Naja, mit Literatur scheint ihr es nicht so zu haben. Ich stelle dennoch mal etwas dazu.
Franz Kafka/ Der Prozeß
Ein Schlüssel für das Verständnis der kafkaesken Romanwelten ist eine Parabel, die ein Geistlicher Josef K. im Dom erzählt: Ein Mann nähert sich dem Tor zum Gesetz, aber der Türhüter weist ihn zurück. Jahrelang wartet er vor dem Tor, bittet immer wieder vergebens um Einlass. Bevor er stirbt, fragt er den Türhüter, warum niemand außer ihm versucht habe, vorgelassen zu werden. Der Türhüter erwidert: "Hier konnte niemand sonst Einlass erhalten, denn dieser Eingang war nur für dich bestimmt. Ich gehe jetzt und schließe ihn."
Franz Kafka tritt in seinem Roman "Der Prozess" weder als Erzähler noch als Kommentator auf. Was geschieht, erfahren wir Leser und Leserinnen nur aus der Perspektive der Hauptfigur Josef K. Die Einzelheiten werden durchaus konkret und sorgfältig geschildert – jedoch immer nur aus K.'s Sicht. Dabei steht K. mit seiner Wahrnehmung offenbar allein, denn seine Mitmenschen finden ganz normal, was er für absonderlich hält, und sie wundern sich andererseits über sein aus ihrer Sicht verrücktes, sinnloses Verhalten. Doch was andere denken, erfahren wir wiederum ausschließlich von K., der eine Welt erlebt, die den Überzeugungen der Leserinnen und Leser widerspricht und ihnen surreal und grotesk vorkommt.
Natürlich beobachtet K. nicht nur, was um ihn herum und mit ihm geschieht, sondern er stellt dazu auch Überlegungen an, und diese inneren Monologe schlagen sich ebenfalls im Text nieder. Wir erwarten also, dass wir an Erfahrungen K.'s teilnehmen werden, die uns seine eigene Entwicklung andeuten und sein Weltbild verständlich machen. Aber das geschieht nicht. Die Leserinnen und Leser werden allein gelassen. Was K. aus seinem Bewusstsein verdrängt, können wir allenfalls vermuten und aus Indizien erschließen. Weil es weder ein psychologisches Profil noch eine Vorgeschichte gibt, ist Josef K. ein "Mann ohne Eigenschaften", eine Figur, die wohl für den Menschen schlechthin steht.
Die Leserinnen und Leser bleiben irritiert, weil sie der Betrachtungsweise des Protagonisten ausgeliefert sind und sich dessen ihrer eigenen widersprechenden Denkweise auch nicht psychologisch erklären können. Dadurch fühlen sie sich hilflos wie K., als unverständliche Ereignisse über ihn hereinbrechen.
Vor kurzem habe ich die Verfilmung von "Der Prozeß" von Orson Welles gesehen, dem ja genau diese Torwächter-Parabel vorangestellt ist. Nachdem die Parabel (illustriert durch Zeichnungen) erzählt war, heißt es (dem Sinn nach) dass die im Folgenden erzählte Geschichte der Logik dieser Parabel folge, und dass es sich dabei um die Logik eines Traumes, eines Alptraumes handele. Als ich das hörte und mir dann nochmal die entsprechende Stelle im Roman anschaute, fragte ich mich, ob diese Parabel (und dann vielleicht sogar der ganze Roman) beschreibt, wie nach Freud Alpträume entstehen. Für Freud besteht ja der Beweggrund für einen Traum in der Erfüllung eines Wunsches. Wenn es sich aber um einen vergrängten Wunsch handelt, dann kann die Wunscherfüllung (im Traum) nicht direkt ins Bewußtsein treten, sondern nur entstellt, eventuell in Form eines Alptraumes. Könnte man dann vielleicht das "Gesetz" als den verdrängten Wunsch interpretieren, der im Unbewußten schlummert, und zu dem das Bewußtsein (= der Mann vom Lande) von der psychischen Kontrollinstanz (= dem Torwächter) den Zugang verwehrt bekommt? Und könnte es vielleicht sein, dass Kafka Freud's Traumdeutung gelesen hat und sich daran orientierte? Ich weiß nicht ob das 100% stichhaltig ist, nehmt es einfach mal so als Anregung.
ZitatGepostet von Prophet Naja, mit Literatur scheint ihr es nicht so zu haben. Ich stelle dennoch mal etwas dazu.
