenzter Macht.

13. wachsende Seilschaften und Korruption

Faschistische Regime werden fast immer von einer Gruppe von Freunden und Genossen regiert, die sich gegenseitig Regierungsposten zuschieben und ihre Macht und ihren Einfluss nutzen, um ihre Freunde davor schützen, zur Verantwortung gezogen zu werden. Es ist in faschistischen Regimes nicht unüblich, dass nationale Ressourcen oder sogar Schätze von den Regierungsmitgliedern angeeignet oder sogar gestohlen werden.

14. betrügerische Wahlen

Manchmal sind die Wahlen in faschistischen Ländern ein kompletter Schwindel. In anderen Fällen werden die Wahlen durch Schmutzkampagnen oder sogar die Ermordung von Oppositionskandidaten, Nutzung der Gesetzgebung um die Anzahl der Stimmberechtigten oder der Wahlbezirke zu kontrollieren, oder Beeinflussung der Medien manipuliert. Faschistische Länder nutzen auch typischerweise ihre Richterschaft, um die Wahlen zu manipulieren oder zu kontrollieren.


Quelle: http://www.schaub-barbeyto.ch/faschismus.htm

Nochmal zurück zu der eingangs erwähnten Serie. Bislang wusste ich nicht, dass die Konzentrationslager der Nazis bereits mit deren Machtergreifung 1933 errichtet wurden, und zunächst sytemkritische Personen in "Schutzhaft" genommen wurden. Unter "Schutzhaft" verstanden die Faschisten , dass man den Staat vor diesen Personen schützen musste. Die Gefangenen wurden meist ohne Gerichtsverfahren auf unbestimmte Zeit dort festgehalten.

Heute hält die Bushjunta mehr als 60.000 Gefangene in Konzentrationslagern in Afghanistan, Irak, Guantanamo, Diego Garcia und weiteren Geheimgefängnissen zumeist ohne Gerichtsverfahren, Anklage und Rechte zeitlich unbegrenzt fest. Dabei foltern sie die Gefangenen, zum Teil sogar bis zu deren Tod. Zigtausend Menschen sind "spurlos" verschwunden. Sind wir Menschen wieder soweit?

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30.04.2005 16:28
#9 RE: Sanfter Faschismus in den USA Antworten

Ein besonders dunkles Kapitel der aktuellen US-Politik sind die Konzentrationslager, wo die USA über 60.000 Menschen weltweit festhalten. Ein besonders "berühmtes" Gefängnis ist auf Guantanamo. Nicht nur dort werden die Gefangenen systematisch gefoltert. Sie befinden sich, ähnlich wie zu Nazizeiten in "Schutzhaft". Das heißt, die USA fühlt sich durch diese Menschen bedroht und sie werden ohne Verfahren und ohne jegliche Rechte festgehalten. (Die jüngst durch die Bushjunta inszenierten Militärgerichte ändern an dieser Tatsache nix)Immer wieder bestätigen Zeugen, dass die Gefangenen größtenteils völlig zu Unrecht jahrelang in diesen Foltergefängnissen festgehalten werden. Dabei versuchen die Folterknechte ihren Verbrechen einen "Sinn" zu geben, in dem sie suggerieren, man erziele brauchbare Ergebnisse in den Verhören. Hier ein jüngstes Beispiel:

Zitat
Freitag, 29. April 2005
Guantanamo-Farce für Politiker
Verhöre werden fingiert


Im US-Militärgefängnis Guantanamo Bay auf Kuba sind einem Zeugen zufolge Gefangenen-Verhöre für Politiker und Militärführer inszeniert worden. Damit sollte bei den Besuchern der Eindruck erweckt werden, der Geheimdienst gelange dort regelmäßig zu nützlichen Erkenntnissen, berichtete ein ehemaliger Übersetzer des Lagers.

Seiner Einschätzung nach befänden sich unter den rund 600 Häftlingen nur ein paar Dutzend Terroristen, sagte der frühere Unteroffizier Erik Saar dem US-Fernsehsender CBS. Der 60-minütige Bericht, in dem Saar auftritt, soll am Sonntag ausgestrahlt werden. "Wenn VIPs kamen, wurden Verhöre inszeniert, so dass sie kommen und sich ein Verhör ansehen konnten ... eine Scheinbefragung", sagte Saar. Dabei seien kooperative Gefangene erneut zu schon früher gemachten Aussage befragt worden. Es sei eine fingierte, für die Besucher erschaffene Welt gewesen.

Saar arbeitete von Dezember 2002 bis Juni 2003 in Guantanamo Bay. Die Häftlinge waren beim US-Einmarsch in Afghanistan nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 festgenommen worden.

Europarat wirft USA Unmenschlichkeit vor

Am Dienstag hatte der Europarat hat die USA wegen "unmenschlicher und rechtswidriger" Haftbedingungen im dem Gefangenenlager auf dem US-Militärstützpunkt scharf kritisiert. In einer ohne Gegenstimmen verabschiedeten Entschließung appellierten die Abgeordneten der Parlamentarischen Versammlung des Europarates an die USA, auch im Kampf gegen den Terrorismus Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit vollständig zu respektieren.

