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Dieses Thema hat 14 Antworten
und wurde 537 mal aufgerufen
 Ablage Speakers Corner
Rudi ( gelöscht )
Beiträge:

03.02.2005 10:15
RE: Karneval: Pappnasenterror oder Kult? Antworten

Hallo, ich wohne in Köln und wollte nur mitteilen, daß hier gerade wieder der Karneval beginnt. Die Stadt befindet sich im Ausnahmezustand, das öffentliche Leben liegt lahm. Ist das nun erzwungener Pappnasenterror oder Kult? Die Besoffenen liegen im Rinnstein, man watet zwischen Kotzlachen und leeren, zumeist zerbrochenen Flaschen, überall Blut von den Schlägereien. Warum finden Leute Karneval trotzdem schön? Ich kann das nicht ganz nachvollziehen. Habt Ihr eine Erklärung? Geht es nur ums saufen und...Ihr wißt schon?

Eure Meinung ist gefragt.

Viele Grüße, Rudi.

Capella Offline




Beiträge: 152

03.02.2005 11:29
#2 RE: Karneval: Pappnasenterror oder Kult? Antworten

Hi Rudi,

eigentlich tendiere ich mehr zu "Pappnasenterror". Ich bin praktizierende Nicht-Karnevalistin, werde auch am Rosenmontag arbeiten etc. Ist hier in Münster so unüblich aber auch nicht. Gebürtig bin ich allerdings vom Niederrhein, genauer aus Mönchengladbach, und wenn das auch mit Köln oder Düsseldorf nicht zu vergleichen ist, so schlägt Karneval da doch recht hohe Wellen.

Es gibt ein paar Dinge am Karneval, die ich faszinierend finde. Den historischen Ursprung z.B. Karneval hat seine Wurzeln ja in heidnischen Winteraustreibungs-Festen. Das Bedürfnis danach kann ich 100%ig nachvollziehen. Spätestens im Februar geht einem der Winter gehörig auf den Geist. In früheren Zeiten kam noch dazu, dass die Lebensmittelvorräte begrenzt waren und um die Zeit wirklich nix mehr zu holen war, es war also überlebenswichtig, dass der Winter zu Ende ging. (Aus dieser Nahrungsknappheit kommt auch die Tradition der Fastenzeit. Da blieb einem eigentlich nicht viel anderes übrig als fasten.) Also, dass in der Düsternis des Winters ein starkes Bedürfnis da ist, mal richtig über die Stränge zu schlagen, kann ich verstehen.

Dieser typisch deutsche Karneval mit Dreispitzmützenuniform, Prinzengarden und Funkemariechen ist historisch auch spannend, war es doch ursprünglich ein Auflehnen gegen die preußische Herrschaft mit ihren militärischen Traditionen, die so ins Lächerliche gezogen wurden. Das hatte also kabarettartige Züge. Dummerweise ist das so lange her, dass heute keiner mehr mit den Bildern etwas anfangen kann. Heute müssten die Kostüme (wenn man einen ähnlichen politischen Effekt erzielen wollte) vielleicht eher Stars-and-Stripes sein. Aber das Bedürfnis ist nicht da. So richtig fremdbeherrscht sind wir ja auch nicht und es geht uns gut.

Ein Stück weit funktioniert Karneval aber immer noch als gesellschaftliches Ventil für Unzufriedenheit. Und das ist wohl ein Grund dafür, dass sich da eben auch viel Gewalt entläd. (Das mit den Schlägereien gibt es hier in Münster auch und ich habe den Eindruck, dass das im Laufe der letzten Jahre eher zugenommen hat. Letztes Jahr war ich nach dem Rosenmontagszug in der Innenstadt und da sah es schon ziemlich aus wie nach den Chaostagen in Hannover oder den "Maifestspielen" in Berlin. Zerbrochene Fensterscheiben, Notarztwagen, zerbeulte Autos. Ich glaube aber, die Polizei bzw. auch der Staat als ganzes, ist ganz froh, wenn sich die Aggression an solchen Tagen, sozusagen kontrolliert und kontrollierbar, entläd. Würde man Karneval abschaffen, würde man das Problem nur verschieben. Brot und Spiele.

gruß,
Capella

Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

04.02.2005 14:10
#3 RE: Karneval: Pappnasenterror oder Kult? Antworten

Hallo Rudi,
als Berliner bin ich bestimmt der Falsche den du da fragen könntest. Ich halte nicht viel vom Karneval, obgleich mir Verkleiden durchaus Spaß macht. Aber kollektive Besäufnisse und das Motto "heute sagen wir mal Du" mag ich nicht. Und irgendwie verbindet sich Karneval bei mir mit Menschen, die für kurze Zeit mal die Sau rauslassen um danach und davor wieder einem langweiligen "Spießerleben" nachzugehen.

