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Beiträge: 2.222

06.02.2005 10:24
RE: Wie der Krieg gegen den Irak vorbereitet wurde Antworten

Falschdarstellung, internationale Beziehungen

und der Irak (1990-2003) als Beispiel für eine

bewusst demontierte Weltordnung




By H.C. Graf Sponeck,

UN Humanitarian Coordinator for Iraq (1998-2000)



Loccum 2004



Am 2. August 1990 besetzten die Truppen von Saddam Hussein Kuwait.

Der UNO Sicherheitsrat im Namen der Völkergemeinschaft reagierte

schnell. Der Irak wurde mit den umfassensten Wirtschaftssanktionen

belegt, die je gegen ein Land ausgesprochen worden waren.



Der Golf-Krieg von 1991 zwang die irakische Regierung sich aus Kuwait

zurückzuziehen. Die Bedingungen der Resolution 661 waren damit er-

füllt. Die Sanktionen wurden dennoch nicht aufgehoben. Der Sicher-

heitsrat entschied sich in der neuen Resolution 687 im April 1991,

die Abrüstung aller Massenvernichtungswaffen im Irak zu fordern.

Die Aufhebung der Sanktionen wurde von der Erfüllung dieser weiteren

Forderung abhängig gemacht.



Bis zu der anglo-amerikanischen Invasion des Iraks im März 2003

wurden die Wirtschaftssanktionen gegen den Irak nicht aufgehoben.

Der Sicherheitsrat war sich uneinig, ob der Irak die Abrüstungs-

bedingungen im Sinne der Resolution 687 eingehalten hatte.

Dreizehn Jahre solcher Sanktionen haben dem irakischen Volk

schwere Schäden zugefügt. Diktatur und Sanktionen erklären die

menschliche Katastrophe, die durch den Krieg von 2003 intensiviert

worden ist.



Vier Thesen, zwei Fragen und zwei Antworten sollen einen Beitrag

liefern zu dem Thema: Internationale Irak Politik in den Jahren

der Sanktionen - ein Baustein zur Demontage der Weltordnung.



These 1: Gezielte und geplante Falschdarstellung des Standes der

irakischen Abrüstung ermöglichten die Aufrechterhaltung

und Rechtfertigung der Wirtschaftssanktionen. Falschdar-

stellung der Situation im Irak war der rote Faden in den

Jahren 1990-2003.



These 2: Durch Falschdarstellung wurde das Völkerrecht ignoriert

und gebrochen, die Vereinten Nationen missbraucht und

geschwächt und die Weltöffentlichkeit irregeführt. Der

unmittelbare Preis für diese Falschdarstellung wurde von

dem irakischen Volk gezahlt.



These 3: Einem politisch geschwächten Irak wurde der Dialog mit

dem UNO Sicherheitsrat verwehrt. Dem Irak und der inter-

nationalen Gemeinschaft wurde damit die Möglichkeit

genommen eine friedliche Beilegung des Konflikts zu

ergründen.



These 4: Mitglieder des Sicherheitsrats waren sich von Anfang an

über die Folgen einer falschen Sanktionspolitik im klaren

und waren über die bewusste Falschdarstellung informiert.



Diese vier Thesen führen zu zwei Fragen, die im Interesse der

Rückkehr zu einer Weltordnung beantwortet werden müssen:



1. Wie konnte es zu dieser Irak Entwicklung kommen?

2. Wie kann eine Wiederholung anderswo verhindert werden?



Vor der Beantwortung dieser beiden Fragen seien Beispiele für Falsch-

darstellung der Irak Situationaus der Zeit 1990-2003 angeführt und

der Hinweis gegeben, dass Aufdeckung der politischen Unehrlichkeit

und des Falschspiels nicht ausreichend sein können, um eine wirksame

Entgegnung zu erreichen!



Falschdarstellungen gab es in Form von Halbwahrheiten, der Auslassung

von Fakten, Verdrehungen, Unwahrheiten und Fälschungen:



Halbwahrheiten:



"Die Lokalbehörden des von Saddam Hussein unabhängigen kurdischen

Nordens haben das Öl-für-Nahrungsmittelprogramm erfolgreicher nützten

können, als die Regierung in Baghdad.



Indikatoren wie Ernährung, Sterblichkeit und Bildung zeigen in der

Tat, dass das irakische Kurdistan gute Fortschritte in den Jahren

des humanitären Programms machte. Der Hinweis der USA und Englands,

dass das Programm dort `erfolgreicher` war, ist nicht falsch.

