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Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

13.03.2006 15:59
RE: Wer war Milosevic? Antworten

Nun mit dem Tod des ehemaligen Präsidenten Jugoslawiens wird mir einmal mehr bewusst, dass ich von diesem Land noch viel zu wenig weiß. Was ging da vor, in jenem Land, welches von der NATO angegriffen wurde und zu Europa gehört? Vor dem Krieg wurde Milosevic zum Monster erhöht. Er wurde als Nationalist dargestellt, der ethnische Säuberungen zu verantworten habe usw.. Es folgte ein jahrelanger Prozeß, wo immer mehr sichtbar wurde, dass die Beweislast gegen den Ex-Präsidenten mehr als dürftig war. Die Vorwürfe erwiesen sich einer nach dem anderen als unhaltbar.

Mir scheint fast, dass das gewaltsame Ableben von Milosevic (er wurde mit einem Medikament vergiftet, einige behaupten, das habe er sich selbst verabreicht), gerade für die Kriegshetzer, die damals schamlos zu Lügen griffen, um die NATO gegen Jugoslawien loszuschicken, zielmich praktisch ist. Nun müssen sie gar nix mehr beweisen. Der Angeklagte ist tot.

In den Medien wurde über sein Ableben auch die Legende verbreitet, er wäre in der letzten Regierungszeit immer nationalistischer geworden. Hierzu führte man eine Rede von ihm auf dem Amselfeld an. Aus diesem Grund, möchte ich Euch diese Rede hier auf Deutsch vorstellen. Mag sich jeder ein eigenes Bild darüber machen:

Zitat

Rede von Slobodan Milosevic anlässlich der 600 jährigen Gedächtnisfeier der "Schlacht auf dem Amselfeld"

28. Juni 1989 in Gazimestan Kosovo

Freunde, Kameraden,

an diesem Ort, im Herzen Serbiens, auf dem Kosovo Polje, hat vor sechs Jahrhunderten, vor genau 600 Jahren, eine der größten Schlachten damaliger Zeiten stattgefunden. Fragen und Geheimnisse haben dieses Geschehen wie viele andere große Ereignisse begleitet, es wurde Gegenstand ununterbrochener wissenschaftlicher Untersuchungen und nicht zuletzt auch der Neugier des Volkes.

Durch soziale Umstände bedingt, findet das große sechshundertjährige Jubiläum der Kosovo-Schlacht in einem Jahr statt, in dem Serbien nach vielen Jahrzehnten seine staatliche, nationale und geistige Integrität wiedergefunden hat. So fällt es uns heute nicht schwer, die Frage zu beantworten: Wie werden wir vor Milos auftreten? (Gemeint: Milos Obilic – serbischer Held der Kosovo-Schlacht – je)

Wie das Leben und die Geschichte spielen, sieht es so aus, als ob Serbien gerade 1989 seinen Staat und seine Würde wiedergewonnen hat, um das historische Ereignis ferner Vergangenheit zu feiern, das für Serbien sowohl symbolisch als auch geschichtlich eine große Bedeutung für die Zukunft hat.

Heute ist schwer zu sagen, was bei der Kosovo-Schlacht historische Fakten sind und was zur Legende gehört. Aber das ist auch nicht wichtig. Erfüllt von Schmerzen, aber auch von Hoffnung, ist das Volk gewöhnt, sich zu erinnern, ganz wie es eigentlich auch bei anderen Völkern der Fall ist. Das Volk hat sich wegen des Verrates geschämt, hat aber auch die Tapferkeit gepriesen. Deshalb ist heute schwer zu sagen, ob die Kosovo-Schlacht eine Niederlage oder ein Sieg für das serbische Volk war, ob wir als Folge der Niederlage in die Sklaverei kamen oder ob wir aus dieser Niederlage gelernt haben, die Zeiten der Sklaverei zu überleben. Die Antworten auf diese Frage werden das Volk und die Wissenschaft weiterhin suchen müssen. Was aber nach all diesen Jahrhunderten, die hinter uns liegen, Gewißheit geworden ist, das ist die Tatsache, daß wir auf dem Kosovo vor 600 Jahren unsere Uneinigkeit erfahren mußten.

Wenn wir eine Niederlage auf dem Kosovo erlitten haben, dann war das kein Ergebnis der gesellschaftlichen oder militärischen Überlegenheit des Osmanischen Reiches, sondern Ergebnis der tragischen Uneinigkeit an der Spitze des serbischen Staates. Damals, im fernen 1389, war das Osmanische Reich nicht nur stärker als das serbische Königreich, sondern auch glücklicher. Uneinigkeit und Verrat auf dem Kosovo werden das serbische Volk weiter als das Böse durch seine ganze Geschichte hindurch begleiten. Auch im letzten Krieg haben Uneinigkeit und Verrat das serbische Volk und Serbien in eine Agonie geführt, deren geschichtliche und moralische Konsequenzen die der faschistischen Aggression übertroffen haben.

