„Lara. Lara…schwing jetzt deinen fetten Arsch aus dem Bett und geh in die Schule. Jeden Morgen das Selbe. Langsam reicht es mir. Los!“ Wütend zog mir mein Stiefvater die Bettdecke vom Kopf. „Lass mich in Ruhe. Ich will nicht in die Schule!“, brüllte ich wütend zurück und versuchte, ihm die Decke wieder zu entziehen. „Das kannst du vergessen. Du gehst in die Schule. Basta. Ich hab keine Lust mehr auf deine ewigen Rumzickereien “, brüllte dieser zurück. Dann begann er, gewaltsam meine Hände von der Bettdecke zu lösen. Ich schrie und wollte ihn abschütteln, doch er war einfach zu stark. Als ich seine Hände weg schlagen wollte, sauste auch schon seine Rechte auf meine Wange nieder. Ich schrie vor Schmerz und verpasste ihm einen Tritt gegen seinen Bauch, der in zurücktaumeln lies. Wütend viel er zu Boden, als er über eines meiner Bücher stolperte. Ich krümmte mich auf meinem Bett zusammen und machte mich auf das gefasst, was jetzt noch kommen würde. Und das lies nicht lange auf sich warten. Schon spürte ich Faustschläge auf meinen Körper niederprasseln und Tränen rannen meine Wangen hinunter. Plötzlich hörte ich eine Tür knallen und die Schläge hörten auf. „Lass meine Schwester in Ruhe du mieses Stück Dreck“, hörte ich meinen Bruder brüllen, gefolgt von dumpfen Schlägen. Sofort setzte ich mich auf und sah noch, dass er mit voller Gewalt auf meinen Stiefvater einschlug. Meine Mutter stand im Türrahmen und tat wie immer dasselbe. Nichts! Sie war nach dem Tod meines Vaters in ein tiefes Loch gefallen. Sie hatte ihren Job verloren war Alkoholikerin geworden und hatte keinen Sinn mehr in ihrem Leben gefunden. Die hübsche, kluge, stilsichere und disziplinierte Frau von früher, konnte man in ihr nicht mal mehr in guten Momenten sehen. Besonders als sie Jeff, dieses Arschloch, kennenlernte, der sie immer weiter in das Loch hineinzog. Er hatte keinen Job und auch absolut kein Respekt vor Frauen jeglicher Art. Gewalt war an der Tagesordnung. Doch meine Mutter war blind vor Liebe. Sie kapierte nicht, was sie sich selbst und auch uns damit antat. Mein Bruder schlug noch immer auf Jeff ein. Blut tropfte auf meinen schäbigen Teppichboden. Auch aus unserem Haus mussten wir ausziehen, nachdem meine Mutter all das geerbte Geld, das uns eine Gute Zukunft nach Papas Tod bringen sollte, in Alkohol und alles Mögliche investiert hatte, nur nicht in uns. Unser Haus, auf das Papa so lange hingespart hatte, musste einer schäbigen Wohnung weichen, die eine Restaurierung absolut nötig hatte. Doch dafür fehlte das Geld. Meine Mutter kümmerte sich einen Dreck darum, wie wir lebten und in was wir hausten. Sie hatte ihr Leben, mit dem sie scheinbar zufrieden war. Wie wir litten, interessierte sie nicht. Ich hatte sie verloren. Schon vor langer Zeit. Ich hatte mit Papas Tod nicht nur ihn, sondern auch alles andere verloren. Nur mein Bruder. Der hielt immer zu mir. Er beschützte mich, naja versuchte es wenigstens. Er war zwei Jahre älter als ich und steckte gerade mitten in seiner Ausbildung zum Personenbeschützer, besser Bodyguard genannt. Er war das einzige, was mir noch geblieben war. Meine Großeltern waren zu alt. Sie wohnten am anderen Ende der Welt, nachdem wir damals vor sieben Jahren nach America ausgewandert waren. Einen so weiten Flug von Deutschland hierher würden die beiden nicht überleben. Außer das Geld, das sie mir und meinem Bruder regelmäßig schickten, konnten sie nicht viel tun. Und die Eltern meines Vaters waren schon seit langem tot. Ich hatte sie nicht einmal mehr kennengelernt. „LUKAS…LUKAS..hör auf!“, brüllte nun auch meine Mutter, die sich nun endlich einmal in Bewegung gesetzt hatte. Doch sie wollte nicht ihrem Sohn helfen. Nein natürlich nicht. Sie war darauf bedacht, dass ihrem ach so wunderbaren Jeff nichts passierte. Das war für sie immerhin das Wichtigste. Wütend zerrte sie an Lukas’s Armen, bis dieser endlich loslies. „Los Lara zieh dich an. Ich fahr dich in die Schule. Beeil dich. Ich muss hier raus!“, rief dieser mir zu und stürmte aus dem Zimmer. Jeff wollte ihm hinterher rennen, doch meine Mutter hielt ihn auf. Das einzig Gute, was sie an diesem Morgen machen konnte. Schnell sammelte ich meine Sachen zusammen, verschwand im Bad. Ich sah in den Spiegel. Meine rechte Wange war knallrot. Blut klebte mir in meinem Mundwinkel, nachdem meine Lippe aufgesprungen war. Meine Arme waren übersäht von blauen Flecken. Ich war dünn. Sehr dünn. Kein Wunder, wenn man nichts mehr zum essen bekam. Jedenfalls nicht viel. Auch auf meinen knochigen Beinen zeichneten sich blaue Flecken ab. Mein Körper war lädiert. Überall. Ich versuchte das Schlimmste in meinem Gesicht zu beseitigen und legte etwas Make Up auf, das ich mir von meinem Geburtstagsgeld kaufen konnte. Schnell bürstete ich mein rotes Haar und zog mir einen langen Pulli und eine lange Hose an. Es war Hochsommer hier in Kalifornien, doch keiner sollte meine Flecken sehen. Keiner sollte erfahren, wie es bei mir zu Hause abging. Obwohl sie es wahrscheinlich eh schon wussten.