Das finde ich jetzt mal einen interessanten Satz für ein Autorenforum. Was tun wir denn hier, wenn nicht, uns mit Literatur beschäftigen? Unserer eigenen und der von anderen. Literatur ist erstmal einfach das geschriebene Wort. Jeder Groschenroman ist Literatur. Klar, es ist "Trivial"-Literatur, aber das ist ja nur eine qualifizierende (oder in diesem Sinne wohl auch oft als disqualifizierend gemeinte) nähere Bestimmung. Konsalik ist erstmal genauso "Literatur" wie Kafka.
Man muss das nicht mögen. Man kann auch gerne den Anspruch haben, "besser" schreiben zu wollen als ein Konsalik (wobei man dann schnell merken dürfte, dass das gar nicht so einfach ist. Man kann über den Mann ja sagen, was man will, aber seine Bücher sind packend vom ersten bis zum letzten Satz, das muss man erstmal hinkriegen). Ich bin jedenfalls sehr froh, dass nicht alle so schreiben wollen, wie ein Franz Kafka. Ich persönlich mag seine Texte gar nicht (wobei ich die Kurzprosa, also die Parabeln u.ä. noch deutlich erträglicher finde als z.B. "Die Verwandlung").
Auch wenn man "Prophet" ist, sollte man sich nicht zum Richter darüber erheben, was Literatur ist und was nicht.
Na, deine Aussage spricht in der Tat für sich. Ich könnte jetzt natürlich unendlich viel dazu sagen, aber ich will die Gemüter nicht in Rage bringen. Vor allem müsste ich dann auch sagen, wer ich bin, und das ist im Moment nicht erstrebenswert. Lese du nur deinen Konsalik. Genau soetwas meinte ich in etwa. Richter bin ich keineswegs, aber ich hoffe doch, in dem ein oder anderen Forum ein Talent zu erspähen. Das ist nicht einfach unter tausend Hobbyautoren und Tagebuchschreibern, auch wenn es mir ab und an gelingt. Da ist mir sogar eine Anfeindung die ärgerliche Suche wert.
wie es aussieht, bist Du ein sehr wichtiger, äußerst mächtiger, hochintelligenter, unglaublich belesener Mensch. Klasse, daß sich jemand wie Du dazu herabläßt, mit uns Normalsterblichen zu kommunizieren. Herzlich willkommen in diesem Forum. Du solltest allerdings ein bißchen weniger dick auftragen...Angeber sind nicht wirklich willkommen. Mach et juht, Bernd.
es ist sicher nicht so, dass ich nur Konsalik lese. Aber wenn ich wie Konsalik schreiben könnte, würde mich das gewiss nicht stören. Ich lese auch durchaus einiges, was vielleicht selbst du zu Literatur zählen würdest. Manchmal sogar gern.
Übrigens hast du mit deinem Hinweis auf deine "lärmende Akademie" in einem anderen Thread durchaus genug über deine literarische Missionierung preisgegeben, um mir zu zeigen, dass zumindest ich keinen Wert darauf lege, von dir als literarisches Talent entdeckt zu werden.
ich wär schon froh, wenn ich endlich meine schreibblokkade bezwingen könnte und ihr seid euch nicht mal einig was literatur ist.#
was den begriff der literatur angeht, stimme ich voll zu. es umfasst alles. über qualifizierenden / disqualifizierenden ausspruch von literaturtiteln haben wir schon einmal lang und breit diskutiert, nicht wahr?
@ prophet
ich finds in ordnung das du dich bedeckt halten willst...wer auch immer du seist, das ist jedem seine eigene entscheidung. allerdings kommt es bei vielen leuten wirklich nicht gut an, wenn damit (mit der tatsache der bedeckung) "aufgetragen" wird. und leider wirkte deine aussage
ZitatNa, deine Aussage spricht in der Tat für sich. Ich könnte jetzt natürlich unendlich viel dazu sagen, aber ich will die Gemüter nicht in Rage bringen. Vor allem müsste ich dann auch sagen, wer ich bin, und das ist im Moment nicht erstrebenswert. Lese du nur deinen Konsalik. Genau soetwas meinte ich in etwa.
nicht wirklich professionell.
