Wenn ich mir allabendlich die Bilder der blinden Zerstörungswut aus Paris ansehe, dann frage ich mich, ob das auch bei uns möglich wäre.
Ich meine, es gibt auch bei uns eine Vielzahl von Menschen ohne Perspektive. 4,5 Millionen Arbeitslose, ungezählt all jene, die keine Arbeit haben, aber nicht unter Hartz IV fallen, dazu die zunehmende Ghettoisierung wie in Berlin. Wie lange wird hier der soziale Frieden noch gehalten?
Man zeigt uns immer wieder die Sozialschmarotzer, die Hartz IV ausnutzen, und sich ein sonniges Leben auf bescheidenem Niveau machen. Nur ist das die Masse? Die Masse möchte arbeiten, damit Geld verdienen und unabhängig vom Gut-Will des Staates sein. Was passiert, wenn diese Menschen ob ihrer Chancenlosigkeit resignieren?
Hoffentlich versteht die Politik die Zeichen aus Paris richtig. Wir benötigen Arbeit. Sinnvolle Arbeit, die im Zeitalter der Automatisierung freiwerdende Industriearbeiter auffängt. Hier fehlt es an Fantasie, finde ich.
ZitatWie lange wird hier der soziale Frieden noch gehalten?
Man zeigt uns immer wieder die Sozialschmarotzer, die Hartz IV ausnutzen, und sich ein sonniges Leben auf bescheidenem Niveau machen. Nur ist das die Masse?
Natürlich nicht!!! Die weitaus meisten der HartzIV-Opfer wären froh, ein erträglich Dasein fristen zu dürfen. Auch das "Man" kann man () getrost beim Namen nennen. Vorbereitung und Installierung neoliberaler Tendenzen (Verteilung von unten nach oben) in den Massenmedien über die Phrasen der Politiker (beispielsweise Clement oder Schröder). Interessanter lesenswerter Artikel dazu in der taz:
ZitatDas gesellschaftspolitische Rollback, den die SPD-geführte Bundesregierung spätestens seit Gerhard Schröders Agenda-2010-Rede im März 2003 gemeinsam mit dem bürgerlichen Lager bewerkstelligte, war nur möglich, weil sich die neoliberale Hegemonie zu jener Zeit immer stärker auch in den Massenmedien niederschlug. Die öffentliche Meinung wurde massiv im Sinne eines Sozialstaat, Staatsinterventionismus und Wohlfahrt als Hauptstörfaktoren für den "Standort D" abqualifizierenden Marktradikalismus beeinflusst. Typisch dafür war die beliebte Talkshow mit Sabine Christiansen, in der man Sozialstaatlichkeit über Jahre hinweg durch das apokalyptische Bild eines vom Niedergang bedrohten Deutschland diskreditierte.
ZitatDer deutsche Wohlfahrtsstaat, heißt es allenthalben, sei zu teuer. Als einer der Gründe, weshalb der Sozialstaat zumindest in seiner bisherigen Form nicht mehr zu halten sei, wird meist angeführt, dass er in seiner Leistungsgewährung zu freigiebig sei, was ihn finanziell überfordere. Die empirische Wohlfahrtsstaatsforschung zeigt, dass die Bundesrepublik - entgegen den dominanten Medienbildern - keineswegs den "großzügigsten" europäischen Sozialstaat besitzt, sondern hinsichtlich der Leistungsgewährung unter den 15 alten EU-Ländern im unteren Mittelfeld (Platz 8 oder 9) rangiert. (...) Betrachtet man die Entwicklung der deutschen Sozialleistungsquote (Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt) über längere Zeit hinweg, erkennt man ein hohes Maß an Kontinuität. Trotz erheblicher Zusatzbelastungen durch die deutsche Vereinigung, regionale Ungleichgewichte, die Massenarbeitslosigkeit und milliardenschwere Transferleistungen von West- nach Ostdeutschland ist die Sozialleistungsquote heute nicht höher als Mitte der 1970er-Jahre. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass die Metapher vom Wohlfahrtsstaat, der sich wie ein Krake über die Gesellschaft legt und deren ökonomische Dynamik erstickt, pure Ideologie ist.
Vielleicht sollte man mal einige Anleihen aus Venezuela übernehmen. Dort ist neuerdings sogar eine komplett kostenlose Gesundheitsversorgung möglich - die müssen dort verdammt reich sein. Doch auch sonst gibt's da Erstaunliches.
