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Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

16.11.2005 19:03
RE: Iraks ABC-Waffen Antworten

Zitat
Iraks ABC-Waffen
"Wir hatten keine ABC-Waffen mehr"

Er war zeitweise einer der wichtigsten Männer in Saddam Husseins Regime: der Atomphysiker Dschafar Dhia Dschafar (63) leitete in den 80er Jahren das Atomwaffenprogramm des Diktators. Später war er stellvertretender Energieminister. Kurz vor der Ankunft der US-Armee im April 2003 floh der Sunnit aus Bagdad und lebt heute als Berater für den Wiederaufbau des Irak in Dubai. Dschafar schwört, Saddam Hussein habe nach dem Irak-Krieg Anfang der 90er Jahre alle ABC-Waffen-Programme gestoppt. T-Online sprach mit dem Experten am Rande einer Fachtagung des Bundesnachrichtendienstes in Berlin.


T-Online: Dr. Dschafar, Sie sind Anfang April 2003 aus Bagdad geflohen …

Dschafar: Ja, am Abend des 7. April – eineinhalb Tage vor der Ankunft der US-Armee.

T-Online: Warum genau zu diesem Zeitpunkt?

Dschafar: Ich sah, wie schnell die Amerikaner vorankamen und rechnete mir aus, dass sie mich – wie viele meiner Kollegen - verhaften würden.

T-Online: Sie flohen dann in die Vereinigten Arabischen Emirate.

Dschafar: Zuerst einmal ging ich mit meiner Frau und meiner Tochter nach Syrien und blieb eine Nacht in der Grenzstadt Kamischli. Dann gingen wir nach Aleppo und flogen anschließend von Damaskus nach Dubai.

T-Online: Dort trafen Sie die Amerikaner aber doch.

Dschafar: Ja, als ich nach Dubai kam – es war Donnerstag der 10. April – nahmen die Amerikaner Kontakt mit mir auf. Die Behörden dort hatten ihnen gesagt, dass ich da war. Zu mir sagten sie vorher: "Schau mal, Du sagst doch, Ihr hättet gar keine Massenvernichtungswaffen. Warum sagst Du das nicht den Amerikanern? Die wollen das von Dir hören." Ich sagte zu. Die Amerikaner kamen in mein Hotel und wir redeten miteinander.

T-Online: Wie reagierten sie auf Ihre Aussage, dass es im Irak keine Massenvernichtungswaffen gäbe?

Dschafar: Am Abend des 11. April kam der Chef des CIA-Büros in Abu Dhabi zu mir. Sein Name war Nick Blatt. Er kam in mein Hotel und seine erste Frage war: "Habt Ihr Nuklearwaffen?" Ich musste lachen. Ich sagte zu ihm: "Wenn wir Nuklearwaffen hätten, wärt Ihr doch gar nicht in den Irak einmarschiert."

T-Online: Wie war seine Reaktion?

Dschafar: Er sagte nur: "Wir haben da ein paar Fragen", und fing an mich auszufragen. Ich sagte ihm aber immer wieder, dass wir nach 1991 keine ABC-Waffen mehr hatten. Er gab das weiter und kam am folgenden Tag wieder – diesmal mit dem örtlichen Leiter des britischen Geheimdienstes. Eigentlich sollte ich Ihnen das gar nicht erzählen, oder?

T-Online: Ich finde schon …

Dschafar: Also, es ist schon eine lustige Geschichte: Die hatten alle keine Ahnung, wovon sie sprachen. Am darauf folgenden Sonntag kam dann eine ganze Gruppe aus Washington und eine weitere aus Großbritannien. Die wiederum waren sehr gut informiert. Das waren echte Experten. Sie blieben drei Tage und wir unterhielten uns jeden Tag drei bis vier Stunden lang.

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T-Online: Glaubten Ihnen die Amerikaner Ihre Geschichte von den nicht vorhandenen ABC-Waffen?

Dschafar: Warum hätten sie mir nicht glauben sollen? Es kamen noch mehrere Gruppen zur mir. Insgesamt fanden etwa 20 Verhöre statt. Schließlich fragte jemand: "Warum machen Sie nicht einfach einen Lügendetektortest?" Ich sagte okay und ein Typ kam aus Washington mit einem Polygraphen (Lügendetektor, Anm.). Sie schlossen ihn an meine rechte Hand an und stellten acht Fragen, die ich nur mit Ja oder Nein beantworten durfte. Zwei davon waren so genannte Kalibrierungsfragen. Dabei muss der Befragte einmal lügen und einmal die Wahrheit sagen, damit man sieht, dass der Polygraph funktioniert. Zuerst wollten sie die Lüge hören und fragten: "Haben Sie jemals Ihre Frau belogen?" Ich sollte mit Nein antworten, weil sie davon ausgingen, dass das eine falsche Antwort war.

