Was heißt überhaupt: "gut schreiben"? Es gibt angeborene Erzähltalente, die aus dem Hut umwerfend gut zu erzählen wissen und - wenn sie wollten - auch gut schreiben könnten. Sie brauchen Ausbildung. Doch private Schreibschulen, mit Ratschlägen von zumeist drittklassigen Schreiberlingen, die ihrerseits mit ihren Werken erfolglos geblieben sind, schaffen keine Lösung, bewirken oft sogar mehr Schaden als Nutzen. Denn, außer Trivialität, lauert eine weitere Gefahr: Nicht nur anödender Trash ist zweitrangig, sondern auch ein steriles Oberlehrer- und Bildungsbürgerdeutsch. Es wartet mit hohlen Redensarten statt mit gedanklicher Substanz auf und massenhaft mit ebenso ungewöhnlichen wie überflüssigen Worten. Es trägt seine Phrasen vor sich her, als wären es Monstranzen, die man dem staunenden Volk zeigt. Es umgibt sich mit fremdsprachigen Plattheiten wie mit liturgischen Weihrauchfässchen, um damit sich selbst zu beweihräuchern und um staunenden Tölpeln zu imponieren.
Literatur lebt vor allem aus der fesselnden, strahlenden Sprache und der tiefinneren Aufrichtigkeit des Autors! Wer nicht um der Sprache Willen schreibt, sondern nur um ein paar Pfennige zu verdienen oder um irgendeine, womöglich belanglose Geschichte zu erzählen, die keinen aufregt oder gar um eine "Message rüberzubringen", der sollte lieber die Finger davon lassen. Und wer seine Muttersprache nicht in besonderer Weise liebt, sondern stattdessen mit ihr im ständigen Clinch liegt, der ist kein Schriftsteller.
Zumindest ist er es noch nicht. Er sollte zunächst lesen, lesen und nochmals lesen, sich fragen, warum ihm gerade dieses oder jenes Buch gefällt, sollte sich die Gründe dafür klarmachen, sich häufig das Grammatikbuch und die Stil-Lehre vorknöpfen, üben, üben und nochmals üben und so sein deutsches Sprachgefühl trainieren, wie ein Bodybuilder seine Muskeln. Die heutige moderne Textverarbeitung auf einem Computer ermöglicht es uns, am Wort, an den Sätzen, am Manuskript zu arbeiten wie ein Bildhauer an einer Statue... Ist das nicht phantastisch? Günter Grass mit seiner uralten Schreibmaschine hat davon noch keine Ahnung. Wer sich als Schriftsteller allem Neuen zu verschließen trachtet, der verspielt seine Zukunft. Den Literaturnobelpreis bekommt man dann allerhöchstens noch aus Gnade und Barmherzigkeit sowie auf Empfehlung von Reich-Ranicki, weil einem vielleicht die alte Tabakspfeife so hübsch zu Gesicht steht. Wie leicht wird man dann mit der Pfeife verwechselt!
Vieles am Gesamttext ist eitles Geschwafel und beinhaltet nicht gerade wenig nationalistisches Getümel. Auszüge daraus sind jedoch meiner Meinung nach recht treffend. Es sind zumindest Aussagen, mit denen ich leben kann.
lg/Peter
[f1][ Editiert von Nathschlaeger am: 20.05.2004 15:21 ][/f]
hm, ein Stück weit vielleicht. Der Coroner gehört ja nun wahrlich nicht zu meinen Freunden oder Vorbildern.
Ich persönlich sehe es aber anders. Ich schreibe nicht um der Sprache willen. Die Sprache ist für mich Werkzeug. Liebgewordenes Werkzeug, zugegebenermaßen, aber immer nur Mittel zum Zweck.
Ich schreibe, weil ich eine Geschichte erzählen will. Oder, weil ich etwas gesehen, erlebt, gefühlt habe, dass so intensiv war, dass ich unbedingt auch andere Menschen daran teilhaben lassen will. Oder manchmal nichtmal das. Dann will ich es einfach nur festhalten, um es immer wieder selber lesen und somit auch nochmal erleben zu können.