Falsch war die Schlussfolgerung, dass dies ausschliesslich mit dem

Diktator Saddam Hussein zu tun hatte.



Im Norden konnte die UNO viele der Sanktionsbestimmungen brechen,

es gab mehr Ölgeld pro Kopf der Bevölkerung, mehr Nicht-Staatliche

Organisationen betätigten sich im Norden, der Handel und Schmuggel

mit den Nachbarländern florierte, das Klima war gemässigter und

damit ergab sich ein anderes Krankheitsbild.



Auslassung von Fakten:



Die Regierungen der USA und Englands blockierten in den Jahren des

Öl-für-Nahrungsmittelprogramms in manchen Phasen lebenswichtige

Güter bis zu $ 5 Milliarden. Ein solches Volumen war grösser als

das Budget in den meisten Jahren des humanitären Programms. Dies

geschah, obwohl ein Team von mehreren Hundert UNO Beobachtern

im Irak, die Bestätigung, dass Waren und Gerät in die richtigen

Hände kamen, ohne Schwierigkeiten hätten erteilen können.



Dieses Blockieren lebenswichtiger Güter hatte schwerwiegende Folgen

für das Leben der irakischen Bevölkerung. Über diese Tatsache ist

in den Berichten der beiden Regierungen nichts zu lesen.



Verdrehungen der Tatsachen:



Die USA und England, in den ersten Jahren der Sanktionen mit Teilnahme

Frankreichs, etablierte im Irak nördlich des 36. Breitengrads und

südlich des 33. Breitengrads zwei Flugverbotszonen, in die nur die

Luftwaffen dieser Länder einfliegen durften. Der UNO Sicherheitsrat

hatte hierzu kein Mandat erteilt. In Washington und London wurde

allerdings erklärt, dass man auf Grund verschiedener UNO Resolutionen

(z.B. Resolution 688 vom Jahr 1991) das Recht für diese Flugver-

botszonen habe. Sie dienten, so wurde in Washington und London gesagt,

zum Schutz der dort lebenden Kurden und der Shi`itischen Gemeinde.



Nach den Luftangriffen vom Dezember 1998 (Operation Desert Fox) wurde

das Verhalten der amerikanischen und englischen Luftwaffen in diesen

Zonen immer aggressiever. Die Zahl der zivilen Opfer erhöhte sich.

Allein im Jahr 1999 wurden 144 Bürger durch Luftangriffe getötet und

446 verwundet. Die Präsenz der ausländischen Luftwaffen im irakischen

Luftraum hatte mit Schutz lokaler Gruppen nichts zu tun. Sie war

völkerrechtswidrig. In den Jahren 2002 und 2003 diente sie schliess-

lich, nur der Vorbereitung des Krieges im März 2003.



Unwahrheiten:



Der Kriegsgang der anglo-amerikanischen Koaltion im März 2003 wurde

kontinuierlich mit Unwahrheiten aufgebaut. Meilensteine dieses

Prozesses der unwahren Behauptungen waren u.a. die Berichte vom

12. September und 26. September 2002 der beiden Regierungen und der

Aussagen des amerikanischen Aussenminister Powell vom 5. Februar

2003 vor dem Sicherheitsrat, dass der Irak ernstzunehmende Massen-

vernichtswaffen habe und weiter entwickele. Von diesen Behauptungen

hat sich nichts bewahrheitet. Sie waren weitgehend erfunden.



Während der Sanktionszeit wurde von Washington und London behauptet,

dass die irakische Regierung Nahrungsmittel, Medikamente und andere

lebenswichtige Waren zurückbehalte oder mit Profit im In-und Ausland

verkaufe. Dies war eine unwahre Aussage. Weder das Welternährungs-

programm noch die Weltgesundheitsorganisation noch die UNO selber

haben diese bestätigen können. Das UNO System ist mit der Verteilung

der Waren im Irak durch die Regierung zufrieden gewesen.



Fälschungen:



Die Regierungen der USA und Englands haben jede Gelegenheit genutzt,

um der Öffentlichkeit glaubhaft zu machen, dass der Irak unter Saddam

Hussein an nuklearen Massenvernichtungswaffen arbeite. In diesem

Zusammenhang wurde der Kauf von Uranium (yellow cake) in der Republik

Niger mit einem Dokument als Beweis dargestellt. Dieses Dokument wurde

von der Internationalen Atombehörde (IAEA) sehr schnell als Fälschung

erkannt.