Sorry, aber das sind die Vorurteile meiner Wenigkeit, und damit ich es mir nicht restlos mit allen Karnevalisten verscherze: Natürlich kann ich es tolerieren, und akzeptieren, dass andere am Karneval viel Spaß haben, was mir persönlich halt abgeht. Nehmt deswegen meinen Standpunkt nicht so ernst. ;-)

Viele Grüße und viel Spaß beim Feiern :-)
vom Schreiberling

AutorPeterTernes Offline




Beiträge: 3.162

04.02.2005 15:02
#4 RE: Karneval: Pappnasenterror oder Kult? Antworten

Hallo,
ich halte es ähnlich, wie Schreiberling. Bei uns an der Küste gibt es zwar Karneval, aber er hat nie die Bedeutung, wie z.B. in den Hochburgen.
PvO

Felios Offline



Beiträge: 416

04.02.2005 17:27
#5 RE: Karneval: Pappnasenterror oder Kult? Antworten

schließe mich den vorrednern an, fahre ausgerechnet morgen nach Hause - und in deutschland is fasching und anhang noch stärker ausgeprägt als in Österreich (gibts das da überhaupt?), bin froh,wenn es wieder vorbei ist. erinnert mich an weihnachten, aufgesetzte fröhlichkeit... danach wieder alltagstristesse..nein danke,ich werds an fasching so halten wie das ganze jahr über...abends gemütlich ein bierchen trinken, mehr brauch i net.

creativeGirl Offline



Beiträge: 37

06.02.2005 15:21
#6 RE: Karneval: Pappnasenterror oder Kult? Antworten

Hallo,
ich kann da nur zustimmen. Für mich ist Fasnet, Karneval, wie auch immer eines der schrecklichsten Dinge, die wir haben.
Gott sei Dank ist das in meinem Kaff nicht so verbreitet!

Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

07.02.2005 08:46
#7 RE: Karneval: Pappnasenterror oder Kult? Antworten

Oh je, jetzt treffen sich hier nur Faschingsmuffel, kann es sein, dass sich da die Karnevalsfreunde gar nicht mehr zu melden wagen?

Laßt Euch nicht abschrecken, denn es gibt viele Menschen, die den Karneval toll finden. Das zeigen zumindest die Fernsehbilder.

Habe gestern eine Reportage über den Karneval in Rio gesehen, und das was ich da sah hat mich begeistert. Dort bestimmt den Karneval allerdings auch mehr der Tanz, die Lebensfreude und Erotik und die Karnevalisten haben es gemütlich warm .

Viele Grüße
vom Schreiberling

Rudi ( gelöscht )
Beiträge:

08.02.2005 10:35
#8 RE: Karneval: Pappnasenterror oder Kult? Antworten

Danke für Eure Einträge und Kommentare.
Zunächst mal einen Kommentar zum Karneval in Rio: Dieser ist, soweit ich das weiß, extrem elitär. Es präsentieren sich die Sambaschulen, aber nur in Stadien, wo die Eintrittskarten so viel kosten, daß sich der normalsterbliche Brasilianer selbige nicht leisten können.

Zum Karneval in Köln, der morgen vorüber ist: Es war (zumindest was den Straßenkarneval angeht) wieder mal eine einzige Sauf- und Gewaltorgie. Eben mußte ich über den zentralen Heumarkt wandern. Dort finden sich noch Dutzende von Kotz- und Blutlachen als Übrigbleibsel der "tollen Tage". Die Fröhlichkeit, die im Fernsehen vermittelt wird, stammt in erster Linie aus den Sälen. Dort geht es wirklich besser zu als auf der Straße. Die Kölner Polizei spricht von einem immer stärker werdenden Gewaltpotential. Vor allen Dingen wird beklagt, daß sich diese Gewalt inzwischen spontan und ohne vorherige Warnung entlädt.