Auch später, nach der Gründung des sozialistischen Jugoslawiens, war die Spitze der serbischen Führung in diesem neuen Land uneinig und neigte zu Kompromissen auf dem Rücken des eigenen Volkes. Die Zugeständnisse, die viele der serbischen Führer zum Nachteil des eigenen Volkes machten, wären weder historisch noch ethisch von irgendeinem Volk auf der Welt akzeptiert worden. Dies gilt um so mehr, als die Serben während ihrer ganzen Geschichte niemals Eroberer oder Ausbeuter waren. Das nationale und historische Wesen der Serben in ihrer ganzen Geschichte, insbesondere auch während der beiden Weltkriege, war die Befreiung von Knechtschaft und das Leben in Freiheit, und so bleibt es auch heute. Die Serben haben sich immer wieder selbst befreit und, wenn es ihnen möglich war, halfen sie auch anderen, sich zu befreien.

Und die Tatsache, daß sie in dieser Region als ein großes Volk gelten, ist doch keine Schande und keine Sünde. Es ist ein Vorteil, den sie niemals gegen andere ausspielten. Aber ich muß sagen, hier auf diesem legendären Kosovo Polje, daß die Serben diesen Vorteil auch niemals zu ihrem eigenen Wohl genutzt haben.

Den serbischen Politikern und Führern und deren Vasallenmentalität ist zu verdanken, daß die Serben Schuldgefühle den anderen und sich selber gegenüber hatten. Die Uneinigkeit der serbischen Politik hat Serbien zurückgeworfen, und ihre Inferiorität hat Serbien gedemütigt. Das ging so über Jahre und Jahrzehnte. Wir sind heute hier auf das Kosovo Polje gekommen, um zu sagen, daß heute die Dinge anders liegen. Es gibt keinen anderen, keinen geeigneteren Ort als Kosovo Polje, um zu sagen, daß die Einigkeit in Serbien auch dem serbischen Volk, den Serben und jedem Bürger Serbiens, unabhängig von seiner nationalen und religiösen Zugehörigkeit, Wohlstand bringen wird.

Serbien ist heute geeint und anderen Republiken gleichgestellt. Es ist bereit, alles zu tun, um das materielle und soziale Leben aller seiner Bürger zu verbessern. Mit Verständnis füreinander, mit Zusammenarbeit und Geduld wird Serbien dabei erfolgreich sein. Deshalb ist auch der Optimismus mit Blick auf die Zukunft, wie er heute allenthalben in Serbien festzustellen ist, durchaus gerechtfertigt. Dieser Optimismus basiert auf der Freiheit, die allen Menschen ermöglicht, positive, kreative und humanitäre Fähigkeiten zum Wohl der gesamten Gesellschaft und auch zum eigenen Wohl zu entfalten.


»Der Nationalismus ist das schlimmste Problem«

In Serbien haben niemals nur die Serben gelebt. Heute leben in diesem Lande mehr als jemals zuvor Bürger anderer Völker und Nationalitäten. Und das ist natürlich kein Nachteil für Serbien. Im Gegenteil: Es ist ein Vorteil Serbiens. In diesem Sinne ändert sich das nationale System, so wie es heute auch in anderen Ländern, insbesondere in den hochentwickelten Ländern der Welt, der Fall ist. Immer mehr und immer erfolgreichere Bürger verschiedener Nationen und verschiedener Religionen leben in einem gemeinsamen Land zusammen. Im besonderen Maße soll der Sozialismus als eine progressive, demokratische Gesellschaft die Menschen zusammenführen und dazu beitragen, deren Trennung nach nationaler oder religiöser Zugehörigkeit zu überbrücken. Der einzig maßgebende Unterschied zwischen den Menschen im Sozialismus sollte der Unterschied zwischen denen sein, die arbeiten, und denen, die nicht arbeiten wollen. Zwischen Menschen, die füreinander da sind und sich gegenseitig achten, und solchen, die keinen Respekt vor ihren Mitmenschen haben. Die Bürger Serbiens, die von ihrer eignen Arbeit leben, verdienen die Achtung aller, sie müssen einander respektieren, unabhängig von ihrer nationalen Zugehörigkeit. Gerade auf solchen Prinzipien der gegenseitigen Achtung und des gegenseitigen Respekts basiert unser Land.