Die Weltöffentlichkeit konnte sich auf dieser gezielt entwickelten

und gefälschten Informationsbasis kein Bild der wirklichen Lage im

Irak und dem Grad der Gefährlichkeit der Regierung von Saddam Hussein

machen. Es ist eine ernstzunehmende Tatsache, dass der UNO Sicher-

heitsrat in dieser Hinsicht sehr viel mehr wusste, aber nicht mit der

Entschlossenheit reagierte, die notwendig war, um die Regierungen der

USA und Englands von ihrem Vorhaben abzubringen, das Regime von Saddam

Hussein mit Gewalt zu entfernen.



Die Aufrechterhaltung der Wirtschaftssanktionen wurde nicht nur durch

Falschdarstellung und Irreführung von Regierungen, Sicherheitsrat

und Öffentlichkeit ermöglicht. Hinzu kamen eine bewusst ungenügende

Mittelbereitstellung für das Öl-für-Nahrungsmittel Programm,

besonders in den ersten Jahren, die Abzweigung von 30% dieser unge-

nügenden Mittel an die Kompensierungskommission der UNO (UNCC)

in Genf, eine weitgreifende Bürokratisierung des Warenbestellungs-

prozesses, durch die lebensnotwendige Güter nur mit grossen

Verspätungen im Irak ankamen und eine fragmentierte Durchführung

der verschiedenen Sanktionsprogramme, bei der UNO Abteilungen nicht

miteinander kooperierten.



Das Endprodukt, wie in der These zwei angedeutet: Das Völkerrecht

wurde gebrochen, die UNO geschwächt, die Öffentlichkeit irregeführt

und das irakische Volk bestraft für etwas, was es nicht getan hatte.



Wie konnte es zu dieser Entwicklung kommen?



Eine einfache Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Globalisierung

und Pragmatismus, der immer weniger beeinflusst wird von Ethik und

Grundwerten wie politische Wahrhaftigkeit, Integrität und Gemein-

schaftssinn, haben eine Rolle gespielt. Zentren der Macht haben dies

ausgenutzt, um ihre Macht weiter auszubauen. Der kanadische Aussen-

minister, Lloyd Axworthy, erinnerte in diesem Zusammenhang den UNO

Sicherheitsrat im Jahre 1999 daran, dass er im Interesse der inter-

nationalen Gemeinschaft und nicht im Interesse einzelner National-

staaten zu handeln habe. Im gleichen Jahr kam der damalige Vorsitzende

des auswärtigen Ausschusses des amerikanischen Senats, Jesse Helms,

zu Besuch in den Sicherheitsrat und bemerkte, dass die USA die UNO

stärken würden, wenn es in ihrem Interesse läge und das Gegenteil tun

würden, wenn es nicht so sei. Dieser politische Ansatz ist wohl ein

Hauptfaktor für die Erklärung, wie es zu einer solchen Entwicklung

der Irak Politik kommen konnte. Zwei relevante Strategie Dokumente,

die das Helms Konzept konkretisieren, sind in den Jahren 2001 und

2002 von amerikanischer Seite erschienen: `Strategie für das 21.

Jahrhundert` herausgegeben 2001 von einer Gruppe einflussreicher

konservativer US Politiker und eine `Nationale Sicherheitsstrategie`,

die US Präsident Bush ein Jahr später bekannt gab.



Machterhaltung auf alle Kosten ist die Devise. Auf Grund der

erwähnten Falschdarstellungen der Irak Realität, ist es nicht

abwegig anzunehmen, dass damit `Unwahrheit` Teil der offiziellen

Politik der Regierung in Washington geworden ist.



Ständige Mitglieder des Sicherheitsrats haben gegenüber den für zwei

Jahre gewählten zeitweiligen Mitgliedern den Vorteil langjähriger

Erfahrungen mit Sonderfragen, wie Sanktionen gegen den Irak. Sie

hatten sich von Anfang an der Irak Diskussion beteiligt, sie meistens

angeführt und damit die Irak Politik entwickelt. Damit wussten sie

mehr, als andere und hatten damit die beste Entscheidungsbasis.

Die Regierungen in Washington und London haben dies kontinuierlich

zu ihrem Vorteil genutzt. Für sie, besonders für die US Regierung,

wurden internationale Einrichtungen wie die Vereinten Nationen zu

einem Handwerkskasten, dessen Werkzeuge man benutzte, wie man sie

brauchte. Anders gesagt, die UNO wurde immer mehr zu einer Dienst-

leistungseinrichtung. Ausserdem handelten die USA nach dem Motto:

der Auftrag entscheidet die Partnerschaft. Dies war kein Geheimnis,

sondern wurde offen zugegeben.



Wie kann eine Wiederholung anderswo verhindert werden?



