Das Militär in Ankara droht mit einer Invasion Iraks Türkei sieht Erfolg der Kurden bei der Wahl als hinreichenden Kriegsgrund - Regierung bestätigt Ankündigung der Armee
von Boris Kalnoky
Regierungschef Erdogan droht mit Einmarsch Foto: rtr
Istanbul - In einer massiven Warnung an die Kurden des Irak und an die USA haben der türkische Ministerpräsident Erdogan, der stellvertretende türkische Generalstabschef Ilker Basbug sowie Außenminister Abdullah Gül vor einem möglichen Krieg im Norden des Irak gewarnt, in welchem Fall die Türkei intervenieren müßte.
Hintergrund ist die Entscheidung der irakischen Führung, den unter Saddam Hussein vertriebenen Kurden aus Kirkuk bei den Wahlen am 30. Januar das Stimmrecht für die gleichzeitig stattfindenden Lokalwahlen zu geben. Das wird den Kurden wahrscheinlich die politische Macht in Kirkuk bringen, nach den Wahlen einen kurdischen Vorstoß ermutigen, Kirkuk in das autonome kurdische Gebiet einzugliedern, und jene Kurden ermuntern, die Kirkuk als künftige Hauptstadt eines unabhängigen Staates Kurdistan sehen. Zentral ist bei alldem der Ölreichtum der Region. Das Öl würde einen kurdischen Staat lebensfähig machen. Die Türkei, in der 15 Millionen Kurden leben, sieht in dieser Perspektive eine akute Bedrohung ihrer nationalen Sicherheit.
Die Kurden hatten gedroht, die Wahlen am kommenden Sonntag durch Boykott zu kippen und notfalls zu den Waffen zu greifen; also gab Bagdad nach und willigte in das Stimmrecht für rund 100 000 Rückkehrer ein. Ankara reagierte mit zunächst diplomatisch zurückhaltendem Protest. Als dann aber die US-Regierung am Dienstag öffentlich erklärte, sie "teile nicht die Sorgen der Türkei" über die Wahlen in Kirkuk, meldete sich das türkische Militär zu Wort.
General Ilker Basbug, stellvertretender Generalstabschef, hielt seine monatliche Pressekonferenz zum ersten Mal live vor laufenden Kameras. Allein dadurch wurde klar, daß dies kein Routine-Briefing war. Als er geendet hatte, war jedem im Saal bewußt geworden: Die Türkei betrachtet einen kurdischen Wahlsieg in Kirkuk als Casus belli, auf jeden Fall wenn darauf die Eingliederung der Stadt ins kurdische autonome Gebiet folgt.
Basbug wiederholte türkische Behauptungen, die Kurden hätten "bis zu 350 000" ihrer Leute nach Kirkuk gebracht, um die demographische Struktur der Stadt zu ändern. Die USA sprechen dagegen von 30 000 Rückkehrern, und die Kurden selbst von etwa 100 000. Basbug räumte ein, er könne seine Zahlen nicht beweisen.
Er fuhr fort, daß ein Wahlergebnis in Kirkuk von der Türkei nur dann anerkannt werden würde, wenn auch Turkomanen und Araber in Kirkuk es anerkennen. Das ist ausgeschlossen, wenn die Kurden gewinnen. Auch der türkische Außenminister Abdullah Gül sagte in einem Brief an UN-Generalsekretär Kofi Annan, die Wahlen in Kirkuk widersprächen "internationalem Recht", und deutete damit an, daß Ankara die Wahlen in Kirkuk nicht anerkennen wird. Gestern sagte Gül in einer Pressekonferenz, Kirkuk dürfe nicht in das autonome Kurdengebiet eingegliedert werden.
Sollten die anderen Volksgruppen das Wahlergebnis anfechten, sagte Basbug, dann werde das zu Gewalt führen. Diese Gewalt "könnte einen Bürgerkrieg im Irak auslösen". Das wiederum wäre ein ernstes Problem für die nationale Sicherheit der Türkei, und das Militär werde dann "alle Maßnahmen ergreifen".
Die Kurden werfen der Türkei vor, sie bereite einen bewaffneten Aufstand der Turkomanen in Kirkuk vor.
Sollte es zu Gewalt kommen, sagte Basbug, dann werde es auch zu Konflikten zwischen der Türkei und den USA kommen. "Wenn alle Volksgruppen das Wahlergebnis akzeptieren, dann gibt es kein Problem. Wenn es jedoch zu Konflikten kommt, dann werden wir sehen, daß wir Differenzen (mit den USA, die Red.) haben". Basbug unterstrich im übrigen die ansonsten guten Beziehungen mit Washington, die "nicht von einem einzigen Thema abhängen".
Es wird immer deutlicher, dass die USA und GB mit ihrem feigen Überfall auf den Irak den gesamten Osten weiter destabilisiert haben.
Die Kurden wurden schon vielfach mißbraucht. Beispielsweise unterstützte der Iran während des Irak/Irankrieges die Kurden um den Irak zu schwächen. Die USA unterstützten die offene Rebellion der Kurden gegen ihren Staat, den Irak um den Irak zu schwächen. Immer floß kurdisches Blut, und immer waren am Ende die Kurden die "gelackmeierten". Das gibt der Situation heute eine erhebliche Brisanz. Meiner Meinung nach hat sich die US-Führung die Unerstützung der Kurden im Irak mit weitgehenden Versprechungen erkauft. Wahrscheinlich sogar mit der Zusage, zu einer weitestgehenden Unabhängigkeit Kurdistans.
Es gibt aus meiner Sicht eine friedliche Lösung des Konfliktes. Folgendes halte ich für umsetzbar:
1. Unter den nachfolgenden Bedingungen ensteht ein Staat Kurdistan auf dem Territorium der Gebiete des Irakes die in starker Mehrheit von Kurden bewohnt werden.
Die Bedingungen wären: - Kurdistan verzichtet auf eine eigene Armee, lediglich Grenztruppen (ohne Angriffsbewaffnung), und Polizeikräfte dürfen aufgebaut werden. Vorbild ist dabei Japan, dass sich ja nach dem 2.Weltkrieg genau diesen Auflagen unterwarf. - Die kurdische Regierung garantiert die Gleichberechtigung für Menschen aller Volksgruppen, die in Kurdistan leben - alle Nachbarstaaten erklären, die Grenzen zu Kurdistan zu achten und Kurdistan nicht anzugreifen - Die UNO garantiert die Sicherheit Kurdistans. - Kurdistan garantiert die Grenzen seines Landes zu achten, und auf weitere Gebietsansprüche zu verzichten. Dieses gilt insbesondere auch für alle Gebiete in der Türkei.
Öl ist mehr als genug in Kurdistan vorhanden, so daß sich schnell eine eigene Volkswirtschaft in Kurdistan entwickeln könnte.
Man kann Konflikte auch ohne Krieg lösen. - Finde ich zumindest.