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Dieses Thema hat 7 Antworten
und wurde 528 mal aufgerufen
 Ablage Speakers Corner
Johnny W. ( gelöscht )
Beiträge:

23.11.2005 19:53
RE: Sex und Gewalt Antworten

Warum haben Bücher, in denen Sex und Gewalt vorkommen, eigentlich mehr Erfolg als andere (Verkaufszahlen)?

nathschlaeger Offline



Beiträge: 164

23.11.2005 21:18
#2 RE: Sex und Gewalt Antworten

Weil sie die Begierden und Befürchtungen der Leser am deutlichsten zum Ausdruck bringen?

Wieso hat die BILD die meisten Leser? Doch wohl nicht wegen der hervorragend recherchierten journalistischen Glanzleistungen?

Außerdem glaube ich nicht, dass Bücher, die man auf Sex und Gewalt reduzieren kann, die meisten Leser haben. Sondern Bücher, in denen Sex und Gewalt in einem soziopolitischen Kontext eingebunden sind und auf einer Welle subtextueller Hochleistungsprosa getragen werden.

lg/Peter

Capella Offline




Beiträge: 152

23.11.2005 23:59
#3 RE: Sex und Gewalt Antworten

Hi,

also, ich oute mich mal: ich lese gerne Bücher, in denen Sex und Gewalt vorkommen. Natürlich nicht nur, und natürlich sinnvoll verpackt und in die Handlung eingebunden, aber dann finde ich das schon spannender als seitenlanges Philosophieren über die Welt oder verschlungene Intrigen oder tiefe Einblicke in das verkorkste Seelenleben des Protagonisten.

Ich finde es aber nicht einfach, selber über Sex und Gewalt zu schreiben, ohne dass es völlig klischeehaft wird. Sex ist da fast noch einfacher, da kann man gut mit Bildern arbeiten, mit kleinen Details, die Fantasien beim Leser wecken. Bei Gewalt realistisch zu bleiben und den schmalen Grat zu finden, bei dem der Protagonist (oder auch sein Gegenspieler) weder als Weichei noch als Superman daherkommt, finde ich deutlich schwieriger. Wenn mir jemand eine Faust ins Gesicht schlägt, würde ich mich nämlich heulend in die Ecke setzen oder mich unauffällig verpissen, aber sämtliche Weltrettungsambitionen wären mir instantan vergangen. Aber über solche Leute will natürlich keiner lesen (ich auch nicht). Über jemanden, der alles einstecken kann und mit zwei gebrochenen Beinen oder einer Kugel in den Weichteilen noch munter weiter kämpfend durch die Gegend läuft, auch nicht. Okay, Jungs zwischen acht und vierzehn vielleicht schon. Aber der Rest der Welt eher nicht.

gruß,
Capella

Johnny W. ( gelöscht )
Beiträge:

24.11.2005 14:47
#4 RE: Sex und Gewalt Antworten

Okay, hier mal zwei Extremarten von Gewalt:

1. Extrem offensichtlich: American Psycho. Superhart, wohl das Härteste, das je literarisch veröffentlich wurde. Regelrecht menschenverachtend. Angeblich eine Satire...naja, ich glaube, der Autor hat nur schön seine Phantasien ausgelebt.

2. Krimis von Agatha Christie, z.B. Miss Marple. Es gibt Tote, es gibt Verletzte, aber alles ist immer nur vage angedeutet, hat aber trotzdem seine Wirkung.

Bei Christie fehlt allerdings der Sex, es sei denn, jemand findet Miss Marple sexy. :-)
Bei American Psycho ist der Sex ja dermaßen detailliert geschildert, daß man entweder direkt mitmachen will oder das Buch vor Ekel am liebsten in die Ecke werfen will (aufgrund der Praktiken).

Was findet Ihr besser? Offensichtliche Schilderungen oder das Ganze eher subtil verpackt?

Gruß, Johnny W.

Capella Offline




Beiträge: 152

24.11.2005 18:18
#5 RE: Sex und Gewalt Antworten

Hi,

(lustige Parallelität, da ich gerade in einem anderen Forum eine Geschichte von nathschlaeger kommentiert habe, in der ziemlich viel Gewalt vorkommt und Sex auch)

aber auf Johnny W.s Frage möchte ich mit einem entschiedenen "Kommt darauf an" antworten

Es gibt Texte, bei denen plastische und explizite Schilderungen von Brutalität und/oder von sexuellen Praktiken und eine ganz unverblümte Sprache einfach richtig und angemessen sind. Das hat z.B. was mit dem Erzählton und der -perspektive zu tun. Es gibt Charaktere, denen glaubt man "Ich polierte ihm die Fresse" einfach eher als "Ich schickte ihn mit einem gezielten Faustschlag zu Boden". Ich finde es auch einfach ehrlicher, dann von Blut und ausgeschlagenen Zähnen zu lesen, als wenn alle danach lächelnd aufstehen, als wäre nix gewesen. Fäuste im Gesicht tun weh, da gibt es wenig zu beschönigen.

Bei Sex ist es ähnlich. Da gibt es Situationen, wo gezeigt werden soll, dass es einfach nur um Triebbefriedigung geht. Sexszenen können aber auch eingesetzt werden, um zu zeigen, wie tief Charaktere füreinander empfinden. Das geht häufig mit subtilen Beschreibungen besser.