In der Beantwortung dieser Frage muss Neuland betreten werden, auch

wenn dies naiv erscheinen mag. Es müssen z.B. Wege gefunden werden,

der Politik der Schnellösungen, der sogenannten "quick fixes" ent-

gegenzuwirken. Normative Werte, wie Gerechtigkeit, Toleranz und

Gleichberechtigung, in der UNO Charta bereits enthalten, müssen

echter Teil der internationalen Beziehungen werden. Der Mut zur

"weichen Alternative" zur gegenwaertigen Bekämpfung des Terrorismus,

d.h. Ursachenbekämpfung muss entwickelt werden. Hierzu gehören

Armutsbekämpfung und Einhaltung der Menschenrechte. Es geht um

globale menschliche Sicherheit, nicht um unilaterale militärische

Überlegenheit. Eine Sicherheitsstrategie für das 21. Jahrhundert

kann daher nur eine multilaterale, nicht eine nationale Strategie

sein. Wenn nationale Interessen mit internationalen Zielen über-

einstimmen, ist politische Falschinformation nicht mehr von Wert.



Die Beantwortung der Frage wie eine Wiederholung einer menschlichen

Katastrophe, wie sie im Irak unter Sanktionen und Diktatur entstanden

ist, in Zukunft verhindert werden kann, muss Bezug nehmen auf die

Forderung nach einer grundsaetzlichen Reform der UNO. Messbare an-

stelle der gegenwaertig auslegbaren Konsensresolutionen; Debatten,

an denen alle Betroffenen teilnehmen koennen; Pflicht des Sicher-

heitsrats zur kontinuierlichen Aufsicht ueber die Folgen der

eigenen Politik muessen Teil neuer Grundregeln werden. Fallrecht

sollte eingefuehrt werden, um damit die Erfahrungen in ähnlichen

Situationen, z. B. bei der Durchfuehrung von Sanktionen in den

Entscheidungsprozess einbeziehen zu koennen.



Die Tatsache, dass der Sicherheitsrat sowohl legislative als auch

rechtliche und exekutive Funktionen ausuebt, stellt einen erheb-

lichen Interessenkonflikt dar. Es ist lange ueberfällig, dass eine

klare Aufgabenteilung zwischen dem Sicherheitsrat, dem Internati-

onalen Gerichsthof und dem Sekretariat definiert wird, um diesen

Konflikt zu beenden.



Das Netz der UNO Reformen muss allerdings noch weiter ausgebreitet

werden. Eine Reform des Sicherheitsrats darf sich nicht nur auf eine

Erweiterung der Mitgliedschaft von Regierungen beschränken. In einem

neu strukturierten Sicherheitsrat, der erweitert werden muss, müssen

neben Regierungsvertretern auch internationale nichtstaatliche

Organisationen vertreten sein. Diskussionswert erscheint auch der

Gedanke, eine Gruppe von international anerkannten Persönlichkeiten

in die Struktur des Sicherheitsrats einzubauen.



Eine solche Reform wird zunächst von den Tagesmächten als utopisch

zurückgewiesen werden. Mit einem solchen Ansatz könnte aber der

Unipolarität, die gegenwärtig die Weltlage bedroht, Einhalt geboten

und der Multipolarität, die für Weltsicherheit gebraucht wird, die

Wege geebnet werden.



Auf nationaler Ebene müsste, durch politische Bildung, die

Bevölkerung einzelner Länder in die Lage versetzt werden, von

gewählten Politikern fordern zu können, dass diese durch ihre

Wahl eine Rechenschaftsverpflichtung eingegangen sind. Erwiesene

Nicht-Einhaltung müsste zu schneller Amtsenthebung führen.



Parallel zu Programmen der politischen Bildung sollten durch breite

Öffentlichkeitsarbeit von Kirchen, Schulen, und anderen öffentlichen

Einrichtungen, Programme zur Rückerinnerung an Ethik, Grundwerte und

Glauben gefördert werden.



Ohne Zweifel wird dies ein langer Weg sein, auf dem immer wieder

diejenigen, die im Besitz einer Bildung sind, es als eine Ver-

pflichtung ansehen müssen, sich in diesem Sinne besonders einzu-

setzen.


_____________________________________________________

nun planen die Neokons, die Hardliner der Bushisten den nächsten Angriffskrieg. Dieses Mal vermutlich gegen den Iran. Und wieder wird ein Land isoliert , in dei Enge gestrieben und als Hort des Böse dargestellt. Von denselben Verbrechern, die auch den Irak zerstören.

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