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Dieses Thema hat 5 Antworten
und wurde 913 mal aufgerufen
 Ablage Speakers Corner
Gusano Offline



Beiträge: 53

29.05.2006 18:43
RE: Floskeln und Freunde Antworten

Die Floskel (lateinisch flosculus - das Blümchen) bezeichnet in der Rhetorik der Antike einen Denkspruch oder eine Sequenz, später eine rein formale Redewendung.

“Hi, wie geht’s dir”, so begrüßen wir uns, sei es in Msn, Icq oder, soll auch vorkommen, im RL, Real Life. Mit “Uns” meine ich Freunde, Leute aus der Schule. Die Antworten auf diese Frage reichen von “super, dir?” bis hin zu “passt schon, und selbst?”, man gibt seinen Spruch zum Besten, und es hat sich. Dieser Art von Floskel begegnet einem tagtäglich, und sind wir ehrlich, wir erwarten nicht mehr. Eigentlich wollen wir doch auch nur so das leidige Begrüßen abhandeln, jeglicher andere Ablauf führt zu Irritationen. Stellt euch vor, euer Gegenüber sagt so etwas wie “nicht gut”, oder auf gut Deutsch “beschissen!”? Nach einem kurzen Stocken, und der obligatorischen Frage “warum?”, die eher aus Schock als aus Interesse die Lippen verlässt, hofft man inständig eine kurze, prägnante Antwort zu bekommen, mit welcher man sich nicht näher beschäftigen muss, mit der man zum nächsten Punkt im platonischen Gespräch übergehen kann. Ist dies nicht der Fall, sieht man sich in der unmöglichen Situation die oberflächliche Ebene zu verlassen, sich dem Individuum, das hier so ungefragt persönlich wird, anzunehmen und ihm einen ernstgemeinten Rat zu geben. Wie leicht, oder schwer uns das fällt, hängt vom Gesprächspartner ab. Ist es die Freundin, nimmt man sich ihr natürlich gerne, und mit regem Interesse an, ist es ein guter Freund, oder Freundin, geschieht das selbe. Entfernt befreundete Personen, einem fast oder völlig fremde Menschen, stellen ein Problem dar. Gut geübte Schauspielkünste verhindern den vollkommenen Untergang jegliches weiteren platonischen Kontaktes, in den seltensten Fällen wird das Verhältnis dadurch intensiviert.

Klingt das ganze jetzt zu hart? Sind wir ehrlich! Wie viele Personen in eurem Leben sind euch so nah, dass es eine Selbstverständlichkeit darstellt, ihnen in jeder Lebenslage zuzuhören, und andersrum, von wie vielen Leuten erwartet ihr das im Gegenzug? Hat nicht jeder seinen eigenen, begrenzten “Kreis des Vertrauens“, um es in den Worten von Robert de Niro, im Film “The Fockers”, auszudrücken?

Ich empfinde es schon so. In meinem Leben gibt es Einzelne, die sehr viel über mich wissen, die ich anrufe, wenn ich ein Problem habe. Leute, die mich ansprechen, wenn sie Hilfe brauchen. Auf der anderen Seite gibt es viele Freunde, mit denen ich immer Spaß habe, die ich sehr wohl zum Freundeskreis zähle, die ich auch vor jedem verteidigen würde. Doch fände ich es schlimm, wenn ich sie mit meinen persönlichen Problemen “nerven” würde, sie in den Umstand versetze, sich mir in einem Maß anzunehmen, dass belastender als produktiv ist. Auch würde es mich überraschen, sollte einer von ihnen zu mir mit einem ernsten Problem kommen. Nicht dass ich mich verschließen würde, wer mich um Hilfe bittet, für den tue ich was ich kann, jedoch wäre es genau die beschriebene, komische Situation von vorhin.

Die natürliche Bildung dieser engeren und entfernteren Freundeskreise, ist ein gute Sache, die unser Zusammenleben in Bahnen lenkt. In der Regel hat Jeder seine Freunde für das Persönliche, und mit dem Rest verbindet man eine unbefangene Freundschaft, die konstant, und frei von Stimmungsschwankungen ist. So sollte es, zumindest in der Theorie, sein, findet ihr nicht?

Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

29.05.2006 21:51
#2 RE: Floskeln und Freunde Antworten

Hallo Gusano,

Zitat
Stellt euch vor, euer Gegenüber sagt so etwas wie “nicht gut”, oder auf gut Deutsch “beschissen!”? Nach einem kurzen Stocken, und der obligatorischen Frage “warum?”, die eher aus Schock als aus Interesse die Lippen verlässt, hofft man inständig eine kurze, prägnante Antwort zu bekommen, mit welcher man sich nicht näher beschäftigen muss, mit der man zum nächsten Punkt im platonischen Gespräch übergehen kann. Ist dies nicht der Fall, sieht man sich in der unmöglichen Situation die oberflächliche Ebene zu verlassen, sich dem Individuum, das hier so ungefragt persönlich wird, anzunehmen und ihm einen ernstgemeinten Rat zu geben.