Ich mag beides. Es muss halt zu den Charakteren und zur Situation passen.

gruß,
Capella

Rene ( gelöscht )
Beiträge:

24.11.2005 20:48
#6 RE: Sex und Gewalt Antworten

Ich frage mich nur, ob es eine Grenze für die Schilderungen gibt, und - wenn ja - wo diese Grenze liegt. Johnny hat "American Psycho" erwähnt. Dort gehen die Schilderungen nach Meinung vieler Menschen weit über alle zumutbaren Grenzen hinaus.

Viele Grüße, Rene

nathschlaeger Offline



Beiträge: 164

25.11.2005 07:21
#7 RE: Sex und Gewalt Antworten

Es gibt definitiv keine Grenzen, solange es mit Worten fassbar ist. Da ist auch die Frage nach der moralischen Verantwortung des Autoren nichts als Augenauswischerei - oder die Frage nach der moralischen, soziopolitischen Bedeutung des Buches. Wilde umriß das so: Es gibt keine unmoralischen oder moralischen Bücher. Es gibt gut geschriebene und schlecht geschriebene Bücher. Natürlich liegt der Drang eines aufgebrachten Lesers nahe, ein Buch, in dem Sachen stehen, die er lieber nicht gelesen hätte, als schlecht geschrieben zu qualifizieren.
In manchen Fällen ist Gewalt und/oder expliziter Sex ein Beförderungsmittel - etwas, dass man einem Patienten als Kontrastmittel spritzt, um auf gewisse Eigenheiten zu verweisen.

Es darf schlicht und einfach keine Grenze geben. Die einzige, zumutbare Grenze ist das Unvermögen eines Autoren, Szenen zu beschreiben. Gerade bei Autoren, die ihre ersten Gehversuche machen, haben Gewalt- und Sexszenen etwas rührend lächerliches.

Und natürlich kommt es immer drauf an, welche Geschichte man erzählt. Wenn man jetzt eine geschichte von zwei Männern in Sibirien erzählt, die sich beim Eisfischen am Ufer des Baikalsees treffen und die sich über das harte Leben unterhalten, ja bitte, was soll denn da eine Sex- oder Gewaltszene?

Ich bin davon überzeugt, dass jede Geschichte ihre eigene Sprache verlangt, ihre eigenen Bilder. Die Moral findet sich meistens in der neutralen Darstellung. Ich würde es als Betrug am Leser finden, wenn ein Autor schreibt: "... und dann hatten Sue und Carl ekelerregenden, schweinischen Sex und sie suhlten sich in ihren kranken Wünschen wie Schweine."

Ebenso als Beschiß hoch vier würde ich es werten, wenn da jemand eine sozialkritische Geschichte über junge Soldaten im Iraq verfasst und bei Verwundungen ausblendet. Wenn man eine Geschichte über die Schrecken des Krieges berichtet, dann bitte auch über abgerissene Beine und aufgerissene Bäuche, in die feindliche Soldaten spucken und pissen. Was dreckig ist, muß unmißverständlich und aufrichtig als dreckig gezeigt werden. Und je klarer der Blick des Autoren, je klarer da seine Sprache, desto mehr Vertrauen kann ich in ihn haben.

@Rene:
Dort gehen die Schilderungen nach Meinung vieler Menschen weit über alle zumutbaren Grenzen hinaus.

Das ist auch so eine sache: Wieviele Menschen haben das Buch gelesen? Und wieviele davon echauffieren sich über die expliziten Szenen? Und welche Leute sind das? Vertreter jener Elternvereine in den USA, die sich sogar über Aladdin, den zeichentrickfilm aufregten, weil die Gestaltung Aladdins zu erotisch war? Die bei Pocahontas eine gezeichnete Wolke fanden, die wie ein erigierter Penis aussah?
Das Geschnatter der selbstgerechten, moralisierenden Puschel würde ich nur mit sehr viel Vorsicht in meine persönliche Wertung einfließen lassen. Denn ebenjene Moralisten, die sich über solcherlei aufregen, finden nichts dabei, ihren Sohn in einen krieg zu schicken, aus dem er möglicherweise ohne Beine zurückkommt.

lg/Peter

[ Editiert von nathschlaeger am 25.11.05 7:26 ]

Johnny W. ( gelöscht )
Beiträge:

25.11.2005 10:34
#8 RE: Sex und Gewalt Antworten

Wow, Peter, das war ein sehr engagierter Beitrag, der mich sehr nachdenklich stimmt, weil Du viele elementare Dinge auf den Punkt gebracht hast.
Ganz ehrlich, ich mag Gewalt da, wo sie hin paßt. Dein Beispiel mit den Baikalseefischern war gut, denn da gehört Gewalt nicht hin. Und Sex (bei der Kälte...haha) auch nicht. In American Psycho fand ich Sex und Gewalt stimmig, auch wenn ich nicht glauben kann, daß der Autor eine Satire schreiben wollte. Dafür wurden die Szenen ZU GENAU beschrieben.
Ich finde, Literatur sollte Spaß machen. Es sollte dem Leser Empfindungen hae bringen. Sex und Gewalt sind, je nach Geschichte, ein probates Mittel dazu.

Viele Grüße,

Johnny W.

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