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Dieses Thema hat 2 Antworten
und wurde 705 mal aufgerufen
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Felios Offline



Beiträge: 416

27.09.2006 16:35
RE: Die Gesellschaft klafft auseinander Antworten

Multi-Kulti - gelebte Toleranz - ein Gefühl der Solidarität, auch von EU-Ausländer zu Nicht-EU-Ausländer. Menschen mit Migrationshintergrund - euphemistische Beschreibung für Ausländer. Prüde viktorianische Einstellung. Negativer Unterton,als sei etwas daran auszusetzen. Aus Einwanderen werden Zuwanderer. Aus Schwarzen werden Afroamerikaner. China-Men sind Asian American (Walter). Es wird geheuchelt aus political correctness. Das Denken in den Köpfen bleibt aber gleich. Darum bringt es auch nichts, dem braunen Gedankengut einen Riegel vorzuschieben, indem man verfassungsfeindliche Kennzeichen von Demonstrationen verbietet, während es in einem Partykeller von deren Gesinnungsgenossen gelebt und herausgegeifert wird. Das Umdenken muss in den Köpfen erfolgen. Beunruhigendes Gefühl, abends eine Straße entlang zu laufen, in der eine Woche vorher ein Zivilist von Nazis verprügelt wurde, weil er zwischen einer Pöbelaktion von Nazis gegenüber einem Schwarzen schlichten wollte . Beunruhigend all diese Wahlplakate - nicht unbedingt beruhigender, wenn eine Justizministerin dieser rechtspopulistisch, ja extremen Parteien erst eine Woche vor der Wahl ihren Rücktritt erklärt, weil sie meinte, sie könne die ausländerfeindliche Kampagne ihrer Partei nicht mehr mittragen. Warum so spät ? Fragt das Oppossum zurecht. Es war doch schon länger deutlich, wesssen Geistes Kind diese Leute sind ? Ok, besser spät als nie - aber mal angenommen eine Justzministerin der NPD säße im Bundestag und behauptet nach 2 Jahren, sie könne die Ausländerfeindliche Politik dieser Partei nicht mehr mittragen. Wie glaubwürdig ist dies angesichts des geschichtlichen Hintergrunds dieser Partei und der nicht zu leugnenden Gewaltbereitschaft unter den Mitgliedern. Nicht alle sind so . Heißt es. Macht es das besser? Vom Hitler-Schwärmertum über Leugnung des Holocausts bis zum Hass gegen Minderheiten - das vertritt die partei offen, und da ist der nächste Schritt zur Gewalt nicht mehr weit. Es fehlen die Erfahrungen... die positiven Erfahrungen mit Ausländern. bei den Wahlplakaten wird vollmundig verkündet, man müsse die Asylgesetze verschärfen , mehr Menschen abschieben. Es seien 300.000 zuviel im Land. Worte. Zahlen. Schicksale. Hinter jeder zahl steckt ein Einzelschicksal. Darunter auch viele Menschen,die keine Wahl hatten ,als sie aus ihrem Land flüchten mussten und eine neue Bleibe gesucht haben. Die in unserem Land wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden.
Aber daran denkt keiner, der bei den rechten Parteien sein Kreuz macht oder beim Volksreferendum glaubt, sich dadurch sicherer fühlen zu können. Das Misstrauen, das in diesen Menschen steckt, wenn sie einen Fremden sehen. Ein bisschen Zurückhaltung schadet nie. Das ist unser Urinstinkt. Denn als der Mensch noch jung war, im Zeitalter gesehen, da musste er sich gegen Fremde verteidigen, damit die eigene Sippe überlebt hat. Daher ist die anfängliche Skepsis nicht automatisch fremdenhass. Zum Hass wird sie erst, wenn die Angst hinzukommt. Angst ist die Furcht vor Diffusem. Man kann es nicht konkretisieren. Was kann dieser Fremde mir alles antun? Es schwingt meist etwas Negatives mit. Der Schritt am Bürgersteig beschleunigt sich. Die Straßenseite wird gewechselt. Bis man diesen fremden, einen Inder oder einen Türken, einen Armenier oder einen Iraner plötzlich fließend deutsch reden hört. Tja, Angst unbegründet. Positive Erfahrung. Würde es nur mehr davon geben? In einem hatte der KPÖ-Obmann gestern im Fernsehen recht. Es ist etwas zynisch und paradox , einen Staat nicht in die EU zu lassen,weil sich dessen Kultur von unserer gravierend unterscheiden mag, weil sich das Rechtsverständnis der Türkei,wo Religion und Staat und Lebensstil untrennbar verwoben sind, nicht mit unserem vereinbaren lassen, aber auf der anderern Seite in Europa selbst eine Subkultur von den Reichen und von den Armen immer weiter auf dem Vormarsch ist, die die Länder ihrerseits in jene teilt, die Wohlstand besitzen, die sich teure Krankenbehandlungskosten leisten können und immer bestens versorgt werden - und in jene, die sich das nicht leisten können, die zu sechst in einer drei-zimmer wohnung leben, die jeden Tag jeden Pfennig dreimal umdrehen müssen, die sich davor schämen wenn sie in einem lebensmitteladen für mittellose einkaufen gehen müssen, die sich schämen ,weil sie arbeitslos sind und von anderen dafür noch niedergemacht werden, nach dem motto, wer keine arbeit hat, hat nicht verdient zu leben. Ehe wir uns die Probleme mit ausländischen Mitbürgern selbst herbeireden, aus einem Minderwertigkeitsgefühl heraus "die engen mich ein, überall nur noch ausländer, die nehmen die arbeitsplätze weg, die liegen dem staat auf der tasche", sollten wir auch auf uns selbst schauen, wie sehr sich innerhalb der gesellschaft bereits ein immer weiter klaffender riss aus armut und reichtum bildet, dass das , was christlich sozial sein soll, längst mich mehr die interessen der bedürftigen vertritt, dass das, was sozialdemokratisch oder sozialistisch sein soll, mit konzernen und banken verfilzt ist (siehe BAWAG-Skandal). Dass Prinzipien in dieser Gesellschaft offenbar nichts mehr wert sind, und Politiker, welche eine Vorbildsfunktion haben, sich gegenseitig öffentlich mit Dreck bewerfen und die Massen belügen, um die eigene Macht zu sichern. Wie machtlos sie wirklich sind, sieht man an dem Wiedererstarken der rechtsextremisten. Deren Vormarsch wäre nicht notwendig gewesen, wenn die demokratische Politik das halten könnte, was sie verspricht.