Ist es wirklich so, daß die meisten Deutschen ohne Alkohol keinen Spaß haben können? Ist das ein generelles Problem? Ist unser Volk so verklemmt? Im Vergleich zu vielen anderen Teilen der Welt, wo ich war, scheint mir das wirklich so zu sein. Wie seht Ihr das?

Viele Grüße, Rudi.

Capella Offline




Beiträge: 152

08.02.2005 12:25
#9 RE: Karneval: Pappnasenterror oder Kult? Antworten

Hi Rudi,

ich weiß ja nicht, in welchen Teilen der Welt du dich so rumtreibst, aber überall, wo ich bisher so war, waren die Probleme mit dem Alkoholkonsum eigentlich eher noch größer als in Deutschland (USA, Canada, Irland, Polen z.B.)

Zum Teil waren sie anders, in Canada z.B. ist Alkohol weniger Partydroge, sondern es gibt einfach unglaublich viele Alkoholiker (und viele viele illegale Schnapsbrennereien, weil Alkohol sehr hoch besteuert wird), vor allem in den abgelegeneren und einsameren Gebieten. In Russland ist das (allerdings kenne ich das Land bisher nur aus Fernsehberichten) wohl ähnlich.

Alkohol kann viele Funktionen haben: Flucht vor tristem Alltag ist sicher eine der wichtigsten. Enthemmung ist eine andere. Ich kenne sehr viele Musiker (auch andere Künstler, aber bei Musikern ist es wohl am Verbreitetsten), die nur dann zu Höchstform auflaufen, wenn sie etwas getrunken haben (wobei hier die Betonung echt auf "etwas" liegt. Ich meine jetzt echt nicht, dass die sich in Vollrausch trinken, aber nach ein oder zwei Bier läuft es einfach besser, das kenn ich selber z.B. vom Singen auch so).

Das dritte ist sicher die soziale Funktion. Das spielt bei gemeinschaftlichen Saufgelagen eine große Rolle.

Das ist in Deutschland meiner Meinung nach schon ein Problem, Alkohol ist die gesellschaftlich akzeptierteste Droge, und daher wahnsinnig verbreitet, aber auch nicht wesentlich schlimmer als in vielen anderen Ländern.

gruß,
Capella

Rudi ( gelöscht )
Beiträge:

08.02.2005 15:32
#10 RE: Karneval: Pappnasenterror oder Kult? Antworten

Die Länder, wo ich war, sind über die ganze Welt verteilt: Verschiedene asiatische Länder, Australien, Amerika, sehr viel Europa, Afrika noch nicht. Was mir insgesamt nicht gefällt, ist, daß die Leute hier immer erst saufen, um dann fröhlich zu sein. In anderen Ländern sind die Leute fröhlich und trinken dazu. Die Probleme, die Du beschrieben hast (Polen etc.) sind sicher richtig. Ob das Problem nun in Deutschland stärker ist als z.B. in Polen, weiß ich nicht, da ich dort noch nicht war. Ich weiß nur, daß der Karneval hier in Köln immer schlimmere Ausmaße annimmt. Als "Nichtkarnevalist" kannst Du Dich in dieser Zeit (zumindest in der Innenstadt) kaum noch auf die Straße trauen. Und was das Gewaltpotential angeht, das sich leider immer stärker entlädt, so glaube ich, daß der Alkohol da eine entscheidende Rolle spielt. Obwohl: Die Grundbereitschaft für Gewalt ist bei diesen Menschen eh vorhanden. Der Alkohol hat nur die Wirkung eines Verstärkers.

