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Dieses Thema hat 8 Antworten
und wurde 853 mal aufgerufen
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AutorPeterTernes Offline




Beiträge: 3.162

23.02.2004 08:55
RE: Die Türkei und die EU Antworten

Die Türkei will mit aller Macht in die EU eintreten. Der Kanzler macht blumige Versprechungen, die CDU, allen voran Frau Merkel, ist dagegen.
Was sagt Ihr dazu? Soll die Türkei Mitglied werden oder soll sie nicht?
Ein Staat, der mal gerade 3% seiner Fläche in Europa hat, die restlichen 97% sind bereits Asien.
Wenn die Türkei Mitglied wird, warum denn nicht auch (z.B.)Japan?
Peter T.

Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

23.02.2004 15:20
#2 RE: Die Türkei und die EU Antworten

Hallo Peter
eine wirklich schwierige Frage, die du da stellst. Das besondere Dilemma dabei, man hat den Türken seit Jahren eine Aufnahme in die EU versprochen und das lange bevor über den Beitritt von Ländern wie Rumänien oder Bulgarien diskutiert wurde.

Historisch warb man um die Türkei um den Warschauer Pakt im Süden "in die Zange zu nehmen". Nun gibt es diese Pakte nicht mehr.

Ich persönlich finde die EU eh schon zu "kopflastig". Die Bürokratie treibt wahre Stil-Blüten und wenn man dann noch überlegt, dass wir jeden Bleistift in Brüssel mitbezahlen, dann zweifel ich manchmal, ob das generell der richtige Weg ist. Man kann Systeme mit Überregulierung zum Erliegen bringen. Und in der EU sind wir da auf bestem Wege.

Was ich zweifellos als Vorteil empfinde, ist das "grenzenlose" Reisen und die einheitliche Währung. Aber braucht man dazu eine EU?

Und wenn die Türken rein wollen in die EU, dann lege ich mich mal fest, sollen sie, warum auch nicht? Völker haben keine Probleme miteinander.

Viele Grüße

Maik Feddermann ( gelöscht )
Beiträge:

21.05.2004 22:35
#3 RE: Die Türkei und die EU Antworten

Ich persönlich hätte auch nichts gegen einen EU-Beitritt der Türkei, doch finde ich, die Türkei müsste sie noch in vielen Dingen bessern.

Vor allem zwei Dinge sind für mich von großer Bedeutung: Nämlich die Lage der Christen in der Türkei und die Aufarbeitung ihrer Geschichte. Noch immer werden christliche Minderheiten mehr oder weniger unterdrückt, oder verleumdet, z.B. unterstellte man dem Patriarchen von Konstantinopel - besser bekannt als Istanbul - eine angebliche Missionierung, er wolle die Türken zum Christentum verleiten.

Und die Türkei hat auch eine historische Leiche im Keller:

Während des 1. Weltkrieges wurden 1,5 Millionen (christliche) Armenier von den Türken systematisch umgebracht!! Sie wurden in die Wüste deportiert, erschossen, erhängt, man ließ sie verdursten und verhungern. Die Türken nahmen ihr ganzes Heb und Gut als Besitz und bereicherten sich daran. Man wollte das gesamte armenische Volk ausrotten. Viele Armenier mussten flüchten, viele verloren oftmals fast ihre ganze Familie
Und das schlimme ist: Bis heute hat die Türkei nicht diesen ersten Genozid des 20. Jahrhunderts, den Genozid an den Armeniern, anerkannt!! Nein, man leugnet ihn sogar!!

FÜr mich als großer Freund des armenischen Volkes steht fest: Solange die Türkei jegliche Schuld bestreitet, sollte sie nicht zur EU gehören!!