T-Online: War Ihre Frau im selben Raum?

Dschafar: (lacht) Nein, war sie nicht. Dann fragten sie nach dem Wochentag und da sollte ich die Wahrheit sagen. Dann kamen die wichtigen Fragen, nach Nuklearwaffen, Chemie- und Biowaffen und so weiter. Ich antwortete immer mit Nein. Sie wiederholten den Test noch zweimal. Schließlich sagte jemand: "Alles in Ordnung, Sie haben mit Auszeichnung bestanden." Mit einem Kollegen von mir in Bagdad, der sich am 12. April ergeben hatte – übrigens vor einer Kamera des ZDF - ging es ganz genauso.

T-Online: Waren die Amerikaner enttäuscht, dass da nichts herüberkam?

US-Soldat vor einem so genannten Uran-Mixer aus der irakischen Atomanlage Tuwaitha (Foto: dpa)
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US-Soldat vor einem so genannten Uran-Mixer aus der irakischen Atomanlage Tuwaitha (Foto: dpa)

Dschafar: Ich glaube, sie wussten, dass es keine solchen Waffen gab. Ich sage Ihnen warum: Als sie in Bagdad einrückten, machten sie keinerlei Anstalten, die Produktions- oder Lagerstätten, an denen die Waffen hätten sein sollen, zu sichern. Alles wurde geplündert, aber die Amerikaner interessierten sich ausschließlich für das Ölministerium. Alle Lager, auch die mit den Dual-Use-Gütern (Produkte, die sowohl für Waffen, als auch für zivile Güter eingesetzt werden können, Anm.), die die UN-Inspekteure bereits markiert hatte, wurde ausgeräumt und die Amerikaner unternahmen nichts dagegen. Alles außer dem Ölministerium war ihnen gleichgültig. Hätten sie wirklich an die Massenvernichtungswaffen geglaubt, wären sie doch zuerst zu den Orten gegangen, die die Unscom als verdächtig eingestuft hatte und hätten dort alles gesichert. Da gab es beispielsweise hunderte Tonnen HMX und RDX – zwei konventionelle aber sehr starke Sprengstoffe. Die waren hinterher verschwunden. Ebenso ging es mit den Munitionsdepots der Armee. Was glauben Sie, wo die Attentäter den ganzen Sprengstoff für Ihre Attentate herhaben? Die kamen mit Riesenlastern und luden das Zeug einfach auf.

T-Online: Wenn gar nichts da war, warum ließ Saddam die Waffeninspektoren dann nicht einfach in Ruhe ihre Arbeit machen?

Dschafar: Das konnten sie doch. Sie gingen hin, wo sie wollten. Zumindest ab 2002. Davor gab es Einschränkungen für bestimmte Einrichtungen aber später nicht mehr.

T-Online: Sie haben Saddam Hussein viele Male getroffen und auch unter ihm gelitten. Anfang der 80er Jahre saßen Sie auf seinen Befehl 20 Monate im Gefängnis. Anfang der 90er stiegen Sie zum stellvertretenden Energieminister auf. Wie kam er Ihnen vor. Hatten Sie Angst vor ihm?

Dschafar: Nein, es war eine ganz normales Miteinander. Ich hatte keine Angst vor ihm. Er tat mir nichts…

T-Online: …abgesehen von der Sache mit dem Gefängnis…

Dschafar: Ja, das Gefängnis. Damals war ich für einen Kollegen eingestanden … (schweigt)

T-Online: Wann trafen Sie ihn das letzte Mal?

Dschafar: Das war ein paar Monate vor dem Krieg. Aber sehen Sie: Ich leitete das Atomwaffenprogramm in den 80er Jahren. Später, nach dem Krieg 1991, war ich nur noch mit dem Wiederaufbau unserer Elektrizitätswerke beschäftigt. Alle Programme waren beendet worden. Außerdem arbeitete ich in dieser Zeit mit der IAEO (Internationale Atomenergiebehörde, Anm.) zusammen. Unser Atomwaffen-Programm hatte neun Jahre gedauert. Die kommenden zwölf Jahre verbrachte ich damit, Ihnen zu erklären, dass es gestoppt war.

T-Online: Was hatte Saddam mit den Atomwaffen vor, die sie in den 80er Jahren für ihn bauen sollten?

Dschafar: Er hat mir seine Pläne nicht mitgeteilt.

T-Online: Was glauben Sie?