Und so definiert sich für mich ein guter Text auch so ähnlich. Ich möchte entweder von der erzählten Geschichte einfach gefangengenommen werden, oder ich möchte zumindest, dass der Text mir das Gefühl vermittelt, da gerade selber etwas zu erleben.
Gut, ja. Der Koroner ist ein Wappler und mit Sicherheit kein Vorbild. Ich glaube aber auch, der Kern ist nicht das Schreiben um der Sprache Willen, sondern ein bestimmtes Ehrgefühl des Autoren seinem Werkzeug gegenüber.
Der beste Ansatz ist wohl der, zu schreiben, weil man eine Geschichte zu erzählen hat. Moral und Thematik kann man getrost in einen Sack stecken und mit dem Knüppel drauf hauen. Deswegen meine ich ja auch, dass die nationalistischen Anforderungen von Koroner bestenfalls überzogen sind.
Aber das passt ganz gut in meine Theorie, das die eifrigsten Dozenten die übelsten Schreiber sind.
Ich hatte das Vergnügen, einige Jahre im Theater als Tischler zu arbeiten und lernte in diesem Job einige sehr gute Opernsänger kennen. Auffällig war, dass diese Leute alle nicht wirklich natürlich reden konnten. Und sie waren alle nicht gewillt, über ihren Zugang zum Singen zu reden.
Hervorragende Plauderer auf dem Gebiet der Sangeskunst hingegen waren Statisten und die Damen und Herren aus dem Zusatzchor. Die wußten alles über den Job. Ich war damals zwanzig Jahre alt und wunderte mich, warum die Statisten Statisten waren, wenn sie doch so viel über den hehren Beruf des Opernsängers wußten. Nun, wahrscheinlich, weil sie nicht singen konnten. Sondern eben nur darüber reden.
hm, ja, es scheinen sich, gerade im Internet, jede Menge Leute herumzutreiben, die ihre eigenen Schrifterzeugnisse wohl nicht recht an Mann, Frau oder Verlag gebracht kriegen und dann statt dessen lieber übers Schreiben schreiben. Aber es gibt durchaus auch lobenswerte Vertreter der Zunft, die sowohl selber gut und erfolgreich schreiben und auch über ihr Handwerk verständlich und kurzweilig erzählen können. Spontan fallen mir da jetzt Stephen King mit seinem "On Writing" und Andreas Eschbach mit seiner wunderbaren, informativen und sehr motivierenden Homepage ein (http://www.andreaseschbach.de).
Ich kenne auch einige ganz gute Opernsänger, die gerne über ihr Handwerk reden. Die arbeiten dann nebenher als Gesangslehrer :-) vorzugsweise für die Leute in den Zusatzchören. Aber ich verstehe schon, was Du meinst.
@ Peter also mir fällt zum Thema "Gut Schreiben" ein, dass in dem Deutschunterricht, den ich "genießen" durfte, so manches mit Sicherheit mit "unbefriedigend" bewertet wurde, was man heute womöglich zur guten Literatur zählt.
Sprache entwickelt sich. Und keiner kann genau sagen, wohin sie führt. Allein durch das Internet werden neue Kunstworte geprägt, die immer stärker in Geschichten und Texte Einzug halten. Alles verwischt sich. Das ist nicht immer gesund, und deshalb mag ich auch die "Sprachfetischisten", die uns an eine "saubere" Sprache erinnern. Dennoch werden die die Entwicklung bestenfalls beeinflussen können. Dogmen verschwinden, neue Dogmen entstehen. Ein Spiel der Kräfte. Ich finde das sehr sehr spannend, auch wenn ich persönlich dadurch keine klare Definition abgeben kann, was denn nun wirklich "gut schreiben" bedeutet.