Felios Offline



Beiträge: 416

26.05.2004 18:28
#4 RE: Die Türkei und die EU Antworten

Hallo,

ich bin ebenfalls der Meinung, dass die Türkei noch einiges leisten muss,ehe sie ein Recht auf den Eintritt in die EU hat.Leider missbrauchen besonders rechtskonservative und rechtsradikale Parteien die Türkei-Debatte für nationalistische Hetze, die völlig unangemessen ist.
Die Türkei ist der einzige arabische Staat, dessen Form eine Demokratie liegt.Leider nur auf dem Papier.In Wirklichkeit wird die Demokratie mit diktatorischen Mitteln, durch Polizei und Militär,aufrechterhalten. Auch die Abschaffung der Todesstrafe geschieht eher auf Zwang der Europäischen Kriterien als aus geschichtlicher, religiöser und moralischer Aufarbeitung.Die Regierung der Türkei ist keineswegs unumstritten - und die Nähe zu ihren arabischen Nachbarn ist immer noch stärker als zu Europa, gerade was Kultur und Religion betrifft.
Zudem ist auch die Lösung des Kurdenproblems sehr heikel, da die Kurden nun mal das Recht auf einen eigenen Staat haben, aber von den Türken seit jeher unterdrückt und sogar umgebracht werden.

Für einen EU-Beitritt bleibt also noch eine Menge zu tun- und das sollte man frei sagen dürfen,ohne rechtsradikal veranlagt sein zu müssen.

F.

Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

27.05.2004 08:41
#5 RE: Die Türkei und die EU Antworten

@ Felios
du hast da einige Punkte angesprochen, die ich aufgreifen möchte.

Zitat
da die Kurden nun mal das Recht auf einen eigenen Staat haben



Haben sie das denn? Also ich sehe in dem Trend zur Kleinstaaterei keinen Fortschritt. Wäre es nicht besser, die Forderung zu erheben, dass alle Menschen in einem Staat gleichberechtigt sind, unabhängig von ihrer Religion, ihrer Volkszugehörigkeit usw.? Unbestritten sind die Kurden ein sehr diskriminiertes Volk nicht nur in der Türkei. Die letzten Jahre unter Hussein hatten die irakischen Kurden eine sehr weitgehende Autonomie. Nur jetzt, nach dem Überfall der Amerikaner und Briten, sind die Kurden plötzlich genauso, wie diejenigen, unter denen sie zuvor gelitten haben. Ethnische "Säuberungen" in Kirkuk zum Beispiel.

Die Forderung, jedem Volk seinen Staat zuzubilligen, das halte ich für falsch.

Das die Türkei ein arabisches Land ist, darin sehe ich auch kein Problem. Das kann doch viel mehr eine Bereicherung für uns alle sein. Leider wird gerade angesichts des Irakkrieges von verschiedensten Kriegsbefürwortern immer wieder ein Feindbild Islam und ein Feindbild "Araber" erzeugt. Das hat fatale Auswirkungen. Denn wie die Deutschen, so gibt es unter den Türken eben Extremisten (sehr wenige) und friedliebende Menschen (sehr viele). Der Fokus wird in den Medien meiner Meinung nach viel zu sehr auf die Extremisten gelegt. Vermutlich, weil Skandale und Verbrechen bessere Quoten bringen. Wer will schon einem Arbeiter oder Bauern, einem Dienstleister oder sonstwem dabei zusehen, wie er arbeitet?

Einen Zusammenschluß zu einem Europa hätte ich eh, immer durch Volksabstimmungen entscheiden lassen. Wenn die Masse des Volkes es will, dann soll es geschehen. Wenn es von Politikern aufgesetzt wird, dann sind die Folgen unvorhersehbar.

Viele Grüße vom
Schreiberling

Capella Offline




Beiträge: 152

27.05.2004 11:11
#6 RE: Die Türkei und die EU Antworten

Hi,

hm, also mein Bauchgefühl sagt: klar, kein Problem. Ich habe mit türkischer Mentalität bisher nie Probleme gehabt und erlebe die Türkei als durchaus offenen und fortschrittlichen Staat. Allerdings sehe ich dabei auch in erster Linie Türken, die weltoffen genug waren, nach Deutschland zu kommen oder eben Istanbul. Ein Dorf in Anatolien mag da ein ganz anderes Bild vermitteln. (Wobei sich dann die Frage stellt, ob wir Bayern in der EU haben wollen ... nciht ernst nehemn, war jetzt echt nur ein dummer Scherz)