Der sozialistische britische Berichterstatter Kevin McNamara warf den USA vor, die Gefangenen in Guantánamo seit Jahren ohne Anklage und Recht auf Verteidigung festzuhalten und sie unter unmenschlichen Bedingungen ohne Kontakt zur Außenwelt festzuhalten. Viele würden mit Wissen und Mitschuld der US-Regierung gefoltert und misshandelt. "Wir dürfen nicht vergessen, dass die Terroristen unsere Freiheit, Rechtstaatlichkeit und Demokratie angreifen. Aber wenn wir uns auf ihr Niveau begeben, machen wir uns mitschuldig", sagte McNamara.

Die FDP-Abgeordnete und frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte: "Unsere lange erkämpften Rechtsstandards dürfen auch in dieser Situation nicht geopfert werden." Die Situation in Guantánamo sei rechtswidrig. Auch die Rechte mutmaßlicher Terroristen müssten garantiert werden.

Die USA haben Beobachterstatus beim Europarat und sind gegenüber der Organisation Verpflichtungen zur Einhaltung der Menschenrechte eingegangen.

Bush: Wir sind im Krieg

US-Präsident George W. Bush wies Folter-Vorwürfe zurück. Die US-Gesetze würden stets beachtet, sagte Bush am Donnerstagabend in Washington. Es würden auch keine Gefangenen in Länder ausgeliefert, die nicht zusicherten, dass dort nicht gefoltert werde. Allerdings müssten die USA sich auch gegen die Terrorgefahr wehren. "Wir sind noch immer im Krieg", betonte er und warnte, mit zunehmendem Abstand von den Anschlägen des 11. September 2001 "nachlässig zu werden."


Quelle: http://www.n-tv.de/525413.html

Die Menschenverachtung, die Scheinheiligkeit ist beispiellos. Und was noch schlimmer ist. Niemand weiß mehr, was wahr und was gelogen ist.

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05.05.2005 08:52
#10 RE: Sanfter Faschismus in den USA Antworten

Über die Entstehung von Konzentrationslagern und den Irrweg Menschen ohne Anklage und Gerichtsverfahren und zeitlich unbegrenzt gefangen zu halten

Wir alle wissen, wo der Weg der Faschisten endete. Millionen Menschen wurden vernichtet, der Holocaust bis heute beispiellos in der Geschichte menschlicher Entgleisungen, die halbe Welt befand sich im Krieg, Zerstörung, Tod, Leid zig millionenfach. Doch wissen wir auch, wie der Weg begann?

Eine Reportage der ARD über die Gestapo hat mich um meinen Schlaf gebracht. Darin wurde die Willkür der Nazis gezeigt, die sofort mit der Machtergreifung 1933 mit dem Bau von Konzentrationslagern begannen. Darin sperrten sie mißliebige Personen auf unbegrenzte Zeit und ohne Gerichtsverfahren ein. Die Nazis entfernten sich immer mehr von Recht und Gesetz. Dabei sprachen sie damals von "Terroristen" vor denen man den Staat schützen müsse. Den Haftgrund nannten sie zynisch "Schutzhaft". Von Beginn an herrschte Folter und Gefangenenmord. Dabei führten die Verbrecher sogar internationale Delegationen durch die Lager um den immer wieder nach draußen dringenden Nachrichten über ihre Verbrechen mit inszenierter Propaganda zu begegnen.

Wer sich tiefer mit diesem Thema befassen möchte, hier einige Links dazu:
http://www.luise-berlin.de/Bms/bmstxt00/0009prof.htm
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/367801/
http://www.daserste.de/programm/tvtipp_d....04.2005~cm.asp

Falls die Dokumentation wiederholt wird, sie ist aus meiner Sicht sehenswert.

Fast achtzig Jahre später

Heute erlebe ich wieder einen Staat, der es für legitim hält zigtausende Menschen in Schutzhaft zu nehmen. Dieser Staat läßt diese Gefangenen systematisch erniedrigen und foltern.
Hier als Beispiel nur eine AFP Meldung:

Zitat
BZ, 15. Dezember 2004

Zitat:Acht Todesfälle in US-Haft in Afghanistan
Pentagon bestätigt Angaben

WASHINGTON, 14. Dezember. Seit dem Ende der Taliban-Herrschaft sind in US-Gefängnissen in Afghanistan acht Häftlinge gestorben. Das bestätigte das Pentagon am Montag, nachdem die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in einem Offenen Brief an Verteidigungsminister Donald Rumsfeld die Aufklärung von Verbrechen amerikanischer Truppen in Afghanistan gefordert hatte. In drei Fällen seien noch Untersuchungen im Gange, sagte ein Sprecher des Kommandos in der US-Armee, das mit den Ermittlungen betraut ist. Ursprünglich hatte die US-Armee sechs Todesfälle öffentlich bestätigt. HRW hat der US-Armee und US-Geheimdienstmitarbeitern wiederholt systematische Misshandlungen von Gefangenen in Afghanistan vorgeworfen. (AFP)