Jugoslawien ist eine multinationale Einheit und kann nur überleben, wenn völlige Gleichberechtigung zwischen allen im Land lebenden Nationen hergestellt wird. Die Krise, die Jugoslawien getroffen hat, hat sowohl nationale als auch soziale, kulturelle und religiöse Zwietracht hervorgebracht. Dabei ist der Nationalismus das schlimmste Problem. Ihn zu überwinden ist die Voraussetzung dafür, die anderen Mißstände zu beseitigen und die Konsequenzen zu mildern, die der Nationalismus hervorgebracht hat.

Seit dem Bestehen von multinationalen Gesellschaften war deren Schwachstelle immer das Verhältnis zwischen den einzelnen Nationen. Es besteht die Gefahr, daß die Frage der angeblichen Bedrohung einer Nation durch eine andere aufgeworfen werden kann, was wiederum zu einer Welle von Verdächtigungen, Anschuldigungen und Intoleranz führen kann, einer Welle, die unaufhaltsam wächst und sehr schwer zu stoppen ist. Diese Gefahr bedrohte uns die ganze Zeit.

Innere und äußere Feinde multinationaler Gesellschaften wissen das und tun alles, sie durch das Anstacheln nationaler Konflikte zu zerstören. Gegenwärtig wird das in Jugoslawien versucht – nie zuvor hatten wir solche tragischen nationalen Konflikte zu ertragen, die die Existenz unserer Gesellschaft in Frage stellten.

Gleichberechtigte und harmonische Beziehungen zwischen den jugoslawischen Völkern sind die unabdingbare Voraussetzung für das Überleben Jugoslawiens, die einzige Möglichkeit, aus der gegenwärtigen Krise einen Ausweg zu finden, vor allem um ökonomische und soziale Prosperität für das Land zu erreichen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Jugoslawien nicht von anderen Ländern der Welt, und insbesondere nicht von den entwickelten Ländern.

Die heutige Welt zeichnet sich immer stärker durch Toleranz, Kooperation und Gleichberechtigung zwischen den Nationen aus. Die moderne ökonomische, technologische, aber auch politische und kulturelle Entwicklung führt die Menschen verschiedener Nationen zueinander, macht die Völker voneinander abhängig und trägt Zug um Zug zu ihrer Gleichberechtigung bei. Zur Zivilisation, der die Menschheit zustrebt, haben vor allem die gleichberechtigten und vereinten Völker Zutritt. Auch wenn wir nicht an der Spitze dieses Weges in die Zivilisation sein können, so möchten wir doch auch nicht die letzten sein.

Zur Zeit der großen historischen Schlacht auf dem Kosovo Polje blickten die Menschen hinauf zu den Sternen, von denen sie sich das Heil erhofften. Jetzt, sechs Jahrhunderte später, blicken sie wieder hinauf zu diesen Sternen – um sie zu erobern (FAZ: ... und bitten für den Sieg). Und auf jeden Fall dürfen sie sich heute nicht mehr erlauben, uneinig zu sein und sich von Haß und Verrat leiten zu lassen, leben sie doch nicht mehr in kleinen, schwachen und kaum miteinander verbundenen Welten. Heute können die Menschen dieses Planeten nicht einmal ihren eigenen Planeten erobern, wenn sie sich nicht einig sind, geschweige denn andere Planeten, solange sie nicht in Harmonie und Solidarität leben.

Gerade deshalb haben, vielleicht wie nirgendwo sonst auf dem Boden unseres Heimatlandes, die Worte Einigkeit, Solidarität und Gemeinsamkeit soviel Sinn auf dem Kosovo Polje, dem Symbol der Uneinigkeit und des Verrates. Diese Uneinigkeit, die für die Niederlage in der Schlacht verantwortlich war und auch für das unglückliche Schicksal, das Serbien ganze fünf Jahrhunderte lang ertragen mußte, ist im Gedächtnis des serbischen Volkes und wird es bleiben. Auch wenn es mit den historischen Gegebenheiten nicht unbedingt übereinstimmen mag, so bleibt doch die Gewißheit, daß das Volk seine Uneinigkeit als seine größte Tragödie erlebt hat. Deshalb haben wir die unbedingte Verpflichtung, die Uneinigkeit zu überwinden – das ist die unbedingte Voraussetzung, um künftig Niederlagen, Mißerfolge und Stagnation durchzustehen.