Papillon ( gelöscht )
Beiträge:

09.02.2005 12:42
#11 RE: Karneval: Pappnasenterror oder Kult? Antworten

Hallo,
gestern Abend ist mit der traditionellen Hexenverbrennung (so feiert man das bei uns, die Hexe ist natürlich eine Puppe ) nun die Fasnetszeit zuende gegangen. Ich stamme aus dem gemütlichen Schwabenländle, mit Funkenmariechen ect. habe ich nicht sonderlich viel am Hut. Bei uns sind die Hexenvereine stark verbreitet, die ebenfalls historische Wurzeln haben. Ich bin froh, dass der übermäßige Alkoholkonsum nicht mehr auf den Straßen praktiziert wird, was vielleicht auch daran liegt, dass ich im Roten Kreuz mithelfe und schon gar nicht mehr hinsehen mag, wenn man die nächste Alkoholleiche von der Straße aufpickt. Ich denke, es gibt sie sehr wohl noch, die Jungs und Mädels, die die Fasnet feiern ohne sich sinnlos zu betrinken, ich rühre in der Regel auch nichts an (hat mir glücklicherweise noch nie geschmeckt), aber viele gehen an ihre Grenzen. Alkoholvergiftungen sind keine Seltenheit und das ist wirklich kein Spaß...Vielleicht kann man im Vollrausch so Einiges vergessen, aber ich weiß nicht, ob das lohnend ist, dafür die halbe Nacht spuken zu müssen und am nächsten Tag mit höllischen Kopfschmerzen aufzuwachen- vielleicht sogar im Krankenhaus, wenn man es arg übertrieben hat. Abgesehen davon finde ich die Vorstellung grausig, dass man keine Kontrolle mehr über sich hat und sich vielleicht auch nicht mehr erinnern kann, was man am Abend zuvor getan hat.

LG
Papillon

Felios Offline



Beiträge: 416

09.02.2005 13:43
#12 RE: Karneval: Pappnasenterror oder Kult? Antworten

Hm, ich mag vor allem nicht,wenn alles quer durcheinander gesoffen wird. Dann werden die Leute rasch aggressiv. So ein gediegenes (Be)Trinken mit gutem Bier über einen längeren Abend finde ich da viel gemütlicher und v.a. kann man sich auch noch ne zeitlang unterhalten.
Aber wenn dann schnaps und alkopops und dieser ganze Untrunk hinzukommt, dann gerät sowas außer kontrolle.

ganz davon abgesehen gehts auch ohne alk je nach gästen.

Felios

Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

14.02.2005 17:33
#13 RE: Karneval: Pappnasenterror oder Kult? Antworten

Hallo Papillon,
das finde ich interessant. Bei Euch werden die Hexen im Februar verbrannt? Ich kenne so eine Tradition aus der Oberlausitz. Da wurde es aber immer am letzten Aprilabend entzündet. Jedes Dorf stellte einen Maibaum auf. Der wurde dann die Nacht über von der Dorfjugend bewacht. Ich habe diese Feste in guter Erinnerung, zumal wir uns ja die Maibäume gegenseitig "abgejagt" haben. Zumindest einmal holten wir einen aus dem Nachbardorf. Als wir wieder kamen, war unserer weg. Damals waren es nur einige Wenige, die sich bis ins Koma besoffen. Sind das heute anteilig mehr Menschen, oder kommt mir das nur so vor?

Egal, lustig kann man auch ohne Alkohol sein.

Viele Grüße
vom Schreiberling

Rudi ( gelöscht )
Beiträge:

15.02.2005 09:10
#14 RE: Karneval: Pappnasenterror oder Kult? Antworten

Es sind leider mehr, viiiiiieeeeeeel mehr. Hier in Köln geht es, wie es scheint (zumindest auf der Straße) nur noch ums saufen. Und danach wird gekotzt, rumgemacht (naja, nix dagegen) und sich gekloppt (dagegen allerdings sehr viel). Die Polizei klagt über das immense Maß an Aggressivität. Schade, daß meistens die trinken, die es überhaupt nicht vertragen.

Viele Grüße, Rudi.

Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

15.02.2005 16:29
#15 RE: Karneval: Pappnasenterror oder Kult? Antworten

Hallo Rudi,
das soll wohl vor allem an den sehr beliebten Alkopops liegen. Dieses zumeist süße Zeug trinkt sich wohl weg wie nichts, und man merkt die Wirkung des Alkohols erst, wenn es zu spät ist.

Nun ja mein Ding sind diese Mixgetränke mit künstlichen Aromen nicht, aber die Fernsehreportage zu den Alkopops klang sehr überzeugend.

Besonders die Jugend fährt darauf ab, weil die Dinger genauso "lecker" wie Brause oder Cola schmecken.

Hört sich ja echt schlimm an, was da bei Euch in Köln abgeht.

Viele Grüße
vom Schreiberling

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