Felios

Gusano Offline



Beiträge: 53

27.09.2006 17:51
#2 RE: Die Gesellschaft klafft auseinander Antworten

Was würdest du dagegen tun?

Nicht falsch verstehen, ich halte dein Ausführungen für insgesammt richtig, aber wie sollte man dem entgegenwirken, was können WIR tun?

Schreiberling Offline




Beiträge: 2.222

29.09.2006 07:30
#3 RE: Die Gesellschaft klafft auseinander Antworten

@Felios
Die Angst, von der du sprichst entspringt einem allgemeinen Lebensgefühl. Massenarbeitslosigkeit (und 10% offiziell ist für mich Massenarbeitslosigkeit) erzeugt Drcuk. Druck auf Menschen, die keinen Job haben und in der entsolidarisierten Gesellschaft langsam aber sicher dem Abgrund entgegen rutschen und Druck auf die Menschen die noch Arbeit haben, aber natürlich Angst entwickeln, sie könnten womöglich ohne eigenes Zutun ebenso auf die schiefe Bahn des sozialen Falls geraten.

Hinzu kommt eine Ohnmacht, ein diffuses Gefühl, anderen ausgeliefert zu sein. Zum Beispiel den Stromkonzernen, die die Preise stetig erhöhen und von den gemachten Gewinnen Milliarden ins Ausland investieren, oder den Ölkonzernen, die die Preise gestalten, wie sie wollen, der Verbraucher ist eh abhängig, einen Markt gibt es nur noch auf dem Papier. Oder diese Gefühl, wenn der Staat schon wieder zuschlägt und den kleinen Leuten in die Tasche greift. Die Wahl in Berlin war gerade zu Ende, da lassen die Grünen einen Korken fliegen - Autoparksteuern für ganz Berlin. Ärgerlich ist das nicht mehr, wie sich Politiker immer neue Möglichkeiten ausdenken, die Allgemeinheit zu schröpfen, es erzeugt Wut. In Berlin erhöht die BVG wieder die Tarife. Nun soll man 2,40 Euro für die einfache Fahrt bezahlen. Der Kunde wähnt sich wehrlos. Dieses Gefühl stellt sich auch ein, wenn der Vermieter mal wieder die Miete erhöht, ohne auch nur einen Handschlag für die Wohnqualität getan zu haben. Es ließe sich noch so vieles aufzählen.
Dabei geht es nicht allen so, wenn man genau hinschaut.

Die Reichen, die ohnehin nicht mehr wissen, was sie mit dem Zaster anstellen sollen, die werden immer reicher, nahezu automatisch - die Steuerentlastung ist immens - noch so eine Ungerechtigkeit.

Die Ohnmacht haben aber auch Politiker. Sie retten sich in außenpolitische Abenteuer. Mittlerweile marschiert Deutschland wieder - in Afghanistan sinnlos ohne Konzept was man da eigentlich will und wen man vor wem beschützt; im Libanon angeblich als neutrale Partei, jedoch mit der Einstellung Israel müsse geschützt werden; Am Horn von Afrika - das klingt so wildromantisch, kostet uns aber weitere Millionen Euro; in Ex-Jugoslawien - das wir zu zerstören halfen. Es schwafelt sich herrlich über globale Dinge. Das ist verbrauchte Redezeit, wo keiner merken soll, das man innenpolitisch keine Ideen mehr hat.

Und wie kompensieren wir unsere Ängste, unsere Ohnmächte? Manche betäuben sie in Alkohol oder anderen Drogen, viele verdrängen sie einfach und leben eine "Spaßgesellschaft", andere geben einfach auf, lassen sich gehen, manche versuchen zu protestieren, und wenige (zum Glück) marschieren wieder.

Wie kann man das ändern? Indem man sich solidarisiert, auf das besinnt, was wohl alle Menschen wollen. Ein Auskommen mit dem Einkommen, einen Job, Familie, Freunde, Lieben und Lachen und Rahmenbedingungen, die das ermöglichen. Sowas muss nicht teuer sein. Gebt den Rechten Arbeit. Jemand der sein Brot selbst verdient, hat keine Lust für immer neue Fahnenmärsche, er will das Geld sinnvoller ausgeben. Haben die Menschen eine Zukunft, sind sie zufrieden.

Und man sollte viel öfter protestieren, wenn einen das Ohnmachtsgefühl beschleicht. Es gibt viele Möglichkeiten, zivilen Widerstand zu leisten - hierzu muss man sich nur entquemen. Nicht länger rumschubsen lassen!

Fremdenhass ist nur ein Symptom einer kranken Gesellschaft, die für viele ihrer Mitglieder keine Perspektiven mehr bietet. Schafft Perspektiven und der Fluch löst sich auf. Bis auf ganz wenige unverbesserliche, aber die können wir ruhig zulassen, ich lache gern.

Viele Grüße

[ Editiert von Administrator Schreiberling am 29.09.06 7:31 ]

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