Das Volk in Serbien ist sich in diesem Jahr bewußt geworden, daß es seine innere Einheit als unverzichtbare Voraussetzung für das heutige Leben und seine weitere Entwicklung finden muß. Ich bin überzeugt, daß Serbien aufgrund dieses Bewußtseins der Einigkeit nicht nur als Staat, sondern auch als erfolgreicher Staat leben wird. Deshalb, so denke ich, macht es doch Sinn, gerade hier auf dem Kosovo, wo einmal Uneinigkeit auf tragische Weise und für Jahrhunderte Serbien zurückgeworfen hat, zu sagen, daß nur die Einheit uns die Kraft geben wird, Serbien zu erneuern und die Würde zurückzuerlangen. Und dieses Bewußtsein von der inneren Einigkeit stellt auch für Jugoslawien eine Notwendigkeit dar, weil das Schicksal Jugoslawiens in den Händen aller seiner Völker liegt.

Die Kosovo-Schlacht ist auch ein Symbol für Tapferkeit. Das drückt sich in Gedichten, Legenden, in der Literatur und in Erzählungen aus. Die Helden des Kosovos inspirieren seit sechs Jahrhunderten unsere Kreativität, sie nähren unseren Stolz, sie lehren uns nicht zu vergessen, daß es einmal eine Armee gegeben hat, die tapfer und stolz war – eine der wenigen, die trotz der Niederlage nicht verloren hat.

Sechs Jahrhunderte später stehen heute wieder Kämpfe bevor. (FAZ: Sechs Jahrhunderte später befinden wir uns wieder in Kriegen ...) Es sind keine bewaffneten Kämpfe (FAZ: Schlachten), die wir auszutragen haben, obwohl auch solche nicht auszuschließen sind. Aber unabhängig davon, welche Kämpfe uns bevorstehen, sie können nicht ohne Entschlossenheit, Tapferkeit und Aufopferung gewonnen werden, also nicht ohne die guten Eigenschaften, die man auch damals auf dem Kosovo demonstrierte.

Unser heutiger Kampf zielt auf die Verwirklichung der ökonomischen, politischen, kulturellen, der umfassenden Prosperität unseres Landes. Und dieser Kampf wird um so erfolgreicher sein, je mehr wir uns der Zivilisation nähern, in der die Menschheit im 21. Jahrhundert leben wird. Auch für einen solchen Kampf brauchen wir Tapferkeit. Natürlich eine andere Art von Tapferkeit.[B] Es bleibt aber eine Herzensangelegenheit, ohne die nichts auf der Welt, nichts Ernsthaftes, nichts wirklich Großes erreicht werden kann. [B]Eine Tapferkeit, die aus dem Herzen kommt und immer für die Menschheit lebensnotwendig bleiben wird.

Vor 600 Jahren verteidigte Serbien hier auf dem Kosovo tapfer nicht nur sich selbst, sondern auch Europa. Serbien stand damals für die Verteidigung europäischer Kultur, Religion und der europäischen Gesellschaft insgesamt. Deshalb ist es heute ungerecht und im Widerspruch zur Geschichte, ja, es ist sogar absurd, die Zugehörigkeit Serbiens zu Europa in Zweifel zu ziehen. Serbien gehört zu Europa, heute wie in der Vergangenheit, und zwar auf eine Art und Weise, die seiner Würde und seinem Wesen entspricht. In diesem Geiste möchten wir heute eine Gesellschaft aufbauen, die reich und demokratisch ist. Dadurch wollen wir zum Wohlergehen unserer Kinder und unseres Landes beitragen, das heute völlig zu Unrecht leiden muß. Wir wollen das Unsere tun, um das Streben aller progressiven Menschen unserer Zeit nach einer neuen, schöneren Welt zu unterstützen.

Die Erinnerungen an die Tapferkeit der Kosovo-Helden soll ewig leben!

Hoch lebe Serbien!

Hoch lebe Jugoslawien!

Hoch lebe der Frieden, hoch lebe die Brüderschaft zwischen den Völkern!))

* Übersetzung nach dem Redetext, der in der Belgrader Tageszeitung Politika am 29. Juni 1989 erschienen ist. Übersetzung: Dr. Donka Lange. Diese Übersetzung erschien zuerst in Jürgen Elsässers Buch »Kriegslügen. Vom Kosovokonflikt zum Milosevic-Prozeß« (Kai Homilius Verlag). Eine ebenfalls vollständige Version eines anderen Übersetzers findet sich in dem Buch von Ralph Hartmann: »Der Fall Milosevic« (Karl Dietz Verlag).



Was soll an dieser Rede nationalistisch sein? Das verstehe ich nicht. Milosevic ist tod. Er wurde mit Medikamenten vergiftet. Sein Tod ist für einige, (auch bei uns in Deutschland) eine Erlösung, da sie nun nicht mehr befürchten müssen, wegen der Führung eines Angriffskrieges belangt zu werden, und da sie nun nicht mehr ihre Vorhaltungen beweisen müssen. Wie praktisch, oder?

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