ZitatUnter der volksorientierten Regierung Chavez wird die gigantische venezolanische Ölindustrie reorganisiert (die privaten Multis müssen jetzt mehr Abgaben zahlen). Planer organisieren das Bankensystem neu - wobei insbesondere das Kreditwesen sehr strengen Reglementierungen unterliegen wird. Gleichzeitig werden neue Staatsbanken gegründet. Venezuela ist dabei, ein übernationales Tauschhandelsystem zu entwickeln, das unterschiedliche Waren, wie Vieh, Zement oder Öl, handeln wird. (...) Auch das Bankensystem spielt bei der Umsetzung der Pläne der venezolanischen Regierung eine entscheidende Rolle. Alle Zinsbewegungen werden von sogenannten Regulatoren streng kontrolliert. Von Privatbanken wird verlangt, insgesamt 31,5 Prozent ihrer Kredite an landwirtschaftliche Projekte, den Tourismus und den Wohnungsbau bzw. als Mikrokredite an neugegründete Kleinunternehmen zu vergeben. (...) Ein anderes Projekt geht so: Arbeiter werden zu Miteignern und Mitmanagern heruntergekommener Privatunternehmen. Im Gegenzug erhält das Management (bestehend aus Arbeitern und den alten Besitzern) staatliche Kredite und weitere Anreize.
“Unternehmen, die aufgrund des neoliberalen Systems dichtgemacht haben - Fabriken oder Farmen - eröffnen wieder, aber diesmal machen es die Leute selbst”, so Elias Jose Jaua, Minister für Volksökonomie. “Es ist die Verpflichtung dieses Staats, dies zu fördern und voranzutreiben”. Anm: Das wäre was für die Treuhand gewesen, anstatt die altbekannte Bilderberger- und damit Finanzoligarchie-Breuel auf die Menschen im Osten loszulassen (...) In den Hügeln rund um Caracas und den Farmen im Hinterland gibt es jede Menge Kooperativen und Kleinunternehmen, für die der Staat eine große Rolle spielt. Die Arbeiter produzieren alles - von Schuhen bis Mais.
http://www.zmag.de/artikel.php?id=1637 Wohlgemerkt - das kommt sogar von der New York Times. Das ist eine der größten amerikanischen Tageszeitungen (wenn nicht gar die größte überhaupt), die folgsam regierungsnah unisono mit den anderen Blättern ins Irak-Kriegsgeheul einstimmte und gar in Form von Judith Miller gezielt die Kriegslüge mit den Zentrifugen von der WHIO (engster Irakkriegskreis mit Cheney, Rice, Libby) in die Welt setzte. Und wie das Verhältnis von Venezuelas Chavez zum Weißen Haus ist, dürfte bekannt sein. Das letzte Mal, dass ich über Venezuela was aus dem Mainstream vernahm, war ein verbaler Angriff auf deren Demokratie. Dies bei einem Präsidenten, der über 10 demokratische Wahlen mehr oder weniger haushoch gewonnen hat und sich sogar einer von der Bevölkerung kommenden Abwahl stellte (Wo ist das sonst möglich?).
Die Fantasie, die Konjunktur im eigenen Land zu stärken, ist durchaus vorhanden, meine ich. Doch was nützt dies, wenn die Weichen gezielt anders gestellt werden? Und solange den Leuten im Lande klargemacht werden kann, dass Sozialraubbau das Gelbe vom Ei ist (dazu gibt es INSM und andere Organisationen, die ihre Vertreter in Talkshows senden und von Großindustrie und Banken gesponsert werden), wird sich hierzulande nichts ändern. Zumal der Deutsche sowieso mehr obrigkeitshörig und nicht so revolutionstalentiert ist wie der Franzose (mein persönlicher Eindruck). Insofern besteht hierzulande wohl noch einiger Spielraum bis die Leute in der Masse aufwachen.
ZitatDie Fantasie, die Konjunktur im eigenen Land zu stärken, ist durchaus vorhanden, meine ich.
Tja und diese Fantasie greift viel zu kurz, nun da wir in einer Zeit leben, wo Multinationale Unternehmen Profite ohne Ende machen und gleichzeitig ihre Mitarbeiter auf die Straße werfen, wie aktuell bei der BP, aber auch erlebt bei der Deutschen Bank und anderswo.