Dschafar: Nun, wir kamen nicht bis zu dem Punkt, an dem man eine militärische Strategie – basierend auf den Atomwaffen – hätte entwickeln können. Sie waren aber wohl vor allem zur Abschreckung gedacht. Sehen Sie: Das Programm begann 1980. Im Krieg gegen den Iran, der 1981 begann, übte niemand besonders großen Druck auf uns aus, diese Waffen fertig zu stellen. Erst kurz vor Ende des Krieges wurde wirklich mit Hochdruck an dem Programm gearbeitet.

T-Online: Glauben Sie, die Waffen wären gegen den Iran eingesetzt worden, wenn Sie rechtzeitig fertig geworden wären?

Dschafar: Ich persönlich glaube das nicht. Da ist aber nur meine Meinung. Sie waren ein Abschreckungsmittel.

T-Online: Aus einer Abschreckung kann aber schnell Realität werden.

Dschafar: Stimmt, vor allem bei einer Invasion. Aber selbst dann kommt es darauf an, was die Gegenseite an Abschreckung aufzubieten hat. Bei der Aktion "Desert Storm" im Januar und Februar 1991 hatten wir Chemie- und sogar Biowaffen, aber sie wurden nicht eingesetzt. Warum? Weil Saddam von den militärischen Möglichkeiten der Amerikaner abgeschreckt war, vor allem von ihren Nuklearwaffen aber auch allem anderen. Also: Sogar wenn man solche Waffen hat, könnte die Gegenseite noch mehr davon haben und dann lässt man es eben.

Saddam vor Gericht Keine Spur von Reue
Foto-Serie Saddam vor Gericht

T-Online: Was empfinden Sie, wenn Sie Saddam heute als Gefangenen vor Gericht sehen?

Dschafar: Ich denke, wenn er Verbrechen begangen hat, sollte er darüber Rechenschaft ablegen, wie jeder andere auch. Allerdings sollte das Verfahren fair sein und ich habe meine Zweifel daran, dass das irakische Rechtssystem dazu im Moment die Voraussetzungen bietet. Allein in den vergangenen zehn Tagen wurden zwei seiner Anwälte ermordet und einer verletzt. Natürlich hat er als Präsident auch niemandem ein faires Verfahren zugestanden, aber trotzdem…

T-Online: Sie sagen: "Wenn er Verbrechen begangen hat" - zweifeln Sie daran?

Dschafar: Man muss es eben vor Gericht beweisen. Aber das ist nicht so einfach. Alle reden beispielsweise von dem Giftgasangriff auf die Kurden in Halabdscha. Ich kenne die Details nicht, aber ich habe einen Bericht von Stephen Pelletier gelesen. Er war als CIA-Mann mit dem Irak betraut und später Lehrer auf dem War-College der US-Armee. In einem Artikel für die "New York Times" schrieb er, dass es gar nicht die Iraker waren. Die Opfer dort – so steht es in seinem Artikel - seien durch ein Gift auf Zyanid-Basis getötet worden, das der Irak gar nicht hatte, wohl aber der Iran. Die Kurden dort – sie standen unter der Führung von Dschalal Talabani – kämpften aber auf der Seite des Iran gegen Saddam. Pelletiers Schlussfolgerung lautet, die Iraner hätten Iraker beschossen und der Wind habe das Gas einfach in die falsche Richtung getrieben.

T-Online: Nach allgemeiner Auffassung war es aber Ali Hassan al-Madschid alias "Chemie-Ali", der den Angriff auf die Kurden geleitet hat, um sie für ihre Zusammenarbeit mit dem Iran zu bestrafen.

Dschafar: Also jedenfalls offenbar nicht in Halabdscha. Man muss sich die Beweise wohl ganz genau ansehen. Pelletier steht jedenfalls kaum im Verdacht, Saddam verteidigen zu wollen. Etwas anderes ist es mit der Geschichte des Dorfes Dujail nördlich von Bagdad. Dort gab es einen Attentatsversuch auf Saddam. Aber seine Reaktion darauf – er ließ unzählige Dorfbewohner töten - war einfach zu brutal.

T-Online: Tut Saddam Ihnen leid?

Dschafar: Irgendwie vielleicht schon. Er sollte sich rechtfertigen, wenn er Verbrechen begangen hat. Aber den Präsidenten seines Landes vor Gericht zu sehen, ist nicht leicht.

Das Interview führte Christian Kreutzer



Quelle: http://onnachrichten.t-online.de/c/60/89/53/6089530.html

Das Embargo, der Krieg alles unnötig. Die Bushisten wollten diesen dreckigen Angriffskrieg, es ging ihnen niemals um die Massenvernichtungswaffen. Hier hatte sich einmal mehr der Wolf als Friedenshüter verkleidet.

Die Besatzer müssen raus aus dem Irak, sie haben dort nichts verloren!

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