Aber wir wissen von weiteren Toten, Folteropfern die in US-Gefangenschaft getötet wurden. Wir wissen von "Ärzten" in Abu Graib, die falsche Todesscheine ausstellten, um Foltermorde zu vertuschen, und auch die zynische Propaganda gibt es, die uns weismachen will, die Gefangenenlager seien gar nicht so schlimm, wie es immer ausschaut.
http://www.guardian.co.uk/guantanamo/sto...1163435,00.html

Ein klares Wort zu den Terrorlagern der heutigen Zeit findet Robert Fisk hier: http://www.embargos.de/irak/occupation/b...slager_fisk.htm

Aber auch die Heimatwehr in den USA wird immer stärker ausgebaut. Ein fast schon paranoider Verfolgungswahn führt zu immer weiteren Einschränkungen der bürgerlichen Rechte und Freiheiten. Die Bushregierung schürt zusätzlich die Terrorangst. Was ist dran, an diesem Bericht?
http://www.wfg-gk.de/verschwoerung2.html

Für mich sind Parallelen zwischen den Anfängen der Nazis und den Bushisten feststellbar. Auch die Bushregierung bewegt sich weg vom Recht und den Gesetzen, hin zu Willkür und Repression. Für mich ergeben sich folgende Fragen:

Kann man solch einen Weg stoppen, bevor es zu noch größeren Verbrechen kommt? Wie kann man das stoppen?

Ab wieviel willkürlich eingekerkerten Gefangenen werden wir Menschen aufstehen und den Verbrechern in den Arm fallen? 100.000? 1.Million Menschen?

Wieviele Verbrechen, wieviele Gefangenenmorde, wieviele Folterskandale braucht es, bis wir uns entquemen, und begreifen, dass da was heranwachsen könnte?

Der Holocaust war bis heute einmalig - keine Frage. Doch wie kam es dazu, dass Millionen "normale" Menschen zu Tätern wurden? Das sie ihre Mitmenschen denunzierten, und die Ermordung von Millionen Menschen duldeten, oder sich gar daran beteiligten?

Bei der berechtigten Erinnerung an die Vergangenheit sollten wir nicht lapidar behaupten, dass so etwas nie wieder vorkommen könnte. Wir, als Menschheit müssen aufpassen, dass sich das Nie wieder wiederholt! Wehret den Anfängen!

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10.05.2005 16:43
#11 RE: Sanfter Faschismus in den USA Antworten

Unheilvolle Parallelen zwischen Bushs Rede zum Amtsantritt und der deutschen Außenpolitik zum Ende der dreißiger Jahre sieht auch David Walsh:

Zitat
Amerikas Tag der Schande
Von David Walsh
27. Januar 2005
aus dem Englischen (21. Januar 2005)

In seiner Amtsantrittsrede am 20. Januar ließ George W. Bush die Welt wissen, dass der amerikanische Imperialismus auch weiterhin nach Weltherrschaft strebt. Der US-Präsident rief zu den Waffen, zu einem Dschihad , und machte klar, dass keinem Land und keiner Regierung erlaubt werde, sich den USA in den Weg zu stellen.

Mit seiner Rede wollten Bush und die Kreise in der herrschenden Elite, für die er spricht, jede Illusion zerstreuen, dass die Katastrophe im Irak oder die international verbreitete Opposition gegen Washingtons Militarismus seine neue Regierung davon abbringen könnten, ihre reaktionären Ziele zu verfolgen.

Nicht zum erstenmal gab er eine Reihe unzusammenhängender Behauptungen, Lügen und Banalitäten von sich. Er brachte kein logisches Argument zustande, sondern wiederholte bestimmte Schlüsselbegriffe immer und immer wieder. Diese konzentrierten sich auf das gottgegebene Mandat der USA, überall auf der Welt einzugreifen, um die Sache der "Freiheit" zu vertreten. In seiner zwanzigminütigen Rede äußerte der Präsident 46 Mal die Worte "frei" oder "Freiheit".

Diese absurde Wiederholung des Begriffs "Freiheit" wird wohl niemanden täuschen, ganz bestimmt nicht die Opfer und Gegner der Verbrechen, die er während seiner ersten Amtszeit im Irak, in Afghanistan und anderswo begangen hat. Bush, Vizepräsident Cheney und der Rest dieser Regierung waten bis zu den Hüften in Blut und Schmutz und sind für den Tod von mehr als 100.000 Irakern und den Tod und die Verstümmelung von Tausenden amerikanischer Soldaten verantwortlich.

Die amerikanische Regierung und Armee haben in Guantanamo , Abu Ghraib und Falludscha gezeigt, welche Art von "Freiheit" für das irakische Volk und die übrige Welt sie im Sinn haben: Unterdrückung, Folter, militärische Besetzung und die Zerstörung ganzer Städte. Auch Nazi-Deutschland und das kaiserliche Japan versprachen, die Völker Europas und Asiens zu "befreien".

Man kann die reaktionäre, wunderliche Substanz von Bushs Rede nicht von dem Rahmen trennen, in dem sie gehalten wurde. Die Freiheit, die Bush ständig zur Rechtfertigung von Militarismus und Krieg beschwor, fehlte bei den Inaugurationsfeierlichkeiten in auffälliger Weise. Kriegsrechtsähnliche Bedingungen wurden der Hauptstadt aufgezwungen. Tausende Demonstranten wurden von einer ganzen Armee von Polizisten außer Sichtweite gehalten.

Als Bush gerade wieder einmal seine Ergebenheit für die Sache der Freiheit beteuerte, konnte man einen Polizisten beobachten, der die Beseitigung eines Transparents forderte. Gegen Ende der Rede zeigten Fernsehkameras Demonstranten, die festgenommen wurden, weil sie es offenbar gewagt hatten, Bush auszubuhen.

Der Zeremonienmeister der Inauguration, Senator Trent Lott aus Mississippi, hatte 2002 von seinem Posten als Mehrheitsführer im Senat zurücktreten müssen, weil er den Präsidentschaftswahlkampf Strom Thurmonds von 1948 gepriesen hatte. Thurmond hatte mit einem Rassentrennungsprogramm für die States ' Rights Party kandidiert. Ein Kommentator erwähnte den besonders starken "Mississippi-Einfluss" bei den Inaugurationsfeierlichkeiten. Der unerträgliche Einfluss der christlichen Rechten war überall zu spüren. Gebete, religiöse Hymnen und Lobpreisungen Gottes gab es im Überfluss.

Bushs Rede war eine weitere Gelegenheit, der amerikanischen Bevölkerung Furcht und Beklemmung einzuflößen. Er sprach von "ganzen Weltregionen, die brodeln vor Zorn über die Tyrannei", womit er vermutlich den Nahen Osten meinte. Ganz nebenbei verwandelte Bush diese Regionen - die in Wirklichkeit vor Zorn darüber brodeln, dass Washington dort Tyrannen unterstützt und im Irak einmarschiert ist - in eine "tödliche Bedrohung" für das amerikanische Volk.


Der Tenor der Rede war, dass nach dem 11. September Amerikas göttliche Bestimmung, die "Freiheit" über die ganze Welt zu verbreiten, mit der nationalen Sicherheit der USA zusammenfalle. Oder, um das Argument von seiner Schwülstigkeit zu befreien und die Botschaft klar und deutlich zu formulieren: Das amerikanische Volk müsse entweder töten, oder werde getötet werden.

Bush bemerkte, dass es nach dem "Schiffbruch des Kommunismus" einige ruhige und friedliche Jahre gegeben habe, bis plötzlich aus heiterem Himmel die Terroranschläge vom 11. September 2001 - die er in quasi biblischen Worten als "den Tag des Feuers" bezeichnete - diese Ruhe zerrissen hätten. Jetzt verstehen wir, behauptete er, dass "dem Frieden am besten gedient ist, wenn wir die Freiheit in der ganzen Welt verbreiten".

Die Ereignisse, über die Bush spricht, stehen in einem Zusammenhang, aber in einem anderen, als er behauptet. Der Zusammenbruch des Stalinismus in der UdSSR und Osteuropa Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre schaffte die Voraussetzung für den heutigen Ausbruch der amerikanischen Aggression. Das Ende der Sowjetunion bot den Vereinigten Staaten die Gelegenheit, den Niedergang ihrer ökonomischen Vorherrschaft durch den Einsatz des Militärs aufzuhalten. Die Bush-Regierung ist Verkörperung dieser neuen Politik, für die der 11. September nur den Vorwand lieferte.

Entsprechend dem trügerischen Charakter des imperialen Projekts der Bush-Regierung hatte die Amtseinführungsrede einen panischen, ja gelegentlich schwachsinnigen Unterton. Diese Regierung versucht unablässig und absichtlich Furcht und Hysterie zu streuen, aber in ihrer eigenen Mentalität herrscht mehr als eine Spur von Verzweiflung und Paranoia. Die amerikanische herrschende Elite glaubt, nur ein kleines Zeitfenster zu haben, um die Kräfte zurückzudrängen, die sie zu überwältigen drohen.

"Die Tyrannei in unserer Welt zu beenden", erklärte Bush, sei "jetzt die Berufung unserer Zeit". Das sollte als unheilvolle Warnung verstanden werden. Die Invasion im Irak war nur das Vorspiel.


Die Kommentare in den Medien taten Bushs Rede großenteils einfach als Inaugurationsrhetorik ab, die keine Auswirkungen auf die Politik haben werde. Das ist grundfalsch. Es gibt auffällige Parallelen zwischen dem Verhalten der Bush-Regierung und dem zunehmenden Wahnsinn der deutschen Außenpolitik Ende der dreißiger Jahre, als die wirtschaftliche Situation des deutschen Imperialismus zunehmend unhaltbar wurde.

Der objektive Hintergrund für Bushs Ruf zu den Waffen sind das massive Haushalts- und Handelsdefizit des US-Kapitalismus und eine ökonomische Struktur, die sich immer weniger aufrecht erhalten lässt. Wenn man ihn beim Wort nimmt und "Verbreitung der Freiheit" als ein Codewort für Aggression versteht, dann umriss Bush gestern ein Programm für ungezügelten Militarismus auf der ganzen Welt.


Vorbereitungen für einen Krieg gegen den Iran sind schon von dem Journalisten Seymour Hersh im New Yorker enthüllt worden. Vergangene Woche zählte Condoleezza Rice , Bushs Kandidatin für das Amt des Außenministers, bei ihrer Anhörung vor dem Auswärtigen Ausschuss des Senats die Länder auf, die ganz oben auf der Liste der Opfer für US-Aggressionen stehen. Rice bezeichnete Nordkorea, Iran, Kuba, Weißrussland, Simbabwe und Burma als "Vorposten der Tyrannei". Dann stieß sie Drohungen gegen Syrien und Venezuela aus. Die Bush-Regierung schlägt eine Politik der Subversion und militärischen Intervention gegen Länder in Südamerika, Europa, Asien und Afrika vor.

Der Präsident akzeptierte in seiner Amtseinführungsrede keinerlei Beschränkungen des "Rechts" der USA, Regierungen zu stürzen und ihre Länder zu überfallen. Für die Souveränität der Nationen, die Rolle der UNO, die Gültigkeit von Verträgen und die Bestimmungen des Völkerrechts legte er nicht einmal Lippenbekenntnisse ab.

Er warnte Amerikas Verbündete: "Die Spaltung der freien Nationen [d.h. Opposition gegen Washingtons Diktat] ist das oberste Ziel der Feinde der Freiheit."


Bush wandte sich an die "Völker der Welt" und versprach ihnen, sie von "Unterdrückung" zu befreien. Aber die Völker der Welt haben ihn in ihrer großen Mehrheit längst durchschaut. Dem Christian Science Monitor zufolge "ist Präsident Bush nach den meisten Berichten weltweit unbeliebt, ja verhasst.... Mr. Bush ist der vielleicht unbeliebteste amerikanische Führer der Geschichte." Das Program on International Policy Attitudes meldete vergangenen Herbst: "Gerade einmal zwanzig Prozent der [in 32 Ländern] in aller Welt befragten Menschen waren für die Wiederwahl Präsident Bushs."

Nach einer Umfrage von Zogby von Mitte 2004 ist der Prozentsatz der Araber - der angeblichen Nutznießer von Amerikas Kreuzzug für Demokratie im Nahen Osten - mit einer positiven Meinung über die USA in fast jedem untersuchten Land dramatisch gesunken. Zum Beispiel äußerten 98 Prozent aller befragten Ägypter eine negative Meinung über die USA. Eine andere Untersuchung fand heraus, dass eine Mehrheit der Menschen in Jordanien, Marokko, Pakistan und in der Türkei ebenso wie in Frankreich und Deutschland glauben, dass Washington seinen "weltweiten Krieg gegen den Terror" führt, um die Kontrolle über den Nahen Osten zu erlangen und die Welt zu dominieren.

Genau sowenig hat Bush in den USA ein Mandat für seine endlose militaristische und reaktionäre Politik. Zwar hat er die Wahl, wenn auch knapp, gewonnen, indem er Kriegs- und Terrorhysterie schürte, die Verwirrung der Bevölkerung ausbeutete und außerdem von der Schlappheit der Demokratischen Partei profitieren konnte. Aber kurz vor seiner zweiten Amtseinführung hat Bush die schlechtesten Umfrageergebnisse eines wiedergewählten Präsidenten seit fünfzig Jahren. Eine solide und wachsende Mehrheit hält die Invasion im Irak für einen Fehler. Auch gibt es keinerlei Massenunterstützung für seine radikale Veränderung der Altersvorsorge und der Steuergesetzgebung.

Als Bush sich der Situation in den USA zuwandte und seine "lieben Mitbürger" ansprach, verlor seine Rede den letzten Anschein von Kohärenz, den sie bis dahin vielleicht noch aufgewiesen hatte. Zuweilen hatte man keine Ahnung mehr, worüber er eigentlich sprach. Bush ging nur nebenbei ganz kurz auf die tiefe Spaltung des Landes ein und machte nicht einen konkreten Vorschlag gegen die Armut, den Niedergang des Lebensstandards und die bedrückende Verschuldung, unter denen breite Schichten der Bevölkerung leiden.

Er sprach vom Idealismus "einiger Amerikaner", nämlich jener, die an Spionage sowie der Eroberung und Besetzung fremder Länder beteiligt sind. Er forderte die Jugend auf, sich von der "Pflichtauffassung und Treue in den entschlossenen Gesichtern unserer Soldaten" inspirieren zu lassen. Die USA bräuchten Idealismus und Mut, "um die Aufgabe der amerikanischen Freiheit" zu vollenden, fuhr Bush fort; er unterließ es, diese Aufgabe zu definieren.

Nur indirekt ging er auf die Privatisierung der Altersvorsorge ein und forderte eine "Gesellschaft von Besitzern" - mit anderen Worten, eine Gesellschaft, in der der Reichtum der Elite unantastbar ist, während die übrige Bevölkerung sehen muss, wo sie bleibt.

Bush, der als Gouverneur von Texas für die Hinrichtung von 152 Menschen verantwortlich war und dessen persönliche sadistische Ader bekannt ist, ließ sich über die Tugend des "Mitleids" und "ein Herz für die Schwachen" aus.

Er schloss: "Amerika proklamiert in diesem noch jungen Jahrhundert die Freiheit für die ganze Welt und alle ihre Bewohner."

Bewohner dieser Welt, hütet euch!


Nach all dem, was in den letzten vier Jahren geschehen ist, ist der Anblick von George W. Bush, wie er zum zweitenmal seinen Amtseid ablegt, ein zutiefst schändlicher Moment in der amerikanischen Geschichte. Der Gestank der Kriminalität hängt über der Regierung - und über dem gesamten politischen und Medienestablishment der USA. Bushs Claqueure jubelten ihm nicht ohne Grund zu: Er richtet sich an die reaktionärsten und ungebildetsten Schichten der Bevölkerung.

Die US-Elite hat keinerlei rationale oder progressive Lösung für die Widersprüche des amerikanischen Kapitalismus und taumelt mit geschlossenen Augen auf die Katastrophe zu, mit der moralischen und intellektuellen Null George W. Bush an ihrer Spitze.



Quelle: http://www.eastsidepromotion.de/Anhang/A...r%20Schande.htm

Capella Offline




Beiträge: 152

11.05.2005 10:22
#12 RE: Sanfter Faschismus in den USA Antworten

Hi,

dieser Tage lief (im allgemeinen "60 Jahre Kriegsende"-Wahn) der Film "Hitler, Aufstieg des Bösen" auf RTL2, eine kanadische Produktion von 2003. Die Rede, die Hitler darin nach dem Reichtagsbrand hält, um das Ermächtigungsgesetz zu rechtfertigen, klang ganz verdammt nach George W.s Rede zum Homestead Security Act. Ich bin nicht sicher, ob die Rede authentisch und gut recherchiert war (dann ist es echt unheimlich), oder ob das ein Seitenhieb der kanadischen Filmproduzenten auf Bush war, die damit diese Parallele eben auch betonen wollten. Interessant war es auf alle Fälle.

gruß,
Capella

saratoga Offline



Beiträge: 109

30.05.2005 12:43
#13 RE: Sanfter Faschismus in den USA Antworten

Oftmals sind es die kleinen Anekdoten, die einen Zustand besonders deutlich vor Augen führen. So z.B. die eines Holocaust-Überlebenden, der danach in den Staaten lebte und jetzt aufgrund der jüngsten Entwicklungen auswandert - zurück nach Deutschland.

Zitat
I asked him where he was moving, and he said, "Back to Germany."
(...)
"No," he answered me. "I'm going back because I've seen this before." He then commenced to explain that when he was a kid, he watched with his family in fear as Hitler's government committed atrocity after atrocity, and no one was willing to say anything. He said the news refused to question the government, and the ones who did were not in the newspaper business much longer. He said good neighbors, people he had known all his life, turned against his family and other Jews, grabbing on to the hate and superiority "as if they were starved for it" (his words).

He said he was too old to see it happen right in front of his eyes again, and too old to do anything about it, so he was taking his family back to Europe on Thursday where they would be safe from George W. Bush and his neocons.


http://www.justicefornone.com/handbills/leaving1.htm

Übrigens, die beste Beschreibung zum Zustand in den USA, die ich bisher gelesen habe, ist der Ausdruck "geofaschistisch" - nach innen durchaus mit demokratischen Zügen (wenn auch stark abbauend), nach außen hin wohl selbsterklärend.

roblion Offline




Beiträge: 97

02.07.2005 22:03
#14 RE: Sanfter Faschismus in den USA Antworten

Ich denke, dieser Artikel passt zur Thread-Überschrift:


Zitat
Der Krieg der Bush-Männer
Mit Zensur und Sparbefehlen attackiert die konservative US-Regierung den öffentlichen Sender PBS.


Von Carla Palm

Shelby Knox, Schülerin aus Lubbock in Texas, ist eine gläubige Baptistin. Sie möchte als Jungfrau in die Ehe gehen. Das ist nicht so ganz einfach in einer amerikanischen Kleinstadt, in der die Schwangerschaftsrate unter Jugendlichen deutlich über dem Durchschnitt des Landes liegt.

Florin Krasniqi lebt in Brooklyn und rüstet gerade eine Guerilla-Armee im Kosovo mit Waffen aus, die er in Amerika billig aufkauft. Rafe Esquith, Lehrer aus Los Angeles, wiederum übt mit Kindern aus Immigranten-Familien Shakespeare-Aufführungen ein.