@ all
ich hab kafkas "verwandlung" gelesen und fand sie sehr interessant. zumal sie auch psychologische grundsteine hat. mit "Der Prozess" konnte ich allerdings nicht viel anfangen, einfach weil mir der text zu trocken war. einen text der mich nicht anzieht, egal welchem genre er entspringt, lese ich nicht bis zum ende. und das ist es, was meiner meinung nach ein gutes buch ausmacht. es muss fesseln und dabei möglichst eine botschaft rüberbringen. literatur, die keine botschaft hat ist für mich schund. alles andere soll seinen weg an seine leser gehen! so und jetzt geh ich (trotznderweise) auch ein buch vorstellen... ... eines das sicher NICHT in JEDEM bücherregal zuhause ist!
Wie ich schon einmal erwähnte, scheint mir Literatur eher ein Qualitätsmerkmal zu sein als eine bestimmte Erzähltechnik oder Richtung.
Literatur kann alles werden, dass gut erzählt wird. Fantasy, Sci-Fi, der historische Roman... Blöd an der Sache ist nur, dass ein Werk oft seinen literarischen Nimbus verliert, wenn es einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
Und es scheint wirklich eine Art Literaturschikeria zu geben, die genau diese Prozesse und Vorgänge nicht leiden kann.
Ich mag Kafka nicht, weil ich von seinem Werken immer Depressionen kriege. Da lass ich mir doch lieber von Clive Barker ein paar Liter Blut und Kuddeln über dem Kopf ausleeren :-) Denn der bereitet das Grauen wirklich sehr anregend auf.
@ Bernd: Was soll dieses wehleidige wir sind wir Geheule? Hat er da etwa einen Nerv getroffen? Ob "Prophet" bedeutend ist oder nicht, wird sich aus der Qualität seiner Beiträge herauslesen lassen. Dein vereinsmeierisches: "Sowas wollen wir hier nicht!" wirkt eher peinlich als verständlich.
Ob Kafkas Werk in erster Linie als düster (und damit als potentiell depressive Stimmungen begünstigend) aufzufassen ist, bzw. dies vom Autor so beabsichtigt war, ist fraglich. Kafka selbst soll sich ja, wenn er im Freundeskreis aus "Der Prozess" vorlas, des öfteren durch lautes Lachen unterbrochen haben. Einen interessanten Artikel über Kafkas Komik findet man hier.
Übrigens hat auch Peter Bogdanovich (späterer Welles Biograph), der bei seinem ersten Treffen mit Orson Welles offen zugab, dass "Der Prozess" derjenige von Welles' Filmen sei, der ihm am wenigsten gefiele, mit Welles' Kafka-Verfilmung erst dann etwas anfangen können, als er später von Welles auf ihre Komik (die schon vom Roman herrührt) aufmerksam gemacht wurde.
naja, im anhang zu "Die Verwandlung" war auch eine Abhandlung über Kafka, seine persönlichkeit und seinen charakter. also für mich war er ein armes scghwein, das nie gelernt hat sich abzunabeln und selbstständig zu denken/handeln. kein wunder das er einen hass auf seine familie hatte. ich denke er war auch in gewissem grade krank.
Hallo ihr, da ich in drei Wochen im Abitur leider ziemlich genau über den prozess Bescheid wissen muss und mir dieser Roman einfach so gar nicht zugänglich ist, hab ich mich mal via google.de auf die Suche nach Foren gemacht in denen über Den Prozess geredet wird, so bin ich auf dieses interessante Forum gestoßen. Also leider musste ich mir den Roman ziemlich genau anschauen und zu der Türsteherlegende (die, wenn ich mal galant angeben darf von Kafka noch vor der veröffentlichung des Romans separat in einer Zeitung veröffentlicht wurde da er selbst sie so gut fand) kann ich mal soviel sagen: Sie ist durchaus als Interpretationsansatz möglich, daher hat Welles auch einen gewissen Schwerpunkt darauf gelegt, allerdings macht man es sich wohl zu einfach wenn man sie als einzige und komplett auf den Roman übertrgbare Interpretation verwendet. Sie erklärt vielmehr, dass das zentrale thema eine Sinnlosigkeit im Sinne von Camus ist: Das Leben und das Sein des Menschen ist sinnlos, wenn der Mensch selber nicht die Sinnlosigkeit erkennt. Ja ist sehr philosophisch und so, aber da ich ja zwangsweise ein wenig mehr Infos zu dem Roman habe (und es mich frustrieren würde wenn ich diesen mist gelernt hätte nur um es ein einziges Mal in der Prüfung erzählen zu können...) dachte ich ich bringe das hier jetzt mal ein und Prophet kann es sich durchlesen und den kopf drüber zerbrechen..^^ Grüße Mady