Hier zeigt sich, das die Politik die Fäden nicht mehr in der Hand hält.
Die höhere Produktivität in einem Teil der Wirtschaft muss zu neuen Arbeitsplätzen in anderen Bereichen der Gesellschaft führen, sonst ist das System bald am Ende. Ohne Konsumenten funktioniert gar nichts mehr, dass sollten sich die Manager der Multis mal überlegen, und wenn die Politik sich schon als abhängig und unfähig erweist, dann eben ihren Einfluss geltend machen, damit gesamtstaatlich neue Wege beschritten werden.
Wie wäre es zum Beispiel, anstelle die Arbeitslosigkeit von Lehrern zu bezahlen, die Klassenstärke von Schulklassen auf zwanzig Schüler zu reduzieren? (nur ein Beispiel, welches mir hier in Berlin besonders aufstößt, weil hier genügend Schulgebäude leer stehen, Lehrer vorhanden sind, und dennoch die Klassenstärken bei über dreißig Schülern liegt - wie soll man da noch ordentlich unterrichten?)
Was du aus Venezuela berichtest, das klingt sehr sehr spannend.
Soeben muss ich in den Nachrichten lesen, dass der Bundestag Lothar Bisky wiederum den Posten des Bundestagvizepräsidenten verweigerte. Was für ein Schauerspiel. Da hat jede Fraktion das Recht, ihren Vertreter als Bundestagsvize vorzuschlagen, trotz Gesprächsangebotes der Linken gab es keinerlei inhaltliche Einwände und wieder wird der Kandidat abgewählt.
Da zeigt sich, wieviele der Abgeordneten noch immer in alten Feindbildern verhaftet sind, und wie sie schon wieder an den eigentlichen Problemen der Bevölkerung vorbei regieren. Leider ein Beispiel, was mir die Hoffnung nimmt, dass wir Paris in Deutschland verhindern können. Diese Politiker haben nichts begriffen. Alles wird wohl so weiter gehen, wie bisher.
ZitatDie Fantasie, die Konjunktur im eigenen Land zu stärken, ist durchaus vorhanden, meine ich.
damit meine ich natürlich nicht bei den politischen Vertretern von Banken und Industrie, die in Berlin ihr Unwesen treiben. All diese Lobbyteilhaber im Verbund mit den Medien gehören zu einem Geschäft, zu einer Firma, zu einem Konzern. Die einzelnen Parteien sind nichts anderes als die unterschiedlichen Abteilungen und Tochtergesellschaften - mit dem deutschen Kapital als Geldgeber.
Doch was interessieren auch die Verhältnisse im eigenen Land, wenn die Profite im Ausland fließen? "Freie" Märkte - also Kontrolle und Übernahme anstatt Entwicklung dieser sind angesagt.
Es ist nun mal so, dass mit fortschreitender Technologie immer mehr menschliche Arbeitskraft eingespart wird. Das eingesparte Potential wird von der Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum praktisch ausgeschlossen. Eine weitere schleichende Umverteilung von unteren zu oberen Schichten (neben Zins, Gesetzen, Globalisierung). Doch warum soll dort einer dieser Vertreter dagegen steuern (z.B. durch Einführung von Bürgergeld, Wertschöpfungsabgabe von Unternehmen, Steuerregularien), wenn er die Interessen der Profiteure vertritt?
Das ganze jahrelange Gelabere dieser Typen von Unternehmensentlastung etc. hat sich doch schon längst als neuzeitliches Märchen herausgestellt. Damit ist kein einziger Arbeitsplatz neu entstanden. Wie auch, die Gesellschaft befindet sich längst im Endgame. In gesättigten Märkten fallen die Renditen bei Neuinvestitionen unter denen im Finanzmarkt. Was eingespart wird, geht dahin - oder in neue "befreite" Märkte (notfalls mit Waffengewalt - siehe Irak), doch ganz bestimmt nicht ins Inland.
Solange die Leute der Agenda annähernd folgen, werden weiter die Daumenschrauben angedreht. Und die pööösen HartzIV-Empfänger verteufelt. Das zögert das böse Erwachen hinaus. Doch für den großen Krach wird ja schon vorgesorgt. Überwachung nach innen, biometrische Pässe, usw. Anderswo ist man da schon etwas weiter.