Lebenswege, die es nur im Land der unbegrenzten Möglichkeiten geben kann. Der öffentlich-rechtliche Fernsehkanal PBS erzählt in seiner Sendung Point of View, die nun in die 18. Saison ging, solche ungewöhnlichen Geschichten.

»Die Konservativen wollen die Medien um jeden Preis kontrollieren«
Mitchell McKinney, Medienwissenschafter an der New Yorker Columbia Universität

Nirgendwo sonst im amerikanischen Fernsehen finden anspruchsvolle Dokumentarfilme über querdenkende Jugendliche, passionierte Lehrer und potenzielle Terroristen einen Platz. CBS, ABC, NBC und Fox amüsieren sich mit Shows und Soaps und Serien durchs Leben. Doch seit PBS zur Zielscheibe von US-Präsident George W. Bush und seinen Helfershelfern geworden ist, hängt auch die Zukunft von Point of View am seidenen Faden.

Den Republikanern sind PBS und der ebenfalls öffentliche Radiosender NPR viel zu liberal in ihrer Berichterstattung. Um die angebliche Schieflage zu begradigen, durchsucht nun der mit Bush-Friends besetzte Rundfunkrat, die Corporation for Public Broadcasting (CPB), das Programm von PBS und NPR nach regierungsfeindlichen Inhalten.

„Ich habe den Eindruck, dass wir mit unserer Forderung nach ausgewogener Berichterstattung bei der PBS auf taube Ohren stoßen, trompetet der CPB-Vorsitzende Kenneth Tomlinson, ein verdienter Republikaner und professioneller Propagandamacher. Er setzte eigenmächtig ein externes Beraterteam auf verdächtige Sendungen und freigeistige Journalisten an. Unter Beschuss sind jetzt zum Beispiel der Talkshow-Veteran Bill Moyers, der angeblich zu viele progressive Studiogäste einlädt, sowie die bekannte Nachrichtensendung Newshour mit dem Berater Jim Lehrer.

Darüber hinaus will Kontrolleur Tomlinson den Radiosender NPR zu mehr Musiksendungen verdonnern. Angesehene Politikmagazine wie Democracy Now und All Things Considered, die dafür bekannt sind, internationale Nachrichten zu bringen und hintergründig über den Irak-Krieg zu berichten, drohen bei einer solchen Programmentschärfungsreform ganz wegzufallen.

Als kürzlich auch noch herauskam, dass die staatlichen Subventionen halbiert und das PBS-Kinderprogramm Ready to Learn eingestellt werden sollten, forderten 16 Senatoren der demokratischen Oppositionspartei den Präsidenten Bush in einem offenen Brief auf, seinen Strohmann Kenneth Tomlinson umgehend vom Amt zu entheben. Er würde das Ansehen und die Mission des öffentlichen Rundfunks in Amerika systematisch unterminieren. Zu den Unterzeichnern gehörten Joseph I.Lieberman und Edward M. Kennedy.

Nach einer Abstimmung im Repräsentantenhaus liegen die Kürzungen jetzt erst einmal auf Eis. Das Bombardement auf PBS werde aber weitergehen, meint Mitchell McKinney, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Columbia Universität in New York. Der Experte beobachtet den Medienkrieg der Bush-Administration bereits eine ganze Weile: „Die Konservativen in diesem Land denken, dass die unabhängigen Medien für sie eine Gefahr darstellen. Von daher wollen sie die Medien um jeden Preis kontrollieren.”

Der öffentliche Rundfunk, so McKinney, sei eine der letzten nichtkommerziellen Nachrichtenquellen, die Amerika noch habe. Anders als in Deutschland, wo sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk über Gebühren finanziert, beziehen PBS und NPR etwa 15 Prozent des Budgets aus dem Staatshaushalt. Den Rest tragen Mäzene, Kleinspender und Mitglieder bei.

Auch die Filmemacherin Rose Rosenblatt, die für ihren Film The Education of Shelby Knox die Teenagerin aus Texas und ihre Familie drei Jahre lang begleitet hat, spürt den eisigen Wind von rechts. So schwer wie im Augenblick sei die Finanzierung von anspruchsvollen Filmprojekten noch nie gewesen, sagt sie. Rosenblatt kennt die Branche seit immerhin mehr als zehn Jahren. Ihr Fazit: „Es wird sehr viel Druck ausgeübt, mehr Filme mit konservativen Themen zu drehen.”

(SZ vom 29.06.2005)

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25.07.2005 10:43
#15 RE: Sanfter Faschismus in den USA Antworten

Die Vergleiche der Bushjunta mit den Faschisten nehmen weltweit zu...

Zitat
Zentrum eines globalen Sturms

Bei aller Konzentration auf den Krieg gegen den Irak wurde die US-Politik auch global charakterisiert. Der Rechtsprofessor und UNESCO-Friedenspreisträger Richard Falk aus den USA hatte in seiner Eröffnungsrede dafür die Weichen gestellt. »Wir müssen begreifen, daß der Irak-Krieg das Zentrum eines großen globalen Sturms ist. Dieser Sturm drückt die Ambitioniertheit des amerikanischen Projekts aus, die Welt mit Waffengewalt zu beherrschen, ihre Völker durch ökonomische Globalisierung auszubeuten und ihnen seine Sicherheitsvorstellungen vom amerikanischen Hauptquartier aus zu diktieren.«

Angesichts dieser extrem aggressiven US-Außenpolitik ist es nicht verwunderlich, daß immer häufiger Faschismusvorwürfe laut werden. Wir hörten sie in den letzten Monaten nicht zum ersten Mal auf internationalen Veranstaltungen. In der Geschichte gab es schon vielerlei Faschismen. Das Vorgehen der USA scheint daran nahtlos anzuknüpfen: Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts versuchen sie, durch eine Serie von Kriegen (Jugoslawien, Afghanistan, Irak) ihre Führungsrolle in der »westlichen Welt« zur Weltherrschaftsdiktatur auszubauen; die Verteufelung anderer Staaten und Ideologien als »Achse des Bösen« ist ebenso ein Beweis dafür. Man kann nicht vergessen, daß die USA nicht mehr das Land sind, das an der Antihitlerkoalition teilnahm und mithalf, Europa vom Faschismus zu befreien. Spätestens mit dem Vietnamkrieg haben sie den Nimbus verspielt, sich als ein Land anzubiedern, das selbst aus antikolonialen Kämpfen hervorgegangen is und sich eine progressive Rolle in der Welt zuzuschreiben. Seit Vietnam sind sie selbst die Kolonisatoren. Die Berufung auf das Nürnberger Tribunal war mehrfach zu hören, auch, daß nun für die Sieger die gleichen Maßstäbe gelten müssen, die einst an die Taten der Nazis angelegt wurden. Brechts Mahnung »Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch« meint nicht so sehr einen erneut aufflammenden Rechtsradikalismus in westlichen Ländern, sondern eine Kriegsgefahr, die derjenigen entpricht, wie sie im vergangenen Jahrhundert eben von faschistischen Staaten ausging.

Wie scheinheilig die Argumentation der USA ist, das Land von Saddam Hussein befreit zu haben, wurde oft erwähnt. Erinnert wurde auch daran, daß nur zwei Prozent der Iraker den amerikanischen Einmarsch akzeptiert hatten. Die Aussage »Der ganze Irak ist ein einziges Gefängnis« wurde mit Beifall quittiert. Nicht wenige sagten, daß es der Bevölkerung heute schlechter gehe als zu Zeiten Saddam Husseins. Die irakische Frauenrechtlerin Hana Ibrahim erinnerte daran, daß »von dem Tag an, da die Okkupation im Irak begann, systematisch gegen die Rechte der Frauen verstoßen wurde«. Häufig würden sie die ersten Opfer der Gesetzlosigkeit, von Vergewaltigungen, Entführungen und Zwangsprostitution. Thomas Fasy, Professor für Pathologie an der Mount Sinai School of Medicine in New York, legte dem Tribunal Beweise vor, daß sich die Zahl mißgebildeter Babys im Irak zwischen 1990 und 2001 um das Siebenfache erhöht hat. Laut Fasy haben im Regierungsbezirk Basra die Fälle von an Krebs erkrankten Kindern unter fünf Jahren zwischen 1990 und 2002 um das 26fache zugenommen.


Prüfstein des Gewissens

Die USA haben eine internationale Situation geschaffen, in der jene, die sich ihrer Weltdiktatur entgegenstellen, ob Staat oder Individuum, sofort als Terroristen oder deren Unterstützer abgestempelt werden und die Macht dieses mächtigen Staates zu spüren bekommen. Sie besitzen ein weltweites Waffenmonopol und behalten sich ausdrücklich das Recht auf nukleare Erstschläge vor, darüber hinaus benutzen sie dieses Potential, um mit präventiven Schlägen auf bloßen Verdacht hin zu drohen. Der norwegische Friedensforscher Johan Galtung rief zu gewaltfreiem Widerstand gegen die USA auf. Das einzige, was sie verstünden, wäre ein Boykott ihrer Waren und Dienstleistungen. Es sei ein aktiver Prozeß, sich der von den USA und ihren willigen Helfern ausgehenden Diskriminierung und Kriminalisierung der Friedensbewegung zu widersetzen und sich ihrer politischen und medialen Lügengebäude zu entziehen, die mit »Verständnis« beginne. Arundhati Roy sagte unter Beifall: »Wer den USA Widerstand leistet, ist ein Terrorist. In diesem Sinne bin ich auch ein Terrorist.«

Was kann es auf der Welt Wichtigeres geben als die Erhaltung des Friedens? Was wird dieser Programmpunkt für eine Rolle spielen bei der weiteren Einigung der deutschen Linken? Bei der nächsten Bundestagswahl? Das ist wahrhaftig ein Prüfstein des Gewissens.


Quelle: http://www.jungewelt.de/2005/07-22/003.php

Hoffentlich können die US-Amerikaner sich noch selbst von diesem fanatischen Machtklüngel befreien.

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