Musste beim Lesen schmunzeln. Das von dir beschriebene Verhalten der Menschen vornehmlich in der westlichen Bundesrepubblik machte mir kurz nach der Wende zu schaffen. Ich brauchte eine zeitlang, bis ich kapierte, dass man auf oben von dir genannte Fragen keine konkrete Antwort erwartet. Allerdings wäre es mir dann lieber, man fragt erst gar nicht so oberflächlich, sondern grüßt einfach kurz mit Hallo - das geht doch auch.
Ich hatte da mal ein Fundamentalerlebnis, als mich ein Arbeitskollege nach meinem Urlaub fragte: "Na wie war´s" Nach mehreren Sätzen merkte ich, wie unbehaglich es ihm wurde, er wollte lediglich ein "gut" hören. Das es so ist, das finde ich zumindest, das ist kein Naturgesetz. Wir sollten uns selbst überprüfen, und es eben, wenn es uns eigentlich gar nicht interessiert, es einfach bei einem kurzen "Hallo" belassen.

Gusano Offline



Beiträge: 53

30.05.2006 13:42
#3 RE: Floskeln und Freunde Antworten

Die Tatsache, dass es nur im Westen so sei, wusste ich gar nicht, ich dachte Deutschlandweit wäre das ein Phänomen. Zum guten Anstand gehört es, zumindest hier in Bayern, nach dem Befinden zu fragen, wobei jedem klar ist, dass es ein platonischer Teil des Gesprächs ist, der nicht in zu großem Maße beantwortet wird. Du hast Recht, wenn du sagst, dass es nicht natürlich sein sollte, jedoch ist es irgendwie zum Standard geworden, zumindest in meiner näheren Umgebung, die ich als klassisch ansah. Wenn im Osten, oder sonst wo, dies anders gehandhabt wird, finde ich das durchaus positiv!

Wanderin Offline



Beiträge: 179

30.05.2006 18:46
#4 RE: Floskeln und Freunde Antworten

Allerdings kann man in Baden-Württemberg so fast jeden Menschen mit 'Grüß Gott' grüßen, während man hier in Brandenburg/Berlin überlegen muss, ob man Hallo, Guten Tag, Guten Morgen oder sonstwas sagt.

Ich hatte mal ein Erlebnis, da wurde ich auch gefragt, wie es mir geht, und ich hab wohl zu missmutig gesagt: "Ganz gut." Denn da kam die Antwort: "Auweia, dann frag ich lieber nicht nach." War zwar im ersten Moment etwas merkwürdig, aber immerhin ehrlich.

Sicher sollte man nur fragen 'Warum gehts dir schlecht?' wenn man es ernst meint, andererseits käme ich mir auch etwas fies vor, wenn ich jemandem, dem es eindeutig schlecht geht, und der das auch sagt, nicht die Chance gebe, darüber zu reden. Es sei denn, ich merke schon an seinem 'nicht so gut', dieses 'geht dich aber nichts an'. Kommt natürlich auf die Person an, auf die Zeit die man hat usw.

Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

31.05.2006 10:48
#5 RE: Floskeln und Freunde Antworten

@Gusano
ich kann da nur von meinem Erleben berichten - ob es generell als Unterschied zwischen Ost und West gilt, das vermag ich nicht zu sagen. Und wenn, dann verwischt sich das immer mehr. Bei älteren Jahrgängen wie mir, wird sich das allerdings nicht mehr ändern. Und wenn ich frage "Wie geht es Dir?" dann will ich es auch wissen. Ansonsten belasse ich es bei einem "Hallo" oder "Guten Tag". Für mich sind Fragesätze die keine Antwort erwarten immer noch ein Zeichen für Oberflächlichkeit, auch wenn ich nun weiß, dass es eher was mit Erziehung zu tun hat, und die Betreffenden keinesfalls oberflächlich sein müssen. Es ist halt ein Vorurteil, welches aus unterschiedlichem Sprachgebrauch resultiert, und ich kämpfe dagegen an.

Viele Grüße

Gusano Offline



Beiträge: 53

31.05.2006 21:16
#6 RE: Floskeln und Freunde Antworten

Ich fände es falsch, jedem, der diese gewisse Unart besitzt, Oberflächlichkeit vorzuwerfen, was du glaub ich nicht tust, da sie meist aus Beobachtung seiner Umwelt und damit verbundener Anpassung resultiert. Dass du diesem Schauspiel den Kampf ansagst, finde ich gut! Es wäre mal, persönlich für mich, interessant, wenn ich Morgen einfach jedem, der fragt, etwas detailreicher die Frage nach dem Befinden beantworte, und schaue, wie die Reaktionen sind

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