Das Dilemma, wo wir dann eine Grenze ziehen, sehe ich auch. Die Türkei liegt flächenmäßig wirklich schon stark in Asien. Ist halt die Frage, was wir als ausschlaggebend für "europäisch" sein empfinden. Beim Eurovision Song Contest dürfen sie ja wohl mitsingen ;-) Darf Israel aber auch, und das liegt jetzt echt nicht in Europa.

lg,
Capella

DaRockwilda Offline




Beiträge: 22

07.03.2006 03:14
#7 RE: Die Türkei und die EU Antworten

In einer Vorlesung in Politikwissenschaft hat mich der Soziologieprofessor noch auf Etwas aufmerksam gemacht... das "Alte Europa" hat auch deshalb so ein Problem mit der Aufnahme der Türkei, weil dieser Staat spätestens in 2 Jahrzehnten 90 Millionen Einwohner hätte und damit mehr als ein anderer EU-Staat...

Normalerweise denkt man über die Türkei es sei eben eine Art modernes Entwicklungsland, aber die Bevölkerung fällt schon ins Gewicht. Keiner der größeren alteuropäischen Staaten will so viel potentielle Gegenstimmen, man bedenke dass manche Abstimmungen eine qualifizierte Mehrheit brauchen, bei der es auch eine Rolle spielt ob zB 65% der EU-Bevölkerung etwas unterstützen...

saratoga Offline



Beiträge: 109

07.03.2006 23:27
#8 RE: Die Türkei und die EU Antworten

Zitat
In einer Vorlesung in Politikwissenschaft hat mich der Soziologieprofessor noch auf Etwas aufmerksam gemacht... das "Alte Europa" hat auch deshalb so ein Problem mit der Aufnahme der Türkei, weil dieser Staat spätestens in 2 Jahrzehnten 90 Millionen Einwohner hätte und damit mehr als ein anderer EU-Staat...


Das sehe ich haargenau so. Niemand im bisherigen Europa hat irgendein Interesse daran, dass die Türkei als das Land mit der dann größten Bevölkerung innerhalb der EU entscheidend die Politik der EU mitbestimmt.

Persönlich habe ich auch kein Problem mit den dortigen Leuten. Von den allgemeinen Einstellungen konnte ich zu den angestammten Europäern kaum Unterschiede feststellen, auch die Religion spielt größtenteils dort eine untergeordnete Rolle. Zudem ist der Trend in der türkischen Politik nach immer mehr Eigenständigkeit erkennbar, so kommt es mir jedenfalls vor, was ich auch gut finde. Früher wurde diese fast ausschließlich von den Militärs bestimmt, die von den Amerikanern finanziert werden, durch Erdogans Truppe wurde ein gewisses Gegengewicht dazu geschaffen.

Javea Offline



Beiträge: 9

08.06.2006 22:59
#9 RE: Die Türkei und die EU Antworten

Hallo...
Hier wurde von ethnischer Säuberung in Kerkuk oder so gesprochen, ich würde gerne mal wissen wie man so etwas von Kurden behaupten kann? Es entspricht keines Wegs der Realität.

Ich denke ebenfalls, dass die Türkei sich erst einmal reformieren muss, wenn sie in die EU aufgenommen werden möchte. Demokratie sollte nicht nur auf dem papier gelten, sondern auch in die Praxis umgesetzt werden. Die Foltermethoden gehn in der Türkei noch immer weiter und den Kurden werden ihre Rechte noch immer verwehrt, auch wenn man an der Oberfläche etwas anderes zeigen möchte.
Wie vorher auch gesagt wurde, wird das Genozid an den Armeniern geleugnet und andere Religionen haben es in der Türkei genau so schwer wie andere Kulturen.
Die Türkei weiß schon seit Jahren, dass es etwas an seinem System ändern muss, dennoch hält sie sich nicht an die Vereinbarungen.
Wenn man etwas will, dann sollte man auch bereit sein etwas